Nr. PE 6-133/18 (25. September 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Kurzinformation dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Der Fachbereich Europa ist beauftragt worden, Informationen über bestehende Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU) zum Gebrauch von Tätowiernadeln oder mögliche Absichten der Europäischen Kommission (KOM) für eine Regulierung dieses Gebrauchs zusammenzustellen. Die hier dargelegten Informationen basieren auf den Recherchen des Fachbereichs Europa und auf Auskünften der hierzu direkt angefragten Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (GD GROW) der KOM. Sie werden ergänzt durch den Hinweis auf den Sachstand des auf Unionsebene durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) betriebenen Beschränkungsverfahrens bezüglich gefährlicher Inhaltsstoffe in Tätowierfarben. 1. Nationale Vorschriften für den Gebrauch von Tätowiernadeln Der Gebrauch von Tätowiernadeln unterliegt hinsichtlich der dabei zu erfüllenden Hygieneanforderungen ausschließlich nationalen Bestimmungen; in Deutschland den jeweils von den Bundesländern auf der Grundlage von § 17 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG)1 durch Rechtsverordnung erlassenen Hygienevorschriften. Die Verordnungsgeber der Länder haben bei der Bestimmung der Hygienevorschriften keine Verbote für den Gebrauch von entweder Einweg- oder Mehrwegnadeln für das Tätowieren festgelegt. Sie regeln dagegen zum Teil detailliert die beim jeweiligen Gebrauch zu beachtenden Hygienevorschriften ; dabei erfassen sie das Tätowieren ausdrücklich als dem Anwendungsbereich der Hygienevorschrift unterfallende Tätigkeit.2 So bestimmt z.B. die Infektionsverhütungs-Verordnung des Bundeslandes Berlin, dass für Tätigkeiten , die zu einer Verletzung der Haut oder der Schleimhaut führen, sterile Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien zu verwenden, Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen vor Kontamination zu schützen , Arbeitsflächen nach jeder Anwendung und vor ihrer Wiederverwendung zu reinigen und zu desinfizieren sowie Einwegarbeitsgeräte und Einwegarbeitsmaterialien nicht wiederzuverwenden sind.3 Für mehrfach verwendbare Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien, die für Tätigkeiten ver- Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Fragen zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union zum Gebrauch von Tätowiernadeln Kurzinformation Fragen zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union zum Gebrauch von Tätowiernadeln Fachbereich PE 6 (Europa) Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Seite 2 wendet werden, die zu einer Verletzung der Haut oder der Schleimhaut führen, schreibt die Verordnung eine Aufbereitung mit geeigneten Verfahren vor, die Referenzempfehlungen entsprechen und eine Gefährdung der Sicherheit und der Gesundheit von Menschen ausschließen.4 Die Infektionshygieneverordnung des Bundeslandes Hessen lässt für Tätigkeiten, die eine Verletzung der Haut oder Schleimhaut des Menschen vorsehen, ausdrücklich sowohl die Verwendung steriler Einmalinstrumente als auch steriler mehrfach verwendbarer Instrumente oder Geräte zu und bestimmt die Anforderungen an deren Aufbereitung und Lagerung.5 2. Keine Absichten zur Schaffung eines EU-Rechtsrahmens für die Regulierung des Gebrauchs von Tätowiernadeln Nach Auskunft der zuständigen GD GROW der KOM verfügt die Europäische Union nicht über eine Rechtsetzungskompetenz zur Regulierung der für das Tätowieren verwendeten Nadeln und der diese betreffenden Hygieneanforderungen. Vor diesem Hintergrund verneint die GD GROW der KOM die hier erfragte Absicht, eine Regulierung des Gebrauchs auf Unionsebene vorzusehen. 3. Vorbereitungen für eine unionsrechtliche Beschränkung bestimmter Inhaltsstoffe von Tätowierfarben Im Unionsrecht gibt es keine für den Bereich der Tätowierfarben spezifische Rechtsvorschrift. Einige EU-Mitgliedstaaten haben auf der Grundlage der 2008 verabschiedeten Entschließung des Europarates über die Sicherheit von Tätowierungen und Permanent Make-up6 (oder der Vorläuferentschließung von 20037) eigene Rechtsvorschriften erlassen. In Deutschland wurde 2008 die Tätowiermittelverordnung8 erlassen, die der Entschließung des Europarats aus dem Jahr 2003 Rechnung trägt. Ohne konkrete Spezifik fallen Tätowierfarben unter eine Reihe unionsrechtlicher Vorschriften, darunter: die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit,9 die die Hersteller verpflichtet, keine unsicheren Produkte anzubieten, die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (sog. CLP-Verordnung),10 der zufolge Erzeugnisse zu kennzeichnen sind, die als gefährlich eingestufte Stoffe in Mengen enthalten, die Konzentrationsgrenzwerte überschreiten , die sog. REACH-Verordnung,11 mit der Anforderungen für die Registrierung und die Bereitstellung von Informationen bestimmt werden. Gemäß Art. 69 Abs. 1 der REACH-Verordnung hat die KOM die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) am 3. Dezember 2015 aufgefordert, das Risiko verdächtiger Tätowierfarbenbestandteile auf die menschliche Gesundheit zu bewerten, insbesondere solcher Substanzen, die als krebserzeugend , erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft sind, sowie hautallergener Substanzen. Diese Bewertung schließt auch die Prüfung der Notwendigkeit einer unionsweiten Beschränkung der Verwendung bestimmter Tätowierfarben ein. Daraufhin unterbreitete die Kurzinformation Fragen zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union zum Gebrauch von Tätowiernadeln Fachbereich PE 6 (Europa) Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Seite 3 ECHA gemeinsam mit den zuständigen Behörden Dänemarks, Italiens und Norwegens am 25. Oktober 2017 einen Beschränkungsvorschlag, um die Risiken zu reduzieren, die von gefährlichen Inhaltsstoffen einiger Tätowierfarben ausgehen.12 Die ECHA-Ausschüsse für Risikobeurteilung (RAC) und für sozioökonomische Analyse (SEAC) bewerten derzeit den ECHA-Beschränkungsvorschlag auch hinsichtlich einer Verfügbarkeit von Alternativen und hinsichtlich der sozioökonomischen Auswirkungen einer möglichen Beschränkung . Mit der Annahme der konsolidierten Stellungnahme beider Ausschüsse wird im ersten Halbjahr 2019 gerechnet. Diese wird anschließend durch die KOM geprüft; sie ergreift binnen dreier Monate die erforderlichen Maßnahmen und wird, sofern die Bedingungen von Art. 68 der REACH- Verordnung erfüllt sind, den Vorschlag für einen delegierten Rechtsakt zur Erweiterung des Beschränkungskatalogs der REACH-Verordnung (Anhang XVII der Verordnung) vorlegen. Mit der Aufnahme der als gefährlich erachteten Stoffe in Tätowierfarben dürfen diese nur hergestellt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn die Maßgaben dieser Beschränkung beachtet werden. – Fachbereich Europa – 1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zul. geä. durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2615). 2 § 1 S. 2 der Berliner Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten bei bestimmten gewerblichen Tätigkeiten (Infektionsverhütungs-Verordnung Berlin) vom 5. Mai 2017 (GVBl. S. 306) benennt ausdrücklich das Tätowieren als berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeiten am Menschen, bei denen Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nummer 1 des Infektionsschutzgesetzes, insbesondere Erreger von AIDS/HIV, Virushepatitis B oder Virushepatitis C, auf Menschen übertragen werden können. § 1 S. 2 der Infektionshygieneverordnung Hessen vom 18. März 2003 (GVBl. I S. 121) nimmt eine vergleichbare Einordnung vor. 3 § 3 Abs. 3 Infektionsverhütungs-Verordnung Berlin. 4 § 4 Abs. 1 Infektionsverhütungs-Verordnung Berlin. 5 § 2 Abs. 6 Infektionshygieneverordnung Hessen. 6 CoE-Resolution ResAP(2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and permanent make-up, 20. Februar 2008. 7 CoE-Resolution ResAP(2003)2 on tattoos and permanent make-up, 19. Juni 2003. 8 Verordnung über Mittel zum Tätowieren einschließlich bestimmter vergleichbarer Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (Tätowiermittel-Verordnung) vom 13. November 2008 (BGBl. I S. 2215), zul. geä. durch Artikel 3 der Verordnung vom 26. Januar 2016 (BGBl. I S. 108). 9 Richtlinie 2001/95/EG vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 11 vom 15. Januar 2002, S. 4). 10 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (ABl. L 353 S. 1). 11 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe (ABl. L 396 vom 30. Dezember 2006, S. 1). 12 ECHA-Pressemitteilung (ECHA/PR/17/18), Proposal to restrict hazardous substances in tattoo inks and permanent make-up.