© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 102/19 Konzeptvergabe und EU-Beihilferecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 2 Konzeptvergabe und EU-Beihilferecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 102/19 Abschluss der Arbeit: 28.11.2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Instrument der Konzeptvergabe 4 3. Überblick über das EU-Beihilferecht 5 3.1. Materielles EU-Beihilferecht 5 3.2. EU-Beihilfeverfahren 6 Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren 6 Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle 7 4. Vereinbarkeit der Konzeptvergabe mit dem EU- Beihilferecht 8 4.1. In materieller Hinsicht 8 Begünstigung 8 Weitere Beihilfemerkmale 9 Rechtfertigung 11 4.1.3.1. „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ 11 Beschluss der Kommission vom 20.12.2019 und weitere Rechtsakte („DAWI-Paket“) 11 Primärrechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten 12 4.1.3.2. Rechtfertigung aufgrund von De-minimis-Vorschriften 13 4.2. Formal-verfahrensrechtliche Ebene (Notifizierungspflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV) 14 5. Ergebnis 14 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa ist beauftragt worden, zu prüfen, inwieweit das Instrument der sog. „Konzeptvergabe“ mit dem Unionsrecht vereinbar ist bzw. welche Grenzen das Unionsrecht insoweit vorsieht. Aufgrund der besonderen unionsrechtlichen Bedeutung des Beihilferechts, wird sich die Ausarbeitung auf die Prüfung anhand der Vorgaben der Art. 107 – 109 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) konzentrieren.1 Im Rahmen der Ausarbeitung soll zunächst das Instrument der Konzeptvergabe kurz vorgestellt (Ziff. 2.) sowie ein Überblick über das relevante EU-Beihilferecht gegeben werden (Ziff. 3.). Anschließend erfolgt die Prüfung der Vereinbarkeit des Instruments des Konzeptvergabe mit dem EU-Beihilferecht (Ziff. 4.). 2. Instrument der Konzeptvergabe Das Instrument der Konzeptvergabe soll den Kommunen die Möglichkeit eröffnen, Grundstücke nicht allein zum Höchstgebot, sondern anhand von anderen, bspw. sozialen, ökologischen, wohnungs - oder städtebaulichen Kriterien zu veräußern.2 Vor dem Hintergrund der politischen Bestrebungen einer Neuausrichtung der Wohnungs- und Baulandpolitik in Deutschland soll das Instrument der Konzeptvergabe insbesondere für den Wohnungsbau bei angespannten (Teil-)Marktverhältnissen in Betracht kommen.3 Anders als bei der Direktvergabe, bei der die Vergabe zum Verkehrswert erfolgt bzw. dem Bieterverfahren , bei dem der Zuschlag auf das höchste Gebot erteilt wird, ist bei der Konzeptvergabe die Qualität des Konzepts (im Rahmen der Konzeptkriterien) für die Vergabe entscheidend.4 Die Gewichtung des Preises innerhalb der Zuschlags- und Wertungskriterien können im Rahmen der Konzeptvergabe variieren.5 Die Bewertung der Qualität des Nutzungskonzepts soll anhand der in der Ausschreibung vorgegeben ökologischen, sozialen, wohnungs- und städtebaulichen Kriterien 1 Zu haushaltsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Konzeptvergabe vgl. den Sachstand WD 4 – 3000 – 146/19; zu vergaberechtlichen Fragen vgl, Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 176/19. 2 Vgl. hierzu Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten“ (Oktober 2017; zuletzt abgerufen am 28.11.2019), Seite 10 ff.. 3 Vgl. hierzu Positionspapier des Deutschen Städtetages „Neuausrichtung der Wohnungs- und Baulandpolitik“ (September 2017; zuletzt abgerufen am 28.11.2019) Seite 18; vgl. hierzu auch Hessisches Ministerium für Umwelt , Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten “ (Oktober 2017; zuletzt abgerufen am 28.11.2019), Seite 10 ff.. 4 Thiel, BauR 2018, 1800, 1801. 5 Vgl. hierzu mit einzelnen Beispielen die Ausführungen von Thiel, BauR 2018, 1800, 1809. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 5 erfolgen.6 Der Preis soll dagegen bei der Bewertung nur eine untergeordnete Rolle spielen, wobei die Art der Berücksichtigung abhängig von den Vergabevorgaben erfolgen soll.7 3. Überblick über das EU-Beihilferecht Zunächst soll nun ein Überblick über das EU-Beihilferecht gegeben werden. Das EU-Beihilferecht lässt sich in materielle (3.1.) und formal-verfahrensrechtliche Bestimmungen (3.2.) aufteilen. 3.1. Materielles EU-Beihilferecht Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . Diesem Normtext werden mehrere Merkmale entnommen, die kumulativ erfüllt sein müssen, um von dem Vorliegen einer Beihilfe ausgehen zu können: Neben der aus staatlichen Mitteln gewährten Begünstigung an Unternehmen gehören hierzu die Selektivität (Begünstigung nur bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige), die Wettbewerbsverfälschung und die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.8 Fehlt es nur an einem der Merkmale, so liegt keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vor und das EU-Beihilferecht findet keine Anwendung .9 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählt vor allem Art. 107 Abs. 3 AEUV und die dort aufgeführten Fallgruppen.10 Danach können Beihilfen unter 6 Siehe hierzu Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten“ (Oktober 2017; zuletzt abgerufen am 28.11.2019), Seite 10. 7 Siehe hierzu Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten“ (Oktober 2017; zuletzt abgerufen am 28.11.2019), Seite 12. 8 Siehe zu den einzelnen Merkmalen und der dazu ergangenen Rechtsprechung die sog. „Beihilfemitteilung“ der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (letztmaliger zuletzt abgerufen am 28.11.19). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 9 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans u.a./Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH), Slg. 2003, I-7810, Rn. 74, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 10 Weitere primärrechtliche Vorschriften in diesem Zusammenhang sind Art. 107 Abs. 2 AEUV (zwingende Legalausnahmen ) oder Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 6 bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen und insoweit gerechtfertigt bzw. als unionsrechtlich zulässig angesehen werden. 3.2. EU-Beihilfeverfahren Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV vor allem der Kommission .11 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei zwei Ansätze zu unterscheiden: eine primärrechtlich vorgesehene ex-ante-Prüfung (siehe unter 3.2.1.) und eine sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle (siehe unter 3.2.2.). Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfe-VerfO)12 können mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) überprüft werden. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV13). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie insbesondere nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann.14 Bis zum Abschluss des Verfahrens darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nicht durchführen (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV).15 Von hoher praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen die Kommission einerseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und andererseits ihre Ermessenspraxis u. a. zur Auslegung des Art. 107 Abs. 3 AEUV verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.16 Zu diesen Rechtsakten gehören überwiegend nicht verbindliche Maßnahmen, die – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.17 Diese nichtverbindlichen 11 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilferecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein, Frenz, Handbuch Europarecht , Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 12 VERORDNUNG (EU) 2015/1589 DES RATES vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (kodifizierter Text) (VerfO) ABl.EU 2015 Nr. L 248/9 (zuletzt abgerufen am 28.11.19). 13 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 12). 14 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfe-VerfO (Fn. 12). 15 Vgl. auch Art. 3 Beihilfe-VerfO (Fn. 12). 16 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 17 Vgl. bspw. EuGH, Urteil vom 5.10.2000, Rs. C-288/96 (Deutschland/Kommission), Slg. 2000, I-8285 Rn. 62; EuGH, Urteil vom. 07.03.2002, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Slg. 2002, I-2316, Rn. 52. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 7 Maßnahmen werden in Form von (zum Teil bereichsspezifischen) Leitlinien, Unionsrahmen und Mitteilungen18 erlassen. Von Bedeutung ist im vorliegenden Kontext insbesondere die 2016 erlassene sog. Beihilfemitteilung , in welcher die Kommission den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV anhand der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung erläutert.19 In Bezug auf Grundstücksveräußerungen ist ferner die „Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand“ vom 10.7.1997 (Grundstückmitteilung vom 10.7.1997).20 Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.21 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer sie dazu ermächtigenden Verordnung des Rates im Sinne des Art. 109 AEUV erlassen kann.22 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt . Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. 18 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (Stand vom 15.04.2014, zuletzt abgerufen am 28.11.19). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte, vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfeund Vergaberecht, 2007, Rn. 747 ff. 19 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8). 20 Vgl. Ziff. II. 2. der Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (97 /C 209/03 ) vom 10.7.1997, Abl. EG 1997, Nr. C 209/3. 21 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, NJW 2014, 3128, 3130. 22 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EU 2015 Nr. L 248/1, (letztmaliger Abruf am 28.11.19). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 8 Für das Instrument der Konzeptvergabe relevante Freistellungen von der Notifizierungspflicht aus Art. 108 Abs. 3 AEUV ergeben sich im Anwendungsbereich der sog. De-minimis-Verordnungen 23 sowie im Anwendungsbereich des Beschlusses der Kommission vom 20.12.2011 (DAWI- Beschluss)24 i. V. m. der Beihilfemitteilung der Kommission vom 11.01.201225 (DAWI-Mitteilung) sowie der Richtlinie 2006/111/EG.26 4. Vereinbarkeit der Konzeptvergabe mit dem EU-Beihilferecht Hinsichtlich der beihilferechtlichen Bewertung des Instruments der Konzeptvergabe ist zwischen der materiellen (Ziff. 4.1.) und der formel-verfahrensrechtlichen Ebene (Ziff. 4.2.) zu unterscheiden . 4.1. In materieller Hinsicht In materieller Hinsicht lautet die primäre Frage, ob die Konzeptvergabe den Beihilfetatbestand im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Merkmal der Begünstigung zu (Ziff. 4.1.1.). Nur wenn dieses zu bejahen ist, kommt es hier auf die übrigen Voraussetzungen des Beihilfetatbestandes an (Ziff. 4.1.2.). Soweit eine Beihilfe im Wege der Konzeptvergabe vorliegt, kann diese möglicherweise gerechtfertigt werden (Ziff. 4.1.3.). Begünstigung Unter einer Begünstigung ist nach ständiger Rechtsprechung jede wirtschaftliche Vergünstigung zu verstehen, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne Eingreifen des 23 VERORDNUNG (EU) Nr. 1407/2013 DER KOMMISSION vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, ABl. EU 2013 L 352/1; VERORDNUNG (EU) Nr. 360/2012 DER KOMMISSION vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis- Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, ABl. (EU) 2012 L 114/8. 24 BESCHLUSS DER KOMMISSION vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 9380) (2012/21/EU), Abl. EU 2012, L 7/3. 25 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (2012/C 8/02), Abl. EU 2012, C 8/4. 26 RICHTLINIE 2006/111/EG DER KOMMISSION vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, Abl. EU 2006, L 318/17. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 9 Staates, nicht erhalten könnte.27 Entscheidend sind dabei allein die Auswirkungen einer Maßnahme auf das betreffende Unternehmen, auf die Gründe oder Ziele des staatlichen Handelns kommt es ebenso wenig an, wie auf die genaue Art der Maßnahme.28 Bei Grundstückskäufen liegt nach Ansicht der Kommission in der Regel keine Begünstigung vor, wenn das Grundstück zum Marktwert verkauft wird. Soweit ein Verkauf nicht durch ein Bieterverfahren i. S. d. Ziff. II. 1. der Grundstücksmitteilung vom 10.07.199729 durchgeführt wird, genügt beim Verkauf von Grundstücken nach Ansicht der Kommission „grundsätzlich ein vor den Verkaufsverhandlungen eingeholtes Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen, um auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards den Marktwert zu ermitteln.“30 Genaue Vorgaben zur Wertermittlung durch Sachverständige ergeben sich insoweit aus der Grundstücksmitteilung vom 10.7.1997.31 Die Wertermittlung kann ferner im Wege des sog. Benchmarking erfolgen, bei der vergleichbare Transaktionen bei der Bewertung herangezogen werden.32 Denkbar wäre nach Ansicht der Kommission auch eine Wertermittlung anhand anderer anerkannter Bewertungsmethoden.33 Die Berücksichtigung von Konzepten, insbesondere städtebaulicher Kriterien oder sozialen Zielen, ist hingegen bei keiner Art der Marktpreisermittlung von ausschlaggebender Bedeutung. Den EU-beihilferechtlichen Maßstäben folgend wird daher regelmäßig eine Begünstigung i. S. d. EU-Beihilferechts vorliegen, wenn die Vergabe im konkreten Fall anhand von Konzeptkriterien und unter dem Marktpreis erfolgen soll. Eine abschließende Bewertung kann allerdings allein anhand des konkreten Einzelfalls erfolgen. Weitere Beihilfemerkmale Unterstellt man nach Maßgabe der obigen Ausführungen für die weitere Prüfung, dass die Konzeptvergabe durch die Unterschreitung des Marktpreises zu einer Begünstigung des Erwerbers führt, kommt es darauf an, ob auch die übrigen Beihilfemerkmale vorliegen. 27 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 66, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 28 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 67 u. 68, jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung. 29 Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (97 /C 209/03 ) vom 10.7.1997, Abl. EG 1997, Nr. C 209/3. 30 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 103, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 31 Vgl. Ziff. II. 2. der Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (97 /C 209/03 ) vom 10.7.1997, Abl. EG 1997, Nr. C 209/3. 32 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 98 ff., m. w. N. aus der Rechtsprechung. 33 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 101 ff., m. w. N. aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 10 Zunächst müssten die begünstigten Erwerber den beihilferechtlichen Unternehmerbegriff erfüllen . Ein Unternehmen im Sinne des Beihilfe- bzw. Wettbewerbsrecht ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.34 Als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Unternehmensdefinition gilt jedes Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf einem Markt und damit auch die Veräußerung von Grundstücken.35 Ferner müsste es sich um staatliche Mittel handeln und die Maßnahme selektiv sein. Ersteres ist immer dann erfüllt, wenn sich die (unterstellte) Begünstigung aus Haushaltsmitteln speist und, wenn deren Gewährung dem Staat unmittelbar zuzurechnen ist.36 Dazu müssten für die Unterschreitung des Marktpreises der Staat, d.h. der Bund, die Länder bzw. die Gemeinden aufkommen .37 Insoweit kann unterstellt werden, dass die aufgrund des Verzichts auf die Geltendmachung des Marktpreises zu Mindereinnahmen zu Lasten des jeweiligen staatlichen Haushalts führen. Selektiv ist eine Maßnahme, wenn sie nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugutekommt. Diese Voraussetzung bedarf vor allem dann einer gesonderten Prüfung, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die etwa in Form von Steuervergünstigungen abstrakt-genereller Natur sind und eine Vielzahl von Unternehmen begünstigen.38 Da die Begünstigung in Gestalt des Vergabezuschlags unterhalb des Marktpreises hier nur dem Erwerber zugutekommt, wird es sich regelmäßig auch um eine selektive Begünstigung handeln.39 An das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung und an die Feststellung von Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel werden in der Regel keine hohen Anforderungen gestellt, sofern die vorgenannten Beihilfemerkmale verwirklicht sind und es sich nicht um rein lokale oder kommunale Vorhaben handelt.40 Dies wäre jedoch im Einzelfall zu prüfen. 34 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 7, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 35 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 12, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 36 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 48 bzw. 39, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 37 Siehe zu Merkmal der staatlichen oder aus staatlichen Mitteln finanzierten Begünstigung die Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 38 ff., m. w. N. aus der Rechtsprechung. 38 Siehe hierzu die Ausführungen in der Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 119 ff., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 39 Siehe zum Merkmal der Selektivität die Beihilfemitteilung (Fn. 8), Rn. 117 ff.. Vgl. auch Mestmäcker/ Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2016, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 39, 60, 139 (in Bezug auf Einzelmaßnahmen). 40 Vgl. EuGH, Urteil vom 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11 (Libert u. a./Flämische Regierung), ECLI:EU:C:2013:288, Rn. 76, 77: Beihilfe muss nur geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, vgl. EuGH, Urteil vom 17.09.1980 Rs. 730/79 (Phillip Morris/Kommission), Slg. 1980, I-2672, Rn. 11: Staatliche Maßnahmen drohen den Wettbewerb zu verfälschen, wenn sie die Wettbewerbsposition des Empfängers im Vergleich zu seinen Wettbewerbern verbessern könnten. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 11 Rechtfertigung Eine Rechtfertigung von Beihilfen im Rahmen von Konzeptvergaben kommt insbesondere im Hinblick auf die Betrauung des Beihilfeempfängers mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ (Ziff. 4.1.3.1.) sowie aufgrund der Geringfügigkeit der Begünstigung in Betracht (Ziff. 4.1.3.2.). 4.1.3.1. „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ Beschluss der Kommission vom 20.12.2019 und weitere Rechtsakte („DAWI-Paket“) Eine Rechtfertigung möglicher Beihilfen kommt im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinwirtschaftlichem Interesses im Wege der Betrauung des Beihilfeempfängers entsprechend des Beschlusses der Kommission vom 20.12.2011 („DAWI-Beschluss“)41 i. V. m. der Beihilfemitteilung der Kommission vom 11.01.201242 („DAWI-Mitteilung“) sowie der Richtlinie 2006/111/EG43 („DAWI-Richtlinie“) (gemeinsam auch „DAWI-Paket“ genannt) in Betracht. Der DAWI-Beschluss beruht inhaltlich auf dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark Trans.44 Darin hat der Gerichtshof den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und insbesondere das Merkmal der Begünstigung erstmals im Hinblick auf staatliche Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen konkretisiert, die Unternehmen im Auftrag des Staates im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse erbringen. Die Freistellungsvorgaben des DAWI-Beschlusses greifen die Urteilsvorgaben auf und gestalten sie für den in diesem Rechtsakt näher spezifizierten Anwendungsbereich aus. Der DAWI-Beschluss findet gemäß seinem Art. 2 Abs. 1 lit. c) auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen Anwendung, die Unternehmen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – dazu gehört u. a. der soziale Wohnungsbau – im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV gewährt werden. 41 BESCHLUSS DER KOMMISSION vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 9380) (2012/21/EU), Abl. EU 2012, L 7/3. 42 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (2012/C 8/02), Abl. EU 2012, C 8/4. 43 RICHTLINIE 2006/111/EG DER KOMMISSION vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, Abl. EU 2006, L 318/17. 44 EuGH, Urteil vom 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans u. a./Nahverkehrsgesellschaft Altmark), Slg. 2003, I- 7810, insbesondere Rn. 90 – 93, siehe hierzu auch Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 106 AEUV, Rn. 17. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 12 Gemäß Art. 3 DAWI-Beschluss sind staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, die die Voraussetzungen nach dem DAWI-Beschluss erfüllen, mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit, wenn sie auch die Voraussetzungen aufgrund des AEUV oder aufgrund von sektorspezifischen Rechtsvorschriften der Union erfüllen. Erforderlich ist insoweit ein entsprechender Betrauungsakt,45 mit dem der Beihilfeempfänger zur Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verpflichtet wird, Art. 4 DAWI-Beschluss. Gemäß Art. 4 DAWI-Beschluss muss in dem Betrauungsakt folgendes festgelegt werden: a) Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen; b) das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet; c) Art etwaiger dem Unternehmen durch die Bewilligungsbehörde gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte; d) Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen; e) Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen und f) einen Verweis auf den DAWI-Beschluss. Ferner sieht Art. 5 Abs. 1 DAWI-Beschluss vor, dass die Höhe der Ausgleichsleistungen unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Nettokosten abzudecken. Im Zusammenhang mit den Vorgaben zur Ausgleichsleistung ist geregelt, dass die betrauten Unternehmen von den Mitgliedstaaten aufzufordern sind, eine etwaige Überkompensation zurückzuerstatten, Art. 5 Abs. 10 DAWI-Beschluss. Der Fall einer Überkompensation bezeichnet die Gewährung zu hoch berechneter Ausgleichsleistungen und ist – in der Logik des EuGH-Urteils in der Rechtssache Altmark Trans – gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.46 Soweit die Konzeptvergabe in Übereinstimmung mit den vorgenannten Vorgaben ausgestaltet werden kann, käme mithin eine Rechtfertigung nach den Regelungen des DAWI-Beschlusses in Betracht.47 Primärrechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten Der DAWI-Beschluss und die in ihm enthaltenen Vorgaben stellen nicht die einzige Möglichkeit dar, um eine Veräußerung von Grundstücken nach der Vorgaben der Konzeptvergabe beihilferechtskonform durchzuführen. Es ist den Mitgliedstaaten ferner unbenommen, Beihilfemaßnahmen auch unmittelbar auf die gängigen primärrechtlichen Ausnahmetatbestände der 45 Vgl. DAWI-Mitteilung (Fn. 25) Rn. 51 ff., zu den Einzelheiten vgl. ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONS- DIENSTSTELLEN Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 29.4.2013 („Leitfaden DAWI“) (SWD(2013) 53 final/2), Seite 43 ff. 46 EuGH, Urteil vom 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans u. a./Nahverkehrsgesellschaft Altmark), Slg. 2003, I- 7810, Rn. 90 – 93 47 Denkbar wäre z. B. ein unter dem Marktpreis liegender Grundstückspreis als Ausgleichsleistung für die Herstellung von Wohnungen nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 13 Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV oder des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu stützen, soweit sie die sekundärrechtlichen Konkretisierungen dieser Tatbestände als nicht ausreichend oder als nicht passend erachten. Ob und inwieweit dies beihilferechtlich zulässig wäre, hinge dann von der Kommission ab, die derartige Maßnahmen nach mitgliedstaatlicher Notifizierung im Sinne des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV einer vorherigen Prüfung gemäß Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV unterziehen würde. Bei der dann notwendigen Anwendung der Ausnahmetatbestände der Art. 107 Abs. 3 AEUV oder des Art. 106 Abs. 2 AEUV kommt der Kommission ein weites Ermessen zu. 4.1.3.2. Rechtfertigung aufgrund von De-minimis-Vorschriften Eine Rechtfertigung von Beihilfen im Rahmen der Konzeptvergabe kann zudem aufgrund der Geringfügigkeit der Begünstigung im Rahmen der Verordnung 1407/2013 (VO 1407/2013)48 bzw. im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 (VO 360/2012)49 in Betracht kommen (sog. De-minimis -Verordnungen). Gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 1407/2013 werden Beihilfemaßnahmen, die die Voraussetzungen der VO 1407/2013 erfüllen, als Maßnahmen angesehen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen und daher von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen sind (De-minimis-Beihilfe). Allerdings darf gemäß Art. 3 Abs. 2 VO 1407/2013 der Gesamtbetrag der einem einzigen Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährten De-minimis- Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren EUR 200.000,00 nicht übersteigen. Eine Kumulierung sog. De-minimis-Beihilfen ist in den Grenzen von Art. 5 VO 1407/2013 möglich . Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 1407/2013 dürfen im Einklang mit der VO 1407/2013 gewährte Deminimis -Beihilfen bis zu dem in der VO 360/2012 festgelegten Höchstbetrag mit De-minimis-Beihilfen nach der VO 360/2012 kumuliert werden. Zudem dürfen im Einklang mit der VO 1407/2013 gewährte De-minimis-Beihilfen bis zu dem in Art. 3 Abs. 2 VO 1407/2013 festgelegten einschlägigen Höchstbetrag mit De-minimis-Beihilfen nach anderen De-minimis-Verordnungen kumuliert werden. Gemäß Art. 2 Abs. 1 VO 360/2012 gelten Beihilfen an Unternehmen für die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse als Maßnahmen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, diese sind daher von der Anmeldepflicht 48 VERORDNUNG (EU) Nr. 1407/2013 DER KOMMISSION vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, Abl. EU 2013 L 352/1. 49 VERORDNUNG (EU) Nr. 360/2012 DER KOMMISSION vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen , die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (ABl.(EU) 2012 L 114/8) (konsolidierte Fassung vom 31.12.2018). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 14 nach Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit, wenn sie die in den Art. 2 Abs. 2 – 8 VO 360/2012 genannten Voraussetzungen erfüllen.50 Es ist nicht auszuschließen, dass die De-minimis-Vorschriften im Rahmen der Konzeptvergabe zur Anwendung kommen. Dies ist jedoch jeweils eine Frage des Einzelfalls. 4.2. Formal-verfahrensrechtliche Ebene (Notifizierungspflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV) Auch für die formal-verfahrensrechtliche Ebene kommt es entscheidend darauf an, ob in materieller Hinsicht eine Beihilfe vorliegt, bzw. ob diese gerechtfertigt ist. Soweit im Rahmen der Konzeptvergabe eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, und keine Rechtfertigungsgründe nach den Regelungen im DAWI-Paket, des Primärrechts bzw. der De-minimis-Verordnungen anwendbar sind, sieht Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Pflicht zur Notifizierung der Beihilfe bei der Kommission und eine dem sich anschließende Beihilfeprüfung vor; bis zu deren Abschluss dürfte die Beihilfe nicht durchgeführt werden, sog. Durchführungsgebot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV.51 5. Ergebnis Im Ergebnis wirft das Instrument der Konzeptvergabe vielfältige EU-beihilferechtliche Fragen auf. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu sind nicht ersichtlich. Anders als bei der Direktvergabe, bei der die Vergabe zum Verkehrswert erfolgt bzw. nach dem Bieterverfahren, bei der der Zuschlag auf das höchste Gebot erteilt wird, ist bei der Konzeptvergabe die Qualität des Konzepts für die Vergabe entscheidend.52 Soweit dadurch eine Vergabe unter dem Marktpreis erfolgt, wird den EU-beihilferechtlichen Maßstäben folgend regelmäßig eine Begünstigung i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen. Hinsichtlich der Erfüllung der weiteren Beihilfemerkmale ist eine Bewertung des konkreten Einzelfalls erforderlich.53 Rechtfertigungsmöglichkeiten entsprechender Beihilfen sind im Rahmen des DAWI-Pakets sowie im Einklang mit den primärrechtlichen Rechtfertigungsgründen denkbar. Schließlich kann eine Rechtfertigung aufgrund der Geringfügigkeit der Begünstigung nach Maßgabe der sog. De-minimis -Verordnungen in Betracht kommen. Soweit im Rahmen der Konzeptvergabe eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und keine Rechtfertigung aufgrund der Regelungen im DAWI-Paket, des Art. 107 Abs. 2, 3 AEUV bzw. der De-minimis-Verordnungen möglich ist, sieht Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Pflicht zur Notifizierung der Beihilfe bei der Kommission und eine dem sich anschließende Beihilfeprüfung 50 Siehe hierzu auch: Leitfaden DAWI (Fn. 45), Seite 56 ff. 51 Siehe dazu oben 3.2.1.. 52 Thiel, BauR 2018, 1800, 1801. 53 Siehe dazu oben unter Ziff. 4.1.2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 102/19 Seite 15 vor; bis zu deren Abschluss dürfte die Beihilfe nicht durchgeführt werden, sog. Durchführungsgebot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV. Eine abschließende Entscheidung obliegt im konkreten Fall dem EuGH. – Fachbereich Europa –