© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 119/18 Rechtsrahmen für die Zulassung, Ausbringung, Kennzeichnung und Erforschung mittels gezielter CRISPR/Cas9-Mutagenese veränderter Lebens- und Futtermittel Rechtsvorschriften der Europäischen Union Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung auf diese Sekundärrechtsakte 7 5. Vorgaben des Unionsrechts für Lebens- und Futtermittel 8 5.1. Die Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen in die Umwelt 8 5.2. Die Verordnung (EG) 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel 9 5.3. Die Verordnung (EG) 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen 10 5.4. Die Richtlinie 2002/53/EG über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten 11 5.5. Die Richtlinie 2009/41/EG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen 11 5.6. Verordnung (EG) 1946/2003 über grenzüberschreitende Verbringungen genetisch veränderter Organismen 11 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 4 1. Fragestellung und Vorbemerkung Ausgehend von der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften der Richtlinie 2001/18 vom 12. März 2001 auf Organismen, die durch die Mutagenese-Methode CRISPR/Cas91 genetisch modifiziert wurden, gibt die vorliegende Ausarbeitung auftragsgemäß einen Überblick über den Rechtsrahmen der Europäischen Union (EU) für solche Organismen im Bereich der Lebens- und Futtermittel. Hierzu wird eingangs das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache Confédération paysanne (C-528/16) und dessen Anwendbarkeit auf die den EU-Rechtsrahmen bildenden wesentlichen Sekundärrechtsakte betrachtet. Anschließend werden diese Rechtsakte nach Maßgabe der Fragestellung überblickshaft umrissen. Im Unterschied zu Verfahren der konventionellen Mutagenesemethoden, durch die zufällige Mutationen in behandelten Organismen ausgelöst werden, sind die Methoden der gezielten Mutagenese darauf gerichtet, bestimmte Mutationen in einem Gen hervorzurufen. Die hierzu entwickelten neuen gentechnischen Verfahren bedienen sich der Mutagenese mit Hilfe von Oligonukleotiden 2 oder der Mutagenese mit Hilfe zielgerichteter Nukleasen,3 zu der die CRISPR/Cas9-Methode gehört. 2. Zum Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache Confédération paysanne Nach dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache C-528/16 – Confédération paysanne sind durch neue Mutagenese-Techniken - wie CRISPR/Cas 9 - veränderte Organismen als genetisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen. Sie unterliegen als solche grundsätzlich den in der Richtlinie 2001/18/EG vorgesehenen Verpflichtungen. Dem Vorabentscheidungsverfahren lag die Klage des französischen Landwirtschaftsverbands und mehrerer Vereinigungen zum Schutze der Umwelt gegen die Ablehnung ihres Antrags zugrunde, 1 Die CRISPR/Cas9-Methode ermöglicht exakte Schnitte an der gewünschten Stelle der DNA; Reparaturenzyme der Zelle bauen verfügbar gemachte passende neue Abschnitte bevorzugt an dieser Schnittstelle in das Erbgut ein. Die Methode ermöglicht gezielte Präzisionsänderungen im Erbgut einer Zelle. Sie geht zurück auf einen Schutzmechanismus bestimmter Bakterien, die mit CRISPR-Molekülen ("Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“) und den dazugehörigen Cas-Scheren ("CRISPR-assoziierte" Proteine) das Erbgut eindringender Viren zerstören. Umfassender hierzu: Ledford: Die Rätsel des CRISPR/CAS-Systems; Spektrum der Wissenschaft, 10/2017, 50-53; Griebsch: Anwendbarkeit des Gentechnikgesetzes auf nach CRISPR/Cas9 verändertes Saatgut, NuR 40/2018, 92–100. 2 Bei den sog. ODM-Verfahren (oligonucleotide-directed mutagenesis)wird eine kurze DNA-Sequenz in Zellen eingeführt, um dort dieselbe Mutation hervorzurufen, wie sie das Oligonukleotid trägt. Vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes M. Bobek vom 18. Januar 2018 in der EuGH-Rechtssache C‑528/16, Ziff. 46, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris /document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex =1&part=1&mode=req&docid=198532&occ=first&dir=&cid=123353#Footref1 (zul. abgerufen am 28. August 2018). 3 Die SDN1-Verfahren (site-directed nucleases) setzen verschiedene Arten von Proteinen (Zinkfingernukleasen, TALEN, CRISPR/Cas9) ein, die die DNA schneiden oder bearbeiten können. Vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes M. Bobek vom 18. Januar 2018 in der EuGH-Rechtssache C‑528/16, Ziff. 46, s. Fn. 2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 5 in Frankreich durch neuartige Verfahren der Mutagenese gewonnenen Organismen nicht von den Vorgaben über GVO auszunehmen. Der EuGH folgte der Auffassung der Kläger und entschied: „Nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 ist ein GVO ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. In Anbetracht der Angaben des vorlegenden Gerichts ist zum einen davon auszugehen, dass Mutationen, die durch Verfahren/Methoden der Mutagenese wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden hervorgerufen werden, deren Anwendung der Erzeugung herbizidresistenter Pflanzensorten dienen soll, am genetischen Material eines Organismus vorgenommene Veränderungen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie darstellen. Zum anderen wird, da nach den Angaben in der Vorlageentscheidung einige der genannten Verfahren/Methoden mit dem Einsatz chemischer oder physikalischer Mutagene und andere von ihnen mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sind, durch diese Verfahren/Methoden eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen. Folglich sind mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen als GVO im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 anzusehen .“4 Der EuGH nimmt gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG i.V.m. Anhang I B lediglich Mutageneseverfahren von der Anwendung der Richtlinie aus, „die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten“.5 3. Die Bausteine des EU-Rechtsrahmens für GVO Mit ihrem Rechtsrahmen für GVO zielt die EU entsprechend dem Vorsorgeprinzip darauf,6 • die menschliche Gesundheit, die Tiergesundheit und die Umwelt zu schützen durch die Einführung von Sicherheitsabschätzungen auf Unionsebene anhand höchstmöglicher Standards vor der Markteinführung jeglicher GVO, • harmonisierte Verfahren der Risikoabschätzung und Genehmigung von GVO zu etablieren , die effizient, zeitlich begrenzt und transparent sind, • eine deutliche Kennzeichnung von auf dem Markt angebotenen GVO sicherzustellen, die sowohl Konsumenten als auch Produzenten, wie Bauern und Lebens- sowie Futtermittelhersteller , in die Lage versetzt, eine informierte Kaufentscheidung zu treffen, sowie • die Verfolgbarkeit von GVO sicherzustellen, die auf dem Markt angeboten werden. 4 EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018, Rs. C-528/16 – Confédération paysanne, Rn. 27-30, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex =0&part=1&mode=req&docid=204387&occ=first&dir=&cid=123353 (zul. abgerufen am 28. August 2018). 5 EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018, Rs. C-528/16 – Confédération paysanne, Rn. 54. 6 KOM, Genetically Modified Organisms, online abrufbar unter: https://ec.europa.eu/food/plant/gmo/legislation_en (zul. abgerufen am 29. August 2018). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 6 Die wesentlichen Bausteine des EU-Rechtsrahmens für GVO bilden – ergänzt durch eine Reihe von Durchführungsbestimmungen, Empfehlung und Leitlinien für spezifische Aspekte – folgende Sekundärrechtsakte: • Richtlinie 2001/18/EG vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt,7 • Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel,8 • Richtlinie (EU) 2015/412 vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen,9 • Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln ,10 • Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten,11 • Richtlinie 2009/41/EG vom 6. Mai 2009 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen,12 • Verordnung (EG) Nr. 1946/2003 vom 15. Juli 2003 über grenzüberschreitende Verbringungen genetisch veränderter Organismen,13 • Richtlinie (EU) 2018/350 der Kommission vom 8. März 2018 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung von genetisch veränderten Organismen.14 7 Richtlinie 2001/18/EG, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:303dd4fa-07a8- 4d20-86a8-0baaf0518d22.0002.02/DOC_1&format=PDF (zul. abgerufen am 30. August 2018). 8 Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003R1829&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). 9 Richtlinie (EU) 2015/412, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015L0412&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). 10 Verordnung (EG) Nr. 1830/2003, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003R1830&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). 11 Richtlinie 2002/53/EG, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002L0053&qid=1535546411381&from=EN (zul. abgerufen am 29. August 2018). 12 Richtlinie 2009/41/EG, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0041&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). 13 Verordnung (EG) Nr. 1946/2003, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003R1946&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). 14 Richtlinie (EU) 2018/350 der Kommission, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L0350&rid=1 (zul. abgerufen am 30. August 2018). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 7 4. Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung auf diese Sekundärrechtsakte Die Rechtsprechung des EuGH erstreckt sich lediglich auf die Richtlinie 2001/18/EG und auf die Richtlinie 2002/53/EG. Zur Übertragbarkeit seiner Entscheidung zur Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2001/18/EG merkt er in seinem Urteil an, dass die Richtlinie 2002/53/EG für die Definition des Begriffs der „genetisch veränderten Sorte“ in Art. 4 Abs. 4 auf die Richtlinie 2001/18/EG verweist.15 Folglich würden auch Sorten, die mit neuartigen Verfahren bzw. Methoden der Mutagenese erzeugt werden, unter den Begriff der „genetisch veränderten Sorte“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53/EG fallen.16 In analoger Anwendung dieser Verweisung des EuGH lässt sich für eine Reihe weiterer Sekundärrechtsakte die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH feststellen: Da die Verordnung (EG) 1829/2003 in ihrem Art. 2 Nr. 5 für die Bestimmung des Begriffs „genetisch veränderter Organismus“ auf die vom EuGH für neuartige Mutageneseverfahren anwendbar erklärte Definition von GVO in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18/EG verweist, gilt die Rechtsprechung des EuGH auch für die Bestimmungen dieser Verordnung. Mithin finden die Vorgaben der Verordnung (EG) 1829/2003 auch auf Organismen Anwendung, die durch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas9 erzeugt worden sind. Auch die Verordnung (EG) 1830/2003 sowie die Verordnung (EG) 1946/2003 verweisen in Art. 3 Nr. 1 bzw. Art. 3 Nr. 2 auf die Begriffsbestimmung von GVO in der Richtlinie 2001/18/EG. Somit liegt diesen Sekundärrechtsakten dieselbe Definition von GVO auf der Grundlage der Richtlinie 2001/18/EG zugrunde, sodass sie in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH zu GVO im Sinne des Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18/EG Organismen als GVO erfassen, die durch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas9 erzeugt worden sind. Lediglich die Richtlinie 2009/41/EG enthält eine eigene Definition von GVO. Gemäß ihrem Art. 2 lit. b ist ein „genetisch veränderter Mikroorganismus“ (GVM) ein Mikroorganismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie es unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht vorkommt. Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Richtlinie 2009/41/EG in dieser Definition von der Richtlinie 2001/18/EG nur insoweit, als dass die Richtlinie 2001/18/EG Organismen und die Richtlinie 2009/41/EG Mikroorganismen erfasst. Es gibt daher guten Grund zu der Annahme, dass die Rechtsprechung zur Richtlinie 2001/18/EG auch auf diesen Fall übertragen werden kann, und die Richtlinie 2009/41/EG mithin auch auf Mikroorganismen Anwendung findet, die durch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas9 erzeugt bzw. verändert worden sind. 15 EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018, Rs. C-528/16 – Confédération paysanne, Rn. 58 f.. 16 EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018, Rs. C-528/16 – Confédération paysanne, Rn. 67. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 8 5. Vorgaben des Unionsrechts für Lebens- und Futtermittel 5.1. Die Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen in die Umwelt Mit der Richtlinie 2001/18/EG verfolgt die EU entsprechend dem Vorsorgeprinzip das Ziel, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten anzugleichen, um die gefahrlose Entwicklung von gewerblichen Produkten zu gewährleisten, in denen GVO angewendet werden (ErwGr Nr. 7), sowie die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowohl bei der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt als auch beim Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten in der EU zu schützen (Art. 1). Gemeinsam mit der Verordnung (EG) 1829/2003 (vgl. Tz. 5.2) hat der Unionsgesetzgeber mit dieser Richtlinie einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die Zulassung von GVO geschaffen, der in vollem Umfang auf GVO Anwendung findet, die als Saatgut oder sonstiges Pflanzenvermehrungsmaterial zu Anbauzwecken in der Union verwendet werden sollen. Art. 4 erlegt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, dafür zu sorgen, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung17 oder das Inverkehrbringen18 von GVO keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. Hierzu schreibt die Richtlinie in ihrem Teil B (für die absichtliche Freisetzung) bzw. in Teil C (für das Inverkehrbringen) jeweils ein antragsgebundenes Zulassungsverfahren vor. Für den Bereich der absichtlichen Freisetzung – der auch die Erforschung von GVO im Freilandversuch erfasst – umfasst dieses Verfahren gem. Art 5 eine spezielle Umweltverträglichkeitsprüfung , eine ausdrückliche Zustimmung vor der Freisetzung, einen Überwachungsplan zur Ermittlung der Auswirkungen des bzw. der GVO auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt sowie bestimmte Maßgaben für die Behandlung neuer Informationen, für die Unterrichtung der Öffentlichkeit , die Information über die Ergebnisse der Freisetzungen und für den Informationsaustausch . Die Bestimmungen der Art. 6 bis 11 konkretisieren die einzelnen Verfahrensteile. Das Inverkehrbringen eines GVO muss gemäß Art. 13 Abs. 1 bei der zuständigen Behörde desjenigen Mitgliedstaats beantragt werden, in dessen Gebiet der GVO in den Verkehr gebracht werden soll. Dieser Antrag muss gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. b u. a. eine Umweltverträglichkeitsprüfung19 enthalten. Die zuständige nationale Behörde erstellt einen Bewertungsbericht gemäß Art. 14. Befürwortet sie das Inverkehrbringen des betreffenden GVO, werden die anderen Mitgliedstaaten über die Europäischen Kommission (KOM) darüber informiert (Art. 15 Abs. 3). Die KOM stimmt 17 Dabei bedeutet absichtliche Freisetzung gem. Art. 2 Ziff. 3 der Richtlinie jede Art von absichtlichem Ausbringen eines GVO oder einer Kombination von GVO in die Umwelt, bei dem keine spezifischen Einschließungsmaßnahmen angewandt werden, um ihren Kontakt mit der Bevölkerung und der Umwelt zu begrenzen und ein hohes Sicherheitsniveau für die Bevölkerung und die Umwelt zu erreichen. 18 Als Inverkehrbringen definiert Art. 2 Ziff. 4 der Richtlinie die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung für Dritte. 19 Das Ziel der Umweltverträglichkeitsprüfung besteht gemäß Anhang II der Richtlinie darin „von Fall zu Fall etwaige direkte, indirekte, sofortige oder spätere schädliche Auswirkungen von GVO auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die bei der absichtlichen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO auftreten können, zu ermitteln und zu evaluieren. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist durchzuführen, damit festgestellt werden kann, ob ein Risikomanagement notwendig ist und, wenn ja, welches die geeignetsten Methoden sind.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 9 dem Inverkehrbringen des GVO zu, sofern sie oder andere Mitgliedstaaten keine Einwände20 haben . Mit der Genehmigung kann der GVO in der gesamten EU auf den Markt gebracht werden, sofern er die darin ggf. vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Darüber hinaus normiert Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie eine Kennzeichnungspflicht für GVO. Die Mitgliedstaaten ergreifen gemäß Art. 21 alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Kennzeichnung und die Verpackung der als Produkt oder in Produkten in den Verkehr gebrachten GVO auf allen Stufen des Inverkehrbringens den einschlägigen Anforderungen der Zustimmung zum Inverkehrbringen entspricht. 5.2. Die Verordnung (EG) 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel Mit Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zielt der Unionsgesetzgeber darauf, die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die menschliche und Tiergesundheit, die Belange der Umwelt und die Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit genetisch veränderten Lebensmitteln und Futtermitteln zu sichern und zugleich ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten . Hierzu legt die Verordnung gemeinschaftliche Verfahren für die Zulassung und Überwachung sowie Bestimmungen für die Kennzeichnung genetisch veränderter Lebensmittel und Futtermittel fest (Art. 1). Die Verordnung enthält Vorgaben für eine Sicherheitsprüfung solcher Lebensmittel und Futtermittel, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt werden, bevor sie in der EU in den Verkehr gebracht werden können. Gemäß Art. 4 Abs. 2 darf ein zur Verwendung als Lebensmittel bzw. in Lebensmitteln bestimmter GVO nicht in Verkehr gebracht werden, wenn er nicht über eine Zulassung verfügt und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Der Zulassungsantrag ist bei der zuständigen nationalen Behörde eines Mitgliedstaats zu stellen, die ihn an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority - EFSA)21 weiterleitet. Gemäß Art. 6 Abs. 4 sind bei der Bewertung die in der Richtlinie 2001/18/EG vorgesehenen umweltbezogenen Sicherheitsanforderungen zugrunde zu legen, damit sichergestellt ist, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt, die sich aus der absichtlichen Freisetzung von GVO ergeben könnten, zu verhindern . Innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme der EFSA legt die KOM gemäß Art. 7 Abs. 1 und Art. 19 dem zuständigen Ausschuss (hier: der Ständige Ausschuss für Pflanzen, 20 Bestehen dagegen Einwände, wird eine Entscheidung gemäß Art. 18 der Richtlinie über das Inverkehrbringen des GVO auf Unionsebene getroffen. Hierzu konsultiert die KOM gemäß Art. 28 der Richtlinie ihre wissenschaftlichen Ausschüsse. Fällt deren Stellungnahme positiv aus, legt die KOM gemäß Art. 30 der Richtlinie dem zuständigen Ausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, den Entwurf einer legislativen Entscheidung über das Inverkehrbringen vor. 21 Gemäß Art. 6 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ist die EFSA für die wissenschaftliche Bewertung der Sicherheit von GVO zuständig. Bei der Bewertung von Anträgen auf Inverkehrbringen von Lebens- oder Futtermitteln , die aus GVO bestehen oder solche enthalten, konsultiert die EFSA die von den einzelnen Mitgliedstaaten zu diesem Zweck bezeichneten zuständigen nationalen Behörden im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 10 Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCPAFF), speziell dessen Unterausschuss für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel und Umweltrisiken22) einen Entwurf für die Entscheidung über den Antrag vor.23 Gibt der SCPAFF eine befürwortende Stellungnahme ab, erteilt die KOM gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Zulassung in Form eines Durchführungsbeschlusses.24 Im Falle einer ablehnenden Stellungnahme erteilt die KOM gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 keine Zulassung. Die KOM kann dem Ausschuss dann entweder eine geänderte Fassung des Durchführungsbeschlussentwurfs unterbreiten oder den Entwurf innerhalb eines Monats nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen. Darüber hinaus bestimmen Art. 12 bis 14 die Kennzeichnung genetisch veränderter Lebensmittel und Lebensmittelzutaten. Die Kennzeichnungsverpflichtung gilt umfassend und beschränkt sich nicht auf bestimmte Darbietungsformen. Sie gilt daher nicht nur für Fertigpackungen, sondern auch für lose Ware.25 Die Verfahren der Zulassung und Überwachung sowie die Kennzeichnung von genetisch veränderten Futtermitteln sind Regelungsgegenstand der Art. 15 bis 26. 5.3. Die Verordnung (EG) 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen Die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen sieht vor, dass die Wirtschaftsbeteiligten auf jeder Stufe des Inverkehrbringens Informationen über Erzeugnisse, die GVO enthalten, übermitteln und aufbewahren müssen. Die Verordnung schafft einen Rahmen für die Rückverfolgbarkeit von aus GVO bestehenden oder solche enthaltenden Produkten und von aus GVO hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln, um die genaue Kennzeichnung, die Überwachung der Auswirkungen auf die Umwelt und gegebenenfalls auf die Gesundheit sowie die Umsetzung der geeigneten Risikomanagementmaßnahmen zu erleichtern. 22 S. die Auflistung der Unterausschüsse des SCPAFF unter https://ec.europa.eu/food/plant/standing_committees /sc_modif_genet_en. 23 Das Ausschussverfahren folgt den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. Nach Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 erfordert eine Zulassungsentscheidung der Kommission eine befürwortende Stellungnahme des zuständigen Ausschusses. Der SCPAFF entscheidet mit der qualifizierten Mehrheit seiner Stimmen (Art. 16 Abs. 4 und 5 EUV). 24 Vgl. bspw. den Durchführungsbeschluss 2013/650/EU der Kommission vom 6. November 2013 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die aus der genetisch veränderten (GV) Maissorte MON 89034 × 1507 × MON88017 × 59122 (MON-89Ø34-3 × DAS-Ø15Ø7-1 ×MON-88Ø17-3 × DAS-59122-7), […] bestehen, diese enthalten oder aus diesen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, ABl. L 302/47 vom 13.11.2013, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013D0650&from=EN. 25 Eggers, in: Hasselblatt, Münchener Anwaltshandbuch - Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 2017, § 33 Lebensmittelrecht , Rn. 143. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 119/18 Seite 11 5.4. Die Richtlinie 2002/53/EG über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten Die Richtlinie 2002/53/EG über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten enthält harmonisierende Vorgaben für die Erstellung von Sortenkatalogen. Die Richtlinie enthält dabei auch verschiedene Vorgaben speziell für genetisch veränderte Sorten. Gemäß Art. 4 Abs. 4 dürfen genetisch veränderte Sorten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 90/220/EWG26 nur zugelassen werden, wenn alle entsprechenden Maßnahmen getroffen wurden, um nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden. Gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a werden genetisch veränderte Sorten einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Die Mitgliedstaaten sorgen laut Art. 9 Abs. 5 dafür, dass zugelassene genetisch veränderte Sorten im Sortenkatalog klar als solche gekennzeichnet werden und dass jeder Marktbeteiligte, der eine solche Sorte in Verkehr bringt, sie in seinem Verkaufskatalog ebenfalls klar als genetisch verändert kennzeichnet. 5.5. Die Richtlinie 2009/41/EG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen Die Richtlinie 2009/41/EG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (sog. Systemrichtlinie) legt Maßnahmen im Hinblick auf die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen fest, mit denen die menschliche Gesundheit und die Umwelt geschützt werden sollen. Sie regelt den Umgang mit genetisch veränderten Organismen und Mikroorganismen innerhalb gentechnischer Anlagen, wie etwa Laboren . 5.6. Verordnung (EG) 1946/2003 über grenzüberschreitende Verbringungen genetisch veränderter Organismen Die Verordnung (EG) Nr. 1946/2003 über grenzüberschreitende Verbringungen genetisch veränderter Organismen regelt insbesondere den Export von GVO aus der EU in Drittstaaten. Die wichtigsten Bestandteile des Regelungskatalogs der Verordnung sind die Pflicht aus Art. 4, Ausfuhren von GVO, die zur absichtlichen Freisetzung in die Umwelt bestimmt sind, zu melden und die ausdrückliche vorherige Zustimmung vor der grenzüberschreitenden Verbringung einzuholen ; Informationspflichten gemäß Art. 12 sowie die Vorschriften aus Art. 9 und 10 für die Ausfuhr von GVO, die als Lebensmittel, Futtermittel oder in der Verarbeitung Verwendung finden sollen. – Fachbereich Europa – 26 Vorgängernorm der Richtlinie 2001/18/EG. Art. 36 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG bestimmt, dass Verweisungen auf die Richtlinie 90/220 als Verweisungen auf die Richtlinie 2001/18/EG gelten.