PE 6-3000-097/19 (25. Oktober 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der Fachbereich ist um Auskunft gebeten worden, ob die Rom I-Verordnung zu einer Vollharmonisierung des Internationalen Privatrechts (IPR) in ihrem Geltungsbereich geführt hat und ob für den nationalen Gesetzgeber Möglichkeiten bestehen, davon abweichend eigenständige Regeln einzuführen. Gefragt wird auch, ob es möglich sei, national eine Regelung zu treffen, die die Spezialvorschriften des Art. 5 Rom I-Verordnung für deutsche Verbraucher verschärft, sodass ein höheres Verbraucherschutzniveau erreicht wird. 1. Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (nachfolgend: Rom I-Verordnung)1 enthält Kollisionsregeln, anhand derer das für vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht der Mitgliedstaaten zu ermitteln ist. Der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung wird durch deren Art. 1 bestimmt. Hiernach findet diese für alle vertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen Anwendung , die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Nicht anwendbar ist die Rom I-Verordnung für die dort in Art. 1 Abs. 2 aufgeführten Materien. In zeitlicher Hinsicht gilt die Rom I-Verordnung nach ihrem Art. 28 für alle Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Ist der Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung eröffnet, so ist das anwendbare Recht nach den Kollisionsnormen dieser Verordnung zu ermitteln. Nach Art. 3 Rom I-Verordnung gilt der Grundsatz der Rechtswahlfreiheit, d.h. die Parteien können grundsätzlich frei entscheiden, welches Recht auf ihren Vertrag Anwendung finden soll.2 Liegt weder eine ausdrückliche noch eine 1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl L 177/6. 2 Weller/Hategan JuS 2016, 969 (971). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Gestaltungsspielräume des nationalen Gesetzgebers zur Einführung von IPR- Regeln im Geltungsbereich der Rom I-Verordnung Kurzinformation Gestaltungsspielräume des nationalen Gesetzgebers zur Einführung von IPR-Regeln im Geltungsbereich der Rom I-Verordnung Fachbereich Europa (PE 6) Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Seite 2 stillschweigende Rechtswahl vor, so bestimmt sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach Art. 4, der für verschiedene Vertragsformen unterschiedliche Anknüpfungsregeln bereithält, sowie nach den für besondere Vertragsformen geltenden Art. 5 ff. Rom I-Verordnung. 2. Das Verhältnis der Rom I-Verordnung zu dem IPR der Mitgliedstaaten Als Unionsrecht geht die Rom I-Verordnung nationalem Recht vor. Das europäische Kollisionsrecht ist innerhalb der EU zudem autonom und einheitlich auszulegen3 und unterliegt dem Auslegungsmonopol des EuGH.4 Als Verordnung hat diese allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 288 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Demgemäß eröffnet Art. 3 Nr. 1 EGBGB – mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts deklaratorisch – den Anwendungsbereich für nationales IPR, soweit nicht unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Union in ihrer jeweils geltenden Fassung, insbesondere […] die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I),[…] maßgeblich sind.5 Da der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung – vorbehaltlich der unter 1. genannten Bereichsausnahmen – für vertragliche Schuldverhältnisse umfassend ist, lässt diese Verordnung in ihrem Anwendungsbereich für ein nationales Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse keinen Gestaltungsspielraum.6 Dies dürfte auch für das in Art. 5 Rom I-Verordnung normierte Kollisionsrecht gelten, das eine umfassende Kollisionsregel für Personen- und Güterbeförderungsverträge vorsieht.7 3 EuGH, Urt. v. 1.03.2018, C-558/16 (Mahnkopf). 4 Looschelders, in: Staudinger, BGB-Kommentar, Einleitung IPR, 2019, Rn. 537. 5 Dazu näher Hausmann, in: Staudinger, BGB-Kommentar, 2013, Art. 3 EGBGB Rn. 18. 6 Hausmann, in: Staudinger, BGB-Kommentar, 2013, Art. 3 EGBGB Rn. 18 7 Clausnitzer/Woopen, BB 2008, 1798 (1800).