© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 106/19 Zum Entwurf eines Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes und seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 2 Zum Entwurf eines Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes und seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 106/19 Abschluss der Arbeit: 10. Januar 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Grundzüge des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes 5 2.1. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung 5 2.2. Vorbereitendes Verfahren 5 2.3. Gesetzgebungsverfahren 6 3. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht 7 3.1. Zum Prüfungsgegenstand 7 3.2. Zum einschlägigen Prüfungsmaßstab 7 3.2.1. Aarhus-Übereinkommen 8 3.2.2. UVP-Richtlinie 10 3.2.3. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten 11 3.2.4. Art. 47 GRC 12 3.2.5. Zwischenergebnis 13 3.3. Anwendbarkeit von Art. 11 UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Übereinkommen 14 3.3.1. Ursprünglich deckungsgleiche Regelung und daraus folgende Vorgaben 14 3.3.2. Neufassung der Anwendungsbeschränkung in der UVP-Richtlinie 16 3.3.3. Die zur Neufassung vertretenen Ansichten 17 3.3.3.1. Kommission 18 3.3.3.2. BMVI-Gutachten 20 3.3.4. Kritische Würdigung 22 3.3.4.1. Zur Reichweite der neugefassten Anwendungsbeschränkung 22 3.3.4.2. Zum Rechtsschutz 24 3.3.4.2.1. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle 24 3.3.4.2.2. Anforderungen an den Rechtsbehelf 25 3.3.4.2.3. Kreis der Rechtsschutzberechtigten 26 3.3.4.3. Zur Bedeutung der Anwendungsbeschränkung im Aarhus- Übereinkommen 26 3.3.4.4. Zur Berufung auf die Anwendungsbeschränkung des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL im Fall des MgVG-E 27 3.3.4.5. Fazit 27 3.4. Prüfung 27 3.4.1. Im Lichte der im BMVI-Gutachten vertretenen Ansicht 27 3.4.1.1. Besonderer einzelstaatlicher Gesetzgebungsakt 28 3.4.1.2. Verwirklichung der Richtlinienziele 29 3.4.1.3. Zwischenergebnis 30 3.4.2. Im Lichte der Kommissionsauffassung 30 4. Ergebnis 31 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Anfang November 2019 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz - MgVG) in den Bundesrat eingebracht – im Folgenden: MgVG-E.1 Laut Gesetzesbegründung regelt das geplante Gesetz „die Grundlage für spätere Maßnahmengesetze, die an Stelle von behördlichen Verwaltungsakten treten können.“2 Es enthält vor allem die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die in diesem Zusammenhang bis zur Veranlassung des Gesetzgebungsverfahrens anzuwenden sind, darunter ein bisher im deutschen Recht nicht geregeltes sog. besonderes Vorbereitungsverfahren (vgl. § 4 MgVG-E).3 Ziel des geplanten Gesetzes ist insbesondere eine beschleunigte Umsetzung von zwölf näher bezeichneten Verkehrsinfrastrukturprojekten (vgl. § 2 Nr. 1 bis 12 MgVG-E). Die Ersetzung der ansonsten für derartige Projekte notwendigen Genehmigung in Form eines Verwaltungsaktes bzw. Planfeststellungsbeschlusses durch Maßnamegesetz hat u. a. zur Folge, dass sowohl der individuelle Rechtsschutz Betroffener als auch der Rechtsschutz durch Naturund Umweltschutzverbände vor Verwaltungsgerichten weitgehend ausgeschlossen wird. Insbesondere entfällt die Möglichkeit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO gegen eine (legislative) Genehmigung.4 Gegen Handlungen des Gesetzgebers besteht für die genannten Akteure sodann nur die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG.5 Aufgrund der hierbei geltenden Zulässigkeits- und Begründetheitsanforderungen ist dieser Rechtsweg insbesondere für Natur- und Umweltschutzverbände stark eingeschränkt, da sie im Regelfall keine Grundrechtsverletzung geltend machen können.6 Der Fachbereich Europa wird vor diesem Hintergrund um Prüfung ersucht, ob dieser Gesetzentwurf mit Unionsrecht vereinbar ist, insbesondere mit dem Erfordernis einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit von Maßnahmengesetzen. Zu den in diesem Zusammenhang vom Auftraggeber ebenfalls gestellten verfassungsrechtlichen Fragen wird auf das Gutachten des Fachbereichs Verfassung und Verwaltung (WD 3) verwiesen, auf das hier auch Bezug genommen wird.7 1 BR-Drs. 579/19. 2 BR-Drs. 579/19, S. 1 3 Vgl. BR-Drs. 579/19, S. 1, 11. 4 Siehe hierzu die Ausführungen in der Ausarbeitung des Fachbereichs Verfassung und Verwaltung (WD 3), Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz – Rechtsfragen insbesondere zum Rechtsschutz, WD 3 - 3000 - 260/19 v. 4.12.2019 (im Folgenden: WD 3-Gutachten), S. 16 ff. (4.2 und 5.). 5 Siehe hierzu WD 3-Gutachten (Fn. 4), S. 16 f. (4.2.1.). 6 Siehe hierzu WD 3-Gutachten (Fn. 4), S. 18 (4.2.2.). Zum Rechtsschutz Einzelner in diesem Zusammenhang, siehe S. 16 f. (4.2.1.). 7 Siehe Fn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 5 Im Folgenden werden zunächst kurz die aus unionsrechtlicher Sicht relevanten Grundzüge des MgVG-E dargestellt (2.). Im Anschluss daran erfolgt die unionsrechtliche Prüfung des geplanten Gesetzes (3.). 2. Grundzüge des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes In seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung unterscheidet das MgVG-E im Wesentlichen drei Stufen: eine dem jeweiligen Träger des Infrastrukturvorhabens obliegende frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, § 5 MgVG-E (2.1.), ein von ihm anschließend zu beantragendes vorbereitendes (behördliches) Verfahren, §§ 4, 6 bis 8 MgVG-E (2.2.) und ein sich anschließendes, vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zu initiierendes Gesetzgebungsverfahren, vgl. § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 2 und 3, § 8 Abs. 3 S. 3 MgVG-E (2.3.). 2.1. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung Mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Vorhabenträger soll der betroffenen Öffentlichkeit in einem recht frühen Stadium Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben werden (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 MgVG-E). Sie findet vor der Beantragung des vorbereitenden Verfahrens statt; ihr Ergebnis ist der für die Durchführung des Verfahrens zuständigen Behörde mitzuteilen (vgl. § 5 Abs. 2 und 3 MgVG-E). 2.2. Vorbereitendes Verfahren Das vorbereitende Verfahren gleicht bei näherem Hinsehen dem Verwaltungsprozedere, welches im Falle eines Planfeststellungsverfahrens durchzuführen ist, mit der Ausnahme, dass am Ende nicht der Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses steht, sondern ein Abschlussbericht, der „bezüglich seines Aufbaus und Inhalts einem Planfeststellungsbeschluss für das jeweilige Projekt entsprechen [soll]“ (vgl. § 8 Abs. 1, 3 S. 1 MgVG-E). Ein Abschlussbericht ist dann nicht zu erstellen, wenn das BMVI auf Grundlage des Entscheidungsvorschlags als der für das vorbereitende Verfahren zuständigen Behörde entscheidet, von der Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens für ein Maßnahmengesetz abzusehen, weil das Infrastrukturvorhaben durch Verwaltungsakt zugelassen werden soll (vgl. § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2 MgVG-E). Hieraus folgt, dass die von § 2 Abs. 1 MgVG-E erfassten Infrastrukturprojekte nicht zwingend nur durch Maßnahmengesetze zugelassen werden können.8 Auf das vorbereitende Verfahren finden grundsätzlich die für das Planfeststellungsverfahren und für daran anknüpfende Verfahren geltenden Bestimmungen Anwendung, soweit nicht das MgVG-E etwas anderes bestimmt.9 In der Sache umfasst das vorbereitende Verfahren drei aufeinander aufbauende Bestandteile (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MgVG-E): 8 Siehe zu den Voraussetzungen im Einzelnen WD 3-Gutachten (Fn. 4), S. 9 f. (3.1.). 9 Von der Anwendung per se ausgenommen werden nach § 4 Abs. 3 MgVG-E u. a. die §§ 74 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Planfeststellungsverfahren. Anwendbar bleiben hingegen die §§ 72, 73 VwVfG, die allerdings zum Teil durch das MgVG-E modifiziert werden. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 6 An erster Stelle steht die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen nach § 6 MgVG-E, die sich im Wesentlichen nach § 15 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) richtet, auf den verwiesen wird (vgl. § 6 Abs. 1 MgVG-E). Gegenstand dieses Verfahrensschrittes ist eine der zuständigen Behörde obliegende Unterrichtung des Vorhabenträgers über Inhalt, Umfang und Detailtiefe der Angaben, die er voraussichtlich in den UVP-Bericht aufnehmen muss (vgl. § 6 Abs. 2 MgVG-E). An der im Rahmen dieses Verfahrensschrittes notwendigen Gelegenheit zur Besprechung ist auch der betroffenen Öffentlichkeit eine Teilnahme- und Äußerungsmöglichkeit einzuräumen (vgl. § 6 Abs. 5 MgVG-E). Zweiter Schritt des vorbereiteten Verfahrens ist das Anhörungsverfahren nach § 7 Abs. 1 MgVG-E. Ebenso wie § 18 UVPG zur Öffentlichkeitsbeteiligung verweist auch § 7 Abs. 1 MgVG-E im Wesentlichen auf § 73 VwVfG. Darin ist das planfeststellungsrechtliche Anhörungsverfahren geregelt, dass u. a. eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht (vgl. § 73 Abs. 4 VwVfG). Der dritte und letzte Schritt ist die nach Abschluss des Anhörungsverfahrens erfolgende Erstellung des Abschlussberichts, der zusammen mit den für den Erlass eines Maßnahmengesetzes erforderlichen Unterlagen dem BMVI zuzuleiten ist, vgl. § 8 MgVG-E. Zu diesen Unterlagen gehören „in der Regel die Planungsunterlagen mit entscheidungserheblichen Unterlagen wie zum Beispiel dem UVP-Bericht, der landschaftspflegerische Begleitplan und etwaige Stellungnahmen der Europäischen Kommission nach § 34 Abs. 2 S. 2 Bundesnaturschutzgesetz“ (BNaturSG), vgl. § 8 Abs. 1 MgVG-E. Die Mindestbestandteile des Abschlussberichts selbst sind in § 8 Abs. 3 MgVG-E aufgeführt. 2.3. Gesetzgebungsverfahren Zum Gesetzgebungsverfahren bzw. Erlass eines Maßnahmengesetzes enthält das MgVG-E nur wenige Regelungen. Wie oben ausgeführt, liegt die Entscheidung über die Veranlassung eines solchen Verfahrens beim BMVI, § 7 Abs. 2 S. 2 MgVG-E. Die Vorlage eines Maßnahmengesetzes kann nach Art. 76 Abs. 1 GG nur durch die Bundesregierung beim Bundestag eingebracht werden. In diesem Zusammenhang bestimmt § 8 Abs. 3 S. 3 MgVG-E, dass der Abschlussbericht „so zu erstellen [ist], dass durch ihn die Entscheidung des Deutschen Bundestages nicht vorweggenommen wird. In ihm muss soweit wie möglich Raum für eigene Abwägungen des Gesetzgebers gelassen werden.“ Soweit von Seiten des BMVI von der Veranlassung eines Gesetzgebungsverfahrens abgesehen wird, weil das Vorhaben durch Verwaltungsakt zugelassen werden kann (und soll), hat es hierüber unverzüglich dem Deutschen Bundestag zu berichten. Schließlich enthält § 9 MgVG-E noch Vorgaben hinsichtlich einer zusätzlichen Zugänglichmachung und Bekanntgabe eines Maßnahmengesetzes. Nach § 9 Abs. 1 MgVG-E „übersendet die zuständige Behörde unverzüglich dem Träger des Vorhabens, denjenigen Personen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, und den Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, einen Auszug aus den Bundesgesetzblatt in Papierform.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 7 Zum Ablauf des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens enthält das MgVG-E keine Vorgaben. Insoweit gelten die für das Gesetzgebungsverfahren vorgesehenen Regelungen des Grundgesetzes und seine Konkretisierungen in der Geschäftsordnung des Bundestages. 3. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des MgVG-E mit Unionsrecht ist zunächst kurz auf den Prüfungsgegenstand einzugehen (3.1.). Sodann sind die hier in Betracht kommenden unionsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe zu erörtern (3.2.), bevor im Anschluss schließlich die Unionsrechtmäßigkeit des MgVG-E am Maßstab der einschlägigen Unionsbestimmungen untersucht wird (3.3.). 3.1. Zum Prüfungsgegenstand In Bezug auf den Prüfungsgegenstand ist zu beachten, dass das MgVG-E lediglich die Grundlage für den Erlass möglicher Maßnahmengesetze bildet. Die vom MgVG-E erfassten Infrastrukturprojekte sind zudem nicht zwingend auf diese Weise zu genehmigen. Es besteht vielmehr weiterhin die Möglichkeit zur Genehmigung durch Planfeststellungsbeschluss (vgl. § 7 Abs. 2 u. 3 MgVG-E), gegen den jeweils der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen steht.10 In einem solchen Fall würden die einleitend beschriebenen Einschränkungen des Rechtsschutzes nicht eintreten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen bereits das MgVG-E selbst und nicht erst ein auf seiner Grundlage ergehendes Maßnahmengesetz Gegenstand einer Prüfung am Maßstab des Unionsrecht sein kann.11 Dies Frage lässt sich jedoch nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweils in Betracht kommenden und sogleich darzustellenden unionsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe beurteilen. 3.2. Zum einschlägigen Prüfungsmaßstab Sowohl die Entscheidung für Infrastrukturprojekte als auch die Festlegung der für ihre Verwirklichung zu beachtenden Verfahrensregelungen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund steht es den Mitgliedstaaten zwar zuständigkeitshalber frei, dies in einer Art und Weise zu regeln, wie sie dem MgVG-E zugrunde liegt. Sie haben dabei jedoch ggf. bestehende unionsrechtliche Grenzen zu beachten. Diese können sich hier zum einen aus umwelt- und naturschutzbezogenen Maßnahmen der Union ergeben, deren materielle oder formale Vorgaben im Rahmen der Verwirklichung von Infrastrukturprojekten zu beachten sind. Zum anderen ist an Bestimmungen des Unionsrechts zu denken, die Rechtsschutzgewährleistungen beinhalten. In diesem Lichte sind vorliegend insbesondere die folgenden Maßnahmen bzw. Bestimmungen des Unionsrechts auf ihre Relevanz 10 Vgl. auch WD 3-Gutachten (Fn. 4), S. 4 (Einleitung zu 2.), S. 9 (3.). 11 Siehe dazu aus verfassungsrechtlicher Perspektive WD 3-Gutachten (Fn. 4), S. 4 (Einleitung zu 2.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 8 als Prüfungsmaßstab zu untersuchen: das Aarhus-Übereinkommen12 (3.2.1.); die UVP-Richtlinie13 (3.2.2.); die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie die Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (3.2.3.) und schließlich das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta (GRC) (3.2.4.). 3.2.1. Aarhus-Übereinkommen Bei dem Aarhus-Übereinkommen handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe - UNECE) entstanden ist.14 Der Vertrag wurde 1998 unterzeichnet und ist 2001 in Kraft getreten. Neben der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) haben auch die Mitgliedstaaten diese Konvention unterzeichnet.15 Ratifiziert wurde das Aarhus-Übereinkommen (im Folgenden auch AÜbk) durch die EG, deren Rechtsnachfolgerin die EU ist (vgl. Art. 1 Abs. 3 S. 3 EUV), am 17. Februar 2005.16 Das Übereinkommen zielt auf eine verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren und enthält hierzu Vorgaben in Bezug auf den Zugang des Einzelnen zu Informationen über die Umwelt (Art. 4 u. 5 A-Übk), die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Entscheidung über umweltrelevante Vorhaben (Art. 6 bis 8 A-Übk) und zum Zugang zu Gerichten für die Durchsetzung der vorgenannten Vorgaben (Art. 9 A-Übk).17 Im Rahmen des letztgenannten Vertragsgegenstands sieht das Aarhus-Übereinkommen auch ein Verbandsklagerecht vor (vgl. Art. 9 Abs. 2 S. 3 u. 4 A-Übk). Mit seiner Ratifizierung ist das Übereinkommen insoweit, als es in die Zuständigkeit der EU fällt, „intergraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung“ geworden18 und bindet nach Art. 216 Abs. 2 12 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, ABl.EU 2005 Nr. L 124/4. 13 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl.EU 2011 Nr. L 26/1, letzte konsolidierte Fassung vom 15.4.2014. 14 Siehe zum UNECE die Informationen auf deren Internetseite. Dort finden sich auch Ausführungen zum Aarhus- Übereinkommen. 15 Es handelt sich aus EU-Sicht somit um ein sog. gemischtes Abkommen. Siehe hierzu auch Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts – am Beispiel der Århus-Konvention, EuR 2005, S. 302 (307 ff.). 16 Beschluss des Rates 2005/370/EG vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl.EU 2005 Nr. L 124/1. Eine Übersicht über die Unterzeichner und die Vertragsparteien, darunter auch alle Mitgliedstaaten der EU, findet sich auf den Internetseiten der Vereinten Nationen. 17 Siehe aus dem Schrifttum zum Aarhus-Übereinkommen etwa Walter (Fn. 15), EuR 2005, S. 302 ff.; Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, S. 176 ff. 18 EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09 (Lesoochranárske zoskupenie VLK), Rn. 30 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 9 AEUV sowohl die EU-Organe als auch die Mitgliedstaaten. Aus Art. 216 Abs. 2 AEUV folgt ferner, dass völkerrechtliche Abkommen der EU zwar im Rang unter dem Primärrecht, aber über dem organerlassenen Sekundärrecht stehen. Zudem gilt für sie als Bestandteil der Unionsrechtsordnung der Anwendungsvorrang gegenüber mitgliedstaatlichem Recht. Zur Umsetzung der im Aarhus-Übereinkommen geregelten Verpflichtungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zum Zugang zu Gerichten hat – soweit das Unionsrecht ihnen noch nicht entsprach – die EU u. a. die Richtlinie 2003/3519 erlassen. Mit diesem Rechtsakt wurde auch die hier relevante UVP-Richtlinie an die sie betreffenden Vorgaben des Aarhus- Übereinkommens angepasst: neben Änderungen an den Richtlinienvorgaben zur Beteiligung der Öffentlichkeit in Art. 6 UVP-RL und weiteren Anpassungen wurde im heutigen Art. 11 UVP-RL das bis dahin nicht vorgesehene Recht auf Zugang zu Gerichten einschließlich des Verbandsklagerechts verankert.20 Insbesondere mit Blick auf das unionale Umsetzungsrecht stellt sich hier die Frage, ob und ggf. inwieweit das Aarhus-Übereinkommen als eigenständiger Prüfungsmaßstab für das MgVG-E in Betracht kommt. In rechtlicher und genereller Hinsicht ist hierfür zunächst zu beachten, dass die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens auch unmittelbar anwendbar sein müssen, um das mitgliedstaatliches Recht – hier des MgVG-E – an ihrem Maßstab überhaupt prüfen zu können.21 Anderenfalls besteht lediglich die Verpflichtung, das mitgliedstaatliche Recht (und auch das Unionsrecht) soweit wie möglich im Einklang mit dem Übereinkommen auszulegen.22 Dies berücksichtigend ist ferner zu bedenken, dass für eine ggf. mögliche unmittelbare Heranziehung jedenfalls dann kein Bedarf besteht, soweit die angepasste UVP-Richtlinie die sie betreffenden Vorgaben des Aarhus-Übereinkommens umfassend und zutreffend umsetzt. Das unionale Sekundärrecht geht dann in der praktischen Anwendung dem höherrangigen (Völkervertrags-) Recht vor, ähnlich wie dies im Verhältnis von primärrechtlichen Grundfreiheiten und dem sie konkretisierenden Sekundärrecht der Fall ist.23 Blickt man vor diesem Hintergrund auf die für eine Prüfung der Vereinbarkeit relevanten Vorschriften des Aarhus-Übereinkommens für das MgVG-E, so dürfte die Prüfungsrelevanz für die Übereinkommensvorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung wohl fehlen. Wie oben ausgeführt, sieht das MgVG-E zum einen eine (frühe) Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Vorhabenträger 19 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl.EU 2003 Nr. L 156/17, letzte konsolidierte Fassung vom 31.12.2016. Siehe u. a. Erwägungsgründe Nr. 5 bis 12 sowie Art. 1 der Richtlinie. 20 Vgl. Art. 3 Nr. 7 Richtlinie 2003/35 (Fn. 19). 21 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09 (Lesoochranárske zoskupenie VLK), Rn. 43 ff. 22 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09 (Lesoochranárske zoskupenie VLK), Rn. 50 f. 23 Siehe dazu etwa Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Auflage, Rn. 842 ff., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 10 als auch anschließend durch die zuständige Behörde im Rahmen des vorbereitenden Verfahrens vor. Letzteres erfolgt auf Grundlage des § 73 VwVfG, auf den auch das UVPG verweist. Ohne dies im Einzelnen überprüft zu haben, wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die hierdurch adressierten Vorschriften des deutschen Rechts den Anforderungen des Aarhus- Übereinkommens zur Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechen. Ungeachtet der Frage nach ihrer unmittelbaren Anwendung bestünde insoweit kein Raum für einen Verstoß des MgVG-E gegen das Übereinkommen. Praktisch relevant könnte eine Verletzung der Übereinkommensvorgaben allenfalls dann werden, wenn sie im Hinblick auf ein konkretes Infrastrukturprojekt im Einzelfall nicht beachtet werden. In einem solchen Fall würde die Verletzung aber aus dem betreffenden Maßnahmengesetz selbst resultieren, nicht hingegen aus dem MgVG-E. Von Relevanz für die Vereinbarkeitsprüfung sind hingegen die Vorgaben des Aarhus- Übereinkommens zum Zugang zu Gerichten nach Art. 9 Abs. 2 A-Übk. Ob diese unmittelbar anwendbar sind, hat der EuGH – soweit ersichtlich – zwar noch nicht ausdrücklich entschieden. In zwei Vorabentscheidungsverfahren prüfte er sie jedoch zusammen mit der einschlägigen und weitgehend gleichlautenden Umsetzungsbestimmung in der UVP-Richtlinie.24 Allerdings bestand zum Zeitpunkt der Vorabentscheidungen auch ein Gleichlauf der sachlichen Anwendungsbereiche von Aarhus-Übereinkommen und UVP-Richtlinie im Hinblick auf eine hier relevante Ausschlussregelung in Bezug auf legislative Maßnahmen.25 Ob dieser Gleichlauf nach der letzten Änderung der UVP-Richtlinie fortbesteht, ist offen. Diesem Gesichtspunkt und seinen Konsequenzen wird unten im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung unter 3.3. nachgegangen. 3.2.2. UVP-Richtlinie Gegenstand der UVP-Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 „die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.“ Das dürfte bei den vom MgVG-E erfassten Infrastrukturprojekten der Fall sein. Im Hinblick auf ihre inhaltliche Relevanz als Prüfungsmaßstab gelten zunächst die oben zum Aarhus-Übereinkommen gemachten Ausführungen entsprechend: Das MgVG-E geht von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aus wie sie auch im Falle eines „normalen“ Planfeststellungsverfahrens zu erfolgen hätte und verweist zum Teil auch auf das deutsche Umsetzungsrecht zur UVP-Richtlinie. Zwar wurde ein genauer Abgleich hier ebenfalls nicht vorgenommen. Gleichwohl soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass ein Verstoß des MgVG-E gegen die UVP-Richtlinie im Hinblick auf Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung nicht in Betracht kommt. Etwas anderes könnte hingegen für ein künftig zu erlassenes Maßnahmengesetz gelten, wenn die Vorgaben im Einzelfall missachtet werden. Von Bedeutung für die Vereinbarkeitsprüfung sind hingegen die Vorgaben der UVP-Richtlinie zum Rechtsschutz in Art. 11 UVP-RL. Wie oben ausgeführt, schließt das MgVG-E verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz für den Fall des Erlasses eines Maßnahmengesetzes weitgehend aus. Zwar führen erst die Entscheidung für eine Genehmigung durch Maßnahmengesetz und der Erlass eines solchen zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes. Doch 24 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 49 ff. 25 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 29 ff., 42. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 11 ist es bereits das MgVG-E, welches diese Möglichkeit in abstrakt-genereller Hinsicht begründet, so dass viel dafür spricht, bereits das MgVG-E am Maßstab des Art. 11 UVP-RL und ggf. auch des Art. 9 Abs. 2 A-Übk prüfen zu können. Dies gilt aber nur, soweit diese beiden Bestimmungen in sachlicher Hinsicht anwendbar sind. Wie oben im Rahmen der Ausführungen zum Aarhus-Übereinkommen angedeutet, sehen beide Rechtsquellen für legislative Maßnahmen bestimmte Ausnahmen vor. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Anwendungsbeschränkungen infolge einer Änderung der UVP-Richtlinie noch deckungsgleich sind. Im Rahmen der konkreten Prüfung wird daher zunächst zu untersuchen sein, ob und ggf. in welchem Umfang die UVP-Richtlinie und/oder das Aarhus-Abkommen auf das MgVG-E anwendbar sind. 3.2.3. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten In Abhängigkeit von der geographischen Verortung der von MgVG-E erfassten Infrastrukturprojekte wäre ferner an die Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie26 (FFH- Richtlinie oder FFH-RL) und der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten27 (Vogelarten-RL) zu denken.28 Mit der erstgenannten Richtlinie wird ausweislich ihres Art. 2 Abs. 1 das Ziel verfolgt, einen Beitrag „zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten […]“ zu leisten. Dies geschieht u. a. durch die Ausweisung von entsprechenden Schutzgebieten, sog. Natura 2000-Gebieten (vgl. Art. 3 ff. FFH-RL). Drohen Projekte derartige Gebiete erheblich zu beeinträchtigen, verpflichtet der Rechtsakt die Mitgliedstaaten, die betreffenden Projekte auf ihre Verträglichkeit mit den gebietsbezogenen Erhaltungszielen zu überprüfen, ggf. Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, die Kommission hierüber zu unterrichten und hinsichtlich der für eine Durchführung des Projekts streitenden Gründe u. U. ihre Stellungnahme einzuholen (vgl. Art. 6 Abs. 3 u. 4 FFH-RL). Die daraus folgenden Vorgaben sind in § 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) umgesetzt. Von der Beachtung dieser Vorgaben geht auch das MgVG-E aus, wie sich aus § 8 Abs. 1 S. 2 MgVG-E ergibt, der beispielhaft auch die Stellungnahme der Kommission nach § 34 Abs. 4 S. 2 BNatSchG als Teil der dem BMVI zuzuleitenden Planunterlagen und entscheidungserheblichen Anlagen erwähnt. Eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung29 sieht die FFH-Richtlinie ebenso wenig vor wie Vorschriften zum Rechtsschutz. Ungeachtet der räumlichen Anwendungsvoraussetzungen 26 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl.EG 1992 Nr. L 206/7, letzte konsolidierte Fassung vom 1.7.2013. 27 Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl.EU 2010 Nr. L 20/7, letzte konsolidierte Fassung vom 26.6.19. 28 Vgl. hierzu Art. 2 Abs. 3 UVP-RL (Fn. 13), wonach auch diese beiden Rechtsakte eine Verpflichtung zur Durchführung einer Prüfung der Umweltauswirkungen beinhalten. 29 Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL, wonach vor der Entscheidung über die Zustimmung zu einem Projekt die Öffentlichkeit nur „gegebenenfalls“ anzuhören ist. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 12 kommt sie vor diesem Hintergrund als Prüfungsmaßstab für das MgVG-E somit bereits im Grundsatz nicht in Betracht. Allenfalls bei Nichtbeachtung ihrer Vorgaben im Einzelfall wäre die FFH-Richtlinie relevant und dies nur für das betreffende Maßnahmengesetz, nicht aber für das MgVG-E selbst.30 Gleiches gilt im Ergebnis für die Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten. Ihr Anliegen ist nach ihren Art. 1 Abs. 1 die „Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet […] heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt die Nutzung dieser Arten.“ Die Mitgliedstaaten werden durch diese Richtlinie u. a. dazu verpflichtet „besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden“, darunter auch die Ausweisung von Schutzgebieten (vgl. Art. 4 UAbs. 1 und 3 Vogelarten-RL). Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung oder zum Rechtsschutz enthält der Rechtsakt nicht. Soweit bekannt, bedurfte diese Richtlinie aus deutscher Sicht mit Blick auf das bestehende nationale Recht keiner Umsetzung.31 Geht man hiervon aus, so wird – ohne dies hier im Einzelnen untersucht zu haben – unterstellt, dass die entsprechenden Vorgaben im Rahmen eines vorbereitenden Verfahrens zu beachten wären. Vor diesem Hintergrund wäre auch diese Richtlinie – ungeachtet ihrer räumlichen Anwendungsvoraussetzungen – Prüfungsmaßstab allenfalls für ein konkretes Maßnahmengesetz, nicht aber für das MgVG-E. 3.2.4. Art. 47 GRC Das in Art. 47 GRC geregelte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gewährleistet in seinem Absatz 1, dass jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Nach Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRC hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die Unionsgrundrechte binden in erster Linie die Union und ihre Organe, die Mitgliedstaaten hingegen nur insoweit, als diese Unionsrecht „durchführen“ (vgl. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC). Diese Anwendungsvoraussetzung wird vom EuGH in ständiger Rechtsprechung dahingehend verstanden, dass die Mitgliedstaaten „im Anwendungsbereich des Unionsrechts“ an die entsprechenden Grundrechte gebunden sind.32 Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie Verpflichtungen aus umgesetzten Richtlinienrecht nachkommen.33 Mit Blick auf die UVP- 30 Vgl. zur Prüfungsrelevanz des Art. 6 FFH-RL für die Rechtsgewährleistung nach Art. 11 der UVP-RL etwa EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-115/09 (Trianel), Rn. 48 f. 31 Siehe hierzu die Informationen auf der einschlägigen EUR-Lex-Seite zu den nationalen Umsetzungsmaßnahmen im Falle Deutschlands. 32 Siehe hierzu mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Auflage 2018, Rn. 694 ff. 33 Siehe etwa Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Art 51 GRC, Rn. 21, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 13 Richtlinie, deren Vorgaben bei der Verwirklichung der vom MgVG-E erfassten Infrastrukturprojekte zu beachten sind, ist das hier der Fall. Die UVP-Richtlinie beinhaltet sodann auch „durch das Recht der Union garantierten Rechte“34 in Gestalt der Beteiligungsrechte und Rechtsschutzgewährleistungen nach Art. 6 und 9 bzw. 11 UVP-RL, die im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung der Infrastrukturvorhaben im Sinne des MgVG-E zu beachten sind. Soweit auch völkervertragsrechtlich eingeräumte Rechtspositionen als von Art. 47 Abs. 1 GRC umfasste Rechtspositionen zu berücksichtigen sind, wären insoweit auch die Beteiligungsrechte und Rechtsschutzgewährleistung durch das Aarhus- Übereinkommen zu beachten.35 Allerdings stellt sich vorliegend die Frage, ob überhaupt Bedarf besteht für eine direkte Heranziehung des Art. 47 GRC zur Prüfung des MgVG-E unter Rechtsschutzgesichtspunkten. Ist von einer Anwendbarkeit des Art. 11 UVP sowie ggf. auch Art. 9 A-Übk auszugehen, so gebieten beide Artikel Rechtsschutz und verwirklichen damit die Vorgaben des Art. 47 GRC. Sind die beiden Vorschriften und andere durch die UVP-RL eingeräumte Rechte wegen des legislativen Genehmigungsverfahrens und der darauf bezogenen Anwendungsbeschränkung nicht anwendbar, so fehlt es jedenfalls insoweit an den „durch das Recht der Union garantierte[n] Rechte[n] und Freiheite[n]“, auf die sich Art. 47 GRC akzessorisch bezieht. Damit dürfte eine direkte Heranziehung des Art. 47 GRC vorliegend nicht zum Tragen kommen. 3.2.5. Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass als Prüfungsmaßstab für das MgVG-E primär die (gleichlautenden) Rechtsschutzgewährleistungen des Art. 11 UVP-RL sowie des Art. 9 Abs. 2 A-Übk in Betracht kommen, sofern beide Bestimmungen in der Sache vorliegend anwendbar sind. Mit Blick auf die im Rahmen des MgVG-E vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung dürfte für die insoweit bestehenden Vorgaben von UVP-Richtlinie und Aarhus-Abkommen keine Prüfungsrelevanz bestehen. Verstöße könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn die Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im konkreten Fall nicht beachtet werden. Prüfungsgegenstand wäre dann allerdings nicht das MgVG-E, sondern das betreffende Maßnahmengesetz. Letzteres gilt für die materiellen und verfahrensrechtlichen Vorgaben der FFH-Richtlinie sowie der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, soweit diese Rechtsakte mit Blick auf die geographischer Verortung der betreffenden Infrastrukturprojekte zu beachten wären. Eine direkte Heranziehung von Art. 47 GRC scheitert entweder an der Anwendung von Art. 11 UVP-RL sowie des Art. 9 Abs. 2 A-Übk, die bereits aus sich heraus Rechtsschutz gebieten, oder – 34 Siehe zum Begriff und seinem Verständnis, Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Art 47 GRC, Rn. 6, wonach auch sekundärrechtlich eingeräumte Rechtspositionen erfasst werden. 35 Vgl. etwa Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Art 47 GRC, Rn. 6. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 14 bei Einschlägigkeit der Anwendungsbeschränkung – daran, dass es an unionsrechtlichen Rechtspositionen mangelt, zu deren gerichtlichen Schutz Art. 47 GRC verpflichten kann. Im Folgenden ist daher zunächst die Anwendbarkeit von Art. 11 UVP-RL sowie Art. 9 Abs. 2 A-Übk zu prüfen (3.3.), bevor anschließend die Vereinbarkeit mit den daraus folgenden Vorgaben untersucht werden kann (3.4.). 3.3. Anwendbarkeit von Art. 11 UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Übereinkommen Wie bereits oben ausgeführt, begrenzen UVP-Richtlinie und Aarhus-Übereinkommen ihre Anwendung im Fall legislativer Maßnahmen. Die einschlägigen Bestimmungen wurden durch den EuGH ursprünglich inhaltlich gleichlaufend ausgelegt (3.3.1), die Anwendungsbeschränkung der UVP-Richtlinie wurde jedoch geändert (3.3.2.). Zu dem Verständnis der neuen Regelung werden zum Teil unterschiedliche Ansichten vertreten (3.3.3.), die vorliegend einer kritischen Würdigung unterzogen werden sollen (3.3.4.). 3.3.1. Ursprünglich deckungsgleiche Regelung und daraus folgende Vorgaben Die erste UVP-Richtlinie aus dem Jahre 198536 enthielt in ihrem Art. 1 Abs. 5 folgende Ausnahmebestimmung: „Diese Richtlinie gilt nicht für Projekte, die im einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden, da die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele einschließlich des Ziels der Bereitstellung von Informationen im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.“37 In den Erwägungsgründen dieser UVP-Richtlinie fand sich dazu lediglich eine mit dem letzten Halbsatz gleichlautende Begründung. In die Neufassung der UVP-Richtlinie aus dem Jahre 201138 wurde die betreffende Bestimmung sodann mit gleichem Wortlaut übernommen und fand sich ursprünglich in ihrem Art. 1 Abs. 4.39 Das Aarhus-Übereinkommen enthält zwar keine vergleichbar formulierte Anwendungsbeschränkung. Der in dem Übereinkommen legaldefinierte Behördenbegriff erfasst jedoch „keine Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender 36 Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl.EG 1985 Nr. L 175/40. 37 Hervorhebung durch Verfasser. 38 Siehe Richtliniennachweis in Fn. 13. 39 Siehe Richtliniennachweis in Fn. 13. Vgl. dort auch Erwägungsgrund Nr. 22. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 15 Eigenschaft handeln“.40 Da sich an den Behördenbegriff die einzelnen Verpflichtungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zum Rechtsschutz knüpfen (vgl. insbesondere Art. 6, 7 und 8 einerseits sowie Art. 9 Abs. 2 und 3 A-Übk andererseits), greifen diese Vorgaben nicht, wenn ein Vorhaben durch eine Einrichtung genehmigt wird, „die in gesetzgebender Eigenschaft handelt“. In zwei Vorabentscheidungen hat der EuGH beide Rechtsquellen im Hinblick auf die Anwendungsbeschränkung zwar inhaltlich gleichlaufend ausgelegt.41 Abweichend vom Wortlaut insbesondere der UVP-RL, der allein die Durchführung eines Gesetzgebungsverfahrens ausreichen ließ („da die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele […] im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden“), hat der Gerichtshof die Anwendung des früheren Art. 1 Abs. 4 UVP-RL jedoch von zwei Voraussetzungen abhängig gemacht und an diese Anforderungen formuliert: zum einen an den Begriff des „besonderen Gesetzgebungsakts“ und an die Vorgabe, wonach die Ziele der Richtlinie einschließlich des Ziels der Bereitstellung von Informationen im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden müssen.42 Als wesentliches Ziel der Richtlinie bezeichnet der EuGH in Anknüpfung an Art. 2 Abs. 1 UVP-RL, dass Projekte im Sinne der UVP-Richtlinie „vor Erteilung einer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre [Umwelt-]Auswirkungen unterzogen werden.“43 Nur wenn die Voraussetzungen der Anwendungsbeschränkung erfüllt sind, finden die UVP-Richtlinie bzw. das Aarhus- Übereinkommen und damit auch ihre Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung sowie zum Rechtsschutz auf die betreffenden Infrastrukturprojekte nach EuGH keine Anwendung.44 Mit Verweis auf den Sinn und Zweck der Rechtsschutzgewährleistungen in Art. 11 UVP- Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 bis 4 A-Übk hat der EuGH zudem festgestellt, dass die Möglichkeit bestehen muss, die beiden inhaltlichen Voraussetzungen der Anwendungsbeschränkung gerichtlich überprüfen zu lassen, ggf. durch jedes mit dem Gesetz befasste nationale Gericht, sofern ein spezieller Rechtsbehelf hierfür nicht zur 40 Hervorhebung durch Verfasser. 41 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 50, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 45. 42 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 36 ff., siehe auch die Formulierung in Rn. 36, in welcher der EuGH anstelle des „da“ ein „wenn“ verwendet. Siehe ferner EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 29 ff. In Bezug auf den früheren Art. 1 Abs. 4 UVP- RL bestätigt durch EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 104 ff. 43 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 41; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 35. In Bezug auf den früheren Art. 1 Abs. 4 UVP-RL bestätigt durch EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 108. 44 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 50, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 45. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 16 Verfügung steht.45 Entspricht der „besondere Gesetzgebungsakt“ diesen Anforderungen nicht, so hat das angerufene Gericht ihn „unangewandt zu lassen“.46 Zu der Frage, wer eine solche gerichtliche Prüfung der Anwendungsbeschränkung initiieren kann oder können muss und ob dies insbesondere auch Verbände im Sinne des Art. 11 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL sein können, lässt sich den einschlägigen Urteilen nichts entnehmen. Ob und inwieweit sich entsprechende Fragen dort in der Sache stellten, kann den Sachverhaltsausführungen nicht entnommen werden. Jedenfalls konnten die betreffenden streitgegenständlichen gesetzlichen Maßnahmen vor den vorlegenden nationalen Gerichten offensichtlich angegriffen werden. Beiden Vorabentscheidungsersuchen, die von unterschiedlichen Gerichten vorgelegt wurden, lag dabei der gleiche Streitgegenstand zugrunde: es ging um ein Dekret des wallonischen Parlaments, mit welchem behördliche Genehmigungen verschiedener Infrastrukturprojekte bestätigt wurden.47 In der Sache beließ es der EuGH bei der dargestellten Auslegung der einschlägigen Vorschriften und verwies für deren Anwendung im konkreten Fall zurück an die vorlegenden Gerichte.48 3.3.2. Neufassung der Anwendungsbeschränkung in der UVP-Richtlinie Die UVP-Richtlinie wurde im Jahre 2014 geändert. Ausweislich der Erwägungsgründe erfolgte die Änderung, „um die Qualität des Verfahrens der Umweltverträglichkeitsprüfung zu erhöhen, das Verfahren an die Grundsätze der intelligenten Rechtsetzung anzupassen und die Kohärenz und die Synergien mit anderen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen der Union sowie mit den Strategien und politischen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in in die nationale Zuständigkeit fallenden Bereichen erarbeitet haben, zu verstärken.“49 Eine der Änderungen betraf die eben vorgestellte Anwendungsausnahme. Der sie ursprünglich enthaltene Art. 1 Abs. 4 UVP-Richtlinie wurde gestrichen und eine geänderte Fassung wurde in 45 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 49 ff., insb. 53 u. 57; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 44 ff., insb. 48 u. 52. 46 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 56; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 51. 47 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 15 ff., insb. 16; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 20 ff. 48 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 48, 56; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 43, 51. 49 Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl.EU 2014 Nr. L 124/1. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 17 den neuen Art. 2 Abs. 5 UVP-Richtlinie aufgenommen.50 Sein hier allein relevanter Unterabsatz 1 lautet: „Unbeschadet des Artikels 7 können die Mitgliedstaaten ein Projekt, das durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt zugelassen wird, von den Bestimmungen dieser Richtlinie, die sich auf die Beteiligung der Öffentlichkeit beziehen, ausnehmen, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele dieser Richtlinie verwirklicht werden.“51 Anders als in der ursprünglichen Version handelt es sich somit erstens nicht mehr um eine zwingende Anwendungsbereichsausnahme, sondern um eine im Ermessen der Mitgliedstaaten stehende. Zweitens greift sie ihrem Wortlaut nach nicht mehr umfassend, sondern nur noch in Bezug auf Bestimmungen, „die sich auf die Beteiligung der Öffentlichkeit beziehen“. Drittens wurde die Konkretisierung des im Fall eines Gesetzgebungsakts „insbesondere“ zu verwirklichenden Richtlinienziels der „Bereitstellung von Informationen“ gestrichen. In den Erwägungsgründen der Änderungsrichtlinie findet sich jedoch die folgende Aussage: „Bei Projekten, die durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden, sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Ziele dieser Richtlinie im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit im Gesetzgebungsverfahren erreicht werden.“52 In deren Lichte beschränkt sich die Zielverwirklichung im Gesetzgebungsverfahren allein auf die Öffentlichkeitsbeteiligung. 3.3.3. Die zur Neufassung vertretenen Ansichten Im vorliegenden Kontext stellt sich mit Blick auf die geänderte Fassung erstens die Frage, wie weit der im mitgliedstaatlichen Ermessen liegende Anwendungsausschluss in materieller Hinsicht reicht, vor allem ob er nur Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung erfasst oder auch die Rechtsschutzgewährleistung der UVP-Richtlinie. Zweitens gilt es zu klären, ob und ggf. auf welche Art und Weise die EuGH-Rechtsprechung zur ursprünglichen Fassung auf die neue Formulierung in Art. 2 Abs. 5 UVP-Richtlinie übertragen werden kann. Schließlich ist drittens zu fragen, welche Bedeutung im Falle unterschiedlicher Auslegungen der Anwendungsbeschränkung im Aarhus- Übereinkommen zukommt. 50 Vgl. Art. 1 Nr. 1 Buchst. c sowie Nr. 2 Buchst. c Richtlinie 2014/52/EU (Fn. 49). 51 Hervorhebung durch Verfasser. Vgl. auch Art. 1 Nr. 2 Buchst. c Richtlinie 2014/52/EU (Fn. 49) sowie die konsolidierte Fassung der UVP-Richtlinie (Fn. 13). Der in Bezug genommene Art. 7 UVP-Richtlinie beinhaltet ein Beteiligungsverfahren für andere Mitgliedstaaten für den Fall, das Projekte erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaates haben. 52 Siehe Erwägungsgrund Nr. 24 Richtlinie 2014/52/EU (Fn. 49) – Hervorhebung durch Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 18 Den Gesetzgebungsmaterialen, insbesondere dem Kommissionsvorschlag, lässt sich zu der Änderung der Anwendungsbeschränkung nichts entnehmen. So ließ der Kommissionsvorschlag die Anwendungsbeschränkung noch unberührt.53 Erst das Europäische Parlament hatte eine komplette Streichung der Regelung vorgeschlagen.54 Ihre heute geltende Fassung erhielt die Bestimmung dann erst im sog. informellen Trilogverfahren zu diesem Rechtsakt. Rechtsprechung zu dieser Ausnahmebestimmung gibt es bisher – soweit ersichtlich – nicht. In zeitlicher Hinsicht wurde der Kommissionsvorschlag zur Änderungsrichtlinie im Oktober 2012 vorgelegt. Die erste der beiden oben zitierten Entscheidungen zu der ursprünglichen Ausnahmebestimmung erging im Oktober 2011, die zweite im Februar 2012, so dass beide Vorabentscheidungsurteile bereits bei Vorlage des Kommissionsvorschlags bekannt waren. Dass sie sich in der neuen Fassung niedergeschlagen haben könnten, lässt die Formulierung des letzten Halbsatzes vermuten: Dort ist die Verwirklichung der Richtlinienziele durch den Gesetzgebungsakt – wie auch in den oben zitierten Urteilen – nämlich als Bedingung formuliert („jedoch unter der Voraussetzung“) und nicht mehr als Tatsache, die sich aus der Durchführung eines Gesetzgebungsverfahrens selbst ergibt („da die […] Ziele […] im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.“). Im Folgenden sind zum einen das Verständnis der Kommission zur Neufassung der Anwendungsbeschränkung (3.3.3.1.) sowie die Auffassung, die in einem Gutachten vertreten wird, welches im Auftrag des BMVI im Zuge der Arbeiten am MgVG-E erstellt wurde55 (3.3.3.2), darzustellen. 3.3.3.1. Kommission Die Kommission hat ihr Verständnis zur neugefassten Anwendungsbeschränkung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL kürzlich in einer Bekanntmachung dargelegt.56 Nach ihrer Ansicht wurde durch die Neufassung „die Kernaussage dieser Ausnahme verändert und bezieht sich nun ausschließlich 53 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, KOM(2012) 628 final, siehe Art. 1 Abs. 1 des Vorschlags zur Neufassung des Art. 1 UVP-RL und dort Absatz 4. 54 Vgl. Abänderung Nr. 49 der Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 9. Oktober 2013 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten […], T7-0413/2013, online abrufbar auf den Seiten des Europäischen Parlaments. 55 „Rechtliche Voraussetzungen für die Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten durch Maßnahmengesetze“, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Datum vom 9.12.2018, erstellt von Prof. Dr. Jan Ziekow (im Folgenden: BMVI-Gutachten). 56 Bekanntmachung der Kommission, Leitfaden zur Anwendung der Ausnahmen im Rahmen der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in ihrer durch die Richtlinie 2014/52/EU geänderten Fassung) - Artikel 1 Absatz 3, Artikel 2 Absätze 4 und 5, ABl.EU 2019 Nr. C 386/12 (im Folgenden: KOM-Bekanntmachung). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 19 auf das Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit.“57 Wie sich aus den Erwägungsgründen ergebe, solle das darauf bezogene Richtlinienziel nun im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.58 Hieraus schließt die Kommission zum einen, dass „alle Verpflichtungen in Bezug auf die Information der Öffentlichkeit und die Anhörung von Umweltbehörden oder regionalen/lokalen Behörden einzuhalten (siehe Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie) [sind.]“ Zum anderen sieht die Kommission auch die Rechtsschutzgewährleistung in Art. 11 UVP-RL von dieser Ausnahme unberührt. Hierzu führt sie aus: „Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Anwendung der Ausnahme nach Artikel 2 Absatz 5 ist die Voraussetzung, dass sichergestellt sein muss, dass jeder derartige Gesetzgebungsakt in Übereinstimmung mit Artikel 11 der UVP-Richtlinie gemäß nationalen Verfahrensvorschriften vor einem einzelstaatlichen Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle in Bezug auf seine materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anfechtbar sein muss.“59 Im Anschluss an dieses Zitat geht die Kommission darauf ein, was bei Fehlen eines entsprechenden Verfahrens gilt und verweist dabei insoweit auf die oben dargestellte Rechtsprechung zu ursprünglichen Anwendungsbeschränkung: „Falls gegen eine solche Maßnahme [des Gesetzgebers] kein Rechtsbehelf eröffnet ist, obliegt es jedem nationalen Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit befasst wird, eine solche Prüfung durchzuführen und gegebenenfalls die Konsequenzen daraus zu ziehen, indem es diesen Gesetzgebungsakt nicht anwendet […].“60 Wie sich diese Möglichkeit zu den primär geltenden Anforderungen nach Art. 11 UVP-RL verhält, ob es sich dabei nur um eine „Notfalloption“ handelt, um den Rechtsschutz im Zweifel sicherzustellen, führt die Kommission nicht weiter aus. Sodann greift die Kommission auch im Übrigen auf die bisherige Rechtsprechung zurück, und zwar sowohl bezüglich der Anforderungen, die an einen besonderen Gesetzgebungsakt im Sinne des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL zu stellen sind,61 als auch zum Umfang der Zielverwirklichung im Gesetzgebungsverfahren. Diese begrenzt die Kommission nämlich nicht auf die 57 KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.2. 58 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.1. 59 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.7. 60 KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.8. unter Verweis auf die hier oben in Fn. 41 zitierten Urteile Boxus und Solvay. Unterstrichene Ergänzung durch Verfasser mit Blick auf den inhaltlichen Zusammenhang mit dem vorangehenden, oben zitierten Punkt 4.7. 61 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.4. u. 4.5. Nr. 1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 20 Öffentlichkeitsbeteiligung,62 sondern nimmt auch im Lichte der neueren Regelung Bezug auf Art. 2 Abs.1 UVP-RL und die ursprüngliche Formulierung der Anwendungsbeschränkung, wonach zu diesen Zielen auch die „Bereitstellung von Informationen“ gehöre.63 Während die Übertragung zum ersten Aspekt konsequent ist, da es auch nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL um einen Gesetzgebungsakt geht, scheint diese Konsequenz hinsichtlich der Übertragung bei der Zielverwirklichung zu fehlen. Zwar entspricht das insoweit dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL, der allgemein von den Zielen der Richtlinie spricht. Im Lichte des einschlägigen Erwägungsgrundes geht es aber nicht um das wesentliche Richtlinienziel nach Art. 2 Abs. 1 UVP-RL, der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung , sondern „nur“ um „die Ziele der Richtlinie im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit“, die im Gesetzgebungsverfahren erreicht werden sollen.64 Versteht man – wie die Kommission – Art. 2 Abs. 5 UVP-RL allein auf die Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung bezogen, so dürfte sich auch nur hierauf die Prüfung der Zielverwirklichung im Gesetzgebungsverfahren beziehen. Alle anderen von Art. 2 Abs. 5 UVP-RL nicht erfassten Richtlinienbestimmungen wären auch im Fall einer Zulassung durch Gesetzgebungsakt vollumfänglich einzuhalten. Diese müsste entsprechend und nicht nur nach Maßgabe einer „Zielverwirklichung“ einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen, die den Anforderungen des Art. 11 UVP-RL genügt. Die Anwendung des letztgenannten Artikels fordert die Kommission zwar, zugleich verweist sie aber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur ursprünglichen Anwendungsbeschränkung darauf, dass bei Fehlen eines Rechtsbehelfs in diesem Sinne gegen den Gesetzgebungsakt jedes mit ihm befasste Gericht „eine solche Prüfung durchzuführen“ habe.65 In welchem Verhältnis diese Option mit den sich aus Art. 11 UVP- RL ergebenden Anforderungen an den Rechtsschutz steht, wird nicht weiter ausgeführt. Zur Bedeutung und den Konsequenzen der unverändert gebliebenen Anwendungsbeschränkung nach dem Aarhus-Übereinkommen finden sich in der Bekanntmachung der Kommission keine Hinweise. 3.3.3.2. BMVI-Gutachten In dem BMVI-Gutachten, welches zeitlich vor der Bekanntmachung der Kommission erstellt wurde, wird zu der Frage nach der Reichweite der Anwendungsbeschränkung die Auffassung vertreten, dass auch die Rechtsschutzgewährleistung nach Art. 11 UVP-RL hiervon erfasst werde.66 Hierfür werden systematische Gründe angeführt. Verwiesen wird darauf, dass die 62 Vgl. aber noch KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.1. sowie 4.4. 63 KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.5. Nr. 2 und Fn. 11. 64 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 Richtlinie 2014/52/EU (Fn. 49). 65 KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.8. 66 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 21 Rechtsschutzgewährleistung dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL nach davon abhänge, „dass es sich um eine Entscheidung handelt, für die die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.“67 Verwiesen werde damit auf Art. 6 Abs. 2 bis 6 UVP-RL und die insbesondere in Absatz 2 Buchst. c in Bezug genommene Entscheidung einer Behörde. Diese Entscheidungszuständigkeit einer Behörde eröffne „mithin den Weg zur Verwirklichung des Richtlinienziels „Öffentlichkeitsbeteiligung“ und zur Gewährleistung des Rechtsschutzes. Schließt der Gesetzgeber die Anwendung der Bestimmung über die Öffentlichkeitsbeteiligung aus, so ist damit zwingend auch die Anwendung des Art. 11 UVP-RL erfasst.“68 Unzulässig sei hingegen der umgekehrte Schluss, wonach die von Art. 2 Abs. 5 UVP geforderte Verwirklichung des Ziels der Öffentlichkeitsbeteiligung auch die Eröffnung von Rechtsschutz gegen die Projektzulassung durch Gesetz erfordere.69 Denn die genannte Vorschrift beziehe sich allein auf die Verwirklichung der Ziele der Öffentlichkeitsbeteiligung „im“ Gesetzgebungsverfahren bzw. dessen Vorbereitung; der Effektivitätsgrundsatz gebiete insoweit kein weitergehendes Verständnis.70 Unter Verweis auf die oben zitierte Rechtsprechung wird zudem argumentiert, dass auch der EuGH „zur Sicherung der Effektivität des Art. 11 UVP-RL allein eine Bereitstellung von Informationen im Gesetzgebungsverfahren, nicht aber Rechtsschutz gegen dessen Ergebnis, die Vorhabenzulassung, verlangt […]. Der durch den Effektivitätsgrundsatz gebotene Rechtsschutz beschränkt sich auf die Möglichkeit einer Inzidentkontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL […].“71 Das BMVI-Gutachten gelangt daher insoweit zu dem Ergebnis, dass weder das Aarhus- Übereinkommen noch die UVP-Richtlinie „die Eröffnung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten durch ein vom Parlament erlassenes Gesetz gebieten.“ Dies entspricht der ursprünglichen Anwendungsbeschränkung und der dazu ergangenen Rechtsprechung, von deren Übertragung das BMVI-Gutachten auch hinsichtlich der Anforderungen an den besonderen Gesetzgebungsakt im Sinne des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL sowie der Zielverwirklichung im Gesetzgebungsverfahren ausgeht.72 Der Öffentlichkeitsbeteiligung wird einerseits eine „unterstützende Bedeutung für das Primärziel der Ermittlung der Umweltauswirkungen“ zugeschrieben, andererseits wird es auch als eigenständiges Ziel der UVP- RL verstanden, „das auch bei einer Projektzulassung durch Gesetz nicht vernachlässigt werden darf.“73 67 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70. 68 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70. 69 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70. 70 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70. 71 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 70 f. 72 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 67 ff. 73 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 68. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 22 Im Ergebnis unterscheidet sich das BMVI-Gutachten von der Kommissionsauffassung hinsichtlich der Frage der Einbeziehung der Rechtsschutzgewährleistung nach Art. 11 UV-RL in die Anwendungsbeschränkung nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die gerichtliche Kontrolle einer Projektzulassung. 3.3.4. Kritische Würdigung Im Folgenden wird inhaltlich zwischen den Auffassungen zur Reichweite der neugefassten Anwendungsbeschränkung (3.3.4.1.), Fragen zum Rechtsschutz (3.3.4.2) und zur der Bedeutung der Anwendungsbeschränkung im Aarhus-Übereinkommen (3.3.4.3.) unterschieden. Abschließend ist noch auf die Frage einzugehen, ob im Hinblick auf das MgVG-E eine Berufung auf Art. 2 Abs. 5 UVP-RL überhaupt in Betracht kommt (3.3.4.4.). 3.3.4.1. Zur Reichweite der neugefassten Anwendungsbeschränkung Für die von der Kommission vertretene Ansicht, wonach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL allein zur Nichtanwendung der Richtlinienvorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung ermächtigt, nicht aber von Art. 11 UVP, sprechen zunächst der Wortlaut dieses Artikels sowie der Vergleich mit den Formulierungen der übrigen Ausnahmebestimmungen der UVP-Richtlinie. So ermöglicht die in Art. 1 Abs. 3 UVP-RL für Verteidigungs- oder Katastrophenfälle vorgesehene Ausnahme die Nichtanwendung der gesamten Richtlinie auf entsprechende Projekte oder Projektteile. Ähnlich ist die Ausnahmebestimmung in Art. 2 Abs. 4 UVP-RL formuliert, wonach „in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt von den Bestimmungen dieser Richtlinie [ausgenommen werden kann], wenn sich die Anwendung dieser Bestimmungen nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde […].“ Im Fall des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL wurde eine solch weite Formulierung gerade nicht gewählt. Gegen die Auffassung der Kommission und für die des BMVI-Gutachtens streitet hingegen das dort aufgeführte systematische Argument, wonach die Rechtsschutzgewährleistung in Art. 11 UVP-RL auf Entscheidungen etc. bezogen ist, „für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.“ Hierbei könnte es sich jedoch um ein Redaktionsversehen handeln, das auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der Kommissionsvorschlag sowohl die ursprüngliche Anwendungsbeschränkung als auch Art. 11 UVP-RL unberührt ließ, ersteres später aber geändert wurde und redaktionelle Anpassungen an Art. 11 UVP-RL im Trilogverfahren sodann nicht mehr vorgenommen wurden. Anerkennt man die im BMVI-Gutachten betonte „übergeordnete maßstabsbildende Bedeutung“ des Aarhus-Übereinkommens für die UVP-Richtlinie,74 so dürfte die diesem Vertrag zugrunde liegenden Unterscheidung seiner drei Regelungsgegenstände (Zugang zu Informationen, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten)75 für die Auslegung von Art. 2 Abs. 5 UVP- RL zu entnehmen sein, dass sich die dortige Anwendungsbeschränkung nur auf die 74 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 64. 75 Vgl. insoweit die Originalbezeichnung des Übereinkommens (Fn. 12). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 23 Öffentlichkeitsbeteiligungsvorgaben bezieht und die beiden übrigen Bereiche, den Informationszugang sowie den Rechtsschutz, gerade nicht betrifft. Gegen die im BMVI-Gutachten vertretene Auffassung kann ferner aufgeführt werden, dass sie letztlich dazu führt, dass der ursprüngliche Inhalt der Anwendungsbeschränkung weitgehend fortgilt, obwohl die Ursprungsfassung sowohl inhaltlich als auch von der Stellung im Normgefüge geändert wurde. Denn nach Art. 1 Abs. 4 UVP-RL und der dazu ergangenen Rechtsprechung waren vor der Anwendungsbeschränkung angesichts der im Gesetzgebungsverfahren zu wahrenden Ziele der Richtlinie im Wesentlichen nur die Vorgaben über die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Rechtsschutz betroffen.76 Ein weiteres Argument gegen die im BMVI-Gutachten vertretene Auffassung folgt aus den Erwägungsgründen der Änderungsrichtlinie zur Neufassung, wonach „die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen [sollten], dass die Ziele dieser Richtlinie im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit im Gesetzgebungsverfahren erreicht werden.“ In diesem Lichte betrachtet kann sich die Anwendungsbeschränkung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL nur auf die Vorgaben der Richtlinie zur Öffentlichkeitsbeteiligung beziehen, da nur deren Nichtanwendung durch ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren kompensiert werden soll. Eine Kompensation für den in Art. 11 UVP-RL vorgesehenen Rechtsschutz wird gerade nicht erwähnt und wäre zudem unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung nur schwer vorstellbar. Nicht durchgreifend erscheinen die Ausführungen im BMVI-Gutachten, wonach der Schluss unzulässig sei, dass die von Art. 2 Abs. 5 UVP-RL geforderte Verwirklichung des Ziels der Öffentlichkeitsbeteiligung auch die Eröffnung von Rechtsschutz gegen die Projektzulassung durch Gesetz erfordere. Zwar trifft letzteres – wie eben ausgeführt – im Lichte der Erwägungsgründe zu. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens soll die ansonsten im behördlichen Verfahren vorgesehene und nun fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung kompensiert werden. Hieraus lässt sich aber gerade kein Argument für die Frage gewinnen, ob unter „die sich auf die Beteiligung der Öffentlichkeit“ beziehenden Bestimmungen auch die Rechtsschutzgewährleistung in Art. 11 UVP-RL fällt. Sodann wird im BMVI-Gutachten die Auffassung vertreten, dass auch der Effektivitätsgrundsatz keine andere Auslegung im Hinblick auf den Rechtsschutz gebiete. Verwiesen wird insoweit auf die Rechtsprechung zur ursprünglichen Anwendungsbeschränkung. Dort hatte der EuGH in der Tat zur Sicherung der Effektivität der UVP-Richtlinie zwar keinen Rechtsschutz gegen das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens verlangt, sondern nur eine (Inzident-)Kontrolle der Anforderungen an den besonderen Gesetzgebungsakt. Nach damaliger Rechtslage bestanden allerdings keine Zweifel an dem Ausschluss des Rechtsschutzes durch ex-Art. 1 Abs. 4 UVP-RL. Diese bestehen hier jedoch gerade. In inhaltlicher Hinsicht könnte man allerdings für die im BMVI-Gutachten vertretene Ansicht fragen, ob ein allein auf die Öffentlichkeitsbeteiligung beschränktes Verständnis der Ausnahmebestimmung nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL gerecht würde. Denn mit Blick auf eine beschleunigte Verwirklichung von Projekten können gerade die nach Genehmigung möglichen 76 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 37 u. 41; EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 31 u. 35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 24 Rechtstreitigkeiten zu mehrjährigen Verzögerungen führen. Damit ist jedoch zugleich die Frage nach dem Sinn und Zweck der Regelung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL aufgeworfen, zu dem die UVP- Richtlinie mit Ausnahme des oben erwähnten und allein auf die Öffentlichkeitsbeteiligung zielenden Erwägungsgrundes gerade keine Angaben enthält. Sollte der Sinn und Zweck tatsächlich in einer beschleunigten Verwirklichung von Projekten liegen, so spräche dies zwar auf den ersten Blick für ein über den Wortlaut des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL hinausgehendes Verständnis. Zu bedenken wäre aber, dass der potentielle Umfang der Verzögerungen durch Rechtsschutzgewährleistung nicht zuletzt von den jeweiligen rechtlichen Gegebenheiten des betreffenden Mitgliedstaats abhängt. Ist etwa – anders als in Deutschland – nur eine gerichtliche Instanz vorgesehen, so dürften sich rechtsschutzbegründete Verzögerungen in Grenzen halten. Schließlich spricht auch in allgemeiner Hinsicht der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung betonte Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen gegen das im BMVI- Gutachten vertretene Verständnis, die Rechtsschutzgewährleistung in die Anwendungsbeschränkung nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL einzubeziehen.77 Für die ursprüngliche Ausnahmebestimmung in Art. 1 Abs. 5 der UVP-RL hat der EuGH diesen Grundsatz bereits bestätigt.78 Ungeachtet der die Kommissionsauffassung stützenden Argumente ist vorliegend eine abschließende Entscheidung zur Reichweite der Anwendungsbeschränkung in Art. 2 Abs. 5 UVP- RL gleichwohl nicht möglich, da es hierzu bisher keine unionsgerichtliche Rechtsprechung gibt. Darauf weist auch die Kommission in ihrer Bekanntmachung hin, wonach diese nur „die nationalen Behörden bei der Anwendung der Richtlinie über Umweltverträglichkeitsprüfung unterstützen [soll]. Für die verbindliche Auslegung des EU-Rechts ist ausschließlich der [EuGH] zuständig.“79 3.3.4.2. Zum Rechtsschutz Wendet man sich vor diesem Hintergrund den Rechtsschutzvorgaben der UVP-Richtlinie und insbesondere Art. 11 UVP-RL zu, so ist zu unterscheiden zwischen dem Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle (3.3.4.2.1.), den Anforderungen an den Rechtsbehelf (3.3.4.2.2.) und dem Kreis derjenigen, die ihn erheben können (3.3.4.2.3.). 3.3.4.2.1. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle Der Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle hängt zunächst davon ab, ob man die Rechtsschutzgewährleistung von der Anwendungsbeschränkung nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL umfasst ansieht oder nicht. Ist das – wie von der Kommission vertreten – nicht der Fall, richtet sich die Prüfung entsprechend dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL auf „die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit“ der betreffenden Entscheidung bzw. hier des 77 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 5 Spiegelstrich 1. 78 Siehe EuGH, Urt. v. 19.9.2000, Rs. C-287/98 (Linster), Rn. 49. 79 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 1.6. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 25 Gesetzgebungsaktes.80 Dies ist konsequent, da Art. 11 UVP-RL dann vollumfassend zu beachten ist. Besonderheiten im Vergleich zu behördlichen Genehmigungsakten dürften sich dann allein daraus ergeben, dass im Fall des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung nicht angewendet werden müssen. Diese wäre bei der gerichtlichen Kontrolle entsprechend zu berücksichtigen, im Übrigen müssten alle sich aus dem EU-Umweltrecht ergebenden materiell- und sonstigen verfahrensrechtlichen Verstöße vollumfänglich geprüft werden können.81 Sieht man – wie im BMVI-Gutachten – auch die Rechtschutzgewährleistung nach Art. 11 UVP-RL als von Art. 2 Abs. 5 UVP-RL umfasst, so ist es hingegen konsequent, die gerichtliche Kontrolle darauf zu beschränken, ob die Anforderungen an den „besonderen Gesetzgebungsakt“ vorliegen und die Ziele der Richtlinie durch diesen bzw. im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens verwirklicht wurden. Inwieweit sich die darauf bezogene Prüfung von der nach Art. 11 UVP-RL hinsichtlich des Gegenstandes unterscheidet, lässt sich den einschlägigen EuGH-Urteilen zur alten Rechtslage insbesondere hinsichtlich der materiellrechtlichen Rechtmäßigkeit nicht genau entnehmen.82 Da das durch das Gesetzgebungsverfahren zu verwirklichende Richtlinienziel nach dieser Rechtsprechung dahingehend zu verstehen war, „zu gewährleisten, dass Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen unterzogen werden […]“,83 ist nicht ausgeschlossen, dass danach zumindest die Richtlinienvorgaben zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zum Informationszugang der gerichtlichen Kontrolle unterliegen. 3.3.4.2.2. Anforderungen an den Rechtsbehelf Von größerer Bedeutung sind hingegen die Unterschiede bezüglich der Anforderungen an den Rechtsbehelf. Während nach der Kommissionsauffassung insoweit die Anforderungen des Art. 11 UVP-RL zu beachten sind und nur bei dessen Fehlen jedes mit der Sache befasste Gericht die nach dieser Vorschrift vorzunehmende „materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit“ (vgl. Art. 11 UVP-RL) zu überprüfen hat, ist nach BMVI-Gutachten die „Einrichtung eines gesonderten Überprüfungsverfahrens EU-rechtlich nicht gefordert“ und letzteres generell ausreichend. Entscheidend ist also auch hier, ob man Art. 11 UVP-RL von Art. 2 Abs. 5 UVP-RL als umfasst ansieht oder nicht. Folgt man der Kommission, so spricht einiges dafür, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, entsprechende Vorkehrung für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen im Sinne des Art. 2 Abs. 5 UVP- 80 Vgl. KOM-Bekanntmachung (Fn. 56), Pkt. 4.7. und 4.8. 81 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-115/09 (Trianel), Rn. 48. 82 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 41. Siehe auch BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 68. 83 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 108; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 41, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 26 RL zu treffen. Nach der Rechtsprechung zu Art. 11 UVP-RL haben die Mitgliedstaaten nach diesem Artikel „im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher [zu stellen], dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit [darunter auch Verbände] Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht […] haben […].“ In diesem Kontext verfügen die Mitgliedstaaten zwar nach der Rechtsprechung „aufgrund ihrer Verfahrensautonomie und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität über einen Gestaltungsspielraum bei der Durchführung von [Art. 11 UVP-Richtlinie]. Insbesondere haben sie festzulegen, welches Gericht oder welche auf gesetzlicher Grundlage geschaffene unabhängige und unparteiische Stelle für die Entscheidung über die Rechtsbehelfe im Sinne dieser Bestimmungen zuständig ist und nach welchen Verfahrensregeln zu entscheiden ist, soweit die erwähnten Bestimmungen eingehalten worden sind.“84 Dies gilt dann entsprechend auch für die Rechtsbehelfe gegen legislative Maßnahmen im Sinne des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL. Vor diesem Hintergrund dürfte der Verweis der Kommission auf die ansonsten bestehende Pflicht eines jeden mit der Sache befassten Gerichts zur Prüfung nur eine „Notfalloption“ sein und nicht als reguläre Umsetzung angesehen werden können. 3.3.4.2.3. Kreis der Rechtsschutzberechtigten Was den Kreis der Rechtsschutzberechtigten angeht, so war die Frage nach der Rechtsprechung zur ursprünglichen Fassung der Anwendungsbeschränkung nicht eindeutig zu beantworten. Geht man mit der Kommission davon aus, dass Art. 11 UVP-RL von der Anwendungsbeschränkung des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL nicht erfasst wird, dann gehören zu dem Kreis der Rechtsschutzberechtigten gegen legislative Maßnahmen im Sinne des letztgenannten Artikels vor allem Verbände gemäß Art. 11 Abs. 3 S. 2 i. V. m . Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL. Nach der im BMVI- Gutachten vertretenen Auffassung und ihrer Lesart der Rechtsprechung ist das grundsätzlich nicht der Fall, da dort der verfassungsrechtliche und auf Grundrechtspositionen beschränkte Rechtsschutz als ausreichend angesehen wird.85 3.3.4.3. Zur Bedeutung der Anwendungsbeschränkung im Aarhus-Übereinkommen Je nach Verständnis der beiden vorgenannten Punkte bleibt es entweder bei dem Gleichlauf der Anwendungsbeschränkungen von UVP-Richtlinie und Aarhus-Übereinkommen (BMVI- Gutachten) oder nicht (Kommissions-Verständnis). Im letztgenannten Fall ginge die Anwendungsbeschränkung des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL zu Lasten der Mitgliedstaaten über die Regelung im Aarhus-Abkommen hinaus, da nur die Bestimmungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit von der Anwendung ausgenommen werden könnten. Es ist aber nicht ersichtlich, dass das Aarhus-Übereinkommen einer strengeren (oder: überschießenden) Umsetzung durch die EU hier entgegenstehen würde. Somit wäre eine solche Auslegung des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL auch im Lichte des Aarhus-Abkommens zulässig. 84 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 52 (Hervorhebung durch Verfasser). 85 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 71 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 27 3.3.4.4. Zur Berufung auf die Anwendungsbeschränkung des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL im Fall des MgVG-E Im konkreten Fall des MgVG-E stellt sich schließlich noch die Frage, ob man sich für dieses Gesetzesvorhaben und die damit einhergehende Einschränkung des Rechtsschutzes überhaupt auf Art. 2 Abs. 5 UVP-RL berufen kann. Denn das MgVG-E sieht gerade in seinen ersten beiden Verfahrensstufen, die dem Vorhabenträger bzw. den zuständigen Behörden obliegen, eine sehr weitgehende Öffentlichkeitsbeteiligung vor, enthält sich aber jeglicher Regelungen für das Gesetzgebungsverfahren. Damit macht das MgVG-E von dem unbestrittenen Kernbereich der Ausnahmebeschränkung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL gerade keinen Gebrauch. Eine Ausnahme allein für den Rechtschutz wäre insoweit nur möglich, wenn Art. 2 Abs. 5 UVP-RL auch diesen umfasst und den Mitgliedstaaten die Option belässt, auch nur diesen von Anwendung der UVP-Richtlinie auszunehmen. Dies erscheint nicht zuletzt mit Blick auf den Wortlaut ebenfalls fraglich. 3.3.4.5. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich hinsichtlich der Reichweite der Anwendungsbeschränkung aus Art. 2 Abs. 5 UVP-RL und der sich daraus für die Rechtsschutzgewährleistung nach der UVP-Richtlinie ergebenden Konsequenzen zahlreiche Fragen ergeben, die mangels Rechtsprechung zum genannten Artikel nicht abschließend beantwortet werden können. 3.4. Prüfung Vor diesem Hintergrund soll das MgVG-E auf seine Vereinbarkeit mit EU-Recht im Folgenden sowohl im Lichte der im BMVI-Gutachten vertretenen Ansicht (3.4.1.) als auch der Kommissionsauffassung (3.4.2.) beurteilt werden. 3.4.1. Im Lichte der im BMVI-Gutachten vertretenen Ansicht Legt man für die Auslegung des Art. 2 Abs. 5 MgVG-E die im BMVI-Gutachten vertretene Ansicht zugrunde, so ist davon auszugehen, dass auch die Rechtschutzgewährleistung nach Art. 11 UVP- RL keine Anwendung findet. Die mit dem MgVG-E einhergehende Einschränkung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes wäre danach wohl unionsrechtlich zulässig. Zugleich ist nach dieser Ansicht davon auszugehen, dass die zur vorherigen Fassung der Anwendungsbeschränkung ergangene EuGH-Rechtsprechung zu übertragen ist und eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit in Bezug auf die Voraussetzungen der Anwendungsbeschränkung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL bestehen muss.86 Ein gesonderter Rechtsbehelf wird hierfür nicht als notwendig gesehen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Verstoß gegen das Unionsrecht ausschiede. Zu prüfen ist an dieser Stelle lediglich, ob die Vorgaben des MgVG-E in Bezug auf die auf seiner Grundlage zu erlassenen Maßnahmengesetze den Anforderungen an legislative Maßnahmen im Sinne des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL genügen würden. Hierbei ist in Anlehnung an die zu 86 BMVI-Gutachten (Fn. 55), S. 72. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 28 übertragende EuGH-Rechtsprechung erstens zu untersuchen, ob es sich bei den nach MgVG-E zu erlassenen Gesetzen jeweils um „besondere einzelstaatliche Gesetzgebungsakte“ nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL handelt (3.4.1.1.) und zweitens, ob „die Ziele dieser Richtlinie“ im Wege des betreffenden Gesetzgebungsverfahrens verwirklicht werden (3.4.1.2.).87 3.4.1.1. Besonderer einzelstaatlicher Gesetzgebungsakt Zu dieser Voraussetzung hat der EuGH im Hinblick auf die ursprüngliche Fassung der Anwendungsbeschränkung die folgenden Vorgaben aufgestellt, die auch für Art. 2 Abs. 5 UVP-RL zu beachten sein dürften: Es muss sich um einen Gesetzgebungsakt handeln, der die gleichen Merkmale wie eine Genehmigung aufweist, als insbesondere dem Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts verleiht.88 Das bedeutet, dass das betreffende Projekt durch den Gesetzgebungsakt „im Einzelnen, also hinreichend genau und abschließend, genehmigt [wird], so dass der Gesetzgebungsakt, durch den es genehmigt wird, wie eine Genehmigung alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblichen, vom Gesetzgeber berücksichtigten Punkte des Projekts umfassen muss. Der Gesetzgebungsakt muss erkennen lassen, dass die Zwecke der UVP- Richtlinie bei dem betreffenden Projekt erreicht wurden […].“89 Hieraus leitet der EuGH negativ ab, dass eine solche Genehmigungswirkung nicht vorliegt, wenn der Gesetzgebungsakt „nicht die zur Prüfung der Umweltauswirkungen des Projekts erforderlichen Angaben enthält oder wenn er den Erlass anderer Akte erfordert, damit der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält […].“90 Nach §§ 1, 2 MgVG-E sollen die einschlägigen Maßnahmengesetze an die Stelle der ansonsten für die Zulassung der betreffenden Verkehrsinfrastrukturprojekte notwendigen Verwaltungsakte treten. Die Maßnahmengesetze werden somit dem jeweiligen Träger das Recht zur Durchführung des Projekts verleihen. Ob das jeweilige Maßnahmengesetz „wie eine Genehmigung alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblichen, vom Gesetzgeber berücksichtigten Punkte des Projekts umfassen“ wird und erkennen lässt, „dass die Zwecke der UVP-Richtlinie bei dem betreffenden Projekt erreicht wurden“, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich nicht abstrakt auf Grundlage des MgVG-E beantworten lässt, da dieses im Wesentlichen nur das dem 87 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 37. 88 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 105; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 38, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 32. 89 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 106 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 39, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 33 90 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 107; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 40, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 34. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 29 Gesetzgebungsverfahren vorgelagerte sog. vorbereitende Verfahren regelt. Dieses entspricht jedoch weitgehend dem ansonsten für eine Zulassung des Verkehrsinfrastrukturprojekts erforderlichen Planfeststellungsverfahrens, nur dass es mit einem Abschlussbericht anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses abschließt.91 Dieser Abschlussbericht dürfte auch „alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblichen […] Punkte des Projekts umfassen“ und steht später auch dem Bundestag während des Gesetzgebungsverfahrens zur Verfügung (vgl. § 8 Abs. 3 S. 3 MgVG-E). Unabhängig von der Frage, ob und wie der Bundestag sich solche Berichte zu eigen macht – nach § 8 Abs. 3 S. 3 MgVG-E muss in ihnen „so weit wie möglich Raum für eigene Abwägungen des Gesetzgebers gelassen werden“ –, dürften sie eine geeignete Grundlage für eine gesetzgeberische Entscheidung darstellen, die den oben zitierten Anforderungen genügt. Zumal es nach der Rechtsprechung zulässig ist, dass der Gesetzgeber „beim Erlass der abschließenden Maßnahme zur Genehmigung eines Projekts Angaben verwende[t], die im Rahmen eines vorherigen Verwaltungsverfahrens gesammelt worden sind.“92 3.4.1.2. Verwirklichung der Richtlinienziele In Bezug auf die Verwirklichung der Richtlinienziele war nach der EuGH-Rechtsprechung erforderlich, dass diese, „einschließlich desjenigen der Bereitstellung von Informationen, im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.“93 Verwiesen wurde insoweit auf Art. 2 Abs. 1 UVP-RL, aus dem sich nach EuGH ergab, „dass das wesentliche Ziel der Richtlinie darin besteht, zu gewährleisten, dass Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen unterzogen werden […].“94 Ob diese Voraussetzung auch auf die neue Fassung in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL zu übertragen ist, wurde bereits oben hinterfragt.95 Geht man hiervon aus, dann wären dabei die vom EuGH aufgestellten Anforderungen zu beachten, wonach „der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Genehmigung des betreffenden Projekts über ausreichende Angaben verfügen [muss]. Nach Art. 5 Abs. 3 der UVP-Richtlinie umfassen die vom Projektträger vorzulegenden Angaben mindestens eine Beschreibung des Projekts mit Angaben zu seinem Standort, seiner Ausgestaltung und seiner Größe, eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen des Projekts vermieden, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen, die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der 91 Siehe oben unter 2.2., S. 5 f. 92 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 44, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 38. 93 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 108; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 37, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 34. 94 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 108; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 41, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 35. 95 Siehe oben 3.3.3.1, S. 18 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 30 Hauptauswirkungen, die das Projekt voraussichtlich auf die Umwelt haben wird, eine Übersicht über die wichtigsten anderweitigen vom Projektträger geprüften Lösungsmöglichkeiten und die Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen sowie eine nicht technische Zusammenfassung der vorgenannten Angaben […].“96 Auch im Hinblick auf diese Anforderungen dürfte der nach MgVG-E vorgesehene Abschlussbericht eine geeignete Grundlage für entsprechende gesetzgeberische Entscheidungen darstellen. 3.4.1.3. Zwischenergebnis Folgt man dem BMVI-Gutachten, so ist jedenfalls das MgVG-E mit den unionsrechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie als Anwendungsfall des Art. 2 Abs. 5 UVP-RL vereinbar. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das MgVG-E keine Regelungen zum eigentlichen Gesetzgebungsverfahren enthält, sich Anforderungen in Bezug auf dieses aber aus Art. 2 Abs. 5 UVP-RL bzw. aus der auf die ursprüngliche Anwendungsbeschränkung bezogenen Rechtsprechung ergeben. Danach wäre etwa ein „Gesetzgebungsakt, mit dem lediglich ein bereits erlassener Verwaltungsakt „ratifiziert“ wird und der sich damit begnügt, zwingende Gründe des Allgemeininteresses anzuführen, ohne dass zuvor ein die Sachfragen betreffendes Gesetzgebungsverfahren durchgeführt wird, das es erlaubt, diese Voraussetzungen zu erfüllen, nicht als besonderer Gesetzgebungsakt im Sinne dieser Bestimmung“ anzusehen.97 Ob diese Anforderungen eingehalten werden, ist eine Frage des Einzelfalls und lässt sich nur mit Blick auf ein konkretes Maßnahmengesetz beantworten. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur ursprünglichen Anwendungsbeschränkung sind bei der entsprechenden gerichtlichen Kontrolle „sowohl der Inhalt des erlassenen Gesetzgebungsakts als auch das gesamte Gesetzgebungsverfahren, das zu seinem Erlass geführt hat, und insbesondere die Vorarbeiten und die parlamentarischen Debatten zu berücksichtigen.“98 3.4.2. Im Lichte der Kommissionsauffassung Betrachtet man das Gesetzesvorhaben hingegen im Lichte der Kommissionsauffassung, so wäre von einer Unionsrechtswidrigkeit insoweit auszugehen, als das MgVG-E dazu führt, dass insbesondere der Rechtschutz von Verbänden nach Art. 11 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL gegen Maßnahmengesetze ausgeschlossen oder verkürzt wird. Dies ergibt sich aber nicht unmittelbar allein aus dem MgVG-E, sondern aus dem Zusammenspiel dieses Gesetzesvorhabens mit der geltenden Ausgestaltung des nationalen Rechts, das legislative 96 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 109; EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 43, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 37. 97 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, verb. Rs. C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09 (Boxus u. a.), Rn. 45, EuGH, Urt. v. 16.2.2012, Rs. C-182/10 (Solvay u. a.), Rn. 39. 98 EuGH, Urt. v. 29.7.2019, Rs. C-411/17 (Inter-Environnement Wallonie), Rn. 110. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 106/19 Seite 31 Maßnahmen von dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz und der darauf bezogenen Umsetzung des Art. 11 UVP-RL im Umwelt-Rechtbehelfsgesetz ausschließt. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass entweder die auf legislative Maßnahmen wie Maßnahmengesetze nicht anwendbaren verwaltungsgerichtlichen Vorschriften oder die darauf anwendbaren, aber Verbände weitgehend ausschließenden verfassungsprozessualen Bestimmungen unionsrechtskonform so ausgelegt werden könnten, so dass im Einzelfall ein den Anforderungen des Art. 11 UVP-RL entsprechender Rechtsschutz insbesondere für klagende Verbänden gewährt werden könnte. Diese Möglichkeit würde den nationalen Gesetzgeber jedoch nicht von der Pflicht entbinden, das nationale Recht unionsrechtskonform auszugestalten und entsprechende Vorschriften zu erlassen, mit denen die Unionsrechtsvorgaben abstrakt-generell gewährleistet werden. 4. Ergebnis Das MgVG-E führt für den Fall des Erlasses von Maßnahmengesetzen im Zusammenhang mit der geltenden Ausgestaltung des deutschen Rechtsschutzsystems zu einem weitgehenden Ausschluss des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes insbesondere im Hinblick auf die ansonsten in UVP-Angelegenheiten klageberechtigten (Umwelt-)Verbände. Dies ist unionsrechtlich nur zulässig, soweit die in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL geregelte Anwendungsbeschränkung bei legislativen Maßnahmen, mit denen UVP-Projekte zugelassen werden, auch die Rechtsschutzgewährleistung nach Art. 11 UVP-RL umfasst. Danach müssen die Mitgliedstaaten eine materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtsmäßigkeitskontrolle für derartige Projektzulassungen vorsehen, die insbesondere auch von (Umwelt-)Verbänden geltend gemacht werden kann. Nach der von der Kommission zu Art. 2 Abs. 5 UVP-RL vertretenen Auffassung wird Art. 11 UVP-RL von dieser Anwendungsbeschränkung nicht umfasst und ist von den Mitgliedstaaten daher auch hinsichtlich der Projektzulassung durch legislative Maßnahmen zu beachten. In einem für das BMVI erstellten Gutachten wird hingegen eine andere Auffassung vertreten. Da sich Sinn und Zweck dieser Anwendungsbeschränkung der UVP-Richtlinie nicht entnehmen lassen und es hierzu bisher auch keine unionsgerichtliche Rechtsprechung gibt, lässt sich die Frage nach der Einbeziehung von Art. 11 UVP-RL in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL nicht abschließend beantworten. – Fachbereich Europa –