PE 6 - 3000 - 130/18 (13.09.2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unionsrechtliche Bewertung Aus unionsrechtlicher Sicht begegnet die Idee einer progressiven Staffelung der Grunderwerbsteuer im Grundsatz keinen Bedenken. Entscheidend wäre jedoch die konkrete Ausgestaltung eines solchen Vorhabens. Die Zuständigkeit hierfür dürfte bei den Mitgliedstaaten und nicht der EU liegen, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Grunderwerbssteuer um eine direkte oder indirekte Steuer im Sinne des Unionsrechts handelt.1 Im ersten Fall geht der EuGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten liegt.2 Wäre hingegen von einer indirekten Steuer auszugehen, wäre mit Blick auf die für solche Steuern einschlägige Rechtsgrundlage in Art. 113 AEUV von einer geteilten (Binnenmarkt-)Zuständigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b AEUV auszugehen.3 Nach Art. 2 Abs. 2 AEUV dürfen bei dieser Zuständigkeitsart die EU als auch die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden. Die Mitgliedstaaten können ihre Zuständigkeit aber nur wahrnehmen, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. EU-Regelungen zur Grunderwerbssteuer gibt es im Unionsrecht – soweit ersichtlich – nicht. Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit in diesem Bereich haben die Mitgliedstaaten allerdings die sich aus dem sonstigen Unionsrecht ergebenden Grenzen zu beachten.4 Diese ergeben sich insbe- 1 Vgl. zu dem Begriffspaar der direkten und indirekten Steuern sowie zu dem Verständnis der Begriffe etwa Seiler , in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 113 AEUV (59. EL Juli 2016), Rn. 22. 2 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 19, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 3 Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 4 AEUV, Rn. 12. 4 Siehe EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 19. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Leerstandssteuer und Unionsrecht Kurzinformation Leerstandssteuer und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 sondere aus den Grundfreiheiten. Im vorliegenden Zusammenhang kommt bei Vorliegen grenzüberschreitender Sachverhalte vor allem die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Schranke mitgliedstaatlichen Handelns in Betracht.5 Diese Grundfreiheit verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und Drittstaaten. Zum geschützten Kapitalverkehr zählen insbesondere auch Immobilieninvestitionen .6 Ob die Einführung einer progressiven Staffelung bei der Grunderwerbssteuer als Beschränkung im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV angesehen werden könnte, hinge maßgeblich von ihrer Ausgestaltung ab. Würde sie im Hinblick auf die hiervon betroffenen Personen bzw. Steuerschuldner unterschiedslos ausgestaltet sein, also nicht zwischen ausländischen Unionsbürgern und Inländern unmittelbar oder mittelbar unterscheiden, dürfte es bereits an einer Beschränkung fehlen.7 Wäre dies aufgrund der Weite des Beschränkungsbegriffs und seiner unklaren Konturen anders zu beurteilen,8 dürfte ein solches Vorhaben am Maßstab des offenen Katalogs zwingender Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden können,9 soweit die konkrete Ausgestaltung dem ebenfalls zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.10 Würde der progressiven Staffelung der Grunderwerbsteuer hingegen eine Ungleichbehandlung von ausländischen Unionsbürgern und Inländern zum Nachteil erstgenannter zugrunde liegen, wäre eine Beschränkung gegeben und eine Rechtfertigung nur am Maßstab der in Art. 65 Abs. 1 AEUV ausdrücklich niedergelegten Gründe (etwa öffentliche Ordnung und Sicherheit) möglich. - Fachbereich Europa - 5 Siehe zum Merkmal der Grenzüberschreitung bei der Kapitalverkehrsfreiheit, Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 26. 6 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 19. 7 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 24. 8 Siehe hierzu Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 19 ff. 9 Vgl. dazu Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 25 ff. 10 EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 56. Kurzinformation Leerstandssteuer und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 Kurzinformation Leerstandssteuer und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 4