© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 138/18 Zur Vereinbarkeit eines Exportverbots von Rüstungsgütern mit dem Recht der Europäischen Union Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 2 Zur Vereinbarkeit eines Exportverbots von Rüstungsgütern mit dem Recht der Europäischen Union Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 138/18 Abschluss der Arbeit: 20.09.2018 Fachbereich: PE 6 – Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Die von einem Verbot betroffenen Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter 4 3. Zuständigkeit für ein (generelles) Exportverbot von Rüstungsgütern 4 3.1. Vorbemerkung zur Zuständigkeit 4 3.2. Ausschließliche Zuständigkeit der EU im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik 5 3.3. Maßnahme im Rahmen der GASP 5 3.4. Restriktive Maßnahme 6 3.5. Ausnahmen bei wesentlichen Sicherheitsinteressen 7 3.5.1. Anwendungsbereich von Art. 346 AEUV 7 3.5.2. Anwendbarkeit auf den Rüstungsexport in Drittstaaten 8 3.5.3. Sonderfall: GASP 8 3.6. Geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten 9 4. Unionsrechtliche Beschränkungen eines Exportverbotes für Rüstungsgüter 10 4.2.3. Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen, Art. 346 AEUV 12 4.3. Unionsgrundrechte 14 4.3.1. Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte 15 4.3.2. Betroffenheit der unternehmerischen Freiheit, Art. 16 GRCh und Rechtfertigung von Eingriffen 16 5. Fazit 17 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung untersucht die Vereinbarkeit eines Verbots des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern mit dem Recht der Europäischen Union (EU). 2. Die von einem Verbot betroffenen Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter Unter dem Begriff Rüstungsgüter werden solche Waren verstanden, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)1 aufgeführt sind und nur mit einer gültigen Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden dürfen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV). Erfasst werden hiernach Güter, die vorrangig oder ausschließlich einer militärischen Verwendung dienen, d.h. Waffen und Munition jeglicher Art sowie Zubehör, Ersatzteile oder Befestigungsvorrichtungen für Waffen , gepanzerte Fahrzeuge, Schutzvorrichtungen oder Schutzkleidung sowie einschlägige Software oder Technologien. Eine besondere Kategorie der allgemeinen Rüstungsgüter bilden Kriegswaffen , d.h. die in der Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz2 aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen, die zur Kriegsführung bestimmt sind. Auf der Ebene des Unionsrechts werden die vom Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern erfasste Ausrüstung in der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union3 detailliert aufgeführt. Nicht behandelt wird ein mögliches Ausfuhrverbot von dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 428/20094 unterfallenden Dual-Use Gütern, d.h. von Wirtschaftsgütern, die für zivile Zwecke produziert wurden , aber auch im militärischen Bereich verwendet werden können. 3. Zuständigkeit für ein (generelles) Exportverbot von Rüstungsgütern 3.1. Vorbemerkung zur Zuständigkeit Zunächst bedarf es der Klärung, ob für ein solches Exportverbot die EU oder die Mitgliedstaaten die Regelungskompetenz besitzen. Wären hierfür die Mitgliedstaaten (ausschließlich) zuständig, können sie eine derartige Regelung prinzipiell erlassen, müssten dabei allerdings – soweit einschlägig – europarechtliche Vorgaben beachten. Wenn hingegen die Union für diese Frage ausschließlich zuständig ist, darf ein Mitgliedstaat eine derartige Regelung nicht erlassen, sofern er nicht von der EU hierzu ermächtigt wird oder Rechtsakte der EU durchführt (Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 1 Außenwirtschaftsverordnung vom 2.8.2013 (BGBl. I S. 2865), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 13.12.2017 (BAnz AT 20.12.2017 V1). 2 Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1990 (BGBl. I S. 2506), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872). 3 Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union des Rates vom 26. Februar 2018, ABl. C 98/1, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018XG0315(01)&qid=1536740610897&from=DE. 4 Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck , ABl. L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R0428&qid=1495616113477&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 5 AEUV). Besteht eine zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit, können die Mitgliedstaaten tätig werden, solange und soweit die EU hierzu keine Regelungen erlassen hat (Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV). Bei parallelen Zuständigkeiten können hingegen die Union und die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen. Die Zuständigkeit wird durch den Sachbereich bestimmt , zu dem eine Regelung gehört. Ein Exportverbot von Rüstungsgütern könnte verschiedenen Sachbereichen zugeordnet werden: der gemeinsamen Handelspolitik, der Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik (GASP) oder den restriktiven Maßnahmen (Art. 215 AEUV). Welches Politikgebiet einschlägig ist hängt von der konkreten Begründung ab, auf die ein Exportverbot von Rüstungsgütern gestützt wird. 3.2. Ausschließliche Zuständigkeit der EU im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV weist der EU die ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik zu. Grundsätzlich fallen Exportrestriktionen in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, zu der gemäß Art. 207 Abs. 1 AEUV der Export von Waren und Dienstleistungen in Staaten außerhalb der Union zählt. Da laut EuGH die Natur von Produkten sie nicht dem Geltungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik entzieht,5 dürfte viel dafür sprechen, dass auch Bestimmungen bezüglich des Exports von Rüstungsgütern grundsätzlich in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fallen. So entschied der EuGH 1995, dass „eine Maßnahme, die die Verhinderung oder Beschränkung der Ausfuhr bestimmter Güter wie der in der Vorlagefrage beschriebenen bewirkt, dem Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nicht mit der Begründung entzogen werden [kann], daß mit ihr außen- und sicherheitspolitische Zwecke verfolgt würden.“6 Die ausschließliche Zuständigkeit der Union führt zu einer generellen Sperrwirkung gegenüber den Mitgliedstaaten, so dass diese keine Rechtsakte in diesem Bereich erlassen dürfen, es sei denn, sie wurden hierzu von der Union ermächtigt oder sie führen Rechtsakte der Union durch (vgl. Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 AEUV).7 3.3. Maßnahme im Rahmen der GASP Ein Exportverbot könnte auch als Maßnahme der GASP beschlossen werden. Hierfür streitet, dass die EU im Jahr 2000 Kontrollbestimmungen (Verbot oder Genehmigungspflicht) für die technische Unterstützung bestimmter militärischer Endverwendungen als Gemeinsame Aktion 2000/401/GASP im Rahmen der GASP festgelegt hat,8 die in Deutschland mit der Regelung in 5 EuGH, Urt. v. 17.10.1995, Rs. C-83/94 (Leifer), Rn. 11. 6 EuGH, Urt. v. 17.10.1995, Rs. C-70/94 (Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen), Rn. 10. 7 Vgl. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7.Aufl. 2015, Art. 2 AEUV, Rn.16. 8 Gemeinsame Aktion 2000/401/GASP des Rates vom 22. Juni 2000 betreffend die Kontrolle von technischer Unterstützung in bezug auf bestimmte militärische Endverwendungen, ABl. vom 30. Juni 2000, L 159/216, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2000:159:0216:0217:DE:PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 6 § 49 AWV umgesetzt worden sind.9 Zudem hat der Rat im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP10 für die beim Transfer von Militärtechnologie und Militärgütern von allen Mitgliedstaaten zu befolgende Mindeststandards festgelegt. Unionsseitig beschlossene Exportverbote können mithin dem Bereich der GASP, der alle Bereiche der Außenpolitik sowie sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union umfasst, unterfallen. Mit Blick auf Art. 40 EUV, wonach eine Maßnahme, die auf Grundlage des AEUV erlassen werden könnte, die EU diese nicht auf eine unter die GASP fallende Rechtsgrundlage stützen darf,11 bestehen erhebliche Abgrenzungsprobleme, ob Maßnahmen zur Rüstungsbeschränkung auf Art. 28 EUV oder auf eine Kompetenznorm des AEUV zu stützen sind. Nach Maßgabe des Art. 40 EUV darf eine Maßnahme nicht auf eine GASP-Kompetenz des EUV gestützt werden, „wenn ihr Hauptzweck sowohl ihrer Zielsetzung als auch ihrem Inhalt nach in der Umsetzung einer nach dem EG-Vertrag der Gemeinschaft zugewiesenen Politik besteht und sie somit wirksam auf der Grundlage des EG-Vertrags [nunmehr AEUV] hätten erlassen werden können…“.12 Vor diesem Hintergrund ließe sich ein Exportverbot von Rüstungsgütern nur auf Art. 28 EUV stützten, wenn damit sowohl hinsichtlich Zielsetzung als dem Inhalt eines solchen Vorhabens nach sein Hauptzweck politische Ziele auf dem Gebiet der GASP verfolgt werden. 3.4. Restriktive Maßnahme Art. 215 AEUV öffnet die gemeinsame Handelspolitik im Bereich der Embargomaßnahmen für die GASP.13 Gemäß Art. 215 Abs. 1 AEUV erlässt der Rat restriktive Maßnahmen, wenn ein Beschluss im Rahmen der GASP die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern vorsieht.14 Art. 215 AEUV normiert mithin ein zweistufiges Verfahren, in dem er einen intergouvernementalen GASP-Beschluss mit supranationalem Unionsrecht verknüpft.15 Auf Grundlage des Art. 215 AEUV und vorangehender GASP-Beschlüsse kann die EU ein Waffenembargo verhängen.16 Allerdings ist Art. 215 AEUV ausweislich seines Titels auf restriktive Maßnahmen ausgelegt. Er dient 9 Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 2017, § 49 AWV, Rn. 1. 10 Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern, ABl. L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008E0944&qid=1507800765256&from=DE. 11 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 20.05.2008, Rs. C-91/05, Rn. 77. 12 EuGH, Urt. v. 20.05.2008, Rs. C-91/05, Rn. 60. 13 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 40 EUV, Rn. 7. 14 Niestedt, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 3. Egl. Oktober 2013, 50. Systematische Darstellung von Embargo- und Sanktionsmaßnahmen, Rn. 58. 15 Osteneck, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 215 AEUV, Rn. 15. 16 Bungert, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 215 Rn. 17; Schneider/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 53. Egl, Mai 2014, Art. 215 AEUV, Rn. 37; Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 215 AEUV, Rn. 13. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 7 nach Ansicht in der Literatur der Ausübung von Druck auf einen oder mehrere Drittstaaten oder natürliche bzw. juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten, um ein im Rahmen der GASP definiertes, also nicht rein handelspolitisches, Ziel zu erreichen.17 3.4.1. Ausnahmen bei wesentlichen Sicherheitsinteressen Auch soweit die EU im Rahmen ihrer Zuständigkeit Regelungen zum Export von Rüstungsgütern trifft, eröffnet Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV den Mitgliedstaaten dazu eigenständige Entscheidungsbefugnisse . „Jeder Mitgliedstaat kann die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen; […].“ 3.4.2. Anwendungsbereich von Art. 346 AEUV Gemäß Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV kann ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergreifen, die von den auf EU-Ebene getroffenen Maßnahmen abweichen oder über diese hinausgehen. Zur Rechtfertigung unilateraler Maßnahmen müssen die auf EU-Ebene getroffenen Maßnahmen zur Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen des betreffenden Mitgliedstaats nicht ausreichen. Zur gerichtlichen Kontrolle der Maßnahme ist vom jeweiligen Mitgliedstaat zudem substantiiert darzulegen, welche spezifischen Sicherheitsinteressen genau einen nationalen Alleingang erfordern.18 Mit Blick auf die Anwendung von Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV ist anzumerken, dass die dogmatische Einordnung der Norm variiert. Einige Autoren sehen in der Norm die Begründung einer parallelen oder geteilten Kompetenz von Union und Mitgliedstaaten im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik unter sicherheitspolitischen Aspekten.19 Danach lässt die Ermöglichung von unilateralen Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten die ausschließliche Zuständigkeit der EU gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV iVm Art. 207 AEUV unberührt, begründet in dem von Art. 346 AEUV erfassten Bereich jedoch eine geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten.20 Andere Autoren sehen in der Norm die Grundlage (einer Rechtfertigung) für ein nationales Abweichen von den Bestimmungen des Unionsrechts.21 Ungeachtet dieser dogmatischen Unterschiede besteht insoweit Einigkeit, das Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV den Mitgliedstaaten den Erlass von nationa- 17 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 215 AEUV, Rn. 20; Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 215 AEUV, Rn. 14. 18 Vgl. EuGH, Rs. C-284/05 (Kommission/Finnland), Rn. 47; EuGH, Rs. C-38/06 (Kommission/Portugal), Rn. 64; EuGH, Rs. C-246/12 P (Ellinika Nafpigeia/Kommission), Rn. 18. 19 Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 1; Karpenstein, in: Schwarze, EU-Kommentar , 3. Aufl. 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 2 und 12. 20 Vgl. Kokott, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 1. 21 Dittert, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 346 AEUV, Rn. 25; Weiß, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 57. Egl. August 2015, Art. 207 AEUV, Rn. 90; Boysen, in: von Arnauld, Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 9, Rn. 45. Einen Rechtfertigungsgrund bejaht auch Karpenstein, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 8 len Regelungen im Bereich des Rüstungsexports unter Abweichung von den Vorgaben des Unionsrechts ermöglicht.22 Demnach können Maßnahmen, die den Handel mit Rüstungsgütern betreffen , unter den Voraussetzungen des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV durch die Mitgliedstaaten vorgenommen werden. 3.4.3. Anwendbarkeit auf den Rüstungsexport in Drittstaaten Der Anwendungsbereich von Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV bezieht sich dem Wortlaut nach auf Maßnahmen betreffend die Produktion und den Handel mit bestimmten, durch den Rat festgelegten 23 Rüstungsgütern. Die Bestimmung ermöglicht den Mitgliedstaaten den Erlass von nationalen, von unionsrechtlichen Maßnahmen abweichenden Maßnahmen, sofern diese aus Sicht eines Mitgliedstaates erforderlich sind, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren. Die Aufrüstung von Drittstaaten berührt in aller Regel wesentliche Sicherheitsinteressen eines Staates. Folglich tangiert nach Ansicht der Literatur der Export von Waffen und eindeutig militärischen Zwecken dienendem Material immer die Sicherheitsinteressen eines Staates.24 In diese Richtung geht auch die Argumentation des EuGH, der angesichts der Schwierigkeit, die Sicherheitslage eines Staates isoliert zu betrachten, zu dem Ergebnis gekommen ist, „dass die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker die Sicherheit eines Mitgliedstaats beeinträchtigen kann“25 und folgerte daraus bereits für Dual-use- Güter, „daß ein Mitgliedstaat ausnahmsweise gemäß Artikel 11 der Verordnung nationale Maßnahmen zur Beschränkung der Ausfuhr von Dual-use-Waren in Drittländer erlassen kann, wenn er dies für erforderlich hält, um die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker, die die öffentliche Sicherheit eines Mitgliedstaats im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen kann, zu verhindern.“26 3.4.4. Sonderfall: GASP In der Literatur ist umstritten, ob Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV auch auf Maßnahmen im Bereich der GASP Anwendung findet. So vertritt beispielsweise Jaeckel die Ansicht, dass Mitgliedstaaten 22 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 346 AEUV, Rn. 6; Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der EU, 46. Egl, Stand: Oktober 2011, Art. 346 AEUV, Rn. 3; Karpenstein, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 1. 23 Aufgestellt durch Beschluss Nr. 255/58 des Rates, einsehbar in der schriftlichen Anfrage E-1323/2001 vom 3. Mai 2001, ABl. C 364 E, S. 85 sowie in Auszügen in den Rats-Dok. 14538/08 und Rats-Dok. 14538/4/08 REV 4; vgl. hierzu EuG, Rs. T-26/01 (Fiocchi Munizioni/Kommission), Rn. 61; EuGH, Rs. C-337/05 (Kommission/ Italien), Rn. 47 f. 24 Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 46. Egl. Oktober 2011, Art. 346 AEUV, Rn. 14. 25 EuGH, Rs. C-83/94 (Leifer), Rn. 28. 26 EuGH, Rs. C-83/94 (Leifer), Rn. 30. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 9 sich nicht auf Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV berufen können, um von GASP-Maßnahmen abzuweichen .27 Dittert geht hingegen davon aus, dass Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV auch zur nationalen Abweichung von GASP-Maßnahmen berechtigt.28 Diese Ansicht findet eine Stütze im Wortlaut des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV, denn gemäß Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV stehen die Vorschriften der Verträge (damit ist neben dem AEUV auch der EUV, in dem die Bestimmungen zur GASP enthalten sind, umfasst) Maßnahmen der Mitgliedstaaten für die Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen nicht entgegen. 3.5. Geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten Geht man von der Deutung des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV aus, nach der diese Norm eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit schaffe,29 könnte eine Beschränkung der Befugnis der Mitgliedstaaten in dem von Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV erfassten Bereich zur Einführung nationaler Regelungen zur Begrenzung des Exports von Rüstungsgütern dann bestehen , wenn und soweit die EU von ihren Zuständigkeiten in diesem Bereich Gebrauch gemacht hat und hierdurch ein eigenständiges Handeln der Mitgliedstaaten gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV gesperrt wäre.30 Für den Bereich des Handels mit Rüstungsgütern innerhalb der Union hat der Unionsgesetzgeber die Richtlinie 2009/43/EG31 (im Folgenden: RL 2009/43/EG) erlassen. Die Richtlinie dient der Harmonisierung von Vorschriften und Verfahren für die Verbringung von Verteidigungsgütern in der Union (vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 2009/43/EG). Dies betrifft insbesondere das Genehmigungsverfahren für die Verbringung dieser Güter (vgl. Art. 4 ff. RL 2009/43/EG). Ausfuhrbeschränkungen werden lediglich durch Art. 10 RL 2009/43/EG geregelt. Die Vorschrift bezieht sich aber nur auf bereits in der Genehmigung enthaltene Ausfuhrbeschränkungen, nicht aber über die Modalitäten der Ausfuhr und damit zusammenhängende Beschränkungen. Die RL 2009/43/EG verfolgt auch nicht das Ziel, die Modalitäten der Ausfuhr von Verteidigungsgütern in andere Mitgliedstaaten zu regeln. Dementsprechend sah bereits der Entwurf der Kommission lediglich eine Vereinheitlichung der Genehmigungsverfahren innerhalb der Gemeinschaft vor.32 Zudem berührt die Richtlinie nicht die Politik der Mitgliedstaaten bezüglich solcher Rüstungsgüter, die durch das Gebiet 27 Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 46. Egl. Oktober 2011, Art. 346 AEUV, Rn. 10. 28 Dittert, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 346 AEUV, Rn. 1. 29 Siehe oben 3.5.1. 30 Vgl. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7.Aufl. 2015, Art. 2 AEUV, Rn. 25; Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 2 AEUV, Rn. 11. 31 Richtlinie 2009/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingung für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern, ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009L0043-20160928&qid=1495639077630&from=DE. 32 Vgl. 2007/0279 (COD), S. 2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 10 der Union lediglich durchgeführt werden.33 Sie soll auch nicht die Anwendung von Bestimmungen beschränken, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind.34 Aus der RL 2009/43/EG ergeben sich somit keine Beschränkungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Erlass von staatlichen Regelungen, die die Ausfuhr von Verteidigungsgütern betreffen und aus Sicht der Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind. Die Verordnung (EU) Nr. 258/201235 regelt die Genehmigungserfordernisse und Grundsätze des Genehmigungsverfahrens für die Ausfuhr der in Anhang 1 dieser Verordnung aufgeführten Feuerwaffen , ihrer Teile, wesentlicher Komponenten und Munition sowie die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung verweigern müssen. Einem (generellen) Exportverbot der dem Anwendungsbereich dieser Verordnung unterfallenden Feuerwaffen, wesentlicher Komponenten und Zubehör stünde diese Regelung nicht entgegen, was insb. Erwägungsgrund 9 dieser Verordnung verdeutlicht, wonach diese die Anwendung von Artikel 346 Abs. 1 lit. b) AEUV mit Blick auf die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten unberührt lasse. Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern36 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur wirksamen Waffenausfuhrkontrolle, eine Überprüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigung für die in der Gemeinsamen Militärgüterliste37 (Art. 12 Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP) aufgeführten Gegenstände anhand der in Art. 2 dieses Rechtsaktes aufgeführten Kriterien vorzunehmen , schließt hingegen nationale Regelungen zum (generellen) Verbot der Ausfuhr von Rüstungsgütern nicht aus. 4. Unionsrechtliche Beschränkungen eines Exportverbotes für Rüstungsgüter Die Einführung eines Exportverbotes für Rüstungsgüter müsste sowohl mit dem primären als auch mit dem sekundären Unionsrecht vereinbar sein. 33 Erwägungsgrund 6 RL 2009/43/EG. 34 Erwägungsgrund 10 RL 2009/43/EG. 35 Verordnung (EU) Nr. 258/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Umsetzung des Artikels 10 des Protokolls der Vereinten Nationen gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (VN- Feuerwaffenprotokoll) und zur Einführung von Ausfuhrgenehmigungen für Feuerwaffen, deren Teile, Komponenten und Munition sowie von Maßnahmen betreffend deren Einfuhr und Durchfuhr, ABl. L 94/1, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012R0258&qid=1536842308745&from=DE. 36 Fn. 10. 37 Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union, vom Rat am 26. Februar 2018 angenommen, ABl. L 98/1, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018XG0315(01)&qid=1536845260370&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 11 4.1. Vereinbarkeit mit Sekundärrecht Als Prüfungsmaßstab für die Einführung eines Ausfuhrverbotes von Rüstungsgütern könnte die Verordnung (EG) 2015/479 in Betracht kommen.38 Nach Artikel 1 dieser Verordnung sind die Ausfuhren der Union nach dritten Ländern frei, d. h. keinen mengenmäßigen Beschränkungen unterworfen, mit Ausnahme derjenigen, die in Übereinstimmung mit dieser Verordnung Anwendung finden. Der Begriff der Ware erfasst alle Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und Gegenstände von rechtmäßigen Handelsgeschäften sein können.39 Zu diesen Erzeugnissen gehören auch Rüstungsgüter. Allerdings können staatliche Maßnahmen auf Grundlage vorrangiger primärrechtlicher Regelungen dem Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/479 entzogen sein.40 Eine solche vorrangige Regelung ist Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV.41 Das hier in Frage stehende Exportverbot für Rüstungsgüter betrifft die Ausfuhr und damit den Handel mit Rüstungsgütern. Erfolgt diese Regelung aus einem wesentlichen Sicherheitsinteresse des Mitgliedstaates und betrifft sie Güter, die in der Liste des Rates nach Art. 346 Abs. 2 AEUV stehen, fällt diese Regelung in den Anwendungsbereich des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV. Unter dieser Prämisse ist die Verordnung (EU) 2015/479 auf ein Exportverbot von Rüstungsgütern nicht anwendbar. 4.2. Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit Ein Exportverbot von Rüstungsgütern ist nur insoweit an der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) zu messen, 42 als hiervon der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen ist. Für den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten findet die Warenverkehrsfreiheit keine Anwendung. 4.2.1. Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit Gemäß Art. 34 und 35 AEUV sind mengenmäßige Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. 38 Vgl. Erwägungsgrund 10 Verordnung (EG) 2015/479; Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt, Eu-Außenwirtschafts - und Zollrecht, 3.Ergänzungslieferung (Oktober 2013), Art.1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn.1. 39 Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn. 11. 40 Erwägungsgrund 4 Verordnung (EG) 2015/479; Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts - und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn. 13, Art. 10 VO (EG) Nr. 1061/2009, Rn. 8. 41 Vgl. Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 10 VO (EG) Nr. 1061/2009, Rn. 9. 42 Zur Abgrenzung vom freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und der Konkurrenz der Anwendungsbereiche beider Grundfreiheiten, die sich nach den Bedingungen des konkreten Einzelfalls bestimmt, vgl. EuGH, Rs. C-275/95 (Schindler), Rn. 22 ff.; EuGH, Rs. C-452/04 (Fidium), Rn. 32; EuGH, verb. Rs. C-403/08 und C-429/08 (Football Association Premier League), Rn. 78 f.; EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 43 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 12 Waren sind Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können.43 Grundsätzlich fallen auch Rüstungsgüter unter die Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit einschließlich der Zollunion.44 Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV ist zudem erforderlich, dass die Waren aus einem Mitgliedstaat stammen oder aus dritten Ländern in den freien Verkehr der Mitgliedstaaten eingeführt worden.45 Gem. Art. 34, 35 AEUV ist aber nur die Ein- oder Ausfuhr von Waren zwischen den Mitgliedstaaten geschützt. Es bedarf daher eines grenzüberschreitenden Sachverhalts,46 der im Falle des Rüstungsexportes regelmäßig vorliegt. 4.2.2. Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit Die Einführung eines Exportverbots für Rüstungsgüter führte zu einem Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit, wenn dies zu einer mengenmäßigen Beschränkung der Ein- und Ausfuhr führt oder als Maßnahme gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten anzusehen ist. 4.2.3. Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen, Art. 346 AEUV Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit könnte gem. Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV gerechtfertigt werden, wonach die Vorschriften der Verträge die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, im Zusammenhang mit der Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial, die in der von Art. 346 Abs. 2 AEUV in Bezug genommen Liste aufgeführt sind, sowie dem Handel damit die Maßnahmen zu ergreifen, die ihres Erachtens für die Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind. Dabei besitzt Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV in seinem Anwendungsbereich eine allgemeine Tragweite, die alle allgemeinen Vorschriften des Primärrechts und mithin auch die Grundfreiheiten berühren kann. Nach Art. 346 Abs. 1 lit. b. Hs. 2 AEUV dürfen die auf dieser Grundlage ergriffenen Maßnahmen nicht die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt hinsichtlich der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren beeinträchtigen. Indem Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV bestimmt, dass er nicht dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat in Bezug auf die betreffenden Tätigkeiten die Maßnahmen ergreift, die „seines Erachtens“ für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen „erforderlich“ sind, räumt diese Vorschrift den Mitgliedstaaten außerdem ein besonders weites Ermessen bei der Beurteilung der Bedürfnisse 43 EuGH, Rs. C-7/68 (Kommission/Italien), Rn. 3; EuGH, Rs. C-65/05 (Kommission/Griechenland), Rn. 24. 44 EuGH, Rs. C-414/97 (Kommission/Spanien), Rn. 21; EuGH, Rs. C-239/06 (Kommission/Italien), Rn. 43 ff.; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn. 32; vgl. auch Herrmann, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 28 AEUV, Rn. 43. 45 Vgl. EuGH, Rs. C-95/14 (UNIC), Rn. 50; EuGH, Rs. C-525/14 (Kommission/Tschechische Republik), Rn. 36 ff. 46 Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 34 AEUV, Rn. 33. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 13 im Zusammenhang mit der Wahrung dieser Interessen ein.47 Zugleich ist die Bestimmung eng auszulegen , soweit auf ihrer Grundlage von Grundfreiheiten abgewichen werden soll.48 Für eine Rechtfertigung von beschränkenden Regelungen auf Grundlage von Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV genügt es dementsprechend nicht, dass sich der jeweilige Mitgliedstaat auf seine wesentlichen Sicherheitsinteressen beruft.49 Vielmehr ist muss dieser nachweisen, dass die beschränkende Regelung für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist.50 Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden, dass für eine unionsrechtskonforme Einführung eines Exportverbots von Rüstungsgütern, die eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit jedenfalls im Sinne von Art. 34 AEUV bewirkt, der Nachweis erbracht werden müsste, dass ein solches Exportverbot zur Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist,51 was in einer gesetzlichen Regelung zum Exportverbot von Rüstungsgütern eingehend dargelegt werden müsste. 4.2.3.1. Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Art. 36 AEUV Eine aus dem Exportverbot resultierende Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit könnte auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 36 AEUV als ein Teilbereich der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt werden.52 Der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit umfasst sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates.53 Als Ausnahmevorschrift ist Art. 36 AEUV eng auszulegen und erfasst nur staatliche Interessen von fundamentaler Bedeutung, d.h. die Existenz des Staates, das Funktionieren seiner Wirtschaft, seiner Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste oder um das Überleben seiner Bevölkerung.54 Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung ist dagegen bei einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein 47 Vgl. EuG, Rs. T-26/01 (Fiocchi munizioni), Rn. 58. 48 EuGH, Rs. C-284/05 (Kommission/Finnland), Rn. 46; EuGH, Rs. C-615/10 (Insinööritoimisto InsTiimi Oy), Rn. 35. 49 EuGH, Rs. C-284/05 (Kommission/Finnland), Rn. 45 ff.; EuGH, Rs. C-615/10 (Insinööritoimisto InsTiimi Oy), Rn. 35; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn.34. 50 EuGH, Rs. C-414/97 (Kommission/Spanien), Rn. 22; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn. 34 f.; zur Justiziabilität gemäß Art. 348 AEUV einer auf Art. 346 AEUV gestützten Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf die Beweislast, vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Colomber zu EuGH, verb. Rs. C-284/05 u.a. (Kommission /Finnland u.a.), Rn. 112 ff. 51 Dies betrifft bspw. den prima facie bestehenden Widerspruch zwischen der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung und dem regional begrenzten Umschlagverbot. 52 Eine auf Art. 36 AEUV gestützte Rechtfertigung ist dabei nachrangig gegenüber einer Rechtfertigung im Rahmen von Art. 346 AEUV, der speziell für Rüstungsgüter weitergehende Rechtfertigungsmöglichkeiten vorsieht, vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 36 AEUV, Rn. 197 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-367/89 (Richardt), Rn. 22. 53 EuGH, Rs. C-367/89 (Richardt), Rn. 22. 54 EuGH, Rs. C-72/83 (Campus Oil), Rn. 34; vgl. im Überblick Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 36 AEUV, Rn. 55. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 14 Grundinteresse der Gesellschaft berührt, betroffen.55 Die Verbote oder Beschränkungen dürfen aber nach Art. 36 S. 2 AEUV kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellen. Entsprechend den Ausführungen zur Rechtfertigung durch Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV obliegt es in diesem Rahmen den Mitgliedstaaten, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen, sofern eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Einzelfall tatsächlich vorliegt und substantiiert nachgewiesen werden kann.56 Mangels entsprechender Informationen kann vorliegend keine weitergehende Bewertung einer möglichen Rechtfertigung des oben genannten Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit vorgenommen werden. 4.2.3.2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Regelung, die die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigt und insoweit auf einem Rechtfertigungsgrund gestützt werden kann, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Das setzt zunächst voraus, dass die Regelung dazu geeignet ist, das von ihr verfolgte Ziel zu fördern.57 Zudem darf die Maßnahme nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist.58 Schließlich muss die Maßnahme auch in einem angemessen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen.59 Dabei besitzen die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahl der geeigneten Maßnahmen einen nur begrenzt justitiablen Prognose- und Gestaltungsspielraum.60 Fraglich dürfte gleichwohl sein, ob ein striktes Exportverbot von Rüstungsgütern verhältnismäßig ist oder ob sich die damit verfolgte Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit nicht auch mit einem Genehmigungserfordernis Rechnung tragen ließe, was sich nur auf Grundlage eines konkreten Regelungsentwurfs beurteilen ließe. 4.3. Unionsgrundrechte Nachfolgend wird untersucht, ob ein Exportverbot für Rüstungsgüter mit den in der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) normierten Unionsgrundrechten vereinbar wäre. 55 EuGH, Rs. 30/77 (Bouchereau), Rn.33 ff.; vgl. auch Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 36 AEUV, Rn. 20. 56 Vgl. Schwarz, Das Verbot des Umschlags von Kernbrennstoffen in Seehäfen als bundesstaatliches Problem, DÖV 2012, S. 457 (463 f.). 57 EuGH, Rs. 152/78 (Kommission ./. Frankreich), Rn.15ff. EuGH, Rs. 137/09 (Joesmans), Rn. 70; EuGH, Rs. 176/11 (HIT u.a.); Rn. 22. 58 EuGH, Rs. C-420/01, Rn. 29; EuGH, Rs. C-54/05 (Kommission/Finnland), Rn. 38; EuGH, Rs. 110/05 (Kommission ./. Italien), Rn.59; EuGH, Rs. 298/87 (Smanor), Rn.15; EuGH, Rs.67/97 (Bluhme), Rn. 35. 59 EuGH, Rs. 178/84 (Kommission ./. Deutschland), Rn. 28; EuGH, Rs. C-1/90, C-176/90 (Aragonesa de Publicidad Exterior), Rn.18; vgl. hierzu Kingreen, in: Callies/Ruffert, 5.Auflage (2016), Art. 34-36 AEUV, Rn. 98; 60 EuGH, Rs. 293/93 (Houtwipper), Rn. 22. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 15 4.3.1. Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte Die GRCh gilt nach deren Art. 51 Abs. 1 S. 1 für die Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union. Sämtliche Akte dieser Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen unterliegen den grundrechtlichen Bindungen der GRCh.61 Dieser Bindung der Union unterliegen nicht nur auf den AEUV gestützte Maßnahmen. Auch Maßnahmen im Bereich der GASP sind an den Unionsgrundrechten zu messen.62 Soweit ein Exportverbot für Rüstungsgüter im Rahmen eines Rechtaktes der EU statuiert wird wäre dieses mithin in dem unter oben 3.1. bis. 3.4. dargestellten Kompetenzumfang nach Art. 51 Abs. 1 1. Alt. GRCh am Maßstab der GRCh zu messen. Eine Anwendung der in der GRCh normierten Unionsgrundrechte auf mitgliedstaatliche Maßnahmen setzt voraus, dass der betreffende Mitgliedstaat damit im Rahmen der Durchführung des Unionsrechts (Art. 51 Abs. 1 GRCh) tätig wird. Das betrifft nach der Rechtsprechung des EuGH alle unionsrechtlich geregelte Fallgestaltungen, d.h. wenn eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt.63 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine nationale Regelung geeignet ist, eine oder mehrere der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu beeinträchtigen, und der betreffende Mitgliedstaat sich auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses beruft, um eine solche Beeinträchtigung zu rechtfertigen. Dies gilt allerdings nur für den Handel mit Rüstungsgütern zwischen den Mitgliedstaaten, da nur für diesen die Warenverkehrsfreiheit Anwendung findet. Soweit die Unionsgrundrechte nach diesen Maßstäben Anwendung finden, können Ausnahmen für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten stehen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.64 Nimmt ein Mitgliedstaat im Unionsrecht vorgesehene Ausnahmen in Anspruch, um eine Beschränkung einer durch den Vertrag garantierten Grundfreiheit zu rechtfertigen, muss dies daher als „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta angesehen werden.65 Im Verhältnis zu Drittstaaten sind keine sekundärrechtlichen unionsrechtlichen Vorschriften ersichtlich , die der Zulässigkeit eines (generellen) Exportverbotes von Rüstungsgütern entgegenstünden oder dafür Erfordernisse normierten. Die Richtlinie 2009/43/EG regelt nur die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern . Weder die nur sektorale Regelungen für den Export von Rüstungsgütern im Bereich von Feuerwaffen vorsehende Verordnung (EU) Nr. 258/2012 noch der Gemeinsame Standpunkt 61 EuGH, Urt. v. 6.11.2012, C-199/11; Holoubeck/Lechner/Oswald, in: Holoubeck/Lienbacher, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2014, Art. 51 Rn. 12. 62 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 52 GRCh Rn. 5. 63 EuGH, Rs. C-617/10 (Åkerberg Fransson), Rn. 19 ff. 64 EuGH, Rs. C-390/12 (Pfleger), Rn. 35; EuGH, Rs. C-201/15 (AGET Iraklis), Rn. 63. 65 EuGH, Rs. C-390/12 (Pfleger), Rn. 36; EuGH, Rs. C-201/15 (AGET Iraklis), Rn. 64. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 16 2008/944/GASP stünden einem von den Mitgliedstaaten verhängtem Exportverbot von Rüstungsgütern – wie bereits dargelegt – entgegen, so dass diese mit einem solchen Regelungsvorhaben nicht das Unionsrecht iSd Art. 51 GRCh durchführen und daher dieses nicht an den Unionsgrundrechten zu messen wäre. Ein anderes Ergebnis ließe sich bei einer weiten Auslegung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Åkerberg Fransson,66 nach der die durch die Charta garantierten Grundrechte zu beachten sind, wenn eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, was selbst dann erforderlich sein soll, wenn das Handeln eines Mitgliedstaates nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, darauf stützen, dass vorstehende Vorschriften Regelungen für den Rüstungsexport treffen und somit dieses Sachgebiet europarechtlich regeln, ohne allerdings das Ob eines Rüstungsexportes selbst zu normieren. Diese Frage kann, da diese in der europäischen Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, an dieser Stelle allerdings nicht abschließend beantwortet werden. 4.3.2. Betroffenheit der unternehmerischen Freiheit, Art. 16 GRCh und Rechtfertigung von Eingriffen Ein Rüstungsexportverbot erzeugt Wirkungen für die Rüstungsunternehmen, die möglicherweise und auch nur in dem Maße, wie die GRCh nach Art. 51 GRCh Anwendung findet, an dem Grundrecht der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh) zu messen sind.67 Der durch diese Bestimmung gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb.68 Die – vorbehaltlich einer Prüfung im konkreten Einzelfall – durch ein Exportverbot für Rüstungsgüter betroffene Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, unterliegt jedoch weiten Grundrechtsschranken.69 Nach der allgemeinen Schranke des Art. 52 Abs. 1 GRCh sind Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte zulässig, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.70 Bezüglich der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 16 GRCh kann auf die oben genannten Erwägungen zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit und dessen Verhältnismäßigkeit verwiesen werden, die auch zur Rechtfertigung eines Eingriffs in dieses Grundrechts her- 66 EuGH, Rs. C-617/10 (Åkerberg Fransson), Rn. 19, 29. 67 Zur Abgrenzung zur Eigentumsgarantie im Unionsrecht gemäß Art. 17 GRCh, vgl. Sonnenvend, in: Grabenwarter /Müller-Graff/Hatje, EnzEuR Bd. 2, 2014, § 14, Rn. 30 ff.; EGMR, Urteile vom 13. Juni 1979, Marckx/Belgien, Rn. 50), vom 11. Januar 2007, Anheuser-Busch/ Portugal, Rn. 64), und vom 13. März 2012, Malik/Vereinigtes Königreich, Rn. 93). 68 EuGH, Rs. C-283/11 (Sky Österreich), Rn. 42. 69 Zur Schrankensystematik vgl. Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 16, Rn. 9 ff.; Grabenwarter, in: Grabenwarter/Müller-Graff/Hatje, EnzEuR Bd. 2, 2014, § 13, Rn. 41 ff. 70 EuGH, Rs. C-12/11 (McDonagh), Rn. 61. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 138/18 Seite 17 angezogen werden können. Eine weitergehende Prüfung, insbesondere mit Blick auf den Wesensgehalt des Grundrechts und der konkreten Verhältnismäßigkeit der nationalen Maßnahme, ließe sich nur auf Grundlage einer konkreten gesetzlichen Regelung vornehmen. 5. Fazit Sowohl die EU als auch unter den Voraussetzungen des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV die Mitgliedstaaten haben die Zuständigkeit für Maßnahmen wie Exportverbote für Rüstungsgüter. Nur auf Grundlage eines konkreten Regelungsentwurfs ließe sich klären, ob ein (striktes) Exportverbot von Rüstungsgütern sich als verhältnismäßige Maßnahme begründen ließe oder ob sich die damit verfolgte Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit nicht auch mit einem an strenge Kriterien geknüpften Genehmigungserfordernis Rechnung tragen ließe. – Fachbereich Europa –