Deutscher Bundestag Ratingagenturen im Recht der Europäischen Union Rechtsrahmen, rechtlich verbindliche Folgen aus einer schlechten Bewertung eines Staates für Banken, Finanzinstitute, Hedgefonds etc., Haftung von Ratingagenturen, internationale Regeln Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 95/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 2 Ratingagenturen im Recht der Europäischen Union Rechtsrahmen, rechtlich verbindliche Folgen aus einer schlechten Bewertung eines Staates für Banken, Finanzinstitute, Hedgefonds etc., Haftung von Ratingagenturen, internationale Regeln Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 95/11 Abschluss der Arbeit: 15. Juli 2011 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Unionsrechtliche Vorschriften über Ratingagenturen 7 2.1. Verordnung über Ratingagenturen 1060/2009/EG 7 2.1.1. Wesentlicher Inhalt der Verordnung 8 2.1.1.1. Registrierungs- und Aufsichtsregime 8 2.1.1.2. Unabhängigkeit/Vermeidung von Interessenkonflikten 9 2.1.1.3. Qualität 10 2.1.1.4. Transparenz 10 2.1.2. Umsetzung in Deutschland 10 2.1.3. Weitere Konsultation der Kommission zu Ratingagenturen 11 2.2. Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG 12 2.2.1. Basel II-Empfehlungen 12 2.2.2. Umsetzung auf Ebene der EU 12 2.2.3. Umsetzung in Deutschland 14 2.2.4. Probleme durch Einbeziehung von externen Ratings in das Finanzaufsichtsrecht 14 2.3. Marktmissbrauchsrichtlinie 2006/3/EG 15 2.3.1. Keine Anwendbarkeit auf Vorschriften über sachgerechte Darbietung von Anlageinformationen 15 2.3.2. Anwendbarkeit der Vorschriften über Insiderrecht und Marktmanipulation 16 2.4. Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG 16 3. Welche rechtlich verbindlichen Folgen ergeben sich aus einer (schlechten) Bewertung eines Staates (z. B. als CCC oder C/D default) für Banken, Finanzinstitute, Hedgefonds u.a., die einem Staat einen Kredit gewähren wollen? 18 3.1. Verbindliche Folgen aus den europäischen und nationalen Eigenkapitalvorschriften bei schlechten Ratings von Staaten? 18 3.1.1. Ermittlung der erforderlichen Eigenkapitalquote 18 3.1.2. Eigenkapitalquote bei Forderungen an Zentralstaaten oder Zentralnotenbanken aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 18 3.2. Rechtlich verbindliche Folgen aus nationalen Rechtsvorschriften 19 3.2.1. Unmittelbare gesetzliche Auswirkungen 19 3.2.2. Mittelbare gesetzliche Auswirkungen 21 3.3. „Rating Triggers“ in privatrechtlichen Verträgen 21 4. Wie ist die Haftbarkeit von Ratingagenturen geregelt? 22 4.1. Haftung nach Unionsrecht 22 4.2. Haftung nach deutschem Recht 22 4.3. Haftung nach amerikanischem Recht 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 4 5. Internationale Regeln 25 5.1. Code of Conduct Fundamentals for credit rating agencies (IOSCO- Kodex) 25 5.2. Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings des Financial Stability Boards (FSB) 25 5.3. Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 5 1. Einleitung Spätestens seit der erneuten Herabstufung Portugals auf die Note „Ba2“ durch die Ratingagentur Moody’s am 5. Juli 2011 stehen die internationalen Ratingagenturen massiv in der politischen und journalistischen Kritik. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf den Ratingagenturen Willkür vor: Er könne nicht erkennen, was der Einschätzung der Ratingagentur in Bezug auf Portugal zugrunde liege.1 Auch auf Seiten der Europäischen Kommission (Kommission) wird Kritik geäußert: Der Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Michel Barnier hinterfragte, ob die Benotung von Ländern, die internationale Hilfe bekommen, angemessen sei, und stellte am 11. Juli 2011 eine Aussetzung jeglicher Bewertungen von Staaten zur Diskussion, denen durch internationale Hilfsprogramme geholfen wird.2 Zuvor hatte sich die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde in ähnlicher Weise geäußert. Barnier forderte die polnische Ratspräsidentschaft auf, das Thema auf die Tagesordnung eines der kommenden Treffen des Rates Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) zu setzen (vgl. zur Aussetzung von Ratings Ziffer 2.1.1.1). Barnier kündigte zudem an, am 20. Juli 2011 den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen3 als Kapitalanforderungsrichtlinie (CRD IV)4 vorzulegen .5 Dieser Vorschlag stellt eine Umsetzung der sog. Basel III-Empfehlungen6 des Ausschusses für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) dar. Im Vorschlag enthalten sein sollen erste Maßnahmen zur Begrenzung des Einflusses der Ratingagenturen. Konkret sollen die Anforderungen an Banken, eigene Risikoanalysen vorzunehmen, erhöht werden , so dass sie nicht länger „automatisch und mechanisch“ auf externe Ratings vertrauen. In eine andere Richtung zielen Vorschläge, die Marktmacht der Ratingagenturen einzuschränken . So hat etwa die Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Viviane Reding dazu aufgefordert, entweder das Kartell der drei amerikanischen Ratingagenturen zu zerschlagen oder 1 Zitiert nach Bremser/Schäder, Warum Portugal in der Abwärtsspirale steckt, Financial Times Deutschland vom 6. Juli 2011. 2 Barnier, The new European Securities and Markets Authority: helping enhance the resilence of financial markets , Rede/11/514 vom 11. Juli 2011, S. 3, online abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction .do?reference=SPEECH/11/514&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en (letzter Abruf: 15. Juli 2011); vgl. auch Mussler/Plickert, EU-Kommission will Rating für gestützte Euro-Staaten verbieten, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Juli 2011; Berschens/Sigmund, Ratingagenturen unter Beschuss, Handelsblatt vom 12. Juli 2011, S. 4. 3 Mit der Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen werden die Bankenrichtlinie 2006/48/EG und die Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG verstanden, die die Umsetzung der Basel II-Empfehlungen des Ausschusses für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) darstellen (s. hierzu Ziffer 2.2). 4 Die öffentliche Anhörung hierzu fand am 26. April 2011 statt, vgl. http://ec.europa.eu/internal_market /bank/docs/regcapital/CRD4_hearing_26042010/agenda_en.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011) 5 Barnier, s. Fn. 2. 6 S. Becker/Böttger/Ergün/Müller, Basel III und die möglichen Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung, DStR 2011, S. 375. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 6 neue unabhängige europäische und asiatische Ratingagenturen zu schaffen.7 Vorschläge in eine ähnliche Richtung hat auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geäußert.8 Neben der Politik stellt auch die Wissenschaft Wettbewerbsdefizite fest.9 Nach allgemeiner Einschätzung wird der internationale Rating-Markt zurzeit zu 95 % von den drei Ratingagenturen Standard & Poor’s (40 % Marktanteil), Moody’s (40 % Marktanteil) und FitchRatings (15 % Marktanteil) dominiert.10 Die restlichen 5 % entfallen auf über 100 kleine nationale und auf Marktnischen spezialisierte Ratingagenturen.11 Die Entwicklung der Konkurrenz im Ratingmarkt wird dabei dadurch erschwert, dass Ratingagenturen in besonderem Maße von ihrer Reputation abhängig sind. Denn Unternehmen stützen sich bei der Wahl einer Ratingagentur auf einen langjährigen „track record“, der zeigt, dass die Ratingagentur über einen langen Zeitraum zutreffende Einschätzungen geliefert hat.12 Gleichwohl haben in der Europäischen Union (EU) im Herbst 2010 mehr als 20 Ratingagenturen eine Zulassung beantragt.13 Die Kritik an der Tätigkeit der Ratingagenturen im Zusammenhang mit der Bewertung von Staaten fußt auch auf den Schwierigkeiten, die insbesondere Staatenratings aufwerfen: Erstens beruhen Ratings von Staaten im Gegensatz zu Ratings von sonstigen Emittenten im Wesentlichen auf öffentlich zugänglichen Informationen, wie z. B. Wirtschaftswachstum, Grad der öffentlichen Verschuldung, Währungsreserven und allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Während bei sonstigen Emittenten auch geheime Informationen aus den Unternehmen an die Marktteilnehmer weitergegeben werden, kann das Rating als „vorauslaufender Indikator“ bei Staaten daher nicht gleichermaßen funktionieren.14 Zweitens ist es bei Ratings von Staaten ungleich schwieriger, die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls zu definieren, da Insolvenzen von Staaten im Gegensatz zu Insolvenzen von Unternehmen nicht gesetzlich geregelt sind. Des 7 Welt Online, „Reding kritisiert Ratingagenturen scharf“, 11. Juli 2011; vgl. auch Die Zeit online vom 11. Juli 2011, „EU-Kommissarin will Rating-Agenturen zerschlagen“. 8 Die Zeit online vom 11. Juli 2011, „EU-Kommissarin will Rating-Agenturen zerschlagen“: „Wir müssen das Oligopol der Rating-Agenturen brechen.“ 9 Vgl. etwa Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (607). 10 Vgl. etwa Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (8); Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung von Rating-Agenturen, 2009, S. 34; Möllers, Von Standards zum Recht – auf dem Weg zu einer Regulierung der Ratingagenturen in Europa und den USA, Zeitschrift für Juristische Studien (ZJS) 2009, S. 227 (227). 11 Herfurth, Die Regulierung von Ratingagenturen unter Basel II, 2010, S. 55; Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen , Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (8). 12 Möllers, Von Standards zum Recht – auf dem Weg zu einer Regulierung der Ratingagenturen in Europa und den USA, ZJS 2009, S. 227 (227); ders., Regulierung von Ratingagenturen, JZ 2009, S. 861 (861 f.); Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, S. 402 (403). 13 Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (12). 14 Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (10). Vgl. auch Interview mit dem Deutschland-Chef von Standard & Poor’s in die Tageszeitung vom 14. Juli 2011: „Sämtliche Zahlen sind ja verfügbar, in Europa zum Beispiel über Eurostat. Diese Zahlen werden ergänzt durch einen Dialog mit den Finanzministern.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 7 Weiteren kommt es bei Staaten eher auf den Willen zur Erfüllung der Verpflichtungen an als auf die reine wirtschaftliche Fähigkeit hierzu.15 Sie können sich beispielsweise zusätzliche Einnahmen verschaffen durch die Erhebung von Steuern, Abgaben oder durch Privatisierungen. 2. Unionsrechtliche Vorschriften über Ratingagenturen Die Diskussion um eine stärkere Regulierung von Ratingagenturen ist vergleichsweise neu und wird erst seit der internationalen Finanzmarktkrise im Jahr 2008 weithin geführt. Noch im Jahr 2006 vertrat die Kommission in einer „Mitteilung über Rating-Agenturen“ die Auffassung, dass in Bezug auf die Tätigkeit von Ratingagenturen keine neuen Legislativvorschläge – über die bis dahin bestehenden Rechtsakte im Wertpapier- und Bankenbereich (s. Ziffer 2.2) – erforderlich seien.16 2.1. Verordnung über Ratingagenturen 1060/2009/EG Mit der Finanzmarktkrise setzte allerdings ein Umdenken bei den europäischen Institutionen ein.17 Mit der am 7. Dezember 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen 18 (Ratingverordnung) schuf der europäische Gesetzgeber weltweit erstmalig19 auf der Grundlage von Art. 95 EGV (heute: Art. 114 AEUV) einen Aufsichtsrahmen für die in der EU tätigen Ratingagenturen. Mit einer am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Änderungsverordnung20 ist die Ratingverordnung im wesentlichen Punkten geändert worden. 15 Vgl. Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (10). 16 Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, ABl. 2006 C 59/02, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2006:059:0002:0006:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 17 Vgl. Deipenbrock, Das europäische Modell einer Regulierung von Ratingagenturen – aktuelle praxisrelevante Rechtsfragen und Entwicklungen, RIW 2010, S. 612 (613). 18 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen , ABl. L 302/1, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2009R1060:20091207:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011); Änderungsverordnung s. Fn. 20. 19 Ludewig, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Auflage 2011, § 17 WpHG, Rdnr. 2; vgl. Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, S. 402 (405). 20 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011, ABl. L 145/20, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2011:145:0030:0056:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 8 2.1.1. Wesentlicher Inhalt der Verordnung Die Ratingverordnung enthält Regelungen erstens zur Unabhängigkeit von Ratingagenturen und zur Vermeidung von Interessenkonflikten, zweitens zur Qualität der Ratings, drittens zu Angabe - und Transparenzpflichten sowie viertens zu Registrierung von und zur Aufsicht über Ratingagenturen (vgl. Regelungsgegenstand in Art. 1 Ratingverordnung). Die Vorschriften gelten nur für in der EU registrierte Agenturen (Art. 2 Ratingverordnung). 2.1.1.1. Registrierungs- und Aufsichtsregime Seit Dezember 2010 dürfen Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung etc. nur noch Ratings verwenden, die von in der EU sitzenden und registrierten Agenturen abgegeben werden (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1. Ratingverordnung).21 Das in Titel III geregelte Registrierungsverfahren gilt als „institutionelles Herzstück“ der Ratingverordnung .22 Die Ratingagenturen müssen ihren Antrag auf Registrierung seit Inkrafttreten der Änderungsverordnung bei der am 1. Januar 2011 errichteten Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)23 mit Sitz in Paris stellen (Art. 15 Abs. 1 Ratingverordnung). Im Gegensatz zur Ursprungsfassung der Ratingverordnung werden die Anträge auf Registrierung nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung sodann auch von der ESMA selbst geprüft und nicht länger durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates (in Deutschland: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)24) und das sog. Kollegium der zuständigen Behörden. Die Antragsprüfung ist in Artikeln 16 und 17 der Ratingverordnung geregelt. Die Registrierung kann bei Fehlverhalten, Verzicht und fehlender Abgabe neuer Ratings widerrufen werden (Art. 20 Ratingverordnung ). Auch die Aufsicht über die Ratingagenturen ist von den nationalen Behörden nun komplett auf die ESMA übertragen worden (vgl. Art. 21 Abs. 1 Ratingverordnung). Die ESMA überwacht Verstöße gegen die Ratingverordnung, die in Anlage 3 zur Ratingverordnung abschließend aufgelistet sind (54 denkbare Verstöße im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, organisatorischen 21 Eine Liste aller registrierten Ratingagenturen ist auf der Homepage der Europäischen Kommission abrufbar: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/agencies/list_de.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 22 Deipenbrock, Das europäische Modell einer Regulierung von Ratingagenturen – aktuelle praxisrelevante Rechtsfragen und Entwicklungen, RIW 2010, S. 612 (616). 23 Errichtet durch Verordnung (EU) Nr. 1095/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. L 331/84, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2010:331:0084:0119:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Vgl. allgemein zu den drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden: Baur/Boegl, Die neue europäische Finanzmarktaufsicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, S. 177 ff. 24 S. hierzu Ziffer 2.1.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 9 und operationellen Anforderungen, 8 denkbare Verstöße im Zusammenhang mit Aufsichtstätigkeiten , 11 denkbare Verstöße im Zusammenhang mit Vorschriften zur Offenlegung). Für ihre Aufsichtstätigkeit hat die ESMA umfangreiche Auskunfts- und Ermittlungsrechte erhalten (Art. 23a bis 23d Ratingverordnung). Sie kann z. B. Dokumente und Daten anfordern, Personen vorladen und anhören und auch vor Ort ggf. unangekündigte Besuche durchführen. Die Aufsichtsmaßnahmen sind in Art. 24 Ratingverordnung geregelt. Stellt der Rat der Aufseher der ESMA einen der in Anlage 3 aufgelisteten Verstöße fest, kann er folgende Beschlüsse erlassen : 1) Widerruf der Registrierung der Ratingagentur, 2) vorübergehendes Verbot zur Abgabe von Ratings, 3) Aussetzung der Verwendung von Ratings dieser Ratingagentur für aufsichtsrechtliche Zwecke, 4) Aufforderung an die Ratingagentur, einen Verstoß zu beenden, 5) öffentliche Bekanntmachung . Vor dem Beschluss sind die Betroffenen anzuhören (Art. 25 Ratingverordnung). Die von Kommissar Barnier zur Diskussion gestellte Aussetzung der Ratings von Staaten, die durch internationale Hilfsprogramme unterstützt werden, ist damit der Art nach als Rechtsfolge auch in der bestehenden Ratingverordnung schon vorgesehen. Tatbestandlich könnte die Verordnung entsprechend erweitert werden. Die ESMA ist befugt, den Ratingagenturen bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung des Verstoßes Geldbußen nach einem festen Katalog (für einzelne Verstöße bis zu 750 000 Euro) und in bestimmten Konstellationen (zusätzlich) Zwangsgelder aufzuerlegen (in Höhe von Tagessätzen von 3 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes bzw. 2 % des durchschnittlichen Tageseinkommens einer natürlichen Person), vgl. Art. 36a und 36b Ratingverordnung. Die Nachprüfung verhängter Geldbußen und Zwangsgelder obliegt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Art. 36e Ratingverordnung. 2.1.1.2. Unabhängigkeit/Vermeidung von Interessenkonflikten Gemäß Art. 6 Abs. 1 Ratingverordnung haben die Ratingagenturen alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Ratings unabhängig, ohne Beeinflussung durch Interessenkonflikte abgegeben werden. Anhang I Abschnitte A und B stellen hierfür detaillierte organisatorische und operationelle Anforderungen auf. In organisatorischer Hinsicht muss eine Ratingagentur beispielsweise über ein Verwaltungs- und Aufsichtsorgan verfügen; die Geschäftsleitung muss gewährleisten, das die Vorgaben der Ratingverordnung eingehalten werden (Anhang I, Abschnitt A, Ziffer 1). Hervorzuheben ist, dass mindestens ein Drittel der Mitglieder, jedoch nicht weniger als zwei Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einer Ratingagentur, unabhängige Mitglieder sein müssen, die nicht in Ratingtätigkeiten eingebunden sind. Die Vergütung dieser Mitglieder darf nicht vom geschäftlichen Erfolg der Ratingagentur abhängen (aaO, Ziffer 2). Des Weiteren müssen Ratingagenturen Überprüfungsstellen schaffen, die regelmäßig ihre Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen überprüfen (aaO, Ziffer 9). In operationeller Hinsicht sind in Anhang I, Abschnitt B im Wesentlichen Veröffentlichungspflichten , das Verbot der Erstellung von Ratings und Beratungsleistungen in bestimmten Fällen, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 10 die besondere Gestaltung der Berichts- und Kommunikationskanäle und Dokumentationspflichten niedergelegt.25 So muss die Ratingagentur z. B. die Namen der bewerteten Unternehmen oder verbundenen Dritten veröffentlichen, von denen sie mehr als 5 % ihres Jahreseinkommens erhält. Ferner dürfen die Ratingagenturen in den Fällen, in denen Interessenkonflikte deutlich werden, entweder kein Rating abgeben oder müssen sofort mitteilen, dass das Rating möglicherweise betroffen ist (Anhang I, Abschnitt B, Ziffer 2). Wesentlich ist auch, dass es Ratingagenturen verboten ist, Beratungsleistungen für bewertete Unternehmen zu erbringen (aaO, Ziffer 4). 2.1.1.3. Qualität Zur Sicherstellung der Qualität der Ratings werden erstens Anforderungen an die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen gestellt (Art. 7 Ratingverordnung). Zweitens werden in Art. 8 Ratingverordnung Anforderungen an die Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen für Ratings in qualitativer Hinsicht gestellt. 2.1.1.4. Transparenz Verschiedene Vorschriften der Ratingverordnung haben die Transparenz des Ratingverfahrens zum Gegenstand.26 Art. 8 Abs. 1 Ratingverordnung verpflichtet die Ratingagenturen offenzulegen, welche Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen sie bei ihren Ratingtätigkeiten verwenden . Artikel 10 und 11 der Ratingverordnung regelt die Bekanntgabe und Präsentation von Ratings. Beispielsweise muss eine Ratingagentur auch die Grundsätze und Verfahren für unbeauftragte Ratings, wie sie regelmäßig bzgl. Staaten vorliegen, offenlegen und diese als solche kennzeichnen (Art. 10 Abs. 4, 5 Ratingverordnung). Ratingagenturen haben ferner jährlich einen Transparenzbericht zu veröffentlichen (Art. 12 Ratingverordnung). 2.1.2. Umsetzung in Deutschland Als Verordnung der EU ist die Ratingverordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. Ihre Regelungen sind allerdings durch ein Ausführungsgesetz u. a. hinsichtlich der Zuständigkeitsregeln (vgl. Art. 22 Ratingverordnung) in Deutschland praktisch anwendbar gemacht worden .27 Durch eine Änderung von § 17 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist zunächst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Behörde im Sinne der Ratingverordnung benannt worden. Mit der Etablierung der ESMA sind die Befugnisse jedoch wiederum weitgehend zurück auf eine europäische Institution übergegangen. 25 Aufteilung nach Deipenbrock, Mehr Licht? – Der Vorschlag einer europäischen Verordnung über Ratingagenturen , WM 2009, S. 1165 (1170). 26 Vgl. ausführlich Deipenbrock, Mehr Licht? – Der Vorschlag einer europäischen Verordnung über Ratingagenturen , WM 2009, S. 1165 (1171 f.); Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, Der Betrieb 2010, S. 941 (944). 27 Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung), BGBl. I 2010 S. 786. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 11 2.1.3. Weitere Konsultation der Kommission zu Ratingagenturen Im November 2010 hat die Kommission eine umfassende Konsultation zum Thema Ratingagenturen eingeleitet, die mittlerweile abgeschlossen ist.28 Die Konsultation betrifft folgende Fragenkreise : 1) Zu großes Vertrauen: Rechtfertigung des Umfangs der bestehenden Verweise in Gesetzen auf Ratings? Eigene Due-Diligence-Prüfung der Anleger?, 2) Verbesserung der Staatsanleihe- Ratings: Verbesserung der Transparenz, Überwachung, Methodik und der Verfahren von Staatsanleihe -Ratings, 3) Wettbewerb: Möglichkeiten zur Diversifizierung?, 4) Haftung: Einführung einer Haftungsregelung im EU-Regulierungsrahmen?, 5) Interessenkonflikte: Alternative Modelle zur Beauftragung und Zahlung der Ratings durch die Emittenten.29 Rechtssetzungsvorschläge sollen dieses Jahr vorgelegt werden. 28 Vgl. Pressemitteilung der Kommission „Finanzdienstleistungen: Europäische Kommission leitet Konsultation zum weiteren Vorgehen bei Ratingagenturen ein“, IP/10/1471. 29 Vgl. hierzu Bremer, EU-Konsultationen zu Ratingagenturen, NZG 2011, S. 100. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 12 2.2. Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG 2.2.1. Basel II-Empfehlungen Der gewachsene Einfluss von Ratingagenturen resultiert auch aus der seit einigen Jahren praktizierten Einbeziehung von externen Ratings in das europäische und nationale Finanzaufsichtsrecht .30 Eine erste explizite Einbeziehung von Ratingagenturen in europäische Regulierungsstrukturen der Finanzaufsicht resultierte aus den Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zur Eigenkapitalmessung und den Eigenkapitalanforderungen für Banken von 2004 – bekannt als „Basel II“.31 Nach den Basel-II-Empfehlungen sind Banken verpflichtet, für risikogeneigte Geschäfte in gewisser Höhe Mindesteigenkapital als „Puffer“ für eventuelle Verluste zurückzubehalten .32 Zur Berechnung der Mindestkapitalanforderungen für das Kreditrisiko gibt der Basler Ausschuss den Banken die Wahl zwischen zwei grundlegenden Methoden: Die eine Methode ist die standardisierte Messung des Kreditrisikos, unterstützt durch externe Bonitätsbeurteilungen (= Standardmethode).33 Nach der anderen Methode, die von der zuständigen Bankenaufsicht ausdrücklich genehmigt werden muss, ist es den Banken gestattet, ihre internen Rating -Systeme für das Kreditrisiko zu verwenden.34 2.2.2. Umsetzung auf Ebene der EU Die unverbindlichen Empfehlungen des Basler Ausschuss sind in der EU durch die Eigenkapitalrichtlinien 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute35 und 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten 36 rechtsverbindlich umgesetzt worden. Regeln über Ratingagenturen finden sich dabei 30 Vgl. Utzig, Die Zukunft der Ratingagenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (10); Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, Der Betrieb 2010, S. 941 (942 f.). 31 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen , Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Juni 2004, online abrufbar unter: http://www.bis.org/publ/bcbs107ger.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 32 Becher/Hoffmeister, Bonitätsbeurteilungen durch Ratingagenturen, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand WD 7 – 3000 – 156/10, S. 4; Baur, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating- Agenturen, 2010, S. 73. 33 Basel II-Rahmenvereinbarung, aaO, Rdnr. 50, S. 15. 34 Basel II-Rahmenvereinbarung, aaO, Rdnr. 51, S. 15. 35 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. L 177/1, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2006L0048:20100330:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 36 Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. L 177/201, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONS- LEG:2006L0049:20110104:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 13 im Wesentlichen in der Richtlinie 2006/48/EG. Die Regeln über Mindestkapitalanforderungen für Kreditrisiken finden sich in Art. 76 ff. der Richtlinie. Nach der Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG können die Risikogewichte (und die daraus resultierenden Eigenkapitalanforderungen) der Forderungen von Kreditinstituten und Wertpapierhäusern anhand externer Ratings bestimmt werden (Standardansatz, Art. 78 RL 2006/48/EG). Ein externes Rating kann jedoch nur dann für die Bestimmung des Risikogewichts herangezogen werden , wenn die Ratingagentur von den zuständigen Behörden für diesen Zweck anerkannt wurde (Art. 81 Abs. 1 RL 2006/48/EG). Es existiert damit auch im Rahmen der Eigenkapitalrichtline ein für diesen Zweck beschränktes Anerkennungsverfahren für Ratingagenturen.37 Für die Anerkennung müssen die zuständigen Behörden davon überzeugt sein, dass die Ratingmethoden der Agentur den Anforderungen an Objektivität, Unabhängigkeit, Transparenz und kontinuierlicher Überprüfung der Rating-Methode erfüllt sind (Art. 81 Abs. 2 S. 1 RL 2006/48/EG). Hierfür werden technische Kriterien in Anhang IV Teil der Richtlinie festgelegt. Z. B. müssen sich die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass die Methodik keinen externen politischen Einflüssen oder Restriktionen und keinem wirtschaftlichen Druck unterliegt. Ferner müssen sie sich etwa auch davon überzeugen, dass die Einzelratings einer Agentur am Markt von den Nutzern als glaubwürdig und verlässlich anerkannt sind; hierzu dient u. a. der Marktanteil der Agentur als Kriterium. Die Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG steht dabei nicht verbindungslos zur Ratingverordnung: Ist eine Ratingagentur nach der Ratingverordnung zugelassen worden, gehen die zuständigen Behörden davon aus, dass die Anforderungen an Objektivität, Unabhängigkeit, Transparenz und kontinuierliche Überprüfung auch im Sinne der Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG erfüllt sind (Art. 81 Abs. 2 S. 3 RL 2006/48/EG). Für Verbriefungen stellt Art. 97 der Richtlinie aufbauend auf den Anerkennungsbestimmungen in Art. 81 weitergehende Anerkennungskriterien auf. Interpretationshilfen zu den Anerkennungskriterien enthalten die Leitlinien des Ausschusses der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS). Diese Leitlinien gelten auch nach Übertragung der Aufgaben vom CEBS auf die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) weiter.38 37 Vgl. Deipenbrock, Was ihr wollt oder der Widerspenstigen Zähmung? – Aktuelle Entwicklungen der Regulierung von Ratingagenturen im Wertpapierbereich, BB 2005, S. 2085 (2085); ausführlich dies., -Aktuelle Rechtsfragen zur Regulierung des Ratingwesens, WM 2005, S. 261 (266 f.); Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 49 ff. 38 CEBS, Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions, 27. Januar 2006, online abrufbar unter: http://www.eba.europa.eu/getdoc/0da3a72b-d3dc-4214-b691-bbf5fdd4af55/GL07.aspx (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Nach Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung der Europäischen Aufsichtsbehörde (EBA) übernimmt die EBA alle bestehenden und anhängigen Aufgaben von CEBS. Gem. Art. 16 Abs. 3 EBA-VO haben die zuständigen Behörden und Finanzinstitute alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen , um den Leitlinien der EBA nachzukommen. Vgl. Mitteilung der Österreichischen Finanzmarktaufsicht zu den CEBS/EBA-Leitlinien, online abrufbar unter: http://www.fma.gv.at/de/unternehmen/banken/spezialthemen /cebseba-leitlinien.html (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 14 2.2.3. Umsetzung in Deutschland Durch die Eigenkapitalrichtlinien sind Mindestanforderungen festgelegt worden, so dass striktere Regelungen in den Mitgliedstaaten möglich sind.39 Die sich aus den Richtlinien ergebenden Verpflichtungen hat die Bundesrepublik Deutschland durch Änderungen des Kreditwesengesetzes KWG40 (§§ 10, 10a, 18 KWG) und den Erlass der Solvabiltätsverordnung41 erfüllt.42 2.2.4. Probleme durch Einbeziehung von externen Ratings in das Finanzaufsichtsrecht Die Einbeziehung von externen Ratings in das Finanzaufsichtsrecht wird zunehmend kritisch gesehen . So kommt schon ein von der Kommission in Auftrag gegebener Bericht über die Beaufsichtigung und Regulierung der europäischen Finanzmärkte aus dem Jahr 2009, erstellt von einer Expertengruppe unter Leitung des ehemaligen französischen Zentralbankchefs Jacques de Larosière (De-Larosière-Bericht), zu der Forderung, die Nutzung von Ratings in Finanzvorschriften mit der Zeit erheblich einzuschränken.43 39 Follak, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, 27. Ergänzungslieferung 2010, F II, Rdnr. 47. 40 Gesetz über das Kreditwesen – KWG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2776, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie vom 1. März 2011, BGBl. I S. 288. 41 Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding- Gruppen – Solvabilitätsverordnung, BGBl. I 2006 S. 2916, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Oktober 2010, BGBl. I S. 1330. 42 Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, Der Betrieb 2010, S. 941 (941 f.). 43 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, chaired by Jacques de Larosière, Report, 25. Februar 2009, Rdnr. 69, S. 23online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report _de.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Vgl. auch die Kritik bei Utzig, Die Zukunft der Ratingagenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (10). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 15 2.3. Marktmissbrauchsrichtlinie 2006/3/EG Für Ratingagenturen weiterhin relevant ist die Richtlinie 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen44 (Marktmissbrauchs-RL). Hierzu sind verschiedene Durchführungsverordnungen und Durchführungsrichtlinien erlassen worden.45 Die deutschen Regeln zur Umsetzung der Rechtsakte finden sich vor allem im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)46. Die Marktmissbrauchs-RL ist nicht unter allen Aspekten auf Ratingagenturen anwendbar: 2.3.1. Keine Anwendbarkeit auf Vorschriften über sachgerechte Darbietung von Anlageinformationen Allgemein sieht die Marktmissbrauchs-RL die sachgerechte Darbietung von Anlageinformationen und die Offenlegung von Interessenkonflikten vor.47 Gemäß Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie haben Personen, die Analysen von Finanzinstrumenten oder von Emittenten etc. mit Empfehlungen oder Anregungen zur Anlagestrategie erstellen, die Information sachgerecht darzubieten und Interessenkonflikte offenzulegen. Ratingagenturen geben Beurteilungen über Finanzinstrumente oder bestimmte Emittenten heraus. Jedoch sind sie nach Erwägungsgrund 10 der Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG48 dennoch vom Anwendungsbereich der Marktmissbrauchs-RL ausgenommen : Beurteilungen von Ratingagenturen stellten „keine Empfehlung im Sinne dieser Richtlinie“ dar. Der Unionsgesetzgeber bevorzugt an dieser Stelle eine Selbstregulierung der Ratingagenturen : Für die sachgerechte Darbietung von Informationen sollten interne Politiken und Verfahren sorgen.49 44 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. L 96/16, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2003L0006:20080321:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 45 Aufgezählt bei Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahr 2004, NJW 2004, S. 3674, Fn. 2; Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Auflage 2010, § 20, Rdnr. 169, Fn. 577. 46 Gesetz über den Wertpapierhandel – Wertpapierhandelsgesetz, BGBl. I 1998 S. 2708, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 22. Juni 2006, BGBl. I S. 1126. Vgl. zur Umsetzung ins deutsche Recht: Deipenbrock, Was ihr wollt oder der Widerspenstigen Zähmung? – Aktuelle Entwicklungen der Regulierung von Ratingagenturen im Wertpapierbereich, BB 2006, S. 2285 (2288). 47 Vgl. Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, ABl. 2006 C 59/02, S. 4, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2006:059:0002:0006:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 48 Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. L 339/73, online abrufbar unter: Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, ABl. 2006 C 59/02, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2003:339:0073:0077:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 49 Vgl. Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 48; Deipenbrock, Was ihr wollt oder der Widerspenstigen Zähmung? – Aktuelle Entwicklungen der Regulierung von Ratingagenturen im Wertpapierbereich, BB 2006, S. 2285 (2288). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 16 2.3.2. Anwendbarkeit der Vorschriften über Insiderrecht und Marktmanipulation Anwendbar auf Ratingagenturen sind demgegenüber die Vorschriften über Insiderrecht und Marktmanipulation. Die Vorschriften der Richtlinie über Insiderrecht können dann zur Anwendung kommen, wenn die Ratingagentur im Fremdauftrag handelt und nicht – wie regelmäßig bei Staatenratings – aus Eigeninitiative. Denn bei unbeauftragten Ratings verfügt die Ratingagentur nur über öffentliche zugängliche Quellen, so dass es sich schon begriffsmäßig um keine „Insider-Informationen“50 handeln kann. Falls bei im Fremdauftrag angestrengten Ratings Insider-Informationen zugänglich gemacht werden, können diese demgegenüber der Geheimhaltungspflicht des Art. 6 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie unterliegen.51 Die öffentliche Bekanntmachung von Informationen, zu denen der Emittent nach der Transparenzrichtlinie II 2004/209/EG52 baldmöglichst verpflichtet ist, nimmt der Information jedoch wiederum den Insider-Charakter.53 Art. 5 der Marktmissbrauchs-RL untersagt, Marktmanipulationen zu betreiben. Unter Marktmanipulation fällt auch die Verbreitung irreführender Informationen, wenn der Verbreitende wusste oder wissen musste, dass die Informationen falsch oder irreführend waren (Art. 1 Abs. 2 lit. c RL). Aus diesem Grund werden auch die bewusste oder bewusst fahrlässige Verbreitung falscher oder irreführender Ratings als Marktmanipulation von der Marktmissbrauchs-RL verboten .54 2.4. Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG Für Ratingagenturen kann außerdem die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG55 (Markets in Financial Instruments Directive, „MiFID“-RL) relevant werden. 50 „Insider-Information“ ist legaldefiniert in Art. 1 Abs. 1 der Marktmissbrauchs-RL als „eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehreren Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.“ 51 Vgl. jedoch zur engen Auslegung des Tatbestands der Insider-Information Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 45 f. 52 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390/38, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONS- LEG:2004L0109:20110104:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 53 Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Auflage 2010, § 20, Rdnr. 169. 54 Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen (aaO abrufbar), ABl. 2006 C 59/02, S. 4; Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 44. 55 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente , zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 17 Die MiFID-RL statuiert in Art. 5 Abs. 1 für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder die Ausübung von Anlagetätigkeiten ein vorheriges Genehmigungserfordernis. Unter Wertpapierdienstleistungen werden die Vermittlung von Finanzinstrumenten und Anlageberatung verstanden .56 Soweit Ratingagenturen auf gewerblicher Basis Wertpapierdienstleistungen dieser Art erbringen, d. h. etwa Empfehlungen zum Kauf oder Verkauf abgeben, unterfallen sie also dem Genehmigungserfordernis nach der MiFID-RL und unterliegen auch den Wohlverhaltensregeln und den organisatorischen Anforderungen nach der MiFID-RL.57 Das Erstellen von Ratings an sich – also das Kerngeschäft – unterfällt jedoch nicht der MiFID- RL.58 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates , ABl. L 145/1, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CONSLEG:2004L0039:20080320:DE:PDF (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 56 Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (614). 57 Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen (aaO abrufbar), ABl. 2006 C 59/02, S. 4; Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 48; Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privatoder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (614). 58 Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 48; Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (614). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 18 3. Welche rechtlich verbindlichen Folgen ergeben sich aus einer (schlechten) Bewertung eines Staates (z. B. als CCC oder C/D default) für Banken, Finanzinstitute, Hedgefonds u.a., die einem Staat einen Kredit gewähren wollen? Rechtlich verbindliche Folgen eines schlechten Ratings eines Staates können sich aus Vorschriften des nationalen und europäischen Bankenaufsichtsrechts und des Wertpapier- und Versicherungsrechts ergeben. Daneben besteht die Möglichkeit, dass in privatrechtlichen Verträgen der Banken bestimmte Folgen an Ratingveränderungen geknüpft sind.59 3.1. Verbindliche Folgen aus den europäischen und nationalen Eigenkapitalvorschriften bei schlechten Ratings von Staaten? 3.1.1. Ermittlung der erforderlichen Eigenkapitalquote Wie unter Ziffer 2.2 beschrieben, sind die Kreditinstitute nach den den Basel-II-Akkord umsetzenden Eigenkapitalrichtlinien der EU und dem ausfüllendem nationalen Recht grundsätzlich verpflichtet, die Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten. Deswegen müssen sie ihre Ausfallrisiken bei der Gewährung von Darlehen mit Eigenkapital unterlegen. Nach der Standardmethode können sie die Bewertungen von anerkannten Ratingagenturen verwenden , um die der Risikogewichtung entsprechende Eigenkapitalquote zu ermitteln.60 Von einem externen Rating hängt also unmittelbar die erforderliche Eigenkapitalunterlegung ab. Dies ist eine unmittelbare rechtsverbindliche Folge. Die Eigenkapitalquote wird konkret ermittelt, indem die Aufsichtsinstanzen in einem Verfahren im Standardansatz den Ratings ein bestimmtes Risikogewicht zuordnen. Die Risikogewichte werden nach Art. 86, Anhang VI Teil 1 der Richtlinie 2006/48/EG und für Deutschland nach §§ 26 ff. Solvabilitätsverordnung bestimmt. So ergibt sich beispielsweise für Unternehmenskredite und einem Rating des Unternehmens von AAA bis AA- ein Risikogewicht von 20 % für die in einem komplexen Verfahren gewichteten Risikoaktiva.61 3.1.2. Eigenkapitalquote bei Forderungen an Zentralstaaten oder Zentralnotenbanken aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anders verhält es sich jedoch bei Forderungen, deren Erfüllung durch die Bundesrepublik Deutschland (einem rechtlich unselbständigen Sondervermögen der BRD, der Deutschen Bundesbank ) oder – hier relevant – von einer Zentralregierung oder einer Zentralnotenbank eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) geschuldet ist. Vorausgesetzt, die Erfüllung ist in der Landeswährung des Staates geschuldet und refinanziert, darf ein Risikogewicht 59 Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, S. 402 (402), Fn. 6. 60 Vgl. Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (619); Baur, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2009, S. 70. 61 Beispiel Volkenner/Walter, Die Endfassung der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), DStR 2004, S. 1399 (1401). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 19 von 0 % im Standardansatz verwendet werden (Art. 86 Abs. 2 lit. a, Anhang VI Teil 1 Ziffer 1.2 der Richtlinie 2006/48/EG, §§ 26 Abs. 2, 303 Abs. 2 Nr. 1 Solvabilitätsverordnung). Hieraus folgert der Direktor beim Bundesverband Deutscher Banken Utzig: „So enthält Basel II auch die Vorschrift, dass staatliche Wertpapiere aus OECD-Ländern als risikolos einzustufen sind und damit eine Pflicht zur Hinterlegung mit Eigenkapital entfällt. Diese Vorgabe der Bankenregulierung ermutigt aber die Kreditinstitute gerade dazu, ihre liquidesten Mittel in die schlechtesten europäischen Staatsanleihen zu investieren.“62 3.2. Rechtlich verbindliche Folgen aus nationalen Rechtsvorschriften 3.2.1. Unmittelbare gesetzliche Auswirkungen In Deutschland sind institutionelle Anleger, wie z. B. Pensionskassen, teilweise per Gesetz oder durch ihre eigenen Regeln an Mindestratingschwellen gebunden, die beim Kauf von Anleihen nicht unterschritten werden dürfen.63 Auch in anderen Staaten, wie der USA, Kanada, Belgien und Polen, werden Ratings verwendet zur Einordnung bestimmter Wertpapiere in investment grade oder speculative grade, welche dann zur Regulierung der Banken- und Investmentbranche verwendet werden.64 Im Folgenden kann nur beispielhaft auf einige dieser aufsichtsrechtlichen Regelungen hingewiesen werden:65 Im Versicherungsaufsichtsrecht enthält die Anlageverordnung (AnlV)66 Vorgaben für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (§ 112 VAG) zu der Anlage des gebundenen Vermögens. Hiermit soll die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge sichergestellt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b AnlV kann das gebundene Vermögen der Versicherungsunternehmen z. B. angelegt werden in Darlehen an die Bundesrepublik Deutschland (ihre Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände) und in Darlehen an einen anderen Staat des EWR oder einem Vollmitglied der OECD, sofern diese nach Art. 86 Abs. 2 lit. a der Eigenkapital-Richtlinie 2006/48/EG wie Forderungen an Zentralstaaten mit einem Risikogewicht von 0 % behandelt werden. Damit 62 Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (10). Die Vorschrift in der Basler Rahmenübereinkunft, auf die der Autor Bezug nimmt, befindet sich in Rdnr. 54. 63 Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, S. 402 (402). 64 Überblick bei Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht ?, ZGR 2007, S. 603 (612). 65 Vgl. hierzu Becher/Hoffmeister, Bonitätsbeurteilungen durch Ratingagenturen, Sachstand WD 7 – 3000 – 156/10. 66 Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen (Anlageverordnung – AnlV) vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 3913, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 11. Februar 2011, BGBl. I S. 250. Die AnlV beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 54 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992, BGBl. 1993 I S. 2, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 1. März 2011, BGBl. I S. 288. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 20 läuft die AnlV parallel zum Eigenkapitalregime für Kreditinstitute nach Basel II. Eine unmittelbare rechtliche Folge eines negativen Staatenratings eines EWR-Staats für die Anlage des gebundenen Vermögens existiert also nicht. Im Grundsatz sind von den Versicherungsunternehmen jedoch bei ihrer Anlage externe Ratings zu berücksichtigen, wie sich aus dem die AnlV als Verwaltungspraxis konkretisierendem Rundschreiben 4/201167 der BaFin ergibt. Nach diesem Rundschreiben müssen grundsätzlich bei der Bewertung von erstrangigen Vermögensanlagen, die marktüblich geratet werden, bei der Beurteilung der Sicherheit einer Vermögensanlage auch die Bewertung von Ratingagenturen einfließen, die nach der Ratingverordnung Nr. 1060/2009 geprüft und registriert worden sind (B 3.1 c) des Rundschreibens). Konkret heißt es: „Von ihnen geratete Vermögensanlagen, die über ein Investment-Grade-Rating (z.B. langfristige Ratings BBBnach Standard & Poor’s und Fitch oder Baa3 nach Moody’s und z. B. kurzfristige Ratings A-3 nach Standard & Poor’s, F 3 nach Fitch oder Prime 3 nach Moody’s) verfügen, können dem gebunden Vermögen zugefügt werden . Grundsätzlich ist die Berücksichtigung von zwei Ratingagenturen ausreichend; bei zwei unterschiedlichen Ratings ist das Rating mit der niedrigeren Bewertung maßgebend. Liegen beim Versicherer drei oder mehr Ratings , die zu unterschiedlichen Bewertungen führen, vor, ist von den beiden besten die schlechtere Bonitätsbewertung zu nehmen. Eine Zuführung von gebundenen Vermögen ist jedoch nicht möglich, wenn andere Umstände oder Risiken wie z. B. aktuelle negative Unternehmensnachrichten oder allgemeine Marktentwicklungen eine abweichende negative Beurteilung nahelegen.“68 Eine vergleichbare Differenzierung zwischen Forderungen an Staaten des EWR und Forderungen an Unternehmen hinsichtlich der Bewertung durch Ratingagenturen findet sich beispielsweise auch im Pfandbriefgesetz (PfandBG).69 Pfandbriefe stellen eine besondere Form von Schuldverschreibungen dar, da sie gedeckt sind. D. h. im Insolvenzfall des Emittenten besteht eine Deckung durch eine Zuordnung bestimmter Vermögenswerte.70 Nach § 4 Abs. 1 S. 1 PfandBG muss der Barwert der Deckungswerte den Barwert der zu deckenden Verbindlichkeit um 2 % übersteigen . Diese Überdeckung kann bestehen in Schuldverschreibungen etc., deren Schuldner der Bund oder beispielsweise ein Mitgliedstaat der EU oder des EWR ist. Papiere anderer Emittenten werden nur dann zugelassen, wenn ein Risikogewicht der Bonitätsstufe nach der Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG besteht. Dieses wiederum kann unter Bezugnahme auf externe Ratings bemessen werden (s. oben). 67 Rundschreiben 4/2011 (VA) – Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen , vom 15. April 2011, online abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_171/nn_722754/SharedDocs/Veroeffentlichungen /DE/Service/Rundschreiben/2011/rs__1104__anlr__va.html#doc2077334bodyText30 (letzter Abruf : 15. April 2011). 68 Hervorhebung durch Verfasserin. 69 Pfandbriefgesetz (PfandBG vom 22. Mai 2005, BGBl. I S. 1373, zuletzt geändert durch Art. 12 Restrukturierungsgesetz vom 9. Dezember 2010, BGBl. I S. 1900. 70 Stöcker, in: Schimansky/Bunte/Lwoski, Bankrechts-Handbuch, 3. Auflage 2007, § 86a Rdnr. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 21 Diese Beispiele zeigen, dass die Vorschriften zur Anlage von Vermögenswerten sich an der Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG orientieren. Dies bedeutet, dass ein negatives Rating eines Staates des EWR im Gegensatz zu Ratings anderer Emittenten, sofern die Voraussetzungen der Richtlinie 2006/48/EG erfüllt sind, nicht rechtlich verbindlich bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden muss. 3.2.2. Mittelbare gesetzliche Auswirkungen Daneben existieren mittelbare gesetzliche Auswirkungen der Ratingergebnisse. Die BaFin, deren gesetzliche Aufgabe der Anleger- und Funktionenschutz ist, lässt die Ratingergebnisse in ihre allgemeine Missstandsaufsicht nach § 6 KWG einfließen lässt. 71 Nach § 6 Abs. 2 hat die BaFin als allgemeine Missstandsaufsicht allen Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden , die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können. § 4 Abs. 3 FinDAG72 stellt die gesetzliche Grundlage für die Einbeziehung der privaten Agenturen in die kapitalmarktrechtliche Aufsichtsaufgabe dar.73 3.3. „Rating Triggers“ in privatrechtlichen Verträgen In der Vertragspraxis werden daneben in Darlehensverträgen häufig Klauseln aufgenommen, die zivilrechtliche Folgen an die Veränderung von Ratings knüpfen (sog. rating triggers), z. B. in Form von aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen oder Gestaltungsrechten.74 So kann sich z. B. die Höhe des Zinssatzes variabel an aktuellen Rating orientieren oder die Herabstufung der Ratingnote einen Anspruch auf Gewährung weiterer Sicherheiten auslösen.75 71 Baur, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2009, S. 74. 72 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – Fin- DAG) vom 22. April 2002, BGBl. I S. 1310, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 1. März 2011, BGBl. I S. 288. 73 Baur, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2009, S. 82; 74 Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen? – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (611); Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, S. 402, Fn. 6. 75 Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen? – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (611). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 22 4. Wie ist die Haftbarkeit von Ratingagenturen geregelt? 4.1. Haftung nach Unionsrecht Die Ratingverordnung enthält keine Regelung zur zivilrechtlichen Haftung der Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings oder Verstöße gegen die Ratingverordnung. Vielmehr lautet Erwägungsgrund 69: „Forderungen gegen Ratingagenturen aufgrund von Verstößen gegen die [Rating-Verordnung ] im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung erhoben werden.“76 4.2. Haftung nach deutschem Recht Eine Haftung nach deutschen Recht wird bislang bezogen auf Emittenten und Anlegern in Betracht gezogen. Dabei wird zwischen den solicited (beauftragten) und den unsolicited (unbeauftragten ) Ratings unterschieden. Das Rating von Staaten wird regelmäßig unbeauftragt erfolgen (s. oben). Um eine Klage überhaupt in Deutschland erheben zu können, müsste zunächst ein deutscher Gerichtsstand begründet sein. Wenn das Rating durch die deutschen Tochtergesellschaften der Agenturen vorgenommen wurde, ist der besondere Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO eröffnet. Einzelne Vertreter in der Literatur halten den Vermögensgerichtsstand gemäß § 23 ZPO für eröffnet, weil sowohl Moody’s als auch Standard & Poor’s über Niederlassungen in Deutschland verfügen.77 Es kommt ferner der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO in Betracht. Das Landgericht Frankfurt hat eine erste Klage von Anlegern gegen die Ratingagentur Standard & Poor‘s im März 2011 jedoch mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen .78 Problematisch ist des Weiteren die Frage nach dem anwendbaren Recht. Dies bestimmt sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts. Bei einem solicited rating wird in der Regel eine gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB wirksame Rechtswahlvereinbarung (häufig: amerikanisches Recht) getroffen.79 Bei den unsolicited ratings und im Bereich der Haftung gegenüber Anlegern kommt es gemäß Art. 40 EGBGB auf den Ort oder den Erfolg der schädigenden Handlung an.80 Moody’s und Standard & Poor‘s haben ihren Hauptsitz in den USA, Fitch in England. Daher kann bei einem Staatenrating das deutsche Recht nur in dem Fall anwendbar sein, dass Anleger in Deutschland geschädigt werden. 76 Vgl. Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2010, S. 2289 (2289); Möllers, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtstruktur , NZG 2010, S. 285 (287). 77 Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen, RIW 2009, S. 657 (662). 78 Agenturmeldung dadp online abrufbar unter: http://www.ad-hoc-news.de/klage-gegen-ratingagentur-moody-sin -deutschland-nicht--/de/News/21985733 79 Vgl. Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen, RIW 2009, S. 657 m.w.N. 80 Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, Art. 40 EGBGB, Rdnr. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 23 Materiell existiert in Deutschland kein besonderes Haftungssystem zur Inanspruchnahme von Ratingagenturen.81 Emittenten können im Fall eines solicited rating Vertragsverletzungen aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) geltend machen.82 Bei dem Rating handelt es sich jedoch lediglich um ein prognostisches Werturteil mit einem breiten Ermessensspielraum.83 Eine Vertragsverletzung setzt daher einen Verstoß gegen die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Ratingverfahrens (Sachkenntnis, Sorgfalt, Objektivität und Unabhängigkeit) voraus.84 Im Fall eines unsolicited rating kommt eine deliktische Haftung gegenüber dem Emittenten gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht .85 Dies setzt jedoch einen zielgerichteten Eingriff voraus. Bei einem Verstoß gegen drittschützende Vorschriften der Ratingverordnung kann eine Ratingagentur ggf. gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes haften.86 Jedoch sind wohl nur wenige Vorschriften der Ratingverordnung drittschützend.87 Eine Haftung wegen Kreditgefährdung gem. § 824 BGB scheidet aus, da ein Rating keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung darstellt .88 Bei leichtfertig falscher Bewertung unter Inkaufnahme einer Schädigung haftet die Ratingagentur wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB.89 Eine Haftung gegenüber Anlegern ist ebenfalls nur schwer zu begründen. Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bei einem solicited rating werden in der Regel an der Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für die Ratingagentur scheitern müssen.90 Der Anleger müsste zudem einen Verstoß gegen die Grundsätze eines anerkannten Bewertungsverfahrens darlegen und beweisen können. Eine „Expertenhaftung“ gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 81 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, 2289. 82 Von Schweinitz, Die Haftung von Ratingagenturen, WM 2008, S. 953 (954). 83 Karner, Zur Haftung von Ratingagenturen, Bankarchiv 2010, 587; Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2010, S. 39. 84 Karner, Zur Haftung von Ratingagenturen, Bankarchiv 2010, S. 587. 85 Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2009, § 826 Rdnr. 84 m.w.N. 86 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern WM 2010, S. 2289 (2293); Haar, Haftung für fehlerhafte Ratings von Lehman-Zertifikaten – Ein neuer Baustein für ein verbessertes Regulierungsdesign im Ratingsektor?, NZG 2010, S. 1281 (1285). 87 Vgl. die Analyse bei Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern WM 2010, S. 2289 (2293). 88 Schenk, Zur zivilrechtlichen Haftung von Ratingagenturen, Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 188/08, S. 10. 89 Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2009, § 826 Rdnr. 84 m.w.N.; Haar, Haftung für fehlerhafte Ratings von Lehman-Zertifikaten – Ein neuer Baustein für ein verbessertes Regulierungsdesign im Ratingsektor?, NZG 2010, S. 1281 (1285). 90 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, S. 2289 (2292); a.A.: Wildmoser /Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen, RIW 2009, 657, 666. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 24 241 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass gerade das Vertrauen in das Rating für die Investitionsentscheidung erheblich war. Ein solcher Nachweis wird in der Regel nur schwer zu erbringen sein, da das Rating nur ein Element unter vielen in der Kaufentscheidung darstellt.91 4.3. Haftung nach amerikanischem Recht Demgegenüber unterliegen Ratingagenturen nach amerikanischem Recht nach dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act92 aus dem Jahr 2010 der Expertenhaftung und können für ihre Bewertungen haftbar gemacht werden.93 Für die Verwendung von Ratings in Emissionsprospekten ist seitdem die Zustimmung der Ratingagenturen erforderlich.94 Die Ratingagenturen reagierten darauf mit der Bitte, die Ratings bei der Emission neuer Finanzprodukte nicht mehr zu verwenden.95 91 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, 2289. 92 Online abrufbar unter: http://www.sec.gov/about/laws/wallstreetreform-cpa.pdf (letzter Abruf. 15. Juli 2011). 93 Art. 939G des Dodd-Frank Acts setzt Rule 463(g) des „Securities Act of 1933“ außer Kraft, welche Ratingagenturen von der Möglichkeit der Expertenhaftung ausnahm. S. Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, S. 2289S (2289), Fn. 3 mit 94 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, S. 2289S (2289), Fn. 3. 95 Berger/Stemper, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern, WM 2010, S. 2289S (2289), Fn. 3 mit Hinweis auf Schröder, „Panische Ratingagenturen verbieten Bewertungsnutzung“, Financial Times Deutschland Online v. 22.7.2010, abrufbar unter: www.ftd.de (letzter Abruf: 15. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 25 5. Internationale Regeln 5.1. Code of Conduct Fundamentals for credit rating agencies (IOSCO-Kodex) Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO96) hat im Dezember 2004 einen Verhaltenskodex für Ratingagenturen vorgelegt (IOSCO-Kodex), der im Mai 2008 geändert wurde.97 Dieser Verhaltenskodex ist rechtlich unverbindlich. Vorgesehen ist lediglich, dass sich die Ratingagenturen erklären, wenn sie von den Vorgaben des Kodexes abweichen (Ziffer 4.1 des IOSCO-Kodex). Intendiert ist damit eine freiwillige Selbstverpflichtung der Ratingagenturen .98 Der IOSCO-Kodex beinhaltet Vorschläge zur Qualität und Integrität des Ratingverfahrens , zur Unabhängigkeit der Ratingagenturen, zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zu Pflichten der Ratingagenturen gegenüber Anlegern und Emittenten (Transparenz und Rechtzeitigkeit der Veröffentlichung von Ratings).99 5.2. Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings des Financial Stability Boards (FSB) Das Financial Stability Board (FSB) hat am 27. Oktober 2010 „Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings“ vorgelegt.100 Diese zielen darauf, den Bezug zu Ratings in Gesetzestexten, Standards etc. möglichst zu beseitigen. Investoren sollen dazu verpflichtet werden, eine eigene Risikoabschätzung durchzuführen Der G20-Gipfel in Toronto hat diese Forderungen des FSB unterstützt.101 5.3. Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika Die USA haben mit dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act102 vom 21. Juli 2010 das gesamte Finanzmarktrecht umfassend geändert. Insbesondere wurde das Ratingregulierungsregime verschärft und vorgesehen, dass Bezugnahmen zu Ratings innerhalb von 96 IOSCO steht für: The International Organization of Securities Commission. 97 The Technical Committee of the International Organization of Securities Commission, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, Revised May 2008, online abrufbar unter: http://www.iosco.org/library/pubdocs /pdf/IOSCOPD271.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 98 Möllers, Von Standards zum Recht – auf dem Weg zu einer Regulierung der Ratingagenturen in Europa und den USA, ZJS 2009, S. 227 (233); Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen? – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (638); Deipenbrock, „Mehr Licht? – Der Vorschlag einer europäischen Verordnung über Ratingagenturen, WM 2009, S. 1165 (1166). 99 S. Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen? – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht?, ZGR 2007, S. 603 (638). 100 FSB, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings, online abrufbar unter: http://www.financialstabilityboard .org/publications/r_101027.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 101 The G-20 Toronto Summit Declaration, June 26-27, 2010, Anlage II Ziffer 27, online abrufbar unter: http://www.g20.org/Documents/g20_declaration_en.pdf (letzter Abruf: 15. Juli 2011). 102 Online abrufbar unter: http://www.sec.gov/about/laws/wallstreetreform-cpa.pdf (letzter Abruf. 15. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 95/11 Seite 26 zwei Jahren aus allen Industriestandards, Gesetzen und Regulierungen, wo immer möglich, gestrichen werden. 103 In der EU werden vergleichbare Vorschläge im Laufe dieses Jahres erwartet (s. Einleitung und Ziffer 2.1.3).104 - Fachbereich Europa - 103 Sec. 939 des Dodd-Frank Act. S. hierzu Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (11). 104 Utzig, Die Zukunft der Rating-Agenturen, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis 2011, S. 8 (11).