© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 112/13 Stellvertretung des Hohen Vertreters für die GASP und GSVP Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 2 Stellvertretung des Hohen Vertreters für die GASP und GSVP Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 112/13 Abschluss der Arbeit: 20.11.2013 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen 4 2.1. Funktionen des Hohen Vertreters / Vizepräsidenten 4 2.1.1. Hoher Vertreter als Leiter der GASP und Vorsitzender im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ 4 2.1.2. Hoher Vertreter als Vizepräsident und Mitglied der Europäischen Kommission 5 2.2. Rechtsstellung bzw. Legitimationsgrundlagen des Hohen Vertreters / Vizepräsidenten 6 2.2.1. Hoher Vertreter als Leiter der GASP und Vorsitzender im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ 6 2.2.2. Hoher Vertreter als Vizepräsident und Mitglied der Europäischen Kommission 6 3. Die Möglichkeiten einer politischen Stellvertretung des Hohen Vertreters 7 3.1. Primärrechtliche Regelungen 7 3.1.1. Primärrechtliche Rahmenbedingungen einer Stellvertretung 7 3.1.2. Art. 33 EUV als Option 8 3.2. Sekundärrechtliche Regelungen 9 3.2.1. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf das Europäische Parlament 9 3.2.2. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf den Rat und den Europäischen Rat 11 3.2.3. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf die Europäische Kommission 12 4. Ergebnis: Grenzen einer sekundärrechtlichen Regelung der Stellvertretung 13 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 4 1. Fragestellung Die Person des Hohen Vertreters der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) leitet die GASP, sitzt dem Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ vor und ist als Vizepräsident der Kommission für die Bereiche der Außenbeziehungen der Union sowie die übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Union zuständig. Mit Blick auf die Vielzahl der Funktionen des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission und insbesondere das Erfordernis einer persönlichen Wahrnehmung seiner Aufgaben drängt sich die Frage auf, ob diese Anforderungen durch eine Person zu leisten sind – oder ob die Vielzahl der Funktionen zumindest partiell eine politische Stellvertretung des Hohen Vertreters erforderlich macht. Vor diesem Hintergrund geht die Ausarbeitung auf Fragen der Zulässigkeit und der potenziellen Ausgestaltung einer politischen Stellvertretung des Hohen Vertreters für seine Funktionen im Rahmen der GASP/GSVP und der Kommission ein. Für diese Ausarbeitung wird der Begriff der politischen Stellvertretung in dem Sinne definiert, dass der Stellvertreter auf der Grundlage eines eigenständigen politischen Handlungs- und Entscheidungsspielraums zur Abgabe eigener, nicht auf Weisungen des Vertretenen beruhenden Willenserklärungen befugt ist. Jede Ausgestaltung einer Stellvertretung des Hohen Vertreters setzt voraus, dass dieser in seinen Funktionen und Aufgaben überhaupt vertreten werden kann. Zur Klärung dieser Frage werden im Folgenden zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen der Aufgaben und Funktionen des Hohen Vertreters dargestellt (hierzu sogleich 2.). Anschließend wird auf die primärrechtlichen Bedingungen sowie die sekundärrechtlichen Regeln einer Stellvertretung des Hohen Vertreters eingegangen. 2. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen 2.1. Funktionen des Hohen Vertreters / Vizepräsidenten Eine politische Stellvertretung des Hohen Vertreters bezöge sich auf dessen jeweilige Amtsfunktionen .1 Diese stellen sich wie folgt dar: 2.1.1. Hoher Vertreter als Leiter der GASP und Vorsitzender im Rat „Auswärtige Angelegenheiten “ Der Hohe Vertreter leitet die GASP der EU und vertritt die Union in diesen Bereichen (Art. 18 Abs. 2 und 27 EUV). Die in Art. 18 Abs. 2 S. 1 EUV angesprochene Leitungsfunktion dient als Oberbegriff für Handlungen des Hohen Vertreters im Sinne des Art. 18 Abs. 2 S. 2 EUV, durch Vorschläge zur Festlegung der GASP beizutragen (Art. 27 Abs. 1 EUV) und sie im Auftrag des Rates durchzuführen (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 4 EUV). In dieser Funktion kommt dem Hohen Vertreter die Aufgabe zu, das Handeln von Rat und Kommission aufeinander abzustimmen und die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union sowie den übrigen Politikbereichen der Union (Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV) sowie innerhalb der GASP 1 Vgl. zu den Funktionen und der Stellung des Hohen Vertreters /Vizepräsidenten insgesamt die Anlage auf S. 14, Quelle: Wolfgang Wessels/ Franziska Bopp, The Institutional Architecture of CFSP after the Lisbon Treaty: Constitutional breakthrough or challenges ahead?, in: In: CEPS Research Paper, 10/2008, S. 17. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 5 (Art. 24 Abs. 3 UAbs. 2 und 3 EUV) einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP, Art. 42 Abs. 1 S. 1 EUV) zu wahren. Hierzu nimmt der Hohe Vertreter an den Arbeiten des Europäischen Rates teil (Art. 15 Abs. 2 S. 2 EUV), auf dessen Beschlüsse zu den strategischen Zielen und Interessen der Union er in Gestalt von Vorschlägen an den Rat Einfluss nehmen kann (Art. 22 Abs. 1, 2 UAbs. 2 EUV). In seiner Funktion als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 3 EUV) kann der Hohe Vertreter politisch-inhaltlichen Einfluss auf die GASP nehmen. Als Nichtmitglied hat der Hohe Vertreter im Rat – ebenso wie als Teilnehmer am Europäischen Rat (Art. 15 Abs. 2 S. 2 EUV) – zwar kein Stimmrecht.2 Er kann jedoch dem Rat Vorschläge unterbreiten (Art. 27 Abs. 1 EUV), diesen mit Fragen befassen, ihn eigenständig einberufen (Art. 237 AEUV i.V.m. Art. 18 Abs. 3 EUV) und schließlich eine Konkretisierungsbefugnis bei der Durchführung der vom Rat beschlossenen Vorgaben ausüben (Art. 27 Abs. 1 EUV). 2.1.2. Hoher Vertreter als Vizepräsident und Mitglied der Europäischen Kommission In seiner Funktion als Mitglied der Kommission ist der Hohe Vertreter gemäß Art. 18 Abs. 4 EUV innerhalb der Kommission mit deren Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns beauftragt. Als Vizepräsident kann ihm die Vertretung des Präsidenten zufallen. Als Mitglied der Kommission unterliegt der Hohe Vertreter grundsätzlich den für die Kommission geltenden Verfahren (Art. 18 Abs. 4 S. 4 EUV). In diesem Rahmen ist der Hohe Vertreter an die Geschäftsordnung der Kommission3 (GO-KOM, vgl. Art. 249 Abs. 1 S. 1 AEUV) sowie an die Leitlinien4 gebunden, mit denen der Kommissionspräsident die Ausübung der Aufgaben festlegt. Zudem findet auf sein Handeln und Entscheiden im Rahmen der Kommission das Kollegialprinzip Anwendung, wonach die Kommission ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer Mitglieder fasst (Art. 250 S. 1 AEUV) und für diese gemeinsam die politische Verantwortung trägt. Die Einbindung in die Struktur und die Verfahren der Kommission gilt nur insoweit, wie der Hohe Vertreter innerhalb der Kommission die Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und für die Koordinierung der sonstigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Kommission wahrnimmt (Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV). Entsprechend Art. 18 Abs. 4 S. 4 EUV unterliegt der Hohe Vertreter den für die Kommission geltenden Verfahren nur, soweit dies mit der Leitung der GASP und seiner Funktion als Ratsvorsitz vereinbar ist. 2 Das Stimmrecht im Rat steht gem. Art. 16 Abs. 2 EUV nur den Mitgliedern, d.h. den Vertretern der Mitgliedstaaten zu. 3 Art. 25 der Geschäftsordnung der Kommission (K (2000) 3614) vom 29. November 2000, ABl. Nr. L 308/26, neu gefasst mit Wirkung vom 6. März 2010 durch Beschluss 2010/138/EU, Euratom der Kommission vom 24. Februar 2010 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. ABl. Nr. L 55/60, zuletzt geändert durch Beschluss 2011/737/EU, Euratom der Kommission vom 9. 11. 2011, ABl. Nr. L 296/58, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:055:0060:0067:DE:PDF. 4 Mitteilung des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 2. Februar 2010, Arbeitsmethoden der Kommission 2010-2014, (K(2010) 1100), online abrufbar unter http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/president /news/documents/pdf/c2010_1100_de.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 6 2.2. Rechtsstellung bzw. Legitimationsgrundlagen des Hohen Vertreters / Vizepräsidenten Eine politische Stellvertretung des Hohen Vertreters / Vizepräsidenten stünde im Zusammenhang mit dessen Legitimation bzw. den Grundlagen seiner Handlungsbefugnis. Art. 17 Abs. 8 S. 3 EUV bringt die Verschiedenheit der durch die Person des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission ausgeübten Ämter zum Ausdruck. Ausgehenden von den Funktionen des Hohen Vertreters stellen sich diese wie folgt dar: 2.2.1. Hoher Vertreter als Leiter der GASP und Vorsitzender im Rat „Auswärtige Angelegenheiten “ Die Befugnisse des Hohen Vertreters als Leiter der GASP und Vorsitzender im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ beruhen auf der Ernennung durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Präsidenten der Europäischen Kommission (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV, Art. 235 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 AEUV).5 2.2.2. Hoher Vertreter als Vizepräsident und Mitglied der Europäischen Kommission Das Amt des Vizepräsidenten folgt kraft Amtes aus seiner Eigenschaft als Hoher Vertreter (Art. 18 Abs. 4 S. 1 EUV) und beruht auf der Annahme durch den Rat und dem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments. Auf Grundlage dieser Zustimmung wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt (Art. 17 Abs. 7 UAbs. 2 und 3 EUV). Wegen der Einbeziehung des Hohen Vertreters in die Kommission gelten für die Besetzung des Amtes die gleichen Voraussetzungen gemäß Art. 17 Abs. 3 UAbs. 2 EUV wie für die Besetzung der übrigen Kommissare. Spricht das Europäische Parlament der Kommission als Kollegium das Misstrauen aus, so müssen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt niederlegen; der Hohe Vertreter muss sein im Rahmen der Kommission ausgeübtes Amt des Vizepräsidenten niederlegen (Art. 17 Abs. 8 EUV). Die Mitglieder der Europäischen Kommission sind ad personam berechtigt und verpflichtet zur Ausübung des ihnen übertragenen Amtes. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich der Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission einschließlich des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments stellen und anschließend vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt werden. Auf Grundlage dieses Legitimationszusammenhangs üben die Mitglieder der Kommission gemäß Art. 17 Abs. 3 UAbs. 3 EUV ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Union aus und dürfen insbesondere Anweisungen von Dritten – einer Regierung oder anderen Stelle – weder anfordern noch entgegennehmen. 5 Beschluss 2009/880/EU des Europäischen Rates mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission vom 1. Dezember 2009 zur Ernennung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, ABl. Nr. L 315/49, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2009:315:0049:0049:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 7 3. Die Möglichkeiten einer politischen Stellvertretung des Hohen Vertreters 3.1. Primärrechtliche Regelungen Mit Blick auf die Vielzahl der Funktionen des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission und das Erfordernis einer persönlichen Teilnahme an Sitzungen sowohl der Europäischen Institutionen als auch im Rahmen von EU-Missionen wird die Bedeutung einer Stellvertretung grundsätzlich anerkannt.6 Gleichwohl sieht das Primärrecht keine ausdrückliche oder implizite Möglichkeit einer Stellvertretung des Hohen Vertreters für die Wahrnehmung seiner Aufgaben im Rahmen der GASP und im Rat (Art. 18 Abs. 2 und 3 EUV) vor, wie dies beispielsweise gemäß Art. 17 Abs. 6 lit. a EUV für die Aufgaben des Präsidenten der Kommission der Fall ist. 3.1.1. Primärrechtliche Rahmenbedingungen einer Stellvertretung Fraglich ist, ob die primärrechtlichen Regelungen zum Amt des Hohen Vertreters überhaupt eine politische Stellvertretung zulassen. Ausgangspunkt hierfür ist Art. 18 EUV im Titel III EUV (Bestimmungen über die Organe). Betrachtet man diese Bestimmung in ihrer Stellung im systematischen Kontext des EUV, so ließe sich argumentieren, dass Art. 18 EUV nicht lediglich die Betrauung einer bestimmten Person mit dem Amt des Hohen Vertreters regeln, sondern allgemein das Amt des Hohen Vertreters als europäische Institution.7 Ohne einen solchen personalisierten Bezug und vor dem Hintergrund des Ziels gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 1 EUV, durch einen institutionellen Rahmen die Effizienz und Kontinuität der Politik der Union sicherzustellen, ließen sich Art. 18 EUV dahingehend auslegen, dass die Norm allgemein ein Amt bezeichnet, das einer Stellvertretung zugänglich ist. Gegen diese Auslegung spricht zunächst, dass das Amt des Hohen Vertreters in der abschließenden Aufzählung des Art. 13 Abs. 1 EUV nicht ausdrücklich als Organ der Union genannt wird. Zudem kennzeichnet das Amt des Hohen Vertreters eine enge Verbindung zwischen der Person und dem Amt. Während beispielsweise der Begriff „Vorsitz im Rat“ allgemein eine bestimmte, nicht personengebundene Tätigkeit bezeichnet8, wird der Begriff des Hohen Vertreters in den Unionsverträgen unmittelbar mit einer bestimmten, in dieses Amt berufenen Person verknüpft,9 6 Vgl. Nr. 7 h) der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2009 zu den institutionellen Aspekten der Errichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, P7_TA(2009)0057, online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2009-0057&language=DE&ring=A7- 2009-0041. 7 Zu der entsprechenden staatsrechtlichen Differenzierung zwischen Amt und Amtswalter vgl. Depenheuer, Das öffentliche Amt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 3. Auflage 2005, § 36. 8 Vgl. die Formulierungen in Art. 16 Abs. 9 EUV sowie Art. 1 Beschluss 2009/881/EU. 9 Beschluss 2009/880/EU des Europäischen Rates mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission vom 1. Dezember 2009 zur Ernennung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, ABl. Nr. L 315/49, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2009:315:0049:0049:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 8 wie dies beispielsweise auch im Fall des Präsidenten der Kommission der Fall ist.10 Schließlich deutet auch die Entstehungsgeschichte des Amtes des Hohen Vertreters darauf hin, dass das Fehlen der Möglichkeit einer politischen Stellvertretung nicht auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht, die sich durch eine erweiterte Auslegung von Art. 18 EUV schließen lassen könnte. Die gegenwärtige Ausgestaltung des Amtes des Hohen Vertreters entspricht – abgesehen von der Amtsbezeichnung – im Wesentlichen dem Amt des Europäischen Außenministers im Verfassungsvertrag .11 Angesichts der Befürchtung, die Vielfalt der Aufgaben könne die Person des Hohen Vertreters überfordern,12 wurden im Rahmen der Verhandlungen für einen Verfassungsvertrag sowohl in Bezug auf die GASP13 als auch auf die GSVP14 diverse Vorschläge für eine Stellvertretung eingebracht, jedoch nicht in den späteren Verfassungsvertrag aufgenommen. Insgesamt sprechen viele Argumente gegen die Annahme, dass Art. 18 EUV eine europäische Institution bezeichnet, die im Rahmen ihrer Binnenorganisation eine politische Stellvertretung ermöglicht . 3.1.2. Art. 33 EUV als Option Auch wenn sich nach hier vertretener Ansicht aus Art. 18 EUV nicht unmittelbar eine Vertretungsmöglichkeit herleiten lässt, so wird die Möglichkeit einer politischen Stellvertretung durch Art. 18 EUV auch nicht generell ausgeschlossen. Ein derartig restriktives Verständnis stünde angesichts der Vielzahl von Aufgaben des Hohen Vertreters potenziell im Konflikt mit Art. 13 Abs. 1 EUV, der auf den Zweck des institutionellen Rahmens der EU verweist, die Kohärenz, Effizienz und Kontinuität der Politik der EU sicherzustellen. 10 Vgl. Art. 17 Abs. 7 UAbs. 2 S. 1: „Der Rat nimmt, im Einvernehmen mit dem gewählten Präsidenten, die Liste der anderen Persönlichkeiten an, […]“ sowie Erklärung Nr. 8 im Anhang zur Schlussakte der Regierungskonferenz , auf der der Vertrag von Lissabon angenommen wurde: „[…] die Persönlichkeit, die zum Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ernannt wird […]“, online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0335:0359:DE:PDF. 11 Vgl. Kaufmann-Bühler/Meyer-Landrut, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL 2013, Art. 18, Rn. 1 ff. 12 Vgl. European Convention, Secretariat, Mandate of Working Group VII on External Action, CONV 252/02, Brussels , 10. September 2002, S. 5 f., online abrufbar unter http://register.consilium.europa .eu/pdf/en/02/cv00/cv00252.en02.pdf. 13 European Convention, Secretariat, Summary of the meeting of Working Group VII held on 8 October 2002, CONV 342/02, Brussels, 11. Oktober 2002, S. 5 ff., online abrufbar unter http://register.consilium.europa .eu/pdf/en/02/cv00/cv00342.en02.pdf; European Convention, Secretariat, Final Report of Working Group VII, CONV 459/02, Brussels, 16 Dezember 2002, S. 19-23, online abrufbar unter http://www.europarl.europa .eu/meetdocs/committees/deve/20030218/489393EN.pdf. 14 Vgl. European Convention, Secretariat, Summary of the meeting of Working Group VIII held on 14 October 2002, CONV 349/02, Brussels, 18 Oktober 2002, S. 2, online abrufbar unter http://register.consilium.europa .eu/pdf/en/02/cv00/cv00349.en02.pdf; European Convention, Secretariat, Summary of the meeting of Working Group VIII held on 29 October 2002, CONV 399/02, Brussels, 12 November 2002, online abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/02/cv00/cv00349.en02.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 9 Als alternative Rechtsgrundlage für eine politische Stellvertretung wird die Ernennung von Stellvertretern des Hohen Vertreters auf Grundlage von Art. 33 EUV vorgeschlagen.15 Danach kann der Rat auf Vorschlag des Hohen Vertreters einen oder mehrere Sonderbeauftragte für besondere politische Fragen ernennen. Der Rat bestimmt die Person des Sonderbeauftragten und regelt durch Beschluss die genaue Ausgestaltung des Mandats.16 Aus dem Wortlaut des Art. 33 EUV folgt keine eindeutige geografische oder thematische Beschränkung des potenziellen Mandats eines Sonderbeauftragten. Betrachtet man Art. 33 EUV als ausreichende Rechtsgrundlage für die Ernennung von Stellvertretern des Hohen Vertreters, so stellte sich die Frage, ob das Amt des Hohen Vertreters überhaupt in dem Sinne einer politischen Stellvertretung zugänglich ist, dass eine andere Persönlichkeit die Funktionen des Hohen Vertreters ohne die der Person des Hohen Repräsentanten zukommende spezifische Legitimation (Art. 18 Abs. 1, 17 Abs. 7 EUV) wahrnehmen kann. Insoweit wäre zu bedenken, dass ein Gleichlauf der Legitimationszusammenhänge in Art. 33 EUV einerseits und in den Art. 18 Abs. 1, 17 Abs. 7 EUV andererseits gewährleistet sein müsste, der sich aus dem Wortlaut des derzeitigen Primärrechts nicht ergibt. 3.2. Sekundärrechtliche Regelungen Auch wenn das Primärrecht keine explizite Stellvertretung des Hohen Vertreters vorsieht, wurden für die Zusammenarbeit des Hohen Vertreters mit den Unionsorganen verschiedene sekundärrechtliche Varianten der Stellvertretung eingeführt. Die nachfolgend dargestellten Stellvertretungsregelungen sind jedoch insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass sie grundsätzlich keine politische Stellvertretung nach hiesigem Verständnis ermöglichen und damit zugleich die Grenzen des primärrechtlich Zulässigen umreißen. 3.2.1. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf das Europäische Parlament In Bezug auf die Unterrichtungspflichten und Anhörungsrechte des Europäischen Parlaments im Bereich der GASP (Art. 36 EUV) wurde eine Vertretungsregel im Rahmen einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, der Kommission und dem Rat eingeführt :17 15 Europäisches Parlament, Proposal for the Establishment of the EEAS, Working Document by Elmar Brok (AFET) and Guy Verhofstadt (AFCO), rapporteurs on EEAS, Updated Version, 20. April 2010, S. 4-5, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/afet/dv/201/201006/20100602_finalproposal _en.pdf. 16 Vgl. zu den derzeitigen EU-Sonderbeauftragten den Überblick unter http://eeas.europa.eu/policies/eu-specialrepresentatives /index_de.htm. 17 Beschlusses 2010/C 210/01 des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht, ABl. C 210/1, berichtigt durch ABl. C 217/12, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:C:2010:210:0001:0002:DE:PDF; Legislative Entschließung des Europaischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes, P7_TA(2010)0280, online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides /getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2010-0280+0+DOC+PDF+V0//DE. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 10 „Ist es der Hohen Vertreterin nicht möglich, an einer Aussprache im Plenum des Europäischen Parlaments teilzunehmen, so lässt sie sich durch ein Mitglied eines EU-Organs vertreten , und zwar bei Fragen, die ausschließlich oder überwiegend in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen, durch ein Mitglied der Kommission und bei Fragen, die ausschließlich oder grundsätzlich in den Bereich der GASP fallen, durch ein Mitglied des Rates "Auswärtige Angelegenheiten". In letzterem Falle wird die Vertretung gemäß Artikel 26 der Geschäftsordnung des Rates entweder durch den turnusmäßig wechselnden Ratsvorsitz oder durch den Dreiervorsitz wahrgenommen. Das Europäische Parlament wird über die Entscheidung der Hohen Vertreterin bezüglich ihrer Vertretung unterrichtet.“18 Dementsprechend bestimmt Art. 26 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Rates (GO-Rat)19 im Hinblick auf die Informationsrechte des Europäischen Parlaments für den Fall einer Verhinderung des Hohen Vertreters in seiner Funktion als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten “: „Was den Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ betrifft, so wird der Rat vor dem Europäischen Parlament und seinen Ausschüssen von seinem Präsidenten vertreten. Er kann sich erforderlichenfalls von demjenigen Mitglied dieser Ratsformation vertreten lassen, das den Mitgliedstaat vertritt, der den halbjährlichen Vorsitz des Rates wahrnimmt. Im Auftrag seines Präsidenten kann sich der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ vor den Ausschüssen des Europäischen Parlaments auch von hohen Beamten des Europäischen Auswärtigen Dienstes oder gegebenenfalls des Generalsekretariats vertreten lassen.“ In seiner Funktion als Mitglied der Kommission gelten für den Hohen Vertreter die für die Kommission im Übrigen bestehenden Regelungen. Auf Grundlage der interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Kommission und Europäischem Parlament stellt die Kommission insbesondere sicher, dass die zuständigen Mitglieder der Kommission in der Regel bei Tagesordnungspunkten, die unter ihre Verantwortung fallen, bei Plenarsitzungen anwesend sind, wenn das Parlament diese Anwesenheit angefragt hat.20 Für den Fall einer Verhinderung des zuständigen Kommissars bestimmt Nr. 50 ‚Abs. 3 der Interinstitutionellen Vereinbarung: „Wird die Anwesenheit eines Mitglieds der Kommission bei einer Ausschusssitzung nicht ausdrücklich gefordert, sorgt die Kommission dafür, dass sie durch einen sachkundigen Beamten auf angemessener Ebene vertreten wird.“ 18 Nr. 6 der Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht, a.a.o. 19 Verordnung 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Änderung seiner Geschäftsordnung, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:325:0035:0061:DE:PDF. 20 Nr. 45 Abs. 2 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 20. Oktober 2010 über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, ABl. L 304/47, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:304:0047:0062:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 11 3.2.2. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf den Rat und den Europäischen Rat Sekundärrechtlich sieht Art. 2 Abs. 2 Beschluss 2009/881/EU21 eine Stellvertretung des Hohen Vertreters für den Vorsitz im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee vor: „Der Vorsitz im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee wird von einem Vertreter des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik wahrgenommen.“ Daneben sieht Art. 4 i.V.m. Anhang II Beschluss 2009/908/EU22 die Stellvertretung des Hohen Vertreters für den Vorsitz in bestimmten Fällen der Vorbereitungsgremien zum Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ vor. Die Modalitäten für die Ernennung der Stellvertreter des Hohen Vertreters ergeben sich aus Art. 4 Abs. 4 Beschluss 2010/427/EU23 in Verbindung mit Anhang II zu Beschluss 2009/908/EU: „In den Fällen, in denen nach dem Beschluss des Europäischen Rates oder nach diesem Beschluss der Vorsitz in einem Vorbereitungsgremium (PSK und die betreffenden Arbeitsgruppen ) von einem Vertreter des Hohen Vertreters wahrgenommen wird, obliegt es dem Hohen Vertreter, diesen Vorsitzenden zu ernennen. Diese Ernennungen erfolgen aufgrund der Befähigung , wobei auf hinreichende geografische Ausgewogenheit und auf Transparenz zu achten ist. Der Hohe Vertreter trägt dafür Sorge, dass die Person, deren Ernennung zum Vorsitzenden er beabsichtigt, das Vertrauen der Mitgliedstaaten genießt. Die betreffende Person wird im Einklang mit den Einstellungsverfahren des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) mit ihrer Ernennung zumindest für die Dauer ihrer Amtszeit Mitglied des EAD, sofern sie diesem noch nicht angehört. Eine Bewertung dieser Regelung wird im Rahmen des für 2012 vorgesehenen Sachstandsberichts über den EAD vorgenommen.“ Für eine Verhinderung des Hohen Vertreters bei Tagungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten “ bestimmt Art. 2 Abs. 5 UAbs. 2 GO-Rat24: 21 Beschluss 2009/881/EU des Europäischen Rates vom 1. Dezember 2009 über die Ausübung des Vorsitzes im Rat, ABl. Nr. L 315/50, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2009:315:0050:0050:DE:PDF. 22 Beschluss 2009/908/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung des Beschlusses des Europäischen Rates über die Ausübung des Vorsitzes im Rat und über den Vorsitz in den Vorbereitungsgremien des Rates, ABl. Nr. L 322/28, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:322:0028:0034:DE:PDF. 23 Beschluss 2010/427/EU des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes, ABl. Nr. L 201/30, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex UriServ.do?uri=OJ:L:2010:201:0030:0030:DE:PDF. 24 Verordnung 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Änderung seiner Geschäftsordnung, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:325:0035:0061:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 12 „Den Vorsitz im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ führt der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der sich erforderlichenfalls von dem Mitglied dieser Zusammensetzung des Rates vertreten lassen kann, das den Mitgliedstaat vertritt, der den halbjährlichen Vorsitz des Rates wahrnimmt.“ Grundsätzlich gilt zudem für Tagungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ gemäß der zu Art. 2 Abs. 5 UAbs. 2 GO-Rat abgegebenen Erklärung: „Im Falle der Einberufung des Rates ‚Auswärtige Angelegenheiten‘ im Zusammenhang mit Fragen der gemeinsamen Handelspolitik lässt sich sein Präsident vom halbjährlichen Vorsitz vertreten, wie in Artikel 2 Absatz 5 Unterabsatz 2 vorgesehen.“ 3.2.3. Regeln der Stellvertretung in Bezug auf die Europäische Kommission Die Funktionen und Befugnisse des Hohen Vertreters im Rahmen der Kommission beruhen gegenüber denen im Rahmen der GASP und des Rates auf einem abweichenden Erzeugungszusammenhang (siehe oben 2.2.2.). Dementsprechend sind die Möglichkeiten der (politischen) Stellvertretung des Hohen Vertreters in seiner Funktion als Mitglied und Vizepräsident der Europäischen Kommission von den Möglichkeiten einer Stellvertretung in den Funktionen als Leiter der GASP und Vorsitz des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ abzugrenzen. Sie werden für den Hohen Vertreter als Mitglied der Europäischen Kommission maßgeblich durch die im Primärrecht angelegten und durch die Geschäftsordnung der Kommission konkretisierten Grundsätze für die Arbeitsweise der Kommission bestimmt. Bereits im Rahmen der Revision des Vertrags von Maastricht wurde die Einsetzung stellvertretender Mitglieder der Kommission in bestimmten Ressorts gefordert,25 was jedoch bei den späteren Vertragsrevisionen nicht aufgegriffen wurde. Eine politische Stellvertretung ist unionsrechtlich nur für die Aufgaben des Präsidenten (Art. 17 Abs. 6 lit. c EUV, Art. 249 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 25 GO-KOM), nicht aber für die übrigen Mitglieder der Kommission vorgesehen: Die Kommission kann gemäß Art. 14 GO-KOM einem hohen Beamten die Befugnis übertragen, unmittelbar Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung zu treffen. Diese Befugnis zielt jedoch auf Entscheidungen im Rahmen der exekutiven „Sekundärebene“ ab, nicht aber auf Entscheidungen der politischen „Primärebene“. Für den Fall, dass ein Kommissionsmitglied bei einer Sitzung der Kommission abwesend ist, kann der jeweilige Kabinettschef gemäß Art. 10 Abs. 2 GO-KOM an der Sitzung teilnehmen und auf Aufforderung des Präsidenten die Meinung des abwesenden Mitglieds vortragen. In dieser Situation befindet sich der Kabinettschef jedoch eher der Rolle eines Boten denn in der Rolle einer politischen Stellvertretung. Bei der Einführung einer politischen Stellvertretung des Hohen Vertreters als Vizepräsident der Kommission wäre zu bedenken, dass das Handeln der Kommission auf dem Grundsatz der Kollegialität beruht. Dies beinhaltet die Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Mitwirkung 25 Entschließung A3-0189/92 des Europäischen Parlaments zur Gestaltung und Strategie der Europäischen Union im Hinblick auf ihre Erweiterung und die Schaffung einer gesamteuropäischen Ordnung, in: Protokoll der Sitzung vom Mittwoch, 20. Januar 1993 (93/C 42/03), ABl. Nr. C 42/128, online Abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:1993:042:0071:0144:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 13 an der Entscheidungsfindung und die gemeinsame politische Verantwortlichkeit alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche erlassenen Entscheidungen.26 Aus dem Grundsatz der Kollegialität lässt sich schließen, dass ein politischer Vertreter des Hohen Vertreters als Vizepräsident der Kommission auf einer gleichwertigen Legitimationsgrundlage handeln und somit ebenfalls Mitglied der Europäischen Kommission sein müsste. Andernfalls bestünde bei einer Entscheidung der Kommission beispielsweise das Problem einer nicht ordnungsgemäßen Beschlussfassung im Sinne des Art. 250 AEUV, welche einen Beschluss der Kommission durch ihre Mitglieder erfordert . Die Möglichkeit einer Stellvertretung wird damit durch die Anzahl der Kommissare begrenzt . Die Europäische Kommission besteht bis zum 31. Oktober 2014 gemäß Art. 17 Abs. 4 EUV einschließlich ihres Präsidenten und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik , der einer der Vizepräsidenten der Kommission ist, aus je einem Staatsangehörigen jedes Mitgliedstaates. Im Mai 2013 hat der Europäische Rat gemäß Art. 17 Abs. 5 EUV beschlossen , dass die Kommission auch nach dem 1. November 2014 weiterhin aus einer Anzahl von Mitgliedern einschließlich ihres Präsidenten und des Hohen Vertreters besteht, die der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht.27 4. Ergebnis: Grenzen einer sekundärrechtlichen Regelung der Stellvertretung Eine Möglichkeit einer politischen Stellvertretung des Hohen Vertreters in seinen Funktionen im Rahmen der GASP bzw. des Rates und der Kommission besteht derzeit weder auf primär- noch auf sekundärrechtlicher Grundlage. Die sekundärrechtlichen Möglichkeiten der Stellvertretung des Hohen Vertreters entsprechen insbesondere im Rat der Aufgabenverteilung zwischen der Vertretung der Mitgliedstaaten im Rahmen des Ausschusses der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten zur „technisch-administrativen“ Vorbereitung der Arbeiten des Rates (Art. 240 AEUV) und den „politisch-entscheidenden“ Mitgliedern des Rates als Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene (Art. 16 Abs. 2 EUV). Abgesehen von den Fällen einer in die hierarchische Ordnung des EAD eingebundenen „administrativen“ Vertretung erscheint eine „echte“ politische Stellvertretung in dem Sinne, dass der Stellvertreter mit eigenem politischen Handlungs- und Entscheidungsspielraum agiert, für den Vorsitz im Rat, die Teilnahme an den Arbeiten im Europäischen Rat und den Informationsaustausch mit dem Europäischen Parlament (Art. 36 EUV) vor dem Hintergrund der besonderen Legitimationszusammenhänge und der engen Verbindung zwischen der Person und dem Amt des Hohen Vertreters mit dem geltenden Primärrecht unvereinbar . - Fachbereich Europa - 26 Vgl. EuGH, Urteil vom 17.Oktober 1972, Rs. 8/72 (Cementhandelaren), Rn. 11/13; EuGH, Urteil vom 23. September 1986, Rs. 5/85 (AKZO Chemie), Rn. 32 ff.; EuGH, Urteil vom 25. Juni 2010, Rs. T-66/01 (Imperial Chemical Industries). 27 Beschluss des Europäischen Rates vom 22. Mai 2013 über die Anzahl der Mitglieder der Europäischen Kommission , EUCO 176/12, online abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/12/st00/st00176.de12.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 112/13 Seite 14 Anlage