© 2021 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 111/20 Die Bestimmungen des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission vom 31. Januar 2018 Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der F achbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Bestimmungen des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission vom 31. Januar 2018 Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 111/20 Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2021 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtsquellen und Genese 4 3. Zu den Bestimmungen des Verhaltenskodex 6 3.1. Grundsätze 6 3.2. Verpflichtungen der Kommissionsmitglieder während ihrer Amtszeit 6 3.2.1. Die Interessenerklärung 6 3.2.2. Verfahrensvorschriften für den Fall eines Interessenkonflikts 7 3.2.3. Sicherung von Kollegialität und Diskretion 8 3.2.4. Durchsetzung des Integritätsprinzips 8 3.2.5. Transparenzregeln 9 3.2.6. Regelungen zu Nebentätigkeiten 9 3.2.7. Bestimmungen zum politischen Engagement während der Amtszeit 9 3.3. Verpflichtungen nach dem Ausscheiden aus der Kommission 10 3.3.1. Fortbestand bestimmter Verpflichtungen aus der Amtszeit 10 3.3.2. Regeln über berufliche Tätigkeiten nach dem Ende der Amtszeit 10 3.4. Anwendung des Verhaltenskodex und Sanktionen 11 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa wurde beauftragt, die Bestimmungen des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission in einem Überblick darzulegen. Dieser Überblick soll die Grundlage für den durch den Fachbereich Haushalt und Finanzen der Wissenschaftlichen Dienste (WD 4) vorzunehmenden Vergleich mit den Verhaltensregeln für die Beschäftigten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bilden, die mit einem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (BR-Drs. 9/21) geschaffen werden sollen. 2. Rechtsquellen und Genese Die Grundlagenverträge der Europäischen Union verpflichten die Mitglieder der Europäischen Kommission zu Unabhängigkeit und Integrität. Sie enthalten wesentliche ethische Grundsätze, die für die Auswahl und das Verhalten der Kommissionsmitglieder zu beachten sind. So bestimmt Art. 17 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union1 (EUV), dass die Mitglieder der Kommission ihre persönliche Unabhängigkeit zweifelsfrei garantieren und ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit ausüben. Sie dürfen keine Weisungen von einer Regierung, einem anderen EU-Organ, einer Einrichtung oder jeder anderen Stelle einholen oder entgegennehmen. Sie sind verpflichtet, jede Handlung zu unterlassen, die mit ihrem Amt oder der Erfüllung ihrer Aufgaben unvereinbar ist. Art. 245 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union2 (AEUV) greift diese Grundsätze auf und ergänzt sie. So wird das Verbot von mit dem Amt und der Aufgabenerfüllung unvereinbaren Handlungen wiederholt (Art. 245 Abs. 1 S. 1) und das Verbot, Weisungen einzuholen oder entgegenzunehmen, um ein Gebot an die Mitgliedstaaten ergänzt, die Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder zu achten und sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht zu beeinflussen (Art. 245 Abs. 1 S. 2). Den Kommissionsmitgliedern ist die Ausübung jeglicher anderen entgeltlichen oder unentgeltlichen Berufstätigkeit3 verboten (Art. 245 Abs. 2 S. 1). Nicht im Wege eines Amtseids sondern durch eine sog. feierliche Verpflichtung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verpflichten sich die Kommissionsmitglieder, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten4 zu erfüllen , insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf ihrer Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein (Art. 245 Abs. 2 S. 2). 1 Vertrags über die Europäische Union, konsolidierte Fassung, Abl. C 202/01 vom 7. Juni 2016. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, Abl. C 202/47 vom 7. Juni 2016. 3 Die Tätigkeit in Lehre und Wissenschaft sowie für politische Organisationen wird gebilligt. Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, AEUV Art. 245, Rn. 1. 4 Inhaltlich gibt diese Verpflichtung im Wesentlichen die Bestimmungen der Art. 17 Abs. 3 EUV und 245 AEUV wieder . Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verpflichten sich die Mitglieder der Europäischen Kommission (KOM) auch ausdrücklich zur Wahrung der Verträge und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union . Vgl. Martenczuk, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, AEUV Art. 245, Rn. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 5 Da die in den vorgenannten primärrechtlichen Bestimmungen umrissenen Amtspflichten der Kommissionsmitglieder sehr allgemein festgelegt sind und keine abschließende Aufzählung5 darstellen , bedürfen sie der weiteren Ausfüllung und Klarstellung in der Praxis. Mit Blick darauf und insbesondere vor dem Hintergrund der Skandale um zwei Mitglieder der Kommission unter Präsident Santer beschloss die Kommission unter Präsident Prodi 1999 nach ihrem Amtsantritt erstmals einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Kommission. Die darin bestimmten Verhaltensregeln wurden durch die beiden Kommissionen unter Präsident Barroso jeweils präzisiert und verschärft.6 Die Kommission unter Präsident Juncker nahm unter dem Eindruck der massiven Kritik an der Übernahme eines Postens bei der Bank Goldman Sachs durch den ehemaligen Kommissionspräsidenten Barroso weitere Verschärfungen7 an den Bestimmungen des Verhaltenskodex vor. Der jüngste von der Juncker-Kommission am 31. Januar 2018 angenommene Verhaltenskodex 8 hat unverändert Gültigkeit. Der Verhaltenskodex wird als Selbstverpflichtung9 der Kommission charakterisiert, deren Verletzung politische Sanktionen zur Folge haben kann. So etwa die Rücktrittsaufforderung des Präsidenten an ein Mitglied seiner Kommission gem. Art. 17 Abs. 6 EUV im Falle der Verletzung des Kodex durch dieses Mitglied. Uneinheitlich beurteilt die rechtswissenschaftliche Literatur die Relevanz der Einhaltung des Verhaltenskodex im Rahmen der politischen Verantwortung der Kommission (als Kollegium) gegenüber dem Europäischen Parlament (EP).10 Im Falle einer Anrufung des EuGH gemäß Art. 245 Abs. 2 oder Art. 247 AEUV aufgrund einer schweren Amtspflichtverletzung durch ein Kommissionsmitglied ist der Gerichtshof zwar nicht an den Kodex gebunden , kann ihn aber als relevante Präzisierung der Amtspflichten des Kommissionsmitglieds gemäß Art. 245 AEUV zur Auslegung dieser Bestimmungen heranziehen.11 5 Vgl. Martenczuk, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, Art. 245 AEUV, Rn. 8 unter Verweis auf EuGH, Rs. C-432/04, Slg. I 2006, 6426. 6 Zuletzt mit Beschluss C (2011) 2904 der KOM vom 20. April 2011. 7 Vgl. hierzu auch: Pressemitteilung der KOM (IP/16/3929) „Präsident Juncker schlägt Verschärfung des Verhaltenskodex für Kommissare vor“ vom 23. November 2016 8 Beschluss 2018/C 65/06 der KOM vom 31. Januar 2018 über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission. 9 Vgl. Martenczuk, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, Art. 245 AEUV, Rn. 8, Epping, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 245 AEUV, Rn. 1. 10 Diese These vertritt Martenczuk, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, Art. 245 AEUV, Rn. 8a; verneint wird sie unter Verweis auf die in Art. 234 AEUV sanktionierte kollegiale Verantwortung der KOM gegenüber dem EP von Haratsch, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 245 AEUV, Rn. 1. 11 Haratsch, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 245 AEUV, Rn. 6; Martenczuk, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, Art. 245 AEUV, Rn. 8a. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 6 3. Zu den Bestimmungen des Verhaltenskodex 3.1. Grundsätze Artikel 2 des Verhaltenskodex12 (V-Kodex) enthält grundlegende, allgemeine Verpflichtungen und Verhaltensmaßgaben für die Kommissionmitglieder, die die oben ausgeführten primärrechtlichen Vorgaben aufgreifen. Diese werden in weiteren Bestimmungen des Verhaltenskodex präzisiert . Die Kommissionsmitglieder sind verpflichtet, sich voll und ganz der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im allgemeinen Unionsinteresse zu widmen und sich dabei so zu verhalten, dass sie völlige Unabhängigkeit, Integrität, Würde, Loyalität und Diskretion wahren sowie höchsten ethischen Ansprüchen genügen. Sie sind für die politische Kontaktpflege im Rahmen der Rechenschaftspflicht gegenüber dem EP und im demokratischen Leben der Union verantwortlich. Ihnen wird aufgetragen, kollegial zu agieren und die gemeinsame Verantwortung für die Entscheidungen des Kommissionskollegiums zu übernehmen. Die Mitglieder der Kommission sind verpflichtet, die Würde ihres Amtes zu wahren; sie unterlassen es, sich auf eine Weise zu verhalten oder zu äußern , die in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit, ihrer Integrität und der Würde ihres Amtes führen kann. Sie haben jede Situation zu vermeiden, die zu einem Interessenkonflikt führen13 oder bei vernünftiger Betrachtung als eine solche Situation wahrgenommen werden kann. Die Kommissionsmitglieder unterliegen auch nach ihrem Ausscheiden ihren fortbestehenden Verpflichtungen nach dem V-Kodex und insbesondere der Pflicht zur Ehrenhaftigkeit und Zurückhaltung bei der Annahme bestimmter Tätigkeiten oder Vorteile gemäß Art. 245 Abs. 2 S. 2 AEUV. 3.2. Verpflichtungen der Kommissionsmitglieder während ihrer Amtszeit 3.2.1. Die Interessenerklärung Art. 3 V-Kodex enthält die Festlegungen für die Interessenerklärung, die jedes Mitglied der Kommission und ihr/e Präsident/in bereits vor Amtsantritt abgeben und jährlich erneuern14 müssen. Diese Erklärung ist ein zentrales Element des V-Kodex. Die Kommissionsmitglieder sind verpflichtet , darin alle finanziellen oder sonstigen Interessen und Vermögenswerte anzugeben, die 12 Beschluss 2018/C 65/06 der KOM vom 31. Januar 2018 über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission. 13 Dabei wird als Interessenkonflikt definiert, wenn ein persönliches Interesse die unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben des Kommissionsmitglieds beeinflussen kann. Dabei umfassen persönliche Interessen u.a. potenzielle Vergünstigungen oder Vorteile für die Kommissionsmitglieder selbst, ihre Ehegatten, ihre festen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft oder direkte Familienangehörige. Interessenkonflikt werden für Fälle ausgeschlossen , in denen ein Kommissionsmitglied lediglich als Teil der allgemeinen Öffentlichkeit oder einer breiten Bevölkerungsschicht betroffen ist. (Art. 2 Abs. 6 V-Kodex). 14 Die Erneuerungsverpflichtung gilt auch für unterjährige Änderungen der zu machenden Angaben (Art. 3 Abs. 3 V- Kodex). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 7 bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu Interessenkonflikten führen könnten oder hierfür anderweitig relevant sind.15 Zu den in einer Interessenerklärung zu machenden Angaben (vgl. Anhang 1 V-Kodex) gehören u.a. jegliches konfliktrelevante finanzielle Interesse16, einschließlich Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, sowie alle Fälle, in denen der Wert einer Anlage 10.000 EUR übersteigt , sämtliche beruflichen oder anderweitigen Tätigkeiten, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Amtsantritt des Kommissionsmitglieds endeten sowie alle ehrenamtlichen Tätigkeiten und/oder Tätigkeiten auf Lebenszeit oder ruhende Tätigkeiten, die als zulässige Nebentätigkeiten im Sinne von Art. 8 Abs. 2 V-Kodex beibehalten werden, jedes Rechtssubjekt, an dem das Kommissionsmitglied eine Beteiligung hält oder in dem oder für das er eine Tätigkeit nach Art. 3 Abs. 4 lit. a und b V-Kodex ausgeübt hat; ausgenommen sind Rechtssubjekte, an denen das Mitglied Beteiligungen hält, die unabhängig von einem Dritten verwaltet werden, sofern diese nicht, wie sektorale oder thematische Fonds, mit bestimmten Wirtschaftszweigen verbunden sind; bei Stiftungen oder ähnlichen Gremien ist der Zweck der Einrichtung anzugeben, jede Mitgliedschaft in Vereinigungen, politischen Parteien, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen oder sonstigen Einrichtungen, sofern deren öffentliche oder private Tätigkeiten auf eine Beeinflussung der Ausübung öffentlicher Ämter abzielen, jede Immobilie, die sich im unmittelbaren oder mittelbaren Eigentum des Kommissionsmitglieds befindet; hiervon ausgenommen sind Wohnimmobilien, die ausschließlich durch das Mitglied oder seine Familie genutzt werden, die bestehenden beruflichen Tätigkeiten des Ehegatten oder des nichtehelichen Lebenspartners ; zu benennen sind die Art der Tätigkeit, die ausgeübte Funktion und der Name des Arbeitgebers. Die Interessenerklärungen der designierten Kommissionsmitglieder und des/der designierten Kommissionspräsidenten/in werden noch vor Amtsantritt im Rahmen der Anhörungen durch das EP geprüft. Nach der jährlich zum 1. Januar vorzunehmenden Aktualisierung werden die Interessenerklärungen unter Aufsicht des/der Kommissionspräsidenten/in geprüft und anschließend veröffentlicht.17 3.2.2. Verfahrensvorschriften für den Fall eines Interessenkonflikts Art. 4 V-Kodex verknüpft die bereits in den Kodex-Grundsätzen verankerte Verpflichtung zur Vermeidung von Situationen, die zu Interessenkonflikten führen oder als solche wahrgenommen werden können, mit spezifischen Verfahrensbestimmungen zu ihrer Durchsetzung. So haben sich die Kommissionsmitglieder von jeder Entscheidung oder Anordnung in Bezug auf ein Dossier und von jeder Teilnahme an einer Diskussion, Aussprache oder Abstimmung im Zusammenhang mit einer Art. 2 Abs. 6 V-Kodex unterfallenden konfliktrelevanten Angelegenheit zurückzuziehen und den/die Präsidenten/in zu informieren. 15 Dabei können die Interessen eines Kommissionsmitglieds auch die Interessen des Ehegatten, des festen Partners in nichtehelicher Lebensgemeinschaft sowie die seiner minderjährigen Kinder umfassen (Art. 3 Abs. 1 V-Kodex). 16 Hierbei kann es sich um eine Einzelbeteiligung am Kapital eines Rechtssubjekts handeln, insbesondere Aktien, oder um andere Formen finanzieller Interessen, z. B. Anleihen oder Investmentzertifikate (Art. 3 Abs. 4 V-Kodex). 17 Vgl. KOM, Declarations of interests of Commissioners (zuletzt abgerufen am 11. Februar 2021). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 8 Der/die Präsident/in kann - gegebenenfalls nach Konsultation des unabhängigen Ethikausschusses 18 - alle für zweckmäßig erachteten Maßnahmen ergreifen, um einen Interessenkonflikt aufzulösen . Hierzu werden beispielhaft die Neuzuteilung eines verantworteten Dossiers an ein anderes Mitglied der Kommission sowie die Aufforderung zum Verkauf oder zur Übertragung finanzieller Interessen i.S.v. Art. 3 Abs. 4 lit. a V-Kodex aufgezählt. 3.2.3. Sicherung von Kollegialität und Diskretion Die Verpflichtung der Kommissionsmitglieder zu Kollegialität und Diskretion wird in Art. 5 V- Kodex aufgegriffen und weiter präzisiert. Sie werden zur Diskretion bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und gegenüber dem Kommissionskollegium zur Loyalität verpflichtet. Ihnen wird sowohl in Haltung als auch bei Äußerungen dem Amt angemessene Zurückhaltung sowie Stillschweigen über die Beratungen der Kommission auferlegt. Zudem obliegt ihnen die Verantwortung für die Diskretion ihrer Kabinettsangehörigen bei der Handhabung sowie Übermittlung klassifizierter Dokumente und sensibler Informationen, die dem Kommissionskollegium vorgelegt werden. Die Kommissionsmitglieder unterlassen jegliche Bemerkung, mit denen eine Entscheidung der Kommission in Frage gestellt würde oder die ihrem Ruf schaden könnte. 3.2.4. Durchsetzung des Integritätsprinzips Hierzu legt Art. 6 V-Kodex eine Reihe von Regelungen fest, die die Kommissionsmitglieder bei ihrer Tätigkeit querschnittlich zu beachten haben. Ihnen wird aufgetragen, verantwortungsvoll mit den Sachmitteln der Kommission umzugehen und ihre Kabinette sowie die Infrastruktur und Ressourcen der Kommission bestimmungsgemäß zu nutzen. Bei ihren Dienstreisen richten sie sich nach den haushaltsrechtlichen und kommissionsinternen Bestimmungen. Es ist den Kommissionsmitgliedern verboten, von dritter Seite angebotene kostenlose Reisen anzunehmen, es sei denn, die Annahme entspricht diplomatischen Gepflogenheiten oder sie wurde durch den/die Präsidenten/in zuvor zugelassen. Die Repräsentationsausgaben der Kommissionsmitglieder müssen einem kommissionsinternen Beschluss19 entsprechen; hiervon nicht erfasste Aufwendungen sind durch eine Zulage20 abgegolten. Die Annahme von Geschenken im Wert von mehr als 150 Euro ist den Kommissionsmitgliedern nicht gestattet. Ausnahmen bilden solche aufgrund diplomatischer oder höflicher Gepflogenheiten ; sie sind dem Protokolldienst der Kommission zu übergeben. Verliehene Orden, Preise oder Ehrenzeichen müssen die Mitglieder der Kommission dem/die Präsidenten/in anzeigen. Preisgelder oder Preise in Form von Wertgegenständen sind karitativ zu spenden oder dem Protokolldienst zu übergeben. 18 Der durch Art. 12 V-Kodex errichtete unabhängige Ethikausschuss übt eine Beratungsfunktion in allen ethischen Fragen der Anwendung des Kodex aus. Die von seiner Anrufung durch den/die Präsidenten/in betroffenen Kommissionsmitglieder oder ehemaligen Mitglieder sind zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit dem Ausschuss verpflichtet. Sie haben ein Anhörungsrecht für den Fall, dass der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme erwägt . Das dreiköpfige Gremium wird auf Vorschlag des/der Präsidenten/in für die Dauer von drei Jahren mit einmaliger Verlängerungsoption besetzt. Es wählt aus seiner Mitte einen ständigen Vorsitzenden. 19 Beschluss C(2007)3494 vom 18. Juli 2017. 20 Pauschalzulage gemäß Art. 7 Verordnung (EU) 2016/300. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 9 Gastfreundschaft dürfen die Mitglieder der Kommission nur im Rahmen diplomatischer oder höflicher Gepflogenheiten annehmen; dies gilt nicht für Veranstaltungen, zu denen sie als Kommissionsvertreter eingeladen werden. Bei der Besetzung ihrer Kabinette verfahren die Kommissionsmitglieder gemäß der einschlägigen Mitteilung21 des Präsidenten und wählen die Kabinettsmitglieder auf der Grundlage objektiver Kriterien22 aus. Sie dürfen hierbei keine Ehegatten, Partner und direkte Familienmitglieder auswählen . 3.2.5. Transparenzregeln Es ist den Kommissionsmitgliedern und ihren Kabinettsmitgliedern nur gestattet, sich mit Interessenvertretern zu treffen, die im europäischen Transparenzregister23 aufgeführt sind, soweit diese in den Anwendungsbereich des Registers fallen. Sie veröffentlichen Informationen über diese Treffen nach den Bestimmungen eines Kommissionsbeschlusses.24 3.2.6. Regelungen zu Nebentätigkeiten Art. 8 V-Kodex verbietet den Kommissionsmitgliedern grundsätzlich die Ausübung beruflicher Nebentätigkeiten oder öffentlicher Ämter, die nicht aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Kommission erwachsen. Von diesem Verbot ausdrücklich ausgenommen sind - mit jeweils besonderen ergänzenden Bestimmungen (vgl. Art. 8 Abs. 2 V-Kodex) - gelegentliche unbezahlte Lehrveranstaltungen im Interesse der europäischen Integration, die Veröffentlichung von Büchern und Artikeln, das Halten von Reden oder die Teilnahme an Konferenzen, die Ausübung unbezahlter Ehrenämter in Stiftungen oder ähnlichen politischen, juristischen, kulturellen, künstlerischen, sozialen, sportlichen oder karitativen Einrichtungen oder in Bildungs- oder Forschungseinrichtungen . Diese Aufzählung ist abschließend. 3.2.7. Bestimmungen zum politischen Engagement während der Amtszeit Art. 9 und 10 V-Kodex regeln den Rahmen, innerhalb dessen sich die Kommissionsmitglieder politisch betätigen dürfen. Während ihnen die Mitgliedschaft in nationalen und europäischen politischen Parteien sowie in nationalen und europäischen Organisationen der Sozialpartner erlaubt ist, wird die Grenze bei der Betätigung25 in denselben dort gezogen, wo die Belange des Dienstes in der Kommission, d.h. die Verfügbarkeit des Mitglieds und die Erfüllung seiner Amtspflichten, 21 Präsident der Kommission, Communication to the Commission [C(2014)9002], Rules governing the composition of the Cabinets of the Members of the Commission and of the Spokesperson's Service, 1. November 2014. 22 Hierbei sind die hohen Anforderungen an das Amt, die notwendigen Berufsqualifikationen sowie die Notwendigkeit eines Vertrauensverhältnisses zu berücksichtigen. 23 Grundlage für dieses Transparenzregister ist die Interinstitutionelle Vereinbarung (IIV) zwischen dem EP und der Europäischen Kommission, mit der die Regeln und Grundsätze für die Registrierung festgelegt werden. Die erstmals im Juni 2011 getroffene Vereinbarung wurde im April 2014 abgeändert, Die IIV gilt derzeit in dieser Fassung. Am 15. Dezember 2020 erzielten Rat, EP und Europäische Kommission eine politische Einigung über ein verbindliches europäisches Transparenzregister, das für alle drei Organe gilt und auch den Europäischen Rat ei nschließt. 24 Beschluss der Kommission (2014/839/EU) vom 25. November 2014 über die Veröffentlichung von Informationen über Treffen zwischen Kommissionsmitgliedern und Organisationen oder selbstständigen Einzelpersonen. 25 Hierunter fassen die Bestimmungen sowohl die Mitwirkung an der nationalen resp. Europapolitik sowie die Mitwirkung an nationalen Wahlkämpfen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 10 beeinträchtigt werden. Die Übernahme ehrenamtlicher und nicht-exekutiver Funktionen ist dabei zulässig, Führungsaufgaben dagegen nicht. Die Kommissionsmitglieder unterliegen einer Notifizierungspflicht gegenüber dem/der Präsident /in26 hinsichtlich ihrer Absicht der Mitwirkung an einer nationalen Wahlkampagne oder Wahl zum EP sowie ihrer geplanten Rolle hierbei, etwa einer Kandidatur. Das Amt von Kommissionsmitgliedern , die in einer nationalen Wahl kandidieren oder eine aktive Rolle in einer nationalen Wahlkampagne übernehmen, ruht während der Kampagne in Form eines sog. unbezahlten Wahlurlaubs. Eine vergleichbare Ruhensverpflichtung sieht der V-Kodex für Kandidaturen für die Europawahlen einschließlich der Spitzenkandidatur nicht vor. Für jedwede Kandidatur verbietet der V-Kodex, hierfür personelle oder sonstigen Ressourcen der Kommission in Anspruch zu nehmen. Die Kommissionsmitglieder sind darüber hinaus verpflichtet, sich sowohl öffentlicher Äußerungen als auch Auftritten im Namen ihrer nationalen oder europäischen politischen Partei oder Organisation der Sozialpartner zu enthalten. Dies gilt nicht für ihre oben beschriebene Mitwirkung an Wahlkampagnen, während derer sie in besonderer Weise ihren Pflichten zur Vertraulichkeit und Kollegialität unterliegen. 3.3. Verpflichtungen nach dem Ausscheiden aus der Kommission 3.3.1. Fortbestand bestimmter Verpflichtungen aus der Amtszeit Art. 11 Abs. 1 V-Kodex greift die in Art. 245 AEUV verankerte Verpflichtung ehemaliger Kommissionsmitglieder zur Integrität und Diskretion nach Ablauf ihrer Amtszeit auf. Darüber hinaus unterwirft die Bestimmung ausgeschiedene Kommissionsmitglieder der Pflicht gemäß Artikel 5 V-Kodex zur Kollegialität und Diskretion in Bezug auf die von der Kommission während ihrer Amtszeit gefassten Beschlüsse und ausgeübten Tätigkeiten. 3.3.2. Regeln über berufliche Tätigkeiten nach dem Ende der Amtszeit Ehemalige Kommissionsmitglieder dürfen gemäß Art.11 Abs. 2 V-Kodex vor Ablauf einer sog. cooling-off-period27 von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden nur unter bestimmten Bedingungen eine berufliche Tätigkeit aufnehmen. Als solche gilt jegliche entgeltliche oder unentgeltliche berufliche Tätigkeit. Ausgenommen sind unbezahlte Tätigkeiten, bei denen keinerlei Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Europäischen Union besteht und die nicht zu Lobby- oder Interessenvertretungstätigkeiten gegenüber der Kommission oder ihren Dienststellen führen.28 Ebenfalls ausgenommen ist die Übernahme öffentlicher Ämter (Art. 11 Abs. 6 V-Kodex). Entsprechende Pläne sind der Kommission mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Tätigkeit anzukündigen. Diese prüft die Vereinbarkeit der Art der geplanten Tätigkeit mit Art. 245 AEUV. Stellt sie Verbindungen zwischen der von dem ehemaligen Mitglied angekündigten Tätigkeit mit 26 Und diese/r gegenüber dem EP. 27 Für den/die Präsidenten/in umfasst die „cooling -off-period“ drei Jahre (Art. 11 Abs. 5 V-Kodex). 28 Art. 11 Abs. 2 V-Kodex führt in nicht abschließender Aufzählung Beispiele für solche Ausnahmen auf: karitative oder humanitäre Tätigkeiten, Tätigkeiten, die sich aus politischen, gewerkschaftlichen und/oder weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen ableiten, kulturelle Tätigkeiten, die bloße Verwaltung von Vermögenswerten, Beteiligungen bzw. persönlichem oder Familienvermögen als Privatperson sowie vergleichbare Tätigkeiten. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 111/20 Seite 11 dem zuvor von ihm/ihr geleiteten Ressort fest, entscheidet sie erst nach Konsultation des unabhängigen Ethikausschusses. Dessen Konsultation ist in bestimmten Fällen, etwa bei Tätigkeiten für Einrichtungen der öffentlichen Hand, internationale Organisationen oder bei Ehrenämtern nicht erforderlich.29 Gemäß Art. 11 Abs. 4 V-Kodex ist es ehemaligen Kommissionsmitglieder innerhalb einer „cooling -off-period“ von zwei Jahren30 nach ihrem Ausscheiden untersagt, in Angelegenheiten ihres ehemaligen Ressorts gegenüber Mitgliedern der Kommission und ihren Mitarbeitern eigene geschäftliche Interessen oder Interessen ihrer Arbeitgeber oder Kunden zu vertreten. Für ehemalige Kommissionsmitglieder, die ein öffentliches Amt übernehmen, gilt dies nicht (Art. 11 Abs. 6 V- Kodex). 3.4. Anwendung des Verhaltenskodex und Sanktionen Die ordnungsgemäße Anwendung des Verhaltenskodex obliegt dem/der Präsident/in mit Unterstützung des unabhängigen Ethikausschusses. Verstoßen aktive oder ehemalige Kommissionsmitglieder gegen die Bestimmungen des Verhaltenskodex und erfordern diese Verstöße nicht die Anrufung des EuGH gemäß Art. 245 oder Art. 247 AEUV(s.u.), kann die Kommission unter Berücksichtigung der Stellungnahme des unabhängigen Ethikausschusses eine Rüge aussprechen und dies veröffentlichen (Art. 13 Abs. 3 V-Kodex ). Primärrechtlich bestimmt sind dagegen bei schweren Verfehlungen die durch den EuGH vorzunehmende Aberkennung von Ruhegehaltsansprüchen oder sonstigen Vergünstigungen (Art. 245 AEUV) sowie die Amtsenthebung (Art. 247 AEUV). Auch ist auf das dem/der Kommissionspräsidenten/in in Art. 17 EUV eingeräumte Recht zu verweisen , ein Mitglied der Kommission jederzeit zur Amtsniederlegung aufzufordern. - Fachbereich Europa - 29 Art. 11 Abs. 3 S. 2 V-Kodex. 30 Auch diese „cooling-off-period“ dauert für den/die Präsidenten/in drei Jahre (Art. 11 Abs. 5 V-Kodex).