WD 11 – 3000 - 134/12 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Sachstand Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 2 WD 11 – 3000 - 134/12 Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Aktenzeichen: WD 11 – 3000 - 134/12 Abschluss der Arbeit: 14. August 2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 3 WD 11 – 3000 - 134/12 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der EZB aus Primärrecht 5 3. Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der EZB aus Beschluss EZB/2004/3 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 AEUV 6 3.1. Anspruchsberechtigte 6 3.2. Anspruchsverpflichtete 6 3.3. Dokumente 7 3.4. Einschränkungen gem. Art. 4 des Beschlusses EZB/2004/3 7 4. Bewertung der Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten der EZB im konkreten Fall 8 4.1. Formelle Anforderungen der Entscheidung 8 4.2. Relative Verweigerungsgründe 9 4.3. Absolute Verweigerungsgründe 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 4 WD 11 – 3000 - 134/12 1. Einleitung Eines der Grundprinzipien der Europäischen Union (EU) ist der in Art. 1 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV)1 postulierte Grundsatz der Offenheit. Seine zentrale Ausformung findet er in Art. 15 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).2 Der Offenheitsgrundsatz soll sicherstellen, dass die Entscheidungen innerhalb der EU möglichst offen und bürgernah getroffen werden. Offenheit und Bürgernähe erhöhen die Legitimität , Effizienz und Verantwortung der Verwaltung und gewährleisten eine bessere Beteiligung der europäischen Bürger am Entscheidungsprozess, was wiederum die Demokratie in der EU stärkt.3 Die Transparenz der Entscheidungen soll zudem die Akzeptanz der EU bei den Bürgern fördern und ein besseres Verständnis für die komplexen Entscheidungsstrukturen der „Brüsseler Bürokratie“ erzeugen.4 Zu beachten ist, dass Art. 15 Abs. 1 AEUV schon sprachlich zum Ausdruck bringt, dass der Grundsatz der Offenheit nicht allumfassend ist. So gebietet er nur eine „weitestgehende“ Beachtung, um die Effizienz der Entscheidungsfindung nicht zu gefährden.5 Ein wesentlicher Bestandteil des Offenheitsgrundsatzes ist, neben der Öffentlichkeit der Tagungen von Parlament und Rat, das Dokumentenzugangsrecht. Gem. Art. 15 Abs. 3 AEUV hat jeder Unionsbürger, sowie jede natürliche und juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen der Europäischen Union. Auch Art. 42 der Charta der Grundrechte (GrCh)6 enthält ein Recht auf Zugang zu Dokumenten verankert. Die Grundrechtcharta zählt gem. Art. 6 Abs. 1 EUV zum europäischen Primärrecht. Das Dokumentenzugangsrecht wird weiter durch die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Dokumentenzugangs-VO)7 sekundärrechtlich ausgestaltet. Der Zugang zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank (EZB) ist im Beschluss EZB/2004/3 über den Zugang der 1 Vertrag über die Europäische Union, konsolidierte Fassung, ABl. v. 30. März 2010 C 83 S. 15. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, ABl. v. 30. März 2010 C 83 S. 47. 3 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. v. 31. Mai 2001 L 145 S. 43, online abrufbar: http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32001R1049:DE:HTML (Stand: 9. August 2012). 4 Krajewski/Rösslein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 46. Ergänzungslieferung 2011, Art. 15 AEUV Rdnr. 4. 5 Gellermann in: Streinz (Hrsg.), EUV AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 15 AEUV, Rdnr. 3. 6 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. v. 14. Dezember 2007 C 303 S. 2. 7 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments , des Rates und der Kommission, ABl. v. 31. Mai 2001 L 145 S. 43, Erwägungsgrund 1 u. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 5 WD 11 – 3000 - 134/12 Öffentlichkeit zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank (im Folgenden Beschluss EZB/2004/3)8 speziell geregelt. Ein Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten der EZB könnte sich insofern aus Primär- oder Sekundärrecht ergeben. 2. Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der EZB aus Primärrecht Zunächst kommt ein Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der EZB aus Art. 15 Abs. 3 AEUV in Betracht. Dazu müsste Art. 15 Abs. 3 AEUV unmittelbar anwendbar sein. Unmittelbar anwendbar können nur solche Bestimmungen des EU-Rechts sein, die unbedingt formuliert, in sich vollständig und rechtlich vollkommen sind und deshalb zu ihrer Erfüllung oder Wirksamkeit keiner weiteren Handlungen der Mitgliedstaaten oder der Unionsorgane bedürfen.9 Art. 15 Abs. 3 Uabs. 2 AEUV schreibt hier eine sekundärrechtliche Ausgestaltung des Dokumentenzugangsrechts vor. Danach sollen allgemeine Grundsätze und die aufgrund öffentlicher und privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des Rechts vom Europäischen Parlament und vom Rat in einer Verordnung festlegt werden. Ein Dokumentenzugangsrecht wird gem. Art. 15 Abs. 3 Uabs. 2 AEUV nur vorbehaltlich dieser Grundsätze und Bedingungen gewährt. Allein der Umsetzungsakt kann einen gerechten Ausgleich zwischen dem Dokumentenzugangsrecht und konkurrierender Rechtsgüter gewährleisten.10 Demzufolge begründet Art. 15 Abs. 3 AEUV nicht aus sich heraus Pflichten für die Unionsorgane, sondern nur in Verbindung mit dem jeweilig einschlägigen Sekundärrecht. Festzuhalten ist, dass Art. 15 Abs. 3 AEUV die Voraussetzung einer unmittelbaren Anwendbarkeit nicht erfüllt und somit nicht als Anspruchsgrundlage für den Zugang zu Dokumenten der EZB in Betracht kommt. Auch aus Art. 42 der Charta der Grundrechte (GrCh)11 lässt sich kein selbständiger Anspruch auf Zugang zu Dokumenten herleiten, da Bedingungen und Grenzen der Ausübung dieses Rechts gem. Art. 52 Abs. 2 GrCh anhand der Vorgaben des Art. 15 Abs. 3 AEUV zu bestimmen sind.12 Insofern hat das Recht aus Art. 43 GrCh keine weitergehende Bedeutung als das aus Art. 15 Abs. 3 AEUV. 8 Beschluss der Europäischen Zentralbank Nr. 2004/3 vom 4. März 2004 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank, (2004/258/EG), ABl. v. 19. März 2004 L80 S. 42, geä. d. Beschluss EZB/2011/6, ABl. v. 16. Juni 2011 L 158 S. 37, konsolidierte Fassung online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2004D0003:20110618:DE:PDF (Stand: 9. August 2012). 9 EuGH, Rs. 28/67, Slg. 1968, S. 216, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61967CJ0028:DE:HTML (Stand. 9. August 2012). 10 Schoo/Görlitz in: Schwarze (Hrsg.). EU-Kommentar, 3. Auflage 2012, Art. 15 AEUV, Rdnr. 27. 11 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. v. 14. Dezember 2007 C 303 S. 2. 12 Erläuterung zu Art. 42 GrCh, Abl. v. 14. Dezember 2007 C 303 S. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 6 WD 11 – 3000 - 134/12 3. Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der EZB aus Beschluss EZB/2004/3 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 AEUV Die Grundsätze und Bedingungen für das Zugangsrecht sind vielmehr in der Dokumentenzugangs -VO, mit der das Europäische Parlament und der Rat den gesetzgeberischen Auftrag aus Art. 15 Abs. 3 Uabs. 2 AEUV erfüllt haben, festgehalten. Da sich diese nur auf den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission bezieht , wurden in einer Gemeinsamen Erklärung13 zu dieser Verordnung die anderen Organe und Einrichtungen der Union aufgefordert, interne Regelungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten zu beschließen, die den in der Dokumentenzugangs-VO festgelegten Grundsätzen und Einschränkungen Rechnung tragen. Daraufhin erging der Beschluss EZB/2004/3. Bei der Auslegung dieses Beschlusses sind die primärrechtlichen Vorgaben und die Dokumentzugangs-VO heranzuziehen. 3.1. Anspruchsberechtigte Anspruchsberechtigt ist gem. Art. 2 Abs. 1 Beschluss EZB/2004/3 jeder Unionsbürger, sowie jede natürliche und juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat. Auch natürlichen oder juristischen Personen ohne Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat kann die EZB einen Zugang zu den Dokumenten gewähren (Art. 2 Abs. 2 Beschluss EZB/2004/3). 3.2. Anspruchsverpflichtete Grundsätzlich sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Uabs. 1 AEUV alle Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union Adressaten des Dokumentenzugangsrechts . Die noch in Art. 255 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft14 enthaltene Beschränkung auf Dokumente des Parlaments, des Rates und der Kommission, ist mit dem Vertrag von Lissabon entfallen. Somit erstreckt sich das Recht auf Zugang zu Dokumenten auch auf die Europäische Zentralbank, die gem. Art. 13 EUV ein Organ der EU ist. Jedoch besteht der Zugangsanspruch gem. Art. 15 Abs. 4 AEUV nur dann, wenn die EZB Verwaltungsaufgaben wahrnimmt . Der Begriff der Verwaltungsaufgabe ist nicht eindeutig.15 Ziel dieser primärrechtlichen Einschränkung dürfte sein, die besondere Vertraulichkeit der Dokumente zu wahren, die den originären Tätigkeitsbereich der EZB, also ihre finanzpolitische Tätigkeit, betreffen. Eine Abgrenzung solcher Tätigkeiten von bloßen Verwaltungsaufgaben kann anhand dieses Schutzzwecks nur im Einzelfall erfolgen.16 13 Gemeinsame Erklärung zu der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den öffentlichen Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. vom 31.5.2001 L 145, S. 43, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32001C0627%2801%29:DE:HTML (Stand. 9. August 2012). 14 Vertrag über die Europäische Gemeinschaft, ABl. v. 24. Dezember 2002 C 325 S. 5. 15 Wegener: in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 15 AEUV Rdnr. 14, Gellermann in: Streinz (Hrsg.) EUV/AEUV Art. 15 AEUV Rdnr. 11. 16 Krajewski/Rösslein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 46. Ergänzungslieferung 2011, Art. 15 AEUV, Rdnr. 90. Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 7 WD 11 – 3000 - 134/12 3.3. Dokumente Art. 3 des Beschlusses EZB/2004/3 erläutert den Begriff der Dokumente. Das Zugangsrecht bezieht sich danach auf alle Inhalte, die von der EZB erstellt wurden oder sich in ihrem Besitz befinden und im Zusammenhang mit ihren Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen stehen . Die Form des für die Dokumente verwendeten Trägers ist dabei nicht von Belang. 3.4. Einschränkungen gem. Art. 4 des Beschlusses EZB/2004/3 Art. 4 des Beschlusses EZB/2004/3 regelt, in welchen Fällen der Zugang zu Dokumenten durch die EZB verweigert werden kann. Es wird zwischen absoluten (Art. 4 Abs. 1 Beschluss EZB/2004/3) und relativen Ausnahmen vom Zugangsrecht (Art. 4 Abs. 2 Beschluss EZB/2004/3), die nur dann greifen, wenn kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, unterschieden. Im Einzelnen heißt es in Artikel 4 des Beschlusses EZB/2004/3 auszugsweise: Ausnahmeregelung (1) Die EZB verweigert den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: a) der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf: — die Vertraulichkeit der Aussprachen der Beschlussorgane der EZB, — die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats, — die internen Finanzen der EZB oder der NZBen, — den Schutz der Integrität der Euro-Banknoten, — die öffentliche Sicherheit, — die internationalen Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftsbeziehungen, — die Stabilität des Finanzsystems in der Union oder in einem Mitgliedstaat; b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Union über den Schutz personenbezogener Daten; c) der Schutz der Vertraulichkeit von Informationen, die als vertrauliche Informationen durch das Unionsrecht geschützt werden. (2) Die EZB verweigert den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: — der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, — der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung, — der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. (...) Aus Erwägungsgrund 3 zu dem Beschluss EZB/2004/3 ergibt sich, dass er in Anlehnung an die Dokumentzugangs-VO einen möglichst umfassenden Zugang gewährleisten will. Insofern sind Ausnahmen - wie auch die in der Dokumentenzugangs-VO enthaltenen - eng auszulegen.17 Die Gefahr der Beeinträchtigung der geschützten Interessen muss durch das jeweilige Organ – hier die EZB - für jedes im Einzelfall in Rede stehende Dokument konkret und individuell geprüft 17 So schon EuGH, Rs. C-266/05 P, Slg. 2007, I-1233, Rdnr. 63, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62005CJ0266:DE:HTML (Stand: 9. August 2012). Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 8 WD 11 – 3000 - 134/12 werden.18 Sie muss absehbar und darf nicht reinhypothetisch sein. 19 Eine detaillierte Einzelfallbetrachtung kann jedoch entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder zu gewähren ist. 20 Weiter muss die schriftliche Begründung der Ablehnungsentscheidung einen Einzelfallbezug aufweisen und darf nicht nur einen pauschalen Hinweis auf einen der Ausnahmegründe enthalten. 21 Der Darlegungspflicht ist jedoch dort eine Grenze gesetzt, wo der vertrauliche Inhalt eines Dokuments selbst die Begründung zur Verweigerung des Zugangs liefert.22 4. Bewertung der Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten der EZB im konkreten Fall Der Antragsteller beantragte im vorliegenden Fall Zugang zu Dokumenten der EZB, die separate Informationen für jeden Mitgliedstaat und jedes beteiligte Kreditinstitut bezüglich der Kreditverteilung , der Qualität der Kreditsicherheiten und der staatlich garantierten, unbesicherten Bankenschulden , enthalten. Die EZB verweigerte ihm diesen Zugang. Nachfolgend soll die Ablehnung des Zugangs zu den geforderten Dokumenten auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. 4.1. Formelle Anforderungen der Entscheidung Die Entscheidung der EZB müsste zunächst dem Begründungserfordernis genügen. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung der EZB ist ausführlich und verweist nicht pauschal auf einen Verweigerungsgrund. Problematisch könnte sein, dass die EZB die Gefahr der Beeinträchtigung hinsichtlich der drei geforderten Informationen nicht für jede gesondert prüft. Jedoch haben alle drei gewünschten Informationen gemein, dass sie eine Aufschlüsselung nach einzelnen Mitgliedstaaten und Kreditinstituten verlangen. Darauf bezieht sich auch die EZB in ihrer Begründung . Eine gesonderte Prüfung für alle drei Informationen führte nur zu einer Wiederholung der Argumente und dürfte deswegen entbehrlich sein. Dass Verfahrensregeln verletzt wurden ist vorliegend nicht ersichtlich. 18 EuG Rs. T-211/00, Slg. 2002 II-485, Rdnr. 56, online abrufbar: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=47741&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req &dir=&occ=first&part=1 (Stand: 9. August 2012). 19 EuG, Rs. T-391/03 u. T-70/04, Slg 2006 II-2023, Rdnr. 115, online abrufbar: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=56294&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req &dir=&occ=first&part=1 (Stand: 9. Augsut 2012). 20 Vgl. Krajewski/Rösslein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 46. Ergänzungslieferung 2011, Art. 15 AEUV, Rdnr. 58. 21 EuG, Rs. T-391/03 u. T-70/04, Slg 2006 II-2023, Rdnr. 115. 22 EuG, Rs. T-105/95, Slg. 1997, II-313, Rdnr. 65, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61995TJ0105:DE:HTML (Stand: 9. August 2012). Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 9 WD 11 – 3000 - 134/12 4.2. Relative Verweigerungsgründe Die EZB macht zum einen den relativen Verweigerungsgrund des Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 1 des Beschlusses EZB/2004/3 geltend. Der Zugang zu den geforderten Dokumenten gefährde den Schutz des geschäftlichen Interesses ihrer Geschäftspartner bei geldpolitischen Operationen. Bei den relativen Ausnahmegründe dürfen die Organe den Zugang zu Dokumenten nur verweigern , wenn kein überwiegendes öffentliches Interesse an deren Verbreitung besteht. Die Organe müssen die zu erwartende Beeinträchtigungen des geschützten Rechtsguts mit dem Publizitätsinteresse der Öffentlichkeit abwägen. Das öffentliche Interesse an der Verbreitung der Dokumente muss sich dabei nicht von den allgemeinen Prinzipien, auf denen die Dokumentenzugangs-VO aufbaut, unterscheiden. Vielmehr haben die Organe die sich aus der Dokumentenzugangs-VO ergebenden Vorteile einer größeren Transparenz, nämlich die bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und dessen demokratische Legitimität, zu beachten.23 Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Aspekte hat das Organ keine Wahlfreiheit, sondern muss alle Gesichtspunkte in die Entscheidung einfließen lassen.24 Möglicherweise ist vorliegend die Auseinandersetzung mit den öffentlichen Interessen an der Verbreitung der Dokumente nicht hinreichend präzise. Die EZB verweist lediglich darauf, dass die geschäftlichen Interessen ihrer Partner dem öffentlichen Interesse vorgehen, geht jedoch nicht genauer darauf ein, welches öffentliche Interesse an der Verbreitung dieser Dokumente bestehen könnte. Gleichwohl wird dies nicht genügen um eine generelle Rechtswidrigkeit der EZB- Entscheidung anzunehmen, da die EZB vorliegend jedenfalls auch absolute Verweigerungsgründe geltend macht. 4.3. Absolute Verweigerungsgründe Die EZB beruft sich auf die absoluten Verweigerungsgründe des Art. 4 Abs. 1 lit. a Spiegelstrich 2 u. 7 des Beschlusses EZB/2004/3. Durch eine Offenlegung der geforderten Dokumente sei das öffentliche Interesse im Hinblick auf die Währungspolitik und auf die Stabilität des Finanzsystems in der Union beeinträchtigt. Im Bereich dieser zwingenden Ausnahmen steht den Unionsorganen nach der Rechtsprechung ein weiter Ermessensspielraum zu.25 Die richterliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit solcher Entscheidungen ist darauf begrenzt, ob Verfahrensregeln und die Bestimmungen zur Begründung eingehalten worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde, bei der Tatsachenwürdigung 23 EuGH, verb. Rs. C-39/05 P und C-52/05 P, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62005CJ0039:DE:HTML (Stand: 13. August 2012). 24 Krajewski/Rösslein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 46. Ergänzungslieferung 2011, Art. 15 AEUV, Rdnr. 60. 25 EuG, verb. Rs. T-110/03, T-150/03 und T-405/03, Slg. 2005 II-1429, Rdnr. 45, online abrufbar: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62003TJ0110:DE:HTML (Stand: 9. August 2012), EuG, Rs. T-211/00, Slg. 2002, II-485, Rdnr. 53, online abrufbar: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=47741&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req &dir=&occ=first&part=1 (Stand: 9. August 2012). Wissenschaftliche Dienste Sachstand Seite 10 WD 11 – 3000 - 134/12 keine offensichtlichen Fehler unterlaufen sind und kein Ermessensfehler vorliegen.26 Ermessensfehler kommen dann in Betracht, wenn das Ermessen verkannt und daher nicht ausgeübt wird (Ermessensnichtgebrauch), die Ermessenserwägungen in wesentlicher Hinsicht unvollständig oder fehlerhaft sind (Ermessensfehlgebrauch) oder Rechtsfolgen gewählt werden, die sich nicht innerhalb des durch die Rechtsgrundlage gezogenen Rahmens hält (Ermessensüberschreitung). Die EZB hat vorliegend erkannt, dass sie bezüglich der Gewährung des Zugangs Ermessen hat und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen. Sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich und die gewählte Rechtfolge liegt nicht außerhalb ihres Ermessens. Folglich ist aus hiesiger Perspektive kein Ermessensfehler gegeben. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die EZB rechtmäßig den Zugang zu den geforderten Dokumenten verweigert hat. 26 EuG, verb. Rs. T-110/03, T-150/03 und T-405/03, Slg. 2005 II-1429, Rdnr. 47.