© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 105/16 Asylprüfung durch eine EU-Behörde Vereinbarkeit eines solchen Vorhabens mit dem Unionsrecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 2 Asylprüfung durch eine EU-Behörde Vereinbarkeit eines solchen Vorhabens mit dem Unionsrecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 105/16 Abschluss der Arbeit: 21.7.2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Hintergrund 4 2. Vereinbarkeit einer europäischen Asylbehörde mit dem Unionsrecht 5 2.1. Kompetenzverteilung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts 5 2.2. Mögliche Rechtsgrundlagen einer Unionskompetenz 6 2.2.1. Unionskompetenz nach Art. 78 AEUV 6 2.2.2. Unionskompetenz nach Art. 114 AEUV 7 2.2.3. Unionskompetenz nach Art. 291 AEUV 7 2.3. Vereinbarkeit einer Unionszuständigkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip 8 2.4. Fazit 9 3. Ausgestaltung einer europäischen Asylbehörde 9 3.1. Rechtsbehelfsinstanzen auf Unionsebene 9 3.1.1. Aufsichtsbeschwerden zur Kommission 10 3.1.2. Agenturinternes Beschwerdeverfahren 11 3.1.3. Rechtsbehelfe im Gerichtssystem der EU 11 3.2. Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten 12 3.2.1. Möglichkeiten im Unionsrecht 12 3.2.1.1. Haushaltsrecht des Parlaments 12 3.2.1.2. Berichtspflichten der Agenturen 13 3.2.1.3. Akteneinsichtsrecht des Parlaments 14 3.2.1.4. Parlamentarische Anfragen 14 3.2.1.5. Besuch parlamentarischer Delegationen 15 3.2.1.6. Untersuchungsausschüsse 16 3.2.1.7. Anhörung von Agenturdirektoren 16 3.2.1.8. Parlamentarisches Kontrollgremium 17 3.2.2. Vergleich mit den Möglichkeiten im nationalen Recht 17 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 4 1. Fragestellung und Hintergrund In der Mitteilung der Kommission vom 6. April 2016 „Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa“ (COM(2016) 197 final)1 wird unter dem Punkt „langfristige Perspektiven“ folgender Vorschlag unterbreitet: „Langfristig könnte – wie bereits in der Europäischen Migrationsagenda angedacht – die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Asylanträgen von der nationalen auf die EU-Ebene zu verlagern, beispielsweise durch Umwandlung des EASO zu einer erstinstanzlichen Behörde für die Bescheidung von Asylanträgen mit Zweigstellen in allen Mitgliedstaaten, und Einrichtung einer Rechtsbehelfsinstanz auf EU-Ebene.“ Es ist zu beachten, dass es sich bei diesem Vorschlag um eine langfristige Perspektive handelt. Der aktuelle Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung über das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) vom 4. Mai 2016 (COM(2016) 271 final)2 enthält noch keine derartige Kompetenzausweitung. Der Vorschlag der Kommission sieht als Kompetenzerweiterung von EASO im operativen Bereich in Art. 22 Abs.1 die Möglichkeit vor, dass – im Fall eines unverhältnismäßigen Drucks auf die Asyl- und Aufnahmesysteme eines Mitgliedstaats – die Agentur auf Ersuchen des betreffenden Mitgliedstaats oder von sich aus ein umfassendes Paket von in Art. 16 des Verordnungsvorschlags genannten operativen und technischen Maßnahmen organisiert und koordiniert (Art. 16 benennt bis auf das Bereitstellen von Dolmetscherdiensten nur Unterstützungsaktivitäten u. ä.) und Experten des in Art. 18 Verordnungsvorschlag genannten Asyl-Einsatzpools und eigene Experten entsendet, um die Asyl- und Aufnahmesysteme kurzfristig zu verstärken. Nach Art. 22 Abs. 3 des Vorschlags kann die Kommission einen Beschluss in Form eines Durchführungsrechtsakts erlassen, in dem sie eine oder mehrere der in Art. 16 Abs. 3 genannten Maßnahmen festlegt, die von der Agentur zu treffen sind, wenn im Falle unverhältnismäßigen Drucks auf die Asyl- oder Aufnahmesysteme ein Mitgliedstaat nicht um operative und technische Unterstützung ersucht, ein Angebot der Agentur für eine solche Unterstützung nicht annimmt oder keine ausreichenden Maßnahmen zur Bewältigung dieses Drucks trifft oder wenn er den in Art. 15 Abs. 3 genannten Empfehlungen der Kommission nicht nachkommt und die Asyl- oder Aufnahmesysteme dadurch so uneffektiv werden , dass das Funktionieren des gemeinsamen europäischen Asylsystems gefährdet ist. Eine Übertragung der Zuständigkeit für die Bearbeitung von Asylanträgen auf die Unionsebene ist in dem Verordnungsvorschlag der Kommission vom 4. Mai 2016 nicht vorgesehen. Aufbauend auf der Mitteilung der Kommission vom 6. April 2016 wird in diesem Gutachten die Frage untersucht, inwieweit eine Übertragung der Bearbeitung von Asylanträgen auf eine europäische Asylbehörde, beispielsweise EASO, mit dem europäischen Primärrecht, insbesondere 1 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa, COM(2016) 197 final, abrufbar unter https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-197-DE-F1-1.PDF. 2 Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010, COM(2016) 271 final, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:ce773c1e-1689-11e6-ba9a- 01aa75ed71a1.0022.02/DOC_1&format=PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 5 Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und dem Grundsatz der Subsidiarität gemäß Art. 5 Abs. 3 des Vertrags über die EU (EUV) vereinbar wäre. Weitergehend wird dargestellt, wie eine Rechtsbehelfsinstanz für derartige Entscheidungen auf Unionsebene beschaffen sein könnte und inwiefern das Handeln von EASO als einer EU-Asylbehörde der Kontrolle durch das Europäische Parlament zugänglich wäre. 2. Vereinbarkeit einer europäischen Asylbehörde mit dem Unionsrecht Die Vereinbarkeit einer europäischen Asylbehörde mit der Kompetenz zur Bearbeitung von Asylanträgen mit dem europäischen Primärrecht in seiner aktuellen Fassung ist insbesondere im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten fraglich. Momentan sind die Mitgliedstaaten für die Bearbeitung von Asylanträgen verantwortlich. Eine Verlagerung dieser bisher von den Mitgliedstaaten wahrgenommenen Aufgabe auf die Union würde voraussetzen, dass die Union nach dem Primärrecht die Kompetenz für die Bearbeitung von Asylanträgen besitzt und mithin durch einen Sekundärrechtsakt ein Organ der EU oder eine Agentur für die Bearbeitung von Asylanträgen eingesetzt werden könnte. 2.1. Kompetenzverteilung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Die Zuständigkeiten im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, worunter auch das Asylrecht fällt, sind nach Art. 4 Abs. 2 lit. j AEUV zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilt . Nach Art. 72 AEUV berührt dieser Bereich nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit . In der Literatur wird Art. 72 AEUV als Kompetenzbegrenzung der Union verstanden.3 Aufgrund des Art. 72 AEUV wird in der Literatur von einigen Stimmen angenommen, dass der Union im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts keine exekutiven Befugnisse zustehen.4 Die EU unterstützt die Effektuierung des Verwaltungsvollzugs durch eine Koordinierung der mitgliedstaatlichen Vorhaben, wie im Fall von EASO. Die Gründung von EASO erfolgte auf der Rechtsgrundlage von Art. 74, Art. 78 Abs. 1 und 2 AEUV.5 Nach Art. 74 Satz 1 AEUV erlässt der Rat Maßnahmen, um die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten in den Bereichen dieses Titels sowie die Zusammenarbeit zwischen diesen Dienststellen und der Kommission zu gewährleisten. EASO soll eine einheitlichere Anwendung des geltenden Rechts sicherstellen und Mitgliedstaaten, deren Asylsysteme 3 Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 72 AEUV, Rn. 3; Rossie, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 72 AEUV, Rn. 5. 4 Rossie, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 72 AEUV, Rn. 5; Breitenmoser/Weyeneth, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 72 AEUV, Rn. 12. 5 Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, ABl. 2010, L 132/11, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:132:0011:0028:DE:PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 6 besonderem Druck ausgesetzt sind, mit operativen Maßnahmen unterstützen. Eigene Entscheidungsbefugnisse hat EASO nicht.6 2.2. Mögliche Rechtsgrundlagen einer Unionskompetenz Die primärrechtliche Befugnis, Asylverfahren auf Unionsebene durchzuführen, könnte sich aus Art. 78 Abs. 2 lit. d AEUV, Art. 114 AEUV oder aus der allgemeinen Durchführungsermächtigung in Art. 291 Abs. 2 AEUV ergeben. 2.2.1. Unionskompetenz nach Art. 78 AEUV Im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat die EU nach Art. 78 Abs. 1 Satz 1 die Befugnis, eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz zu entwickeln. Art. 78 Abs. 2 AEUV differenziert diese Gesetzgebungskompetenz der Union weiter aus und räumt der EU Gesetzgebungskompetenzen für Maßnahmen zur Schaffung eines europäischen Asylsystems im Wege der Rechtsharmonisierung – auch als Vollharmonisierung – ein.7 Art. 78 AEUV ermächtigt die Union lediglich zur Gesetzgebung im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, nicht aber zu exekutiven Maßnahmen. Nach Art. 78 AEUV besitzt die EU nur die Kompetenz, die materiellen Standards für das gemeinsame europäische Asylsystem festzulegen. Das auf dieser Grundlage zu schaffende „Gemeinsame Europäische Asylsystem “ umfasst im Wesentlichen einen unionsweit geltenden Asylstatus für Drittstaatsangehörige , einheitliche Regelungen für einen subsidiären Schutzstatus nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention, ein einheitliches Asylverfahren, einheitliche Aufnahmebedingungen sowie die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten.8 Durch Art. 78 AEUV wird nicht die Zuständigkeit für die Asylpolitik insgesamt auf die EU übertragen, sondern lediglich die Zuständigkeit für eine (Voll-)Harmonisierung des Asylrechts der Mitgliedstaaten. Damit die Bearbeitung von Asylanträgen durch die Union anstelle der Mitgliedstaaten erfolgen kann, müsste die EU die Befugnis bzw. Verwaltungskompetenz besitzen, in eigener Zuständigkeit Asylverfahren durchzuführen. Allein aus der materiellen Regulierungszuständigkeit der EU für ein Sachgebiet – wie vorliegend auf dem Gebiet des Asylrechts – folgt aber noch nicht ihre Kompetenz , dieses auch durch eigene Dienststellen durchzuführen. Die Durchführung von EU-Recht in eigener Verwaltungszuständigkeit erfordert einen gegenüber der Normierungskompetenz für ein Sachgebiet als EU-Recht eigenständigen Kompetenztitel der EU. Art. 74 und Art. 291 AEUV 6 Progin-Theuerkauf, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 78 AEUV, Rn. 16. 7 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 57. EL., Stand: August 2015, Art. 78 AEUV, Rn. 22; Bast, Aufenthaltsrecht und Migrationssteuerung, 2011, S. 156; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 313 f. 8 Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 3. Aufl. 2014, S. 29, Rn. 66. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 7 bestätigen nach Stimmen in der Literatur, dass das europäische Primärrecht vom indirekten Vollzug des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten als Regelfall ausgeht.9 Nach Art. 78 Abs. 2 lit. d AEUV umfassen die Gesetzgebungskompetenzen der EU im Bereich der Asylpolitik auch Maßnahmen zur Regelung „gemeinsame[r] Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus…“. Art. 78 Abs. 2 lit. d AEUV ermächtigt die EU zum Erlass von Verfahrensnormen, um gemeinsame Verfahren zu gewährleisten. Die Regelung setzt mithin die Durchführung von Asylverfahren durch die Mitgliedstaaten voraus, andernfalls müssten keine gemeinsamen Verfahren durch die EU festgesetzt werden.10 Aus Art. 78 Abs. 2 lit. d AEUV lässt sich mithin keine Zuständigkeit der EU für die Durchführung von Asylverfahren ableiten . 2.2.2. Unionskompetenz nach Art. 114 AEUV Es spricht wenig dafür, die Befugnis zur Verlagerung der Zuständigkeit zur Prüfung und Entscheidung über Asylanträge auf die EU aus Art. 114 AEUV abzuleiten, da diese Norm voraussetzt , dass ein Regelungsvorhaben der Errichtung und Funktion des Binnenmarkts dient. Der EuGH hatte zur Frage der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Europäische Wertpapier - und Marktaufsichtsbehörde ESMA verdeutlicht, dass ein Rechtsakt nur dann auf Art. 114 AEUV gestützt werden kann, wenn dieser explizit dazu dient, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.11 Das ist im Bereich des Asylrechts nicht der Fall. 2.2.3. Unionskompetenz nach Art. 291 AEUV Art. 291 Abs. 2 AEUV erlaubt zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen bei der Durchführung verbindlicher Rechtakte der EU die Durchführung von Unionsrechtsakten durch die Kommission oder – unter engen Voraussetzungen – in Ausnahmefällen auch durch den Rat. Soweit sich aus dieser Ermächtigungsnorm Kompetenzen der EU zur Durchführung von Unionsrecht ableiten lassen, läge die Durchführungszuständigkeit vorrangig bei der Kommission. Mit entsprechender Festlegung der Durchführungsbefugnisse könnte dann auch eine Agentur wie EASO mit der Bearbeitung der Anträge befasst werden. Nach den Grundsätzen der systematischen Auslegung sprechen allerdings die besseren Gründe dafür, dass die Auffangnorm des Art. 291 Abs. 2 AEUV der EU keine über Art. 78 Abs. 2 lit. d AEUV hinausgehende Befugnis verleiht, im Bereich des Asylrechts exekutiv tätig zu werden.12 Art. 291 Abs. 1 AEUV sowie Art. 4 Abs. 2 EUV, nach der die EU die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet, so wie sie in ihren grundlegenden 9 Thym, in: Beckscher OnlineKommentar AuslR, 10. Edition, Stand: 1.5.2015, Art. 78 AEUV, Rn. 24. 10 Dörig/Langenfeld, Vollharmonisierung des Flüchtlingsrechts in Europa – Massenzustrom erfordert EU-Zuständigkeit für Asylverfahren, NJW 2016, S. 1 (4). 11 EuGH, Urt. v. 22.1.2014, Rs. C-270/12, ECLI:EU:C:2014:18, – Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, Rn. 113. 12 Dörig/Langenfeld, Vollharmonisierung des Flüchtlingsrechts in Europa – Massenzustrom erfordert EU-Zuständigkeit für Asylverfahren, NJW 2016, S. 1 (4). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 8 politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt, gehen erkennbar vom Regelfall der Durchführung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten aus.13 Es sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, warum Art. 291 Abs. 2 AEUV – in Abweichung zu den spezielleren Vorgaben für den Bereich der Freiheit , der Sicherheit und des Rechts – der EU eine Exekutivbefugnis für die Durchführung von Asylverfahren verleihen sollte. 2.3. Vereinbarkeit einer Unionszuständigkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip Als letzter Punkt ist zu untersuchen, ob die Prüfung von Asylanträgen durch eine EU-Behörde bzw. Agentur wie EASO mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar wäre. Das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 3 EUV gibt vor, dass die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen weder auf nationaler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Asylverfahren gehören in den Bereich des Unionsrechts, der unter den Begriff des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zusammengefasst wird.14 Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. j AEUV ist die Zuständigkeit von der Union und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich geteilt. Folglich findet das Subsidiaritätsprinzip Anwendung. Die EU dürfte zur Bearbeitung von Asylanträgen mithin nur ermächtigt werden, wenn ein Handeln der Union erforderlich ist und die Durchführung von Asylverfahren besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist. Stimmen in der Literatur betonen in der allgemeinen Debatte um die Kompetenzzuweisung an Agenturen der EU, es dürfe nicht voreilig von einer materiellen Europäisierung des jeweiligen Rechts auf die Notwendigkeit eines zentralisierten Vollzugs geschlossen werden . Nur wenn eine Exekutivbefugnis der Agentur einen besseren Rechtsvollzug erwarten lasse, als er etwa durch den Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung im Rahmen einheitlicher materieller Vorgaben erreicht werden kann, sei die Exekutivkompetenz der Union nach dem Subsidiaritätsprinzip zulässig.15 Grundsätzlich ist in Bezug auf die Frage der Subsidiarität aber zu bedenken , dass der EuGH die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zurückhaltend kontrolliert und den Unionsorganen diesbezüglich ein weites Ermessen zubilligt.16 In der Literatur gibt es einzelne Stimmen, welche eine Zuständigkeit der Union zur Durchführung von Asylverfahren für erforderlich erachten und der Ansicht sind, dass eine Übertragung 13 Schütze, From Rome to Lisbon: “Executive Federalism” in the (new) European Union, CMLRev 47 (2010), S. 1385 (1398 ff.); v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 316. 14 Art. 77 AEUV steht in Titel V des AEUV mit der Überschrift „Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. 15 Görisch, Die Agenturen der Europäischen Union, JURA 2012, S. 42 (46). 16 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 51, Stand: September 2013, Art. 5 EUV, Rn. 58. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 9 der Bearbeitung von Asylanträgen auf die Unionsebene eine Lösung für die aktuelle „Flüchtlingskrise “ darstellt.17 Eine abschließende Prüfung ist mangels eines konkreten Vorschlags zur Übertragung der Kompetenz an die Union vorliegend nicht möglich. 2.4. Fazit Ein direkter Vollzug des Asylrechts durch EU-Behörden, namentlich eine Bearbeitung von Asylanträgen durch EASO, ist mit dem aktuellen Stand des Primärrechts nur schwer vereinbar. Es fehlt an einer Norm im AEUV, welche die Union zu derartigen Exekutivmaßnahmen ermächtigt.18 Die Systematik des Titels zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im AEUV setzt einen Vollzug der asylrechtlichen Regelungen durch die Mitgliedstaaten voraus. Eine EU-Asylbehörde mit derartigen exekutiven Kompetenzen erfordert daher nach hiesiger Ansicht eine Vertragsänderung .19 3. Ausgestaltung einer europäischen Asylbehörde Für den Fall, dass die langfristige Perspektive einer Bearbeitung von Asylanträgen auf Unionsebene (durch eine Vertragsänderung des Primärrechts) erfolgen würde, ist gefragt worden, welche Rechtsbehelfe auf Unionsebene gegen die Entscheidungen über Asylanträge zur Verfügung stehen und inwieweit eine Kontrolle der zuständigen Behörde bzw. Agentur durch das europäische Parlament möglich wäre. Diesbezüglich ist keine konkrete Antwort möglich, da die Rechtsbehelfe und parlamentarischen Kontrollelemente grundsätzlich in der eine Agentur installierenden Gründungsverordnung geregelt werden. Im Folgenden wird daher nur ein Überblick über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen Exekutivakte der Union und Kontrollmöglichkeiten des Europäischen Parlaments in Bezug auf Agenturen gegeben. 3.1. Rechtsbehelfsinstanzen auf Unionsebene Bisher existieren verhältnismäßig wenige Exekutivbefugnisse auf Unionsebene, daher lassen sich für das EU-Recht nur eine begrenzte Anzahl von Beispielen für die Ausgestaltung von Rechtsbehelfen aufzeigen. Diese Beispiele aus der Rechtspraxis sowie Überlegungen aus der Literatur bilden die Grundlage des folgenden Überblicks über die mögliche Ausgestaltung eines Rechtsschutzes gegen Entscheidungen einer europäischen Asylbehörde über Asylanträge. Mögliche Rechts- 17 Dörig/Langenfeld, Vollharmonisierung des Flüchtlingsrechts in Europa – Massenzustrom erfordert EU-Zuständigkeit für Asylverfahren, NJW 2016, S. 1 (4). 18 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 57. EL, Stand: August 2015, Art. 78 AEUV, Rn. 37. 19 So auch: Thym, in: Beckscher OnlineKommentar AuslR, 10. Edition, Stand: 1.5.2015, Art. 78 AEUV, Rn. 24; Dörig/Langenfeld, Vollharmonisierung des Flüchtlingsrechts in Europa – Massenzustrom erfordert EU-Zuständigkeit für Asylverfahren, NJW 2016, S. 1 (4). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 10 schutzvarianten umfassen Aufsichtsbeschwerden zur Kommission bzw. ein agenturinternes Beschwerdeverfahren und Rechtsmittel zu der Unionsgerichtsbarkeit oder eine Kombination dieser Möglichkeiten.20 3.1.1. Aufsichtsbeschwerden zur Kommission Insbesondere in der Anfangszeit der EU-Agenturen war es üblich, dass von den Handlungen der Agentur betroffene Personen die Rechtmäßigkeit der Agenturhandlungen durch die Kommission kontrollieren lassen konnten.21 Mittlerweile greift diese Rechtsschutzmöglichkeit vorrangig bei den sogenannten Exekutivagenturen,22 welche von der Kommission für eine begrenzte Zeit zur Wahrnehmung spezifischer Aufgaben im Rahmen von Verwaltungsprogrammen eingerichtet werden .23 Nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 58/200324 kann gegen jede Handlung einer Exekutivagentur, die einem Dritten Schaden zufügt, von jeder anderen unmittelbar und individuell betroffenen Person oder von einem Mitgliedstaat bei der Kommission Beschwerde zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Handlung erhoben werden. Die Entscheidung der Kommission kann dann wiederum mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV angefochten werden.25 20 Vgl. den Überblick bei Saurer, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, EuR 2010, S. 51 (57 ff.). 21 Saurer, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, EuR 2010, S. 51 (57). 22 Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 49. EL, Stand: November 2012, Art. 263 AEUV, Rn. 112. 23 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 298 AEUV, Rn. 9. 24 Verordnung (EG) Nr. 58/2003 des Rates vom 19. Dezember 2002 zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen , die mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt werden, ABl. 2003, L 11/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003R0058&qid=1468412193667&from=DE. 25 Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, 2015, S. 162. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 11 3.1.2. Agenturinternes Beschwerdeverfahren Seit Mitte der 1990er Jahre verfügen Agenturen mit originären Entscheidungsbefugnissen gemäß den Vorgaben ihrer Gründungsverordnung oftmals über ein agenturinternes Beschwerdeverfahren in Gestalt einer Beschwerdekammer.26 So besitzt beispielsweise die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) gemäß Art. 76 Abs. 1 lit. h der Verordnung (EG) Nr. 1907/200627 eine Widerspruchskammer , die über Widersprüche gegen Entscheidungen der Agentur befindet. 2012 haben Rat, Kommission und das Europäische Parlament eine Gemeinsame Erklärung zu den dezentralen Agenturen erstellt.28 Dezentrale Agenturen, auch als Regulierungsagenturen bezeichnet , sind Verwaltungseinheiten, die selbständig mit der Wahrnehmung bestimmter Sachaufgaben betraut sind.29 In dieser Gemeinsamen Erklärung, die rechtlich nicht verbindlich ist, sind Grundzüge zur Rolle und Stellung der Agenturen im institutionellen Gefüge der EU, der Einrichtung, Struktur und Arbeitsweise dieser Agenturen sowie zu Fragen der Finanzierung, Haushaltsführung , Überwachung und Verwaltung festgelegt. Die Gemeinsame Erklärung enthält als Punkt 21 auch Ausführungen zu der Ausgestaltung und Besetzung von Beschwerdekammern bei Agenturen . 3.1.3. Rechtsbehelfe im Gerichtssystem der EU Die Möglichkeit, gegen Entscheidungen auf Unionsebene Klage zu erheben, ist in Art. 263 Abs. 1 und 4 AEUV geregelt. Nach Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV überwacht der Gerichtshof der EU (EuGH) die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Folglich ist eine Klage nach Art. 263 AEUV gegen Maßnahmen von Agenturen möglich.30 Diese Klagemöglichkeit ist oftmals zusätzlich im jeweiligen Sekundärrecht , namentlich in der Gründungsverordnung der jeweiligen Agentur, geregelt. Art. 94 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 bestimmt beispielsweise, dass zur Anfechtung einer Entscheidung der Widerspruchskammer oder – im Fall nicht widerspruchsfähiger Entscheidungen – der ECHA Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) erhoben werden kann. 26 Saurer, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, EuR 2010, S. 51 (57). 27 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung , Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission , ABl. 2006, L 396/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1907&qid=1468335118249&from=DE. 28 Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates der EU und der Europäischen Kommission zu den dezentralen Agenturen, abrufbar unter http://europa.eu/agencies/documents/joint_statement_and_common _approach_2012_de.pdf. 29 Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 298 AEUV, Rn. 13. 30 Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 49. EL, Stand: November 2012, Art. 263 AEUV, Rn. 25. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 12 Je nach Ausgestaltung kann eine Klage gegen die (erste) Entscheidung der Agentur als auch gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer erhoben werden.31 Eine solche Rechtsschutzmöglichkeit wird in der Literatur auch für den Fall vorgeschlagen, dass EASO über die Asylanträge in der Union entscheidet. Das EuG solle in dem Fall eine gerichtliche Kontrolle gewährleisten, wobei in der Literatur die Schaffung einer gesonderten Abteilung in Form eines Asylfachgerichts gemäß Art. 257 AEUV angeregt worden ist.32 3.2. Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten Entscheidend wäre auch im Hinblick auf die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten von EASO als europäischer Asylbehörde die Ausgestaltung im Einzelfall. Zwar gibt es gewisse Vorgaben im Primärrecht, die für alle Agenturen gelten, zusätzlich kann die parlamentarische Kontrolle von Agenturen jedoch durch den europäischen Gesetzgeber im Sekundärrecht durch die Gründungsverordnung einer Agentur ausgestaltet werden. Da es sich bei der Idee einer europäischen Asylbehörde bzw. Agentur um ein langfristiges Projekt handelt und es noch keine Entwürfe von Rechtsakten zu einem derartigen Vorhaben gibt, ist die potentielle Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle unklar. Möglichkeiten für eine Ausgestaltung lassen sich der Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle von anderen Agenturen im Unionsrecht entnehmen. 3.2.1. Möglichkeiten im Unionsrecht Es gibt verschiedene Kontrollmöglichkeiten des Europäischen Parlaments gegenüber Agenturen und ausweislich einer SWP-Studie aus 2016 nimmt das Parlament seine Kontrollaufgaben gegenüber Agenturen ernst und macht von der ganzen Bandbreite dieser Möglichkeiten Gebrauch.33 Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments umfassen verschiedene Informationsrechte sowie öffentliche Anhörungen der Agenturdirektoren und das Haushaltsrecht, über welches das Parlament auf die Agenturen einwirken kann. 3.2.1.1. Haushaltsrecht des Parlaments Das wohl wichtigste Mittel zur Kontrolle einer Agentur ist das Haushaltsrecht des Europäischen Parlaments nach Art. 319 AEUV.34 In der Funktion als Haushaltsbehörde stehen dem Europäischen Parlament zusammen mit dem Rat bestimmte Kontrollrechte zu. Laut der SWP-Studie gibt 31 Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, 2015, S. 162. 32 Dörig/Langenfeld, Vollharmonisierung des Flüchtlingsrechts in Europa – Massenzustrom erfordert EU-Zuständigkeit für Asylverfahren, NJW 2016, S. 1 (4). 33 Kietz/von Ondarza, Sicherheit delegieren – EU-Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 24. 34 Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, 2013, S. 195 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 13 es zahlreiche Beispiele dafür, dass die Parlamentarier ihre Haushaltsrechte nutzen, um Informationen über die Tätigkeit der Agenturen zu erlangen und ihre Prioritäten für deren Arbeit durchzusetzen .35 Im Fall der Agentur Europol sind die zum Haushaltsrecht des Europäischen Parlaments gehörigen Rechte im Detail in Art. 57 ff. der Verordnung (EU) 2016/794 (im Folgenden: Europol-Verordnung )36 geregelt. Nach Art. 58 Abs. 4 Europol-Verordnung übermittelt die Kommission den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben von Europol zusammen mit dem Entwurf des Gesamthaushaltsplans der EU an das Europäische Parlament und den Rat, welche gemäß Art. 58 Abs. 6 die Mittel für den Beitrag zu Europol und nach Art. 58 Abs. 7 den Stellenplan von Europol bewilligen . Gemäß Art. 60 Abs. 2 sendet Europol dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Rechnungshof bis zum 31. März des folgenden Haushaltsjahres den Bericht über die Haushaltsführung und das Finanzmanagement zu; die endgültigen Jahresabschlüsse zusammen mit der Stellungnahme des Verwaltungsrates übermittelt der Rechnungsführer von Europol bis zum 1. Juli nach Ende des Haushaltsjahres u. a. dem Europäischen Parlament. Nach Art. 60 Abs. 9 übermittelt der Exekutivdirektor dem Europäischen Parlament auf dessen Anfrage alle Informationen , die für die ordnungsgemäße Abwicklung des Entlastungsverfahrens für das betreffende Haushaltsjahr erforderlich sind. Gemäß Art. 60 Abs. 10 erteilt das Europäische Parlament dem Exekutivdirektor auf Empfehlung des Rates Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans. Das Haushaltsrecht wird in der Literatur als ein wichtiges Werkzeug des Europäischen Parlaments für die Kontrolle der Agenturen angesehen. Wenn das Europäische Parlament droht, die Entlastung zu verweigern – wie bereits geschehen – liege es nahe, dass die Agentur die Kritik des Europäischen Parlaments an seiner Arbeitsweise oder Änderungsvorschläge beherzige.37 3.2.1.2. Berichtspflichten der Agenturen In den Gründungsverordnungen der Agenturen sind Berichtspflichten bezüglich ihres Arbeitsprogramms und ihrer Tätigkeitsberichte verankert. Nach Art. 83 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 übermittelt der Direktor der ECHA nach vorheriger Billigung durch den Verwaltungsrat das Arbeitsprogramm für das folgende Jahr und das mehrjährige Arbeitsprogramm sowie den Tätigkeitsbericht der ECHA den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission und veranlasst ihre Veröffentlichung . Gemäß Art. 12 Abs. 1 Europol-Verordnung übermittelt der Verwaltungsrat die mehrjährige Programmplanung und das jährliche Arbeitsprogramm dem Rat, der Kommission und dem 35 Kietz/von Ondarza, Sicherheit delegieren – EU-Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 24. 36 Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates, ABl. 2016, L 135/53, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0794&qid=1468401586846&from=DE. 37 Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, 2013, S. 196. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 14 Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschuss. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. c Europol-Verordnung übermittelt der Verwaltungsrat von Europol zudem einen konsolidierten Jahresbericht über die Tätigkeiten von Europol bis spätestens 1. Juli des folgenden Jahres an das Europäischen Parlament , den Rat, die Kommission, den Rechnungshof und die nationalen Parlamente. Auch das EASO muss in seiner aktuellen Ausgestaltung nach Art. 29 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 seinen jährlichen allgemeinen Tätigkeitsbericht dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem Rechnungshof übermitteln. Nicht nur die Agenturen selbst haben Berichtspflichten, zuweilen trifft die Berichtspflicht gegenüber dem europäischen Parlament auch andere Einrichtungen, welche Einblick in das Vorgehen der Agentur haben. Der Europäische Datenschutzbeauftragte beispielsweise erstellt einen jährlichen Bericht, der auch Ausführungen zu seinen Kontrolltätigkeiten in Bezug auf Agenturen wie Europol umfasst. Dieser jährliche Bericht wird nach Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 45/200138 dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission vorgelegt. 3.2.1.3. Akteneinsichtsrecht des Parlaments Neben der Vorlage von Vorhabenplanungen und umfassender Tätigkeitsdokumentation in Form eines Jahresberichts ist eine Einsichtnahme des Parlaments in die Agenturunterlagen selbst denkbar . Nach Art. 52 Abs. 1 der Europol-Verordnung erhält das Europäische Parlament auf Antrag Zugang zu, über oder von Europol verarbeiteten, nicht als Verschlusssache eingestuften sensiblen Informationen nach Maßgabe der in Art. 67 Abs. 1 Europol-Verordnung aufgeführten Vorschriften für den Schutz von nicht als Verschlusssache eingestuften sensiblen Informationen und von Verschlusssachen. Der Zugang des Europäischen Parlaments zu, über oder von Europol verarbeiteten Verschlusssachen der EU muss hingegen mit der Interinstitutionellen Vereinbarung über die Übermittlung an und die Bearbeitung durch das Europäische Parlament von im Besitz des Rates befindlichen Verschlusssachen39 und den in Art. 67 Abs. 2 Europol-Verordnung aufgeführten Vorschriften in Einklang stehen. 3.2.1.4. Parlamentarische Anfragen Der Blick auf die Statistik zeigt laut der SWP-Studie, dass das Europäische Parlament immer wieder auf parlamentarische Anfragen zurückgreift, um Informationen über die Arbeit der Agenturen 38 Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. 2001 L, 8/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:008:0001:0022:de:PDF. 39 Interinstitutionelle Vereinbarung vom 12. März 2014 zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Übermittlung an und die Bearbeitung durch das Europäische Parlament von im Besitz des Rates befindlichen Verschlusssachen in Bezug auf Angelegenheiten, die nicht unter die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik fallen, ABl. 2014 C, 95/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014Y0401(01)&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 15 zu erhalten.40 So wurde zum Beispiel am 3. Juli 2015 im Rahmen der Parlamentarischen Anfragen des Europäischen Parlaments die Frage gestellt, worum es sich bei dem Projekt „Suspected targets satellite surveillance“ handelt, innerhalb dessen die EU-Grenzagentur Frontex Schiffe im Mittelmeer auf ihre Nutzung zur Fluchthilfe überwacht.41 Es gibt ausweislich des Kapitels 3 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments42 verschiedene Arten von Anfragen. Art. 128 Geschäftsordnung regelt die Anfragen zur mündlichen Beantwortung mit Aussprache, welche durch einen Ausschuss, eine Fraktion oder mindestens 40 Mitglieder an den Rat oder die Kommission gerichtet werden können. Art. 129 Geschäftsordnung enthält die Vorgaben zu den Fragestunden mit der Kommission, welche auf jeder Tagung zu einem oder mehreren spezifischen Querschnittsthemen stattfinden, die von der Konferenz der Präsidenten einen Monat vor der Tagung festgelegt werden. Nach Art. 130 Abs. 1 der Geschäftsordnung sind Anfragen der Abgeordneten zur schriftlichen Beantwortung an den Präsidenten des Europäischen Rates, den Rat, die Kommission oder die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu richten. Die Agenturen selbst werden in Art. 128 ff. der Geschäftsordnung zwar nicht aufgeführt, dennoch wird das Fragerecht – wie einleitend dargestellt – von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments genutzt, um sich über die Arbeit der Agenturen zu informieren.43 Gemäß Art. 139 Abs. 1 der Geschäftsordnung kann jedes Parlamentsmitglied dem Präsidenten des Parlaments schriftlich ein Ersuchen an eine europäische Agentur unterbreiten, sofern das Parlament das Recht hat, die Agentur mit einem Ersuchen zu befassen. Das Ersuchen muss Fragen zu dem Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Agentur betreffen und Hintergrundinformationen zur Erläuterung der Problemstellung sowie des Unionsinteresses enthalten. 3.2.1.5. Besuch parlamentarischer Delegationen Ein anderes Mittel, um sich einen Einblick in die Tätigkeit der Agenturen zu verschaffen, sind der SWP-Studie zufolge die Besuche parlamentarischer Delegationen bei den Agenturen oder im Fall von Frontex auch direkt an den Einsatzorten der Agentur.44 40 Kietz/von Ondarza, Sicherheit delegieren – EU-Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 24. 41 Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission (Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin) nach Art. 130 der Geschäftsordnung von Sabine Lösing (GUE/NGL) und Cornelia Ernst (GUE/NGL), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fTEXT%2bWQ%2bE-2015- 010829%2b0%2bDOC%2bXML%2bV0%2f%2fDE&language=DE. 42 Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, Stand: Juli 2014, abrufbar unter http://www.europarl.europa .eu/sipade/rulesleg8/Rulesleg8.DE.pdf. 43 S. dazu auch: Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, 2013, S. 196. 44 Kietz/von Ondarza, Sicherheit delegieren – EU-Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 24. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 16 3.2.1.6. Untersuchungsausschüsse Nach Art. 226 AEUV und Art. 198 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments kann zur Prüfung von behaupteten Verstößen gegen das Unionsrecht oder Missständen bei der Anwendung desselben, die einem Organ oder einer Einrichtung der EU, einer Behörde eines Mitgliedstaates oder Personen, die durch das Unionsrecht mit dessen Anwendung beauftragt wurden , zur Last gelegt werden, das Parlament auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Das Recht des Europäischen Parlaments, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, erstreckt sich auch auf Verstöße von Agenturen gegen das Unionsrecht.45 3.2.1.7. Anhörung von Agenturdirektoren Das Europäische Parlament hat im Laufe der Zeit öffentliche Anhörungen der Direktoren von Agenturen durchgesetzt. Solche Anhörungen waren in den Gründungsrechtsakten der meisten Agenturen zunächst nicht vorgesehen.46 In den Verordnungen zu Europol und EASO ist aber mittlerweile ein solches Anhörungsrecht gegenüber dem Direktor der jeweiligen Agentur festgelegt worden. Nach Art. 54 Abs. 2 Europol-Verordnung kann der vom Rat für den Posten des Exekutivdirektors ausgewählte Kandidat vor der Ernennung aufgefordert werden, vor dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments zu erscheinen; dieses gibt sodann eine unverbindliche Stellungnahme ab. Wenn der Verwaltungsrat beabsichtigt, dem Rat vorzuschlagen, die Amtszeit des Exekutivdirektors zu verlängern, ist nach Art. 54 Abs. 5 wiederum das Europäische Parlament zu unterrichten . Innerhalb eines Monats vor der Verlängerung der Amtszeit kann der Exekutivdirektor aufgefordert werden, vor dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments zu erscheinen . Wenn der Exekutivdirektor seines Amtes enthoben wird, ist das Europäische Parlament gemäß Art. 54 Abs. 7 über diesen Beschluss zu unterrichten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 wird der vom Verwaltungsrat ausgewählte Bewerber für das Amt des Exekutivdirektors von EASO aufgefordert, vor dem zuständigen Ausschuss bzw. den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments eine Erklärung abzugeben und Fragen der Ausschussmitglieder zu beantworten. Im Anschluss an diese Erklärung kann das Europäische Parlament eine Stellungnahme abgeben, in der es seine Meinung zu dem ausgewählten Bewerber äußert. Gemäß Art. 30 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 unterrichtet der Verwaltungsrat das Europäische Parlament über seine Absicht, die Amtszeit des Exekutivdirektors zu verlängern. Innerhalb eines Monats vor der Verlängerung der Amtszeit wird der Exekutivdirektor aufgefordert, vor dem zuständigen Ausschuss bzw. den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments eine Erklärung abzugeben und Fragen der Ausschussmitglieder zu beantworten. 45 Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, 2015, S. 155. 46 Kietz/von Ondarza, Sicherheit delegieren – EU-Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 24. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 17 3.2.1.8. Parlamentarisches Kontrollgremium In der jüngsten Verordnung zur Neuausgestaltung von Europol ist nicht nur die Kontrolle durch das Europäische Parlament, sondern zusätzlich die Einrichtung eines sogenannten Parlamentarischen Kontrollgremiums vorgesehen, welches sich aus Mitgliedern der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments zusammensetzt. Nach Art. 51 Abs. 2 lit. c Europol-Verordnung wird der Gemeinsame parlamentarische Kontrollausschuss zur mehrjährigen Programmplanung von Europol angehört. Gemäß Art. 51 Abs. 3 übermittelt Europol dem Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschuss weitere Dokumente, wie im Zusammenhang mit den Zielen von Europol stehende Risikobewertungen, strategische Analysen und allgemeine Lageberichte. Gemäß Art. 51 Abs. 4 kann der Gemeinsame parlamentarische Kontrollausschuss andere zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderliche relevante Unterlagen hinsichtlich der politischen Überwachung der Tätigkeiten von Europol gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/200147 anfordern. Neben den Informationsrechten und der Anhörung des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses zur Programmplanung postuliert Art. 51 Abs. 2 der Europol-Verordnung überdies eine Art Zitierrecht des Kontrollausschusses. Vor dem Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschuss erscheinen auf dessen Verlangen nach Art. 51 Abs. 2 lit. a Europol-Verordnung der Vorsitzende des Verwaltungsrats, der Exekutivdirektor oder ihre Stellvertreter zur Erörterung von Europol-Tätigkeiten. Nach Art. 51 Abs. 2 lit. b Europol-Verordnung erscheint auch der Europäische Datenschutzbeauftragte vor dem Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschuss auf dessen Verlangen und mindestens einmal jährlich, um mit diesem allgemeine Fragen der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen zu erörtern. Gemäß Art. 51 Abs. 5 Europol-Verordnung kann der Gemeinsame parlamentarische Kontrollausschuss zusammenfassende Schlussfolgerungen über die politische Überwachung der Tätigkeiten von Europol erstellen und diese Schlussfolgerungen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten übermitteln. 3.2.2. Vergleich mit den Möglichkeiten im nationalen Recht Wie im Gutachten von WD 3 festgestellt, verfügt der Deutsche Bundestag über verschiedene Informations - und Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung.48 Er besitzt nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ein Fragerecht, mit dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert. Außerdem verfügt er nach Art. 43 Abs. 1 GG über ein Zitierrecht gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung, hat die Möglichkeit nach Art. 44 Abs. 1 47 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. 2001 L, 145/43, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/PDF/r1049_de.pdf. 48 Ausarbeitung, Durchführung von Asylverfahren auf Unionsebene aus verfassungsrechtlicher Sicht, WD 3 - 3000 - 172/16. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 105/16 Seite 18 GG, einen Untersuchungsausschuss einzurichten und besitzt Informationsrechte im Rahmen des Petitionsinformationsrechts. Das Europäische Parlament hat ähnliche Möglichkeiten zur Kontrolle und Information. Das Europäische Parlament besitzt ein Fragerecht gegenüber der Kommission, mit dem eine Antwortpflicht der Kommission nach Art. 230 Abs. 1 AEUV korrespondiert. Das Europäische Parlament hat die Möglichkeit, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Die Frage, ob das Europäische Parlament ein Zitierrecht gegenüber der Kommission hat, ist in der Literatur umstritten.49 Nach Art. 124 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments kann nach Anhörung der Konferenz der Präsidenten der Präsident den Kommissionspräsidenten, das für die Beziehungen zum Parlament zuständige Mitglied der Kommission oder nach einer entsprechenden Vereinbarung ein anderes Mitglied der Kommission auffordern, nach jeder Sitzung der Kommission eine Erklärung vor dem Parlament abzugeben und ihre wichtigsten Beschlüsse zu erläutern. An die Erklärung schließt sich gemäß Art. 124 Satz 2 der Geschäftsordnung eine Aussprache von mindestens 30 Minuten Dauer an, in der die Mitglieder kurze und präzise formulierte Fragen stellen können. Im Bereich von Petitionen kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments nach Art. 216 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments die Kommission ersuchen, ihn zu unterstützen, insbesondere durch Klarstellungen zur Anwendung oder Einhaltung des Unionsrechts und durch Übermittlung sämtlicher Informationen und Unterlagen zum Gegenstand der Petition. Zu den Sitzungen des Ausschusses werden Vertreter der Kommission eingeladen . Darüber hinaus bietet das Unionsrecht dem Europäischen Parlament die Möglichkeit, durch entsprechende Normierungen im Sekundärrecht bei der Gründung von Agenturen weitere Kontrollund Informationsrechte zu etablieren, wie beispielsweise eine Anhörung des Direktors einer Agentur. – Fachbereich Europa – 49 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 54. EL, Stand: September 2014, Art. 230 AEUV, Rn. 11.