Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Verfahrenserfordernisse bei der Umsetzung der Vorschläge der Europäischen Kommission vom 6. Dezember 2017 zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion © 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 093/17 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 2 PE 6 - 3000 - 093/17 Verfahrenserfordernisse bei der Umsetzung der Vorschläge der Europäischen Kommission vom 6. Dezember 2017 zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 093/17 Abschluss der Arbeit: 8. Dezember 2017 Fachbereich: PE 6 – Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa 1. Fragestellung Sachstand Seite 3 PE 6 - 3000 - 093/17 Die Europäische Kommission hat am 6. Dezember 2017 einen Fahrplan und mehrere Vorschläge für eine Weiterentwicklung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorgestellt.1 Die Vorschläge der Kommission knüpfen an verschiedene Vorarbeiten und Initiativen an, u.a. den Bericht der fünf Präsidenten,2 das Weißbuch zur Zukunft Europas,3 ein Reflexionspapier zur Zukunft der EU-Finanzen,4 ein Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion 5 sowie zuletzt die sog. Agenda der EU-Führungsspitzen.6 In drei Mitteilungen hat die Kommission erstens einen allgemeinen Fahrplan zur weiteren Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (COM(2017) 821 final),7 zweitens ihre Überlegungen zur Einführung neuer Haushaltsinstrumente für einen stabilen Euroraum innerhalb des Unionsrahmens (COM(2017) 822 final)8 sowie drittens Erwägungen über mögliche Funktionen eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers (COM(2017) 823 final)9 vorgelegt. In weiteren vier Dokumente legt die Kommission konkrete Vorschläge für Rechtsetzungsakte der EU vor: • einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Übernahme des Inhalts des sog. Fiskalvertrags10 in das Unionsrecht (COM(2017) 824 final),11 • einen Vorschlag für eine Änderungsverordnung zur Ausweitung des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen (COM(2017) 825 final),12 1 Vgl. hierzu http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-5005_de.htm; http://europa.eu/rapid/press-release _MEMO-17-5006_de.htm sowie https://ec.europa.eu/commission/publications/completing-europes-economic -and-monetary-union-factsheets_de. 2 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/publications/five-presidents-report-completing-europes-economic -and-monetary-union_de. 3 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/white-paper-future-europe-reflections-and-scenarios-eu27_de. 4 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/publications/reflection-paper-future-eu-finances_de. 5 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-emu_de.pdf. 6 Abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/de/policies/tallinn-leaders-agenda/. 7 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_2017_821.pdf. 8 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_822_0.pdf. 9 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_823_0.pdf. 10 Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion , vgl. hierzu das Gesetz vom 13. September 2012, BGBl. II 2012, S. 1006, die Bekanntmachung vom 14. Januar 2013, BGBl. II 2013, S. 162 sowie BT-Drs 17/9046 (Gesetzentwurf), BT-Drs 17/10125 (Beschlussempfehlung ), BT-Drs 17/10171 (Bericht). 11 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_824_0.pdf. 12 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_825_0.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 4 PE 6 - 3000 - 093/17 • einen Vorschlag für Änderungen der Dachverordnung, um Mittel für die Unterstützung nationaler Reformen zu mobilisieren (COM(2017) 826 final)13 und • einen Vorschlag für eine Verordnung zur Errichtung eines im EU-Rechtsrahmen verankerten Europäischen Währungsfonds (COM(2017) 827 final).14 Der vorliegende Sachstand gibt einen Überblick über die Zustimmungserfordernisse zu den konkreten Gesetzgebungsvorschlägen. Hierbei geht der Sachstand davon aus, dass die von der Kommission angeführten Rechtsgrundlagen zutreffend sind; er setzt sich nicht inhaltlich mit unionsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Fragen zu den einzelnen Vorschlägen auseinander. Da die Vorschläge der Kommission gegenwärtig noch nicht in allen Amtssprachen der EU vorliegen, bleiben auch Fragen im Zusammenhang mit dem Protokoll (Nr. 1) über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU und dem Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vorliegend unberücksichtigt. 2. Vorschlag für eine Richtlinie zur Übernahme des Inhalts des sog. Fiskalvertrags in das Unionsrecht, COM(2017) 824 final Die Kommission stützt den Richtlinienvorschlag auf Art. 126 Abs. 4 UAbs. 2 AEUV. Danach verabschiedet der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Zentralbank die geeigneten Bestimmungen im Rahmen des Verfahrens zur Vermeidung übermäßiger Defizite.15 Die Umsetzung des auf Art. 126 Abs. 4 UAbs. 2 AEUV gestützten Vorschlags erfordert somit in Abweichung von der Regel des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens (Art. 289 Abs. 2 AEUV) lediglich die Zustimmung des Rates, der wiederum einstimmig beschließen muss. Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zum Gesetzgebungsvorschlag erfordert keine vorherige Zustimmung des Bundestages durch Gesetz. Der Bundestag kann jedoch auf das Handeln der Bundesregierung bzw. des deutschen Vertreters im Rat und damit mittelbar auf den EU- Gesetzgebungsprozess im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Informations- und Mitwirkungsrechte gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 GG Einfluss nehmen. Dies umfasst insbesondere die Möglichkeit , durch Stellungnahmen gemäß Art. 23 Abs. 3 GG i.V.m. § 8 EUZBBG16 auf die gemeinsame Willensbildung des Bundes einzuwirken.17 13 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_826_0.pdf. 14 Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/com_827.pdf. 15 Vgl. Art. 126 Abs. 2 AEUV, Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit sowie zum Stabilitäts - und Wachstumspakt im Überblick https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-andfiscal -policy-coordination/eu-economic-governance-monitoring-prevention-correction/stability-and-growthpact _en. 16 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 2170. 17 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/13150, S. 43 ff. sowie Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 55 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 5 PE 6 - 3000 - 093/17 Bei einer Übernahme wesentlicher Inhalte des Fiskalvertrages in das Unionsrecht stellt sich zudem die Frage nach den Auswirkungen dieser Übernahme auf den zwischenstaatlichen Fiskalvertrag und den daraus potenziell resultierenden weitergehenden Anforderungen an die parlamentarische Mitwirkung. Die gesetzgebenden Körperschaften haben dem Fiskalvertrag entsprechend Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG und gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG zugestimmt . Das Erfordernis einer verfassungsändernden Mehrheit wurde durch den Gesetzgeber damit begründet, dass der Fiskalvertrag eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU vergleichbare Regelung darstellt, durch die sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich bindet. Unbeschadet der in Art. 16 des Fiskalvertrages vorgesehenen Schritte zur Überführung des Vertrages in das Unionsrecht könnten sich vor dem Hintergrund der gesetzlichen Zustimmung zum Fiskalvertrag mit verfassungsändernder Mehrheit bei einer Überführung wesentlicher Regelungen des Fiskalvertrags in das Unionsrecht weitergehende Anforderungen an die parlamentarische Mitwirkung sowohl im Hinblick auf den intergouvernementalen Fiskalvertrag als auch bezüglich des EU-Gesetzgebungsverfahrens ergeben. Diese Fragen können vorliegend aufgrund der begrenzten Bearbeitungszeit nicht weiter ausgeführt werden. 3. Vorschlag für eine Änderungsverordnung zur Ausweitung des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen, COM(2017) 825 final Der Vorschlag COM(2017) 825 final zielt ab auf eine Änderung der Verordnung (EU) 2017/82518 und betrifft die Unterstützung der Durchführung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten durch die EU mit Hilfe der Strukturfonds, der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzierungsinstrumente. Entsprechend der Rechtsgrundlage des Grundrechtsaktes wird der Vorschlag der Kommission auf Art. 175 Abs. 3 AEUV und Art. 197 Abs. 2 AEUV gestützt. Danach können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen spezifische Aktionen beschließen. Der Rat entscheidet im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit (vgl. Art. 16 Abs. 3 und 4 EUV). Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zum Gesetzgebungsvorschlag erfordert keine vorherige Zustimmung des Bundestages durch Gesetz. Der Bundestag kann jedoch auf das Handeln der Bundesregierung bzw. des deutschen Vertreters im Rat und damit mittelbar auf den EU- Gesetzgebungsprozess im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Informations- und Mitwirkungs- 18 Verordnung (EU) 2017/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 über die Auflegung des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen für den Zeitraum 2017-2020 und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1303/2013 und (EU) Nr. 1305/2013, ABl. L 129 vom 19. Mai 2017, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0825&qid=1512654566823&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 6 PE 6 - 3000 - 093/17 rechte gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 GG Einfluss nehmen. Dies umfasst insbesondere die Möglichkeit , durch Stellungnahmen gemäß Art. 23 Abs. 3 GG i.V.m. § 8 EUZBBG19 auf die gemeinsame Willensbildung des Bundes einzuwirken.20 4. Vorschlag für Änderungen der Dachverordnung, um Mittel für die Unterstützung nationaler Reformen zu mobilisieren, COM(2017) 826 final Der Vorschlag COM(2017) 825 final zielt ab auf eine Änderung der Verordnung (EU) 1303/201321 und betrifft die Unterstützung der Durchführung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten durch die EU mit Hilfe des Strukturfonds sowie die Festlegung dessen Aufgaben, vorrangigen Ziele und Organisation. Entsprechend der Rechtsgrundlage des Grundrechtsaktes wird der Vorschlag der Kommission auf Art. 177 AEUV sowie zusätzlich auf Art. 175 Abs. 3 AEUV gestützt. Diese Bestimmung ermächtigt das Europäische Parlament und den Rat, die erforderlichen Regelungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen festzulegen. Der Rat entscheidet im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit (vgl. Art. 16 Abs. 3 und 4 EUV). Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zum Gesetzgebungsvorschlag erfordert keine vorherige Zustimmung des Bundestages durch Gesetz. Der Bundestag kann jedoch auf das Handeln der Bundesregierung bzw. des deutschen Vertreters im Rat und damit mittelbar auf den EU- Gesetzgebungsprozess im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Informations- und Mitwirkungsrechte gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 GG Einfluss nehmen. Dies umfasst insbesondere die Möglichkeit , durch Stellungnahmen gemäß Art. 23 Abs. 3 GG i.V.m. § 8 EUZBBG22 auf die gemeinsame Willensbildung des Bundes einzuwirken.23 19 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 2170. 20 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/13150, S. 43 ff. sowie Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 55 ff. 21 Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds , den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates, ABl. L 347 vom 20. Dezember 2013, S. 320, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02013R1303-20170520&qid=1512656285321&from=DE. 22 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 2170. 23 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/13150, S. 43 ff. sowie Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 55 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 7 PE 6 - 3000 - 093/17 5. Vorschlag für eine Verordnung zur Errichtung eines im EU-Rechtsrahmen verankerten Europäischen Währungsfonds, COM(2017) 827 final Der Verordnungsvorschlag zielt auf eine Überführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)24 in den Unionsrechtsrahmen ab und wird von der Kommission auf Art. 352 AEUV gestützt . Auf dieser Grundlage kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich erscheint , um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und wenn in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind. Art. 352 Abs. 2 AEUV sieht vor, dass die Kommission die nationalen Parlamente im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 Abs. 3 EUV auf den Vorschlag COM(2017) 827 final aufmerksam zu machen hat. Aus deutscher Sicht kann der Bundestag zunächst auf das Handeln der Bundesregierung bzw. des deutschen Vertreters im Rat und damit mittelbar auf den EU-Gesetzgebungsprozess im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Informations- und Mitwirkungsrechte gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 GG Einfluss nehmen. Dies umfasst insbesondere die Möglichkeit, durch Stellungnahmen gemäß Art. 23 Abs. 3 GG i.V.m. § 8 EUZBBG25 auf die gemeinsame Willensbildung des Bundes einzuwirken.26 Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zum Gesetzgebungsvorschlag erfordert zudem eine vorherige Zustimmung des Bundestages durch Gesetz. Gemäß Art. 23 Abs. 1 GG i.V.m. § 8 IntVG27 darf der deutsche Vertreter im Rat dem Erlass der auf Art. 352 AEUV gestützten Verordnung nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem hierzu ein Gesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 GG in Kraft getreten ist. Ohne ein solches Gesetz muss der deutsche Vertreter im Rat den Vorschlag zum Erlass von Vorschriften, die auf Art. 352 AEUV gestützt werden, ablehnen.28 Bei der mit dem Vorschlag COM(2017) 827 final intendierten Überführung des ESM in den Unionsrechtsrahmen stellt sich – vorbehaltlich einer inhaltlichen Prüfung des Vorschlags einschließ- 24 Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, vgl. hierzu das Gesetz vom 13. September 2012, BGBl. II 2012, S. 981, die Bekanntmachung vom 1. Oktober 2012, BGBl. II 2012, S. 1086 sowie BT-Drs 17/9045 (Gesetzentwurf), BT-Drs 17/10126 (Beschlussempfehlung), BT-Drs 17/10172 (Bericht ). 25 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 2170. 26 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/13150, S. 43 ff. sowie Saberzadeh, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 55 ff. 27 Integrationsverantwortungsgesetz vom 22. September 2009, BGBl. I S. 3022, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2009, BGBl. I S. 3822. 28 Vgl. hierzu Rathke, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 189 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Seite 8 PE 6 - 3000 - 093/17 lich der Frage, ob Art. 352 AEUV eine tragfähige Rechtsgrundlage ist – die Frage nach weitergehenden Mitwirkungspflichten des Bundestages. In Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 201229 wurde Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG aufgrund der vielfältigen Parallelen des ESM zu EU-Angelegenheiten als Rechtsgrundlage für den ESM angesehen und die Zustimmung zum ESM-Vertragsgesetz erfolgte „[u]nbeschadet einer endgültigen rechtlichen Einordnung im Sinne des Artikels 79 des Grundgesetzes“30 mit Zweidrittelmehrheit. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Zustimmung zum ESM-Vertrag mit verfassungsändernder Mehrheit könnten sich bei einer Überführung des ESM in das Unionsrecht weitergehende Anforderungen an die parlamentarische Mitwirkung sowohl im Hinblick auf den intergouvernementalen ESM- Vertrag als auch bezüglich des Verfahrens gemäß Art. 352 AEUV ergeben. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzausstattung des ESM und möglicher Finanzierungen eines EWF könnten sich darüber hinaus Zustimmungserfordernisse im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer dauerhaften Gewährleistung der von Verfassung wegen erforderliche Mitwirkungsrechten des Bundestages im Rahmen seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung ergeben, wie sie derzeit insbesondere im ESMFinG31 zum Ausdruck kommt. Zustimmungsrechtliche Fragen können sich schließlich auch aus der derzeitigen Verknüpfung von ESM-Stabilitätshilfen mit der Erfüllung der durch den Fiskalvertrag begründeten Pflichten der Vertragsstaaten ergeben. Diese Fragen können vorliegend aufgrund der begrenzten Bearbeitungszeit nicht weiter ausgeführt werden. – Fachbereich Europa – 29 BVerfGE 131, 152 (195 ff.). 30 BT-Drs. 17/10172, S. 7. 31 ESM-Finanzierungsgesetz vom 13. September 2012, BGBl. I S. 1918, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2014, BGBl. I S. 1821, 2193.