© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Europäischer Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen Europa- und gesellschaftsrechtliche Implikationen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 2 Europäischer Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen Europa- und gesellschaftsrechtliche Implikationen Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Abschluss der Arbeit: 21. November 2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa (Gliederungspunkte 1, 2, 3) WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung (Gliederungspunkte 1, 2 und 4) Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Inhalt des Verordnungsentwurfs 5 3. Europarechtliche Implikationen 5 3.1. Binnenmarkthindernisse gemäß Art. 114 Abs. 1 AEUV 5 3.1.1. Anforderungen der Rechtsprechung 5 3.1.2. Überprüfung des Verordnungsentwurfs 6 3.1.2.1. Beeinträchtigung der Grundfreiheiten 8 3.1.2.2. Entstehung neuer Hindernisse 8 3.1.2.3. Zum Einwand einer unzulässigen Investitionslenkung 9 3.1.3. Ergebnis 10 3.2. Grundsätzliche Möglichkeit der Bindung der Mitgliedstaaten mittels delegierter Rechtsakte gemäß Art. 290 AEUV 10 3.3. Rechtliche Bewertung der Überprüfungsklausel in Art. 17 des Verordnungsentwurfs 11 3.3.1. Vereinbarkeit mit Art. 10 Abs. 1 und 2 EUV 12 3.3.2. Vereinbarkeit mit Art. 17 Abs. 1 und 2 EUV 13 4. Gesellschaftsrechtliche Friktionen? 14 4.1. Risikomanagement und Überwachungssystem im deutschen Gesellschaftsrecht 14 4.2. Friktionen zwischen Verordnungsentwurf und deutschem Gesellschaftsrecht? 15 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 4 1. Einleitung Die EU-Kommission hat 2018 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen vorgelegt.1 Der Vorschlag soll Teil einer Initiative der Kommission zur nachhaltigen Entwicklung sein.2 Er soll den Grundstein für einen EU-Rahmen legen, der die Aspekte Umwelt, Soziales und Governance (Environment Social Governance – ESG) in den Mittelpunkt des Finanzsystems stellt, um den Übergang der EU-Wirtschaft zu einer umweltfreundlicheren und widerstandsfähigeren Kreislaufwirtschaft zu unterstützen.3 Um Investitionen nachhaltiger zu gestalten, sollen demnach bei Investitionsentscheidungen ESG-Faktoren berücksichtigt werden, indem „ESG-Aspekte “ durchgängig in allen Bereichen in den Investitions- und Beratungsprozess integriert würden .4 Dadurch solle gewährleistet werden, dass Finanzmarktteilnehmer, Versicherungsvertreiber und Anlageberater, die von ihren Kunden oder Begünstigten damit beauftragt werden, in ihrem Namen Investitionsentscheidungen zu treffen, ESG-Aspekte in ihre internen Prozesse integrieren und ihre Kunden davon in Kenntnis setzen.5 Aufgeworfen wird vor diesem Hintergrund zum einen die Frage, ob der Verordnungsentwurf unter bestimmten Gesichtspunkten mit den europäischen Verträgen vereinbar ist. Dies betrifft zunächst die Prüfung, ob die in dem Verordnungsentwurf geltend gemachten Binnenmarkthindernisse im Bereich der Kennzeichnung nachhaltiger Investitionen ein Tätigwerden der Union auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 AEUV rechtfertigen (3.1.). Darüber hinaus wird gefragt, ob es möglich ist, die Mitgliedstaaten zur Anwendung der betreffenden Nachhaltigkeitskriterien im Wege der hierfür in dem Verordnungsentwurf vorgesehenen delegierten Rechtssetzung zu verpflichten (3.2.). Schließlich wird um eine rechtliche Bewertung der in Art. 17 des Verordnungsentwurfs vorgesehenen Überprüfungsklausel gebeten (3.3.). Zum anderen wird gefragt, ob die durch den Verordnungsentwurf beabsichtigte Regulierung mit den gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsführung, Maßnahmen zu treffen, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden, vereinbar wäre (4.). 1 Entwurf vom 24.05.2018, COM(2018) 353 final, 2018/0178 (COD) 2 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen, COM(2018) 353 final, S. 1. 3 Siehe vorherige Fußnote. 4 Siehe Fußnote 2. 5 Siehe Fußnote 2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 5 2. Inhalt des Verordnungsentwurfs Der Verordnungsentwurf konzentriert sich auf die Schaffung einer EU-weiten gemeinsamen Terminologie für nachhaltige Finanzen.6 Ausgangspunkt ist hierbei, dass es als potentielles Hemmnis für grenzüberschreitende, auf Nachhaltigkeit bedachte Investitionen angesehen wird, wenn von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Definitionen und Anforderungen hinsichtlich „grüner“ Investitionen gelten würden.7 Um bestehende Abweichungen zu beseitigen und zu verhindern, dass weitere Hindernisse für den Binnenmarkt entstehen, soll mit der Verordnung eine einheitliche EU-weite Definition dessen festgelegt werden, was für Investitionszwecke als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gelten soll.8 Dadurch, dass das Konzept der ökologisch nachhaltigen Investitionen in der gesamten Union vereinheitlicht wird, sollen Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in einem oder mehreren EU-Ländern erleichtert werden.9 3. Europarechtliche Implikationen 3.1. Binnenmarkthindernisse gemäß Art. 114 Abs. 1 AEUV Nachfolgend ist zu prüfen, ob die in dem Verordnungsentwurf geltend gemachten Binnenmarkthindernisse im Bereich der Kennzeichnung nachhaltiger Investitionen ein Tätigwerden der Union auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 AEUV rechtfertigen, insbesondere wenn mit dem vorgeschlagenen Rechtsakt auch bezweckt wird, Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu erleichtern. Auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen. Die Vorschrift in Art. 114 Abs. 1 AEUV sieht den Erlass von Maßnahmen vor „zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift ist „in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau“ auszugehen. 3.1.1. Anforderungen der Rechtsprechung In der Rechtssache Philip Morris Brands10 zur sog. Tabakrichtlinie fasst der EuGH seine Rechtsprechung zu den an die Heranziehung von Art. 114 Abs. 1 AEUV zu stellenden Anforderungen folgendermaßen zusammen: 6 Siehe Fußnote 2, S. 42. 7 Siehe Fußnote 2, S. 4. 8 Siehe Fußnote 2, S. 4. 9 Siehe Fußnote 2, S. 4. 10 EuGH, Rs. C-547/14, Philip Morris Brands u.a. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 6 „58 In diesem Zusammenhang reicht zwar die bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen nicht aus, um die Heranziehung von Art. 114 AEUV zu rechtfertigen, etwas anderes gilt jedoch im Fall von Unterschieden zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken […]. 59 Nach ständiger Rechtsprechung kann Art. 114 AEUV außerdem zwar als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, doch muss das Entstehen solcher Hindernisse wahrscheinlich sein und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezwecken […]. 60 Der Gerichtshof hat zudem entschieden, dass sich der Unionsgesetzgeber, wenn die Voraussetzungen für die Heranziehung von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage erfüllt sind, auf diese Grundlage stützen kann, auch wenn dem Gesundheitsschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt […].“ (Hervorhebung hinzugefügt ) Hiernach müssen Unterschiede zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, die geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken. Auch die Entstehung neuer Hindernisse für den Handel ist insoweit von Bedeutung, als die Entstehung solcher Hindernisse wahrscheinlich ist und die fraglichen Maßnahmen ihre Vermeidung bezwecken. Bei der nachfolgenden Prüfung ist ferner zu berücksichtigen, dass der EuGH in seiner Rechtsprechung maßgeblich auf die in dem betreffenden Gesetzgebungsakt bzw. in dessen Begründung enthaltenen Angaben abstellt.11 Ausdrücklich erkennt der EuGH an, dass sich der Unionsgesetzgeber bei der Begründung von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung „darauf beschränken kann, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen […] und die sich daraus ergebenden, die Heranziehung von [Art. 114 AEUV] rechtfertigenden Störungen des Funktionierens des Binnenmarkts nur allgemein [darzustellen]“.12 3.1.2. Überprüfung des Verordnungsentwurfs Im Lichte dieser Rechtsprechung ist nachfolgend zu prüfen, ob die darin aufgestellten Voraussetzungen für die Heranziehung von Art. 114 Abs. 1 AEUV mit Blick auf den Verordnungsentwurf über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen erfüllt sind. 11 Vgl. nur EuGH, Rs. C-58/08, Vodafone u.a., Rn. 38 ff.; EuGH, Rs. C-380/03, Deutschland/Parlament und Rat, Rn. 45 ff.; EuGH, C-210/03, Swedish Match, Rn. 37 ff.; EuGH, Rs. C-434/02, Arnold André Rn. 38 ff.; EuGH, Rs. C-491/01, British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco Rn. 68 ff. 12 EuGH, Rs. C-398/13 P, Inuit Tapiriit Kanatami u.a./Kommission, Rn. 29. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 7 Der Verordnungsentwurf begründet das Vorliegen von Hindernissen für den Binnenmarkt mit bestehenden Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten und der Wahrscheinlichkeit einer zunehmenden Fragmentierung in diesem Bereich. Dies würde es Anlegern erschweren, nachhaltige Investitionen miteinander zu vergleichen, was sie wiederum von grenzüberschreitenden Investitionen abhalte. Darüber hinaus stelle dies auch eine Belastung für die Wirtschaftsteilnehmer dar, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards einhalten müssen. Im Einzelnen führt der Verordnungsentwurf aus: „Gegenwärtig gibt es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen darüber, was als nachhaltige Investition erachtet werden kann. In einigen Mitgliedstaaten gibt es Kennzeichnungssysteme oder im Markt entstandene Initiativen zur Festlegung, was für Investitionszwecke als „grün“ gilt, in anderen gibt es keine Vorschriften; diese Mitgliedstaaten werden jedoch wahrscheinlich Rechtsvorschriften in diesem Bereich auf der Grundlage ihrer eigenen Definition von nachhaltigen Investitionen erlassen. Nationale Kennzeichnungen , die auf unterschiedlichen Kriterien beruhen und Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig einstufen, erschweren es den Anlegern, grüne Investitionen miteinander zu vergleichen, was die Anleger wiederum davon abhält, grenzüberschreitend zu investieren . Die bestehenden Unterschiede stellen auch eine Belastung für die Wirtschaftsteilnehmer dar, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards einhalten müssen. Um bestehende Abweichungen zu beseitigen und zu verhindern, dass weitere Hindernisse für den Binnenmarkt entstehen, legt dieser Vorschlag eine einheitliche EU-weite Definition dessen fest, was für Investitionszwecke als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gelten soll. Ziel dieses Vorschlags ist es, das Konzept der ökologisch nachhaltigen Investitionen in der gesamten Union zu vereinheitlichen und damit Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in einem oder mehreren EU-Ländern zu erleichtern . Ein einheitliches Konzept wird es den Wirtschaftsteilnehmern auch ermöglichen, leichter Investitionen aus dem Ausland anzuziehen. […] Die mangelnde Klarheit darüber, was eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit ausmacht , könnte noch zunehmen, wenn die Mitgliedstaaten versuchen, in diesem Bereich unkoordiniert und nebeneinander tätig zu werden. Angesichts der Verpflichtungen zu umwelt- und klimapolitischen Zielen sowohl auf internationaler (z. B. durch das Pariser Abkommen) als auch auf EU-Ebene dürften immer mehr Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Einführung von Kennzeichnungen für nachhaltige Finanzprodukte unter Verwendung ihrer eigenen maßgeschneiderten Taxonomien prüfen. Dadurch würden die nationalen Hindernisse, die dem Funktionieren der Kapitalmärkte für die Mobilisierung von Mitteln für nachhaltige Projekte entgegenstehen, noch zunehmen. Eine Diversifizierung der Klassifizierungssysteme würde die Marktfragmentierung noch verstärken und Wettbewerbsprobleme aufwerfen, wodurch es für Investoren schwieriger und kostspieliger würde, nachzuvollziehen, was nachhaltig ist und was nicht.“ (Hervorhebung hinzugefügt) Diese Erwägungen werden auch in der neunten Begründungserwägung des Verordnungsentwurfs aufgegriffen. Als Nachweis für die Entstehung unterschiedlicher Kennzeichnungssysteme bezieht Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 8 sich der Verordnungsentwurf u.a. auf eine von der Kommission durchgeführte Folgenabschätzung , die nähere Ausführungen und Einzelnachweise für die konkreten in verschiedenen Mitgliedstaaten existierenden Kennzeichnungssysteme enthält.13 Es besteht an dieser Stelle kein Anlass , die sachliche Richtigkeit dieser Ausführungen in Frage zu stellen. 3.1.2.1. Beeinträchtigung der Grundfreiheiten Aus Anlegerperspektive dürften sich jedenfalls die auf einzelstaatlichen Maßnahmen beruhenden Kennzeichnungssysteme als Beschränkung der Kapitelverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellen. Der EuGH legt in seiner Rechtsprechung einen sehr weiten Ansatz zugrunde, wonach nationale Maßnahmen bereits dann als Beschränkungen anzusehen sind, „wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren“14. In der Rechtssache Idryma Typou hat der EuGH das Vorliegen einer Beschränkung speziell mit den Informationsdefiziten aufseiten ausländischer Investoren mit Blick auf das betreffende Unternehmen hinsichtlich der besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen in dem betreffenden Mitgliedstaat begründet.15 Auf vergleichbare Schwierigkeiten verweist auch die zuvor zitierte Begründung des Verordnungsentwurfs, wenn sie ausführt, dass unterschiedliche nationale Kennzeichnungssysteme es den Anlegern erschweren, nachhaltige Investitionen miteinander zu vergleichen, was die Anleger wiederum davon abhält, grenzüberschreitend zu investieren. Aus Perspektive der in der zitierten Begründung des Verordnungsentwurfs in Bezug genommenen Wirtschaftsteilnehmer, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards einhalten müssen, dürften sich diese Unterschiede in erster Linie als Behinderung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 AEUV darstellen. Nach der Rechtsprechung liegt dieser Vorschrift ebenfalls ein weiter Beschränkungsbegriff zugrunde, der alle „nationalen Maßnahmen erfasst , die die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen“.16 Hier verweist die Begründung des Verordnungsentwurfs darauf, dass es eine Belastung für die Wirtschaftsteilnehmer darstelle, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Standards einzuhalten, um dadurch insbesondere auch Investitionen aus anderen Mitgliedstaaten anzuziehen . Es ist davon auszugehen, dass derartige Unterschiede geeignet sind, speziell die grenzüberschreitende Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern und somit als Beschränkung anzusehen sind. 3.1.2.2. Entstehung neuer Hindernisse Ferner erscheint auch die in dem Verordnungsentwurf dargelegte Annahme nachvollziehbar, dass die Mitgliedstaaten in Anbetracht ihrer Verpflichtungen zu umwelt- und klimapolitischen 13 SWD(2018) 264 final, Commission Staff Working Document, Impact Assessment, 24.5.2018, S. 26 f. 14 EuGH, Rs. C-112/05, Kommission/Deutschland, Rn. 19. 15 EuGH, Rs. C-81/09, Idryma Typou, Rn. 56-60. 16 Vgl. nur EuGH, Rs. C-625/17, Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank, Rn. 29. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 9 Zielen versuchen dürften, im Bereich der Kennzeichnungen für nachhaltige Finanzprodukte unkoordiniert und nebeneinander tätig zu werden. Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt der EuGH in einem (etwaigen) gerichtlichen Verfahren diese Einschätzung in Frage stellen könnte. 3.1.2.3. Zum Einwand einer unzulässigen Investitionslenkung Das Auskunftsersuchen bezweifelt, ob eine Lenkung der Finanzströme in nachhaltige Investitionen mit den EU-Verträgen vereinbar ist. Zunächst ist klarzustellen, dass der Verordnungsentwurf weder eine Verpflichtung für Wirtschaftsteilnehmer begründet, nachhaltige Finanzprodukte anzubieten, noch eine Verpflichtung für Investoren begründet, in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren. Der Verordnungsentwurf beschränkt sich darauf, eine einheitliche EU-weite Definition dessen festzulegen, was für Investitionszwecke als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gelten soll, um Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in einem oder mehreren EU-Ländern zu erleichtern.17 Die Lenkungswirkung der vorgeschlagenen Verordnung beschränkt sich somit auf die Erleichterung grenzüberschreitender nachhaltiger Investitionen. Im Lichte dessen sind auch die Ausführungen in den Begründungserwägungen des Verordnungsentwurfs zu sehen, wenn darin von einer Investitionslenkung die Rede ist: „(8) Um die Nachhaltigkeitsziele in der Union zu verwirklichen, müssen Kapitalflüsse hin zu nachhaltigen Investitionen gelenkt werden. Es ist von zentraler Bedeutung, das Potenzial des Binnenmarktes voll auszuschöpfen, um diese Ziele zu erreichen. Zudem muss sichergestellt werden, dass Kapitalflüsse, die in Richtung nachhaltiger Investitionen gelenkt werden, im Binnenmarkt nicht unterbrochen werden. (9) Die Bereitstellung von Finanzprodukten, mit denen ökologisch nachhaltige Ziele verfolgt werden, ist ein wirksames Mittel, um private Investitionen in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken. […] Eine derartige Harmonisierung wird es den Wirtschaftsteilnehmern erleichtern , grenzüberschreitend Finanzmittel für ihre „grünen“ Tätigkeiten zu mobilisieren, da ihre Wirtschaftstätigkeiten dann anhand einheitlicher Kriterien bewertet werden können , wenn es darum geht, zugrunde liegende Werte für ökologisch nachhaltige Investitionen auszuwählen. Die Harmonisierung erleichtert somit die grenzüberschreitende Mobilisierung von Investitionen innerhalb der Union.“ Darüber hinaus steht es im Einklang mit den EU-Verträgen, wenn der Unionsgesetzgeber bei der Errichtung des Binnenmarktes ein hohes Maß an Umweltschutz anstrebt (Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 114 Abs. 3 AEUV). Aufgrund der eingangs zitierten Rechtsprechung des EuGH zur Bedeutung des Gesundheitsschutzes im Rahmen von auf Art. 114 AEUV gestützten Unionsmaßnahmen 17 Siehe Fußnote 2, S. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 10 ist davon auszugehen,18 dass sich der Unionsgesetzgeber auch dann auf die Binnenmarktkompetenz stützen kann, wenn dem Umweltschutz (als einem ebenfalls in Art. 114 Abs. 3 AEUV genannten Ziel) maßgebliche Bedeutung zukommt. Die mit dem Verordnungsentwurf beabsichtigte Erleichterung von Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten steht somit einer Heranziehung von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage nicht entgegen. 3.1.3. Ergebnis Im Lichte der dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die in dem Verordnungsentwurf geltend gemachten Binnenmarkthindernisse im Bereich der Kennzeichnung nachhaltiger Investitionen ein Tätigwerden der Union auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 AEUV rechtfertigen. 3.2. Grundsätzliche Möglichkeit der Bindung der Mitgliedstaaten mittels delegierter Rechtsakte gemäß Art. 290 AEUV Im Weiteren ist der Frage des Auftraggebers nachzugehen, ob es mit den europäischen Verträgen vereinbar ist, die Mitgliedstaaten zur Anwendung der betreffenden Nachhaltigkeitskriterien im Wege der hierfür in dem Verordnungsentwurf vorgesehenen delegierten Rechtssetzung zu verpflichten . Der Unionsgesetzgeber ist in Art. 290 Abs. 1 AEUV ausdrücklich dazu ermächtigt, der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte zu übertragen. Dies darf ausschließlich nicht wesentliche Vorschriften betreffen, und der Umfang der Befugnisübertragung ist in dem Gesetzgebungsakt (sog. Basisrechtsakt) ausdrücklich festzulegen: „Artikel 290 (1) In Gesetzgebungsakten kann der Kommission die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen . In den betreffenden Gesetzgebungsakten werden Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt. Die wesentlichen Aspekte eines Bereichs sind dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen. […]“ Delegierte Rechtsakte werden in aller Regel als (delegierte) Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV erlassen. Je nach Regelungsgehalt und Adressatenkreis kommt indes auch der Erlass einer (delegierten) Richtlinie oder eines (delegierten) Beschlusses gemäß Art. 288 Abs. 3 und 4 AEUV 18 Vgl. EuGH, Rs. C-547/14, Philip Morris Brands u.a., Rn. 60. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 11 in Betracht. Sämtliche Rechtsakte nach Art. 288 Abs. 2-4 AEUV sind verbindlich und können somit auch Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten begründen. Aus Art. 4 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs ergibt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die in der Verordnung festgelegten Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten (Art. 3) und die darüber in Bezug genommenen sechs Umweltziele (Art. 5) anzuwenden, wenn sie innerstaatlich die Anforderungen an die Marktteilnehmer in Bezug auf als „ökologisch nachhaltig “ bezeichnete Finanzprodukte oder Unternehmensanleihen festlegen. Für jedes der Umweltziele ermächtigt eine gesonderte Bestimmung die Kommission zur Festlegung von „technischen Evaluierungskriterien“ anhand deren bestimmt wird, unter welchen Bedingungen für die Zwecke dieser Verordnung davon auszugehen ist, ob eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu dem jeweiligen Umweltziel leistet oder ob sie eines oder mehrere dieser Ziele erheblich beeinträchtigt (Art. 6-11 Abs. 2). Darüber hinaus enthält der Verordnungsentwurf eine Regelung mit besonderen Anforderungen, die die von der Kommission erlassenen technischen Evaluierungskriterien erfüllen müssen (Art. 14). Die zu erlassenden delegierten Rechtsakte zur Festlegung technischer Evaluierungskriterien knüpfen nach der aufgezeigten Konzeption des Verordnungsentwurfs an der Verpflichtung der Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 zur Anwendung der betreffenden Nachhaltigkeitskriterien an. Allgemein ist somit festzuhalten, dass die im Einklang mit den Anforderung des Art. 290 Abs. 1 AEUV sowie denen des Basisrechtsakts erlassenen delegierten Rechtsakte für ihre Adressaten verbindlich sind. 3.3. Rechtliche Bewertung der Überprüfungsklausel in Art. 17 des Verordnungsentwurfs Art. 17 des Verordnungsentwurfs enthält folgende Schlussbestimmung: „Artikel 17 Überprüfungsklausel (1) Bis 31. Dezember 2021 und danach alle drei Jahre veröffentlicht die Kommission einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung. In diesem Bericht wird Folgendes bewertet : a) die Fortschritte bei der Durchführung dieser Verordnung im Hinblick auf die Entwicklung technischer Evaluierungskriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten; b) die gegebenenfalls notwendige Überarbeitung der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien für die Einstufung einer Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig; c) die Zweckmäßigkeit einer Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung auf andere Nachhaltigkeitsziele, insbesondere auf soziale Ziele; Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 12 d) die Verwendung der Begriffsbestimmung für ökologisch nachhaltige Investitionen im Unionsrecht und auf Ebene der Mitgliedstaaten, wobei auch bewertet wird, ob ein Mechanismus zur Überprüfung der Einhaltung der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien eingeführt werden sollte. (2) Der Bericht wird dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt. Die Kommission macht gegebenenfalls begleitende Vorschläge.“ Diese Vorschrift beruht auf der Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung.19 In dieser Vereinbarung ist eine „Ex-post-Evaluierung der geltenden Rechtsvorschriften “ vorgesehen, u.a. in der Form von Überprüfungs- und Verfallklauseln. Das Auskunftsersuchen äußert Zweifel, ob ein lediglich dreijähriger Turnus für die von der Kommission nach Art. 17 des Verordnungsentwurfs zu veröffentlichenden Berichte möglichweise unzureichend ist, und verweist insoweit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2019 zur Bankenunion.20 Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Rahmen der Identitätskontrolle lässt sich jedoch nichts entnehmen , was auf eine Unvereinbarkeit von Art. 17 Verordnungsentwurf mit den europäischen Verträgen hindeuten könnte (hierzu im Einzelnen unter 3.3.1. und 3.3.2.). Vielmehr betrifft das Urteil die spezielle Situation der Europäischen Zentralbank (EZB) als unabhängige europäische Einrichtung , die sekundärrechtlich mit Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung der Bankenaufsicht betraut wurde. Konkret gelangt das Bundesverfassungsgericht in seiner Prüfung zu dem Schluss, dass die sich aus der Unabhängigkeit der EZB ergebenden Einschränkungen („Einflussknicke “) der demokratischen Rückanbindung durch besondere Vorkehrungen wie Rechenschafts - und Berichtspflichten der EZB gegenüber den Organen der Europäischen Union und den nationalen Parlamenten kompensiert werden.21 3.3.1. Vereinbarkeit mit Art. 10 Abs. 1 und 2 EUV Auch das Unionsrecht enthält grundlegende Anforderungen an die demokratische Legitimation von Behörden (Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 2 EUV22), welche mit Blick auf die Kommission insbesondere durch das Ernennungsverfahren (Art. 17 Abs. 7 EUV), ihrer Verantwortlichkeit gegenüber der dem Europäischen Parlament (Art. 17 Abs. 8 EUV) und ihrer Verpflichtung zur Beantwortung von Fragen des Europäischen Parlaments oder seiner Mitglieder (Art. 230 Abs. 2 AEUV) sichergestellt werden. Darüber hinaus unterliegt die Kommission einer jährlichen Berichtspflicht (Art. 249 Abs. 2, Art. 233 AEUV). 19 Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung, ABl. L 123, 12.5.2016. 20 BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2019, 2 BvR 1685/14 u. 2 BvR 2631/14 21 BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2019, 2 BvR 1685/14 u. 2 BvR 2631/14, Rn. 208 ff, insb. Rn. 212. 22 Näher hierzu BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2019, 2 BvR 1685/14 u. 2 BvR 2631/14, Rn. 135. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 13 Nach dem Verordnungsentwurf kommt der Kommission im Rahmen der Durchführung der Bestimmungen dieser Verordnung keine der EZB vergleichbare unabhängige Stellung zu, der durch besondere Vorkehrungen hinsichtlich ihrer demokratischen Rückanbindung Rechnung zu tragen wäre. Näher besehen, enthält der Verordnungsentwurf keine Regelung über ihren administrativen Vollzug. Soweit die Kommission aufgrund der ihr nach dem Verordnungsentwurf übertragenen Befugnisse delegierte Rechtsakte erlassen kann, wird sie rechtsetzend tätig. Hierbei wird sie überdies in verschiedener Weise kontrolliert und begrenzt. Die Kommission ist nicht nur verpflichtet, vor Erlass eines delegierten Rechtsaktes die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen zu konsultieren (Art. 16 Abs. 4). Ferner können das Europäische Parlament sowie der Rat zum einen das Inkrafttreten einzelner delegierter Rechtsakte durch Ausübung ihres Einspruchsrechts verhindern (Art. 16 Abs. 6) und zum anderen können sie auch die Befugnisübertragung als solche widerrufen. Schließlich dürfen delegierte Rechtsakte gemäß Art. 290 Abs. 1 AEUV lediglich zur Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes erlassen werden. Vor diesem Hintergrund ist ein Verstoß des Art. 17 Verordnungsentwurfs gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der repräsentativen Demokratie gemäß Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 2 EUV nicht zu erkennen. 3.3.2. Vereinbarkeit mit Art. 17 Abs. 1 und 2 EUV In der Sache betrifft die Überprüfungsklausel in Art. 17 des Verordnungsentwurfs vielmehr die allgemeine Verpflichtung der Kommission, die Interessen der Union zu fördern und dementsprechend auch ihr Initiativrecht zum Erlass von Gesetzgebungsakten auszuüben (Art. 17 Abs. 1 und 2 EUV). Hierbei kommt der Kommission grundsätzlich ein weites Ermessen zu.23 Soweit der Unionsgesetzgeber der Kommission in bestimmten Bereichen Mindestanforderungen hinsichtlich der regelmäßigen Überprüfung geltender Rechtsvorschriften auferlegt, wie in Art. 17 des Verordnungsentwurfs , gehen diese Anforderung über den Rahmen des Art. 17 Abs. 1 EUV hinaus. In diesem Zusammenhang erscheint es im Übrigen angesichts des Initiativmonopols der Kommission auch sachgerecht, gerade ihr entsprechende Berichtspflichten aufzuerlegen und sie damit zu einer Auseinandersetzung mit der Zweckmäßigkeit der bestehenden Rechtsvorschriften in diesem Bereich zu verpflichten. In Anbetracht des grundsätzlich weiten Ermessens der Kommission hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Förderung des europäischen Gemeinwohls ist davon auszugehen, dass die in Art. 17 des Verordnungsentwurfs vorgesehene Überprüfung über die Anforderungen des Art. 17 Abs. 1 EUV hinausgeht und dieser Vertragsbestimmung somit jedenfalls keine weitergehenden Anforderungen hinsichtlich der Überprüfung geltender Rechtsvorschriften zu entnehmen sind. 23 Haratsch, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Art. 17 EUV, Rn. 3; Martenczuk, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 EUV, Rn. 12; Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 17 EUV, Rn. 33. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 14 4. Gesellschaftsrechtliche Friktionen? Gemäß § 91 Absatz 2 AktG24 hat der Vorstand der Aktiengesellschaft geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Gefragt wird, ob die durch den Verordnungsentwurf beabsichtigte Regulierung mit dieser Regelung zu vereinbaren wäre. 4.1. Risikomanagement und Überwachungssystem im deutschen Gesellschaftsrecht § 91 Absatz 2 AktG wurde mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)25 eingeführt. Mit der Regelung sollte die „Verpflichtung des Vorstands, für ein angemessenes Risikomanagement und für eine angemessene interne Revision zu sorgen, … verdeutlicht werden.“26 Die konkrete Ausformung der Pflicht sei unter anderem von der Größe, Branche, Struktur und dem Kapitalmarktzugang des jeweiligen Unternehmens abhängig.27 Zu den den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen gehörten insbesondere risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften , die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.28 Auf die Aufnahme einer entsprechenden Regelung im GmbHG29 war verzichtet worden, da davon auszugehen sei, dass für Gesellschaften mit beschränkter Haftung je nach ihrer Größe, Komplexität ihrer Struktur usw. nichts anderes gelte und die Neuregelung Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen habe.30 Unter einer Entwicklung im Sinne des § 91 Absatz 2 AktG sind unternehmensbezogene nachteilige Veränderungen und Prozesse zu verstehen, die zu einer so genannten Bestandsgefährdung führen.31 Eine solche Bestandsgefährdung liegt vor, wenn sich nachteilige Veränderungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft wesentlich auswirken, worunter nicht nur 24 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446) geändert worden ist. 25 Gesetz vom 27.04.1998, BGBl. I S. 786. Gesetzentwurf auf BT-Drs. 13/9712 vom 28.01.1998. 26 Gesetzentwurf auf BT-Drs. 13/9712 vom 28.01.1998, S. 15. 27 BT-Drs. 13/9712, S. 15. 28 BT-Drs. 13/9712, S. 15. 29 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446) geändert worden ist. 30 BT-Drs. 13/9712, S. 15. 31 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 91 AktG Rn. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 15 risikobehaftete Geschäfte fallen, sondern auch Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften.32 Es muss sich im Ergebnis um ein Risiko handeln, das das Insolvenzrisiko der Gesellschaft erheblich steigert oder hervorruft.33 Das einzurichtende Überwachungssystem hat nicht zum Gegenstand, die negativen Entwicklungen zu entdecken, sondern soll die Umsetzung und Einhaltung der eingeleiteten Maßnahmen zur Früherkennung kontrollieren und dabei sicherzustellen, dass eine interne Revision und ein sachgerechtes Controlling eingerichtet sind, die ihre jeweiligen Kenntnisse zeitnah an den Vorstand weitergeben.34 Nicht aus § 91 Absatz 2 AktG abgeleitet werden kann nach herrschender Meinung jedoch eine Pflicht zur Einrichtung eines allumfassenden Risikomanagements.35 4.2. Friktionen zwischen Verordnungsentwurf und deutschem Gesellschaftsrecht? Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die oben genannten Regelungsansätze des EU-Verordnungsentwurfs mit den Bestimmungen in § 91 Absatz 2 AktG konfligieren könnten. So soll der Verordnungsentwurf zum einen keine Ge- oder Verbote für Teilnehmer am Privatrechtsverkehr und mithin auch nicht für das Agieren der Geschäftsleitung einer Aktiengesellschaft oder einer sonstigen Handelsgesellschaft errichten, sondern lediglich eine einheitliche Begrifflichkeit hinsichtlich der Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit und darauf fußend von nachhaltigen Investitionen schaffen. Der Verordnungsentwurf selbst soll offenbar keine Verpflichtungen für Kunden, Gesellschafter, Eigentümer etc. zum Abschluss bestimmter und der Untersagung anderer Rechtsgeschäfte etablieren. Zudem soll die begriffsbildende Geltung gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung von vornherein auch nur für bestimmte, für sich Nachhaltigkeit reklamierende Angebote gelten: „(2) Die Verordnung gilt für a) von den Mitgliedstaaten oder der Union verabschiedete Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an Marktteilnehmer in Bezug auf Finanzprodukte oder Unternehmensanleihen , die als ökologisch nachhaltig vermarktet werden; b) Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte als ökologisch nachhaltige Investitionen oder Investitionen mit ähnlichen Merkmalen anbieten.“ (Hervorhebung hinzugefügt) Selbst dann, wenn mit einer EU-Verordnung Pflichten zur Berücksichtigung bestimmter zertifizierter Investitionen etabliert würden, würde ein etwaiger Konflikt mit deutschem Handels- und Gesellschaftsrecht dazu führen, dass die der europäischen Regelung entgegenstehenden deut- 32 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 91 AktG Rn. 7. 33 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 91 AktG Rn. 7. 34 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 91 AktG Rn. 9. 35 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 91 AktG Rn. 9 m.w.N. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 101/19; WD 7 - 3000 - 177/19 Seite 16 schen Normen, so sie nicht europarechtskonform ausgelegt werden könnten, unangewendet blieben , so dass sich der Normadressat keinen widersprüchlichen Handlungsmaßgaben ausgesetzt sähe.36 Insofern ist auch nicht ersichtlich, woraus sich gegebenenfalls eine Haftung von für die Gesellschaft handelnden Personen ergeben können sollte, da ein Handeln entsprechend der geltenden – ggf. europäischen – Rechtslage haftungsrechtlich kaum als pflichtwidrig eingestuft werden könnte bzw. gegebenenfalls die entsprechende deutsche Haftungsnorm wie gesehen europarechtskonform auszulegen wäre oder, wenn dies nicht möglich ist, unangewendet bliebe.37 Fachbereich Europa 36 Vgl. nur Mankowski/Hölscher/Gerhardt, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 38 Rn. 127 f. 37 Vgl. zum Haftungsmaßstab Goette/Goette, Managerhaftung: Abgrenzung unternehmerischer Entscheidungen nach Maßgabe der Business Judgement Rule von pflichtverletzendem Handeln, DStR 2016, 815.