© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 091/19 Erhöhung des Eigenkapitals bei der Deutschen Bahn AG und EU-Beihilferecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 2 Erhöhung des Eigenkapitals bei der Deutschen Bahn AG und EU-Beihilferecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 091/19 Abschluss der Arbeit: 20. November 2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick über das EU-Beihilferecht 4 2.1. Materielles EU-Beihilferecht 4 2.2. EU-Beihilfeverfahren 5 2.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren 6 2.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle 7 3. EU-beihilferechtliche Bewertung der Eigenkapitalerhöhungen bei der Deutschen Bahn AG 7 3.1. In materieller Hinsicht 7 3.1.1. Eigenkapitalerhöhung als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV 8 3.1.1.1. Deutsche Bahn AG als Unternehmen 9 3.1.1.2. Eigenkapitalerhöhungen als Begünstigung 10 3.1.1.3. Staatlichkeit der Mittel und Selektivität der Maßnahme 14 3.1.1.4. Verfälschung des Wettbewerbs und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel 14 3.1.1.4.1. Bau und Ausbau von Infrastrukturen mit flächendeckenden Netzen 15 3.1.1.4.2. Betrieb der Infrastruktur 17 3.1.1.4.3. Verbot der Quersubventionierung 17 3.1.1.5. Zwischenergebnis 18 3.1.2. Entscheidung über die Eigenkapitalerhöhung und ihre öffentliche Ankündigung als Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV 19 3.1.3. Rechtfertigung 23 3.1.3.1. Sekundärrechtliche Freistellungsoptionen 23 3.1.3.2. Eisenbahnleitlinien 23 3.1.3.3. Primärrecht 26 3.1.3.4. Zwischenergebnis 26 3.2. In formal-verfahrensrechtlicher Hinsicht 27 3.2.1. In Bezug auf die Eigenkapitalerhöhung 27 3.2.2. In Bezug auf die Ankündigung der Eigenkapitalerhöhung 28 3.3. Ergebnis 29 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 4 1. Einleitung In ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung u. a. darauf verständigt, sich im Zeitraum von 2020 bis 2030 jährlich mit 1 Mrd. Euro „zusätzlichen Eigenkapitals“ an der Deutschen Bahn AG (DB AG) zu beteiligen.1 Hierdurch soll „die Gesellschaft in die Lage versetzt, zusätzliches Kapital in die Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und das Bahnsystem zu investieren.“2 Weitere Ausführungen, etwa zur Gewährleistung einer solchen Mittelverwendung durch die DB AG, finden sich im Klimaschutzprogramm 2030 nicht. Zur Umsetzung dieser Vorgabe für das kommende Haushaltsjahr hat die Bundesregierung Anfang Oktober ein Ergänzungshaushaltsgesetz in den Bundestag eingebracht, in welchem u. a. die Erhöhung des Eigenkapitals der DB AG in Höhe von 1 Mrd. für das Jahr 2020 vorgesehen ist.3 Der Fachbereich wird vor diesem Hintergrund um Auskunft ersucht, ob diese Eigenkapitalerhöhung mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist, insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung, dass die Mittel in die Modernisierung der Infrastruktur investiert werden sollen. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über das EU-Beihilferecht gegeben (2.), bevor dann eine beihilferechtliche Bewertung der vorgesehenen Eigenkapitalerhöhungen bei der DB AG vorgenommen wird (3.). 2. Überblick über das EU-Beihilferecht Das EU-Beihilferecht lässt sich in materielle (2.1.) und formal-verfahrensrechtliche Bestimmungen (2.2.) aufteilen. 2.1. Materielles EU-Beihilferecht Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . 1 Siehe Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 vom 9. Oktober 2019 (im Folgenden: Klimaschutzprogramm 2030), online abrufbar auf den Seiten der Bunderegierung, S. 67. Siehe auch schon die Eckpunkte der Bundesregierung für das Klimaschutzprogramm 2030 vom 20. September 2019, S. 11 (Pkt. viii), online abrufbar auf den Seiten der Bundesregierung. 2 Klimaschutzprogramm 2030 (Fn. 1), S. 67. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Ergänzung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2020, BT-Drs. 19/13800, S. 42, Haushaltstitel 1202 831 01-742. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 5 Diesem Normtext werden mehrere Merkmale entnommen, die kumulativ erfüllt sein müssen, um von dem Vorliegen einer Beihilfe ausgehen zu können: Neben der aus staatlichen Mitteln gewährten Begünstigung an Unternehmen gehören hierzu die Selektivität (Begünstigung nur bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige), die Wettbewerbsverfälschung und die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.4 Fehlt es nur an einem der Merkmale, so liegt keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vor und das EU-Beihilferecht findet keine Anwendung .5 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählt zunächst Art. 107 Abs. 3 AEUV und die dort aufgeführten Fallgruppen.6 Danach können Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen und insoweit gerechtfertigt bzw. als unionsrechtlich zulässig angesehen werden. In dem hier relevanten Bereich des (Schienen-)Verkehrs ist zudem die Sonderregelung in Art. 93 AEUV zu beachten, wonach Beihilfen unionsrechtsmäßig sind, wenn sie u. a. den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entsprechen. 2.2. EU-Beihilfeverfahren Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV vor allem der Kommission .7 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei zwei Ansätze zu unterscheiden: eine primärrechtlich vorgesehene ex-ante-Prüfung (siehe unter 2.2.1.) und eine sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle (siehe unter 2.2.2.). 4 Siehe zu den einzelnen Merkmalen und der dazu ergangenen Rechtsprechung die sog. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (letztmaliger Abruf unter 20.11.19). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 5 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans), Rn. 74, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 6 Weitere primärrechtliche Vorschriften in diesem Zusammenhang sind Art. 107 Abs. 2 AEUV (zwingende Legalausnahmen ) oder Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. 7 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein, Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 6 2.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfe-VerfO)8 sind mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) zu überprüfen. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV9). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie insbesondere nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann.10 Bis zum Abschluss des Verfahrens darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nicht durchführen (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV11). Verstöße hiergegen können zur Aussetzung oder vorläufigen Rückforderung von bereits gewährten Beihilfen führen und zwar unabhängig von der (noch festzustellenden ) materiellen Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme.12 Von hoher praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen die Kommission einerseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und andererseits ihre Ermessenspraxis insbesondere zur Auslegung des Art. 107 Abs. 3 AEUV oder Art. 93 AEUV verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.13 Zu diesen Rechtsakten gehören überwiegend nicht verbindliche Maßnahmen, die – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.14 Diese nichtverbindlichen Maßnahmen werden in Form von (zum Teil bereichsspezifischen) Leitlinien, Unionsrahmen und Mitteilungen15 erlassen. Von Bedeutung ist im vorliegenden Kontext in tatbestandlicher Hinsicht die 2016 erlassene sog. Beihilfemitteilung, in welcher die Kommission den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV 8 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl.EU 2015 Nr. L 248/9 (letztmaliger Abruf am 20.11.19). 9 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 10 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 11 Vgl. auch Art. 3 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 12 Vgl. Art. 13 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). Ist eine Beihilfe materielle nicht rechtfertigungsfähig, ist sie endgültig zurückzufordern , vgl. Art. 16 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 13 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 14 Vgl. bspw. EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-288/96 (Deutschland/Kommission), Rn. 62; EuGH, Urt. v. 7.03.2002, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Rn. 52. 15 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (unveränderter Stand vom 15.04.2014, letztmaliger Abruf am 20.11.19). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte, vgl. Frenz (Fn. 7), Rn. 747 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 7 anhand der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung erläutert und die auch Ausführungen zur Infrastrukturförderung enthält.16 Was die Rechtfertigungsebene angeht, so ist auf die sog. Eisenbahnleitlinien aus dem Jahr 2008 zu verweisen,17 die weiterhin Anwendung finden. 2.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.18 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer sie dazu ermächtigenden Verordnung des Rates im Sinne des Art. 109 AEUV erlassen kann.19 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt . Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. In der derzeit geltenden sog. Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung finden sich zwar verschiedene Freistellungstatbestände zur Infrastrukturförderung, jedoch nicht für den Eisenbahnsektor .20 3. EU-beihilferechtliche Bewertung der Eigenkapitalerhöhungen bei der Deutschen Bahn AG Hinsichtlich der beihilferechtlichen Bewertung der Eigenkapitalerhöhung bei der DB AG ist zwischen der materiellen (3.1.) und der formel-verfahrensrechtlichen Ebene (3.2.) zu unterscheiden. 3.1. In materieller Hinsicht In materieller Hinsicht stellt sich vor allem die Frage, ob es sich bei der Eigenkapitalerhöhung an sich tatbestandlich um eine Beihilfe handeln würde (3.1.1.). Ferner wird vertreten, dass bereits 16 Siehe oben Fn. 4. Die Aussagen zur Infrastrukturförderung finden sich in Rn. der Mitteilung 199 ff. 17 Kommission, Gemeinschaftliche Leitlinien für staatliche Beihilfen an Eisenbahnunternehmen, ABl.EU 2008 Nr. C 184/13. 18 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, Das neue europäische Beihilferecht, NJW 2014, S. 3128 (3130). 19 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl.EU 2015 Nr. L 248/1, (letztmaliger Abruf am 20.11.19). 20 Siehe hierzu Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1, letzte konsolidierte Fassung vom 10.7.2017. Vgl. dort die Art. 52 ff. zu den Infrastrukturfreistellungstatbeständen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 8 die Entscheidung über die Eigenkapitalerhöhung sowie ihre öffentliche Ankündigung den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen könnten (3.1.2.).21 Ist von einer Maßnahme im Sinne dieser Vertragsvorschrift auszugehen oder kann eine solche zumindest nicht ausgeschlossen werden , bedarf es der Prüfung einer eventuellen Rechtfertigung (3.1.3.). 3.1.1. Eigenkapitalerhöhung als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV Zunächst ist die Eigenkapitalerhöhung im Lichte des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu betrachten. Obgleich diese in tatsächlicher Hinsicht noch nicht erfolgt ist, soll dieser Umstand für die nachfolgende materielle Prüfung außer Betracht bleiben.22 Der dabei zu beurteilende Sachverhalt ist durch zwei Eigenheiten gekennzeichnet: zum einen durch das Ziel der finanziellen Förderung, nämlich die „Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und [des] Bahnsystem[s,]“23 und zum anderen durch die Art der finanziellen Förderung in Gestalt der Eigenkapitalerhöhung . Die staatliche Förderung des Auf- und Ausbaus von Infrastruktur wurde lange Zeit als allgemein wirtschaftspolitische Maßnahme und damit im Ergebnis als nicht beihilferelevant angesehen.24 Beeinflusst durch Liberalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen in verschiedenen infrastrukturlastigen Sektoren wie insbesondere dem Verkehrsbereich hat sich die Rechtsauffassung in den vergangenen Jahren jedoch geändert, wenn es um Infrastrukturen geht, die kommerziell genutzt werden können.25 Ausgangspunkt der neuen Kommissionspraxis sowie auch der Rechtsprechung sind Fälle im Flughafenbereich.26 Wie oben ausgeführt, hat die Kommission der Infrastrukturförderung in der Beihilfemitteilung einen gesonderten Abschnitt gewidmet.27 Bisher gibt es zur Anwendung der dort formulierten Vorgaben nur sehr wenig Rechtsprechung der Unionsgerichte, so dass die Rechtsentwicklung in diesem Bereich als noch im Fluss betrachtet werden kann.28 21 Siehe CMS Hasche Sigle, „Klimapaket – Eigenkapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn AG – Bewertung nach EU-Beihilferecht“ vom 8.11.2019 für MOFAIR e.V. und Netzwerk europäischer Eisenbahnen e. V. (im Folgenden : Auftragsgutachten). 22 Siehe zur formal-verfahrensrechtlichen Betrachtung, bei der dieser Umstand zu berücksichtigen ist, unten unter 3.2.1., S. 27 f. 23 Klimaschutzprogramm 2030 (Fn. 1), S. 67. 24 Vgl. Götz, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H. III. Staatliche Beihilfen (48. EL Juli 2019), Rn. 149; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2016, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 21. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 201, 209. 25 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 201, 209. 26 Siehe insbesondere EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P (Flughafen Leipzig-Halle), Rn. 38 ff. 27 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 199 bis 228. 28 Mit Ausnahme des in Fn. 26 zitierten EuGH-Urteils liegen nur Entscheidungen des Gerichts (siehe Fn. 62) vor, siehe EuG, Urt. v. 13.12.2018, Rs. T-630/15 (Scandlines Danmark), sowie EuG, Urt. 19.9.2018, Rs. T-68/15 (HH Ferries I/S u. a.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 9 Staatliche Maßnahmen finanzieller Natur zu Gunsten staatseigener Unternehmen stellen hingegen einen klassischen Fall beihilferelevanter Tätigkeiten des Staates dar. Vorliegend besteht die dem Sachverhalt zugrunde liegende Besonderheiten allein in der Verknüpfung von Eigenkapitalerhöhung und Infrastrukturförderung. Im Folgenden werden unter Berücksichtigung der beiden oben genannten Eigenheiten die einzelnen Beihilfemerkmale untersucht (3.1.1.1. bis 3.1.1.5.). 3.1.1.1. Deutsche Bahn AG als Unternehmen Zunächst ist nach der Unternehmenseigenschaft der DB AG zu fragen. Ein Unternehmen im Sinne des Beihilfe- bzw. Wettbewerbsrechts ist nach ständiger Rechtsprechung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung .29 Als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Unternehmensdefinition gilt jedes Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf einem Markt.30 Bei der DB AG handelt es sich um einen Konzern, dem zahlreiche Töchterunternehmen angehören . 31 Soweit diese – wie insbesondere im Personenschienen- und Güterverkehr – Dienstleistungen am Markt erbringen, üben sie wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne der Unternehmensdefinition aus, die dem Konzern zuzurechnen sind. Zu den Konzerntöchtern gehört daneben jedoch auch die DB Netz AG, der als Eigentümerin des von der DB AG verantworteten Schienennetzes,32 das etwa 87,5 % des gesamten deutschen Netzes ausmacht, dessen Instandhaltung und Betrieb obliegt.33 Letzteres ändert jedoch nichts daran, dass die hier begünstigte DB AG insgesamt als Unternehmen im Sinne des Beihilfe- bzw. Wettbewerbsrecht anzusehen ist. Erstens soll nämlich die Eigenkapitalerhöhung bei der Konzernmutter erfolgen und eben nicht direkt bei der DB Netz AG. Und, zweitens, selbst wenn letzteres der Fall oder insoweit eine gesonderte Betrachtung angezeigt wäre, im Ergebnis würde dies zu keinem Unterschied führen. Denn eine wirtschaftliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Auf- und Ausbau von Infrastruktur ist nur dann zu verneinen, wenn die betreffende Infrastruktur anschließend in nicht-kommerzieller Weise genutzt (betrieben) wird.34 Das ist hier gerade nicht der Fall, da die DB Netz AG die Schieneninfrastruktur entgeltlich zahlreichen Eisenbahnunternehmen kommerziell zur Verfügung stellt und hieraus den Großteil 29 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 7, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 30 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 12, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 31 Siehe hierzu die Angaben zu den einzelnen Tochterunternehmen auf den Seiten der Deutschen Bahn AG. 32 So die Feststellung von WD 5 (Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), vgl. Sachstand „Eisenbahninfrastruktur und Serviceeinrichtungen“ vom 20.11.2018, WD 5 – 3000 – 154/18, S. 7. 33 Siehe die Angaben auf den Seiten der DB Netz AG, wonach diese „über 90% des Gesamtumsatzes ausmachen.“ 34 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 201 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 10 ihrer Erlöse erzielt.35 Mit Blick auf den kommerziellen Betrieb des Schienennetzes kann der geplante Ausbau der Infrastruktur daher nicht isoliert als nicht-wirtschaftliche Tätigkeit betrachtet werden. Sie ist somit ebenfalls als wirtschaftlich zu qualifizieren36 und entsprechend der DB AG als Konzernmutter zuzurechnen. 3.1.1.2. Eigenkapitalerhöhungen als Begünstigung Sodann ist zu prüfen, ob die Eigenkapitalerhöhung als Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Unter einer Begünstigung ist nach ständiger Rechtsprechung jede wirtschaftliche Vergünstigung zu verstehen, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte.37 Entscheidend sind dabei allein die Auswirkungen einer Maßnahme auf das betreffende Unternehmen, auf die Gründe oder Ziele des staatlichen Handelns kommt es ebenso wenig an, wie auf die genaue Art der Maßnahme.38 Tritt der Staat gegenüber einem begünstigten Unternehmen nicht als (subventionsgewährender) Hoheitsträger auf, sondern – wie hier – als Eigentümer des betreffenden Unternehmens und damit dem Grunde nach wie ein privater Investor, so unterliegt er gleichwohl dem Beihilferecht.39 Ob eine in diesem Zusammenhang vorzunehmende wirtschaftliche Transaktion eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, hängt auch hier davon ab, ob sie normalen Marktbedingungen entspricht oder ob dies nicht der Fall ist und so dem betreffenden Unternehmen ein (finanzieller) Vorteil verschafft wird.40 Die Kommission und ihr folgend auch die Rechtsprechung greifen in solchen Fällen für die Ermittlung der Markt(un)üblichkeit des staatlichen Vorgehens auf das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten zurück; mit seiner Hilfe wird der Vergleichsmaßstab ermittelt, um das staatliche Tätigwerden und seine Begünstigungswirkung beurteilen zu 35 Siehe hierzu die Ausführungen auf den Seiten der DB Netz AG, wonach diese die Schieneninfrastruktur den ungefähr 420 Eisenbahnunternehmen 36 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P (Flughafen Leipzig-Halle), Rn. 40. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 201-203. 37 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 38 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 67 u. 68, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 39 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 73, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 40 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 74, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 11 können.41 In Abhängigkeit von der einschlägigen wirtschaftlichen Transaktion ist dieses Kriterium näher ausgeformt worden.42 Geht es wie hier um Kapitalzuführungen, so ist auf den marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber abzustellen und zu ermitteln, ob ein unter normalen Marktbedingungen handelnder privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe in ähnlicher Lage zu der fraglichen Investition hätte bewegt werden können.43 Ausgangspunkt für diese Beurteilung sind die mit der Kapitalinvestition verbundenen Renditeerwartungen.44 Dabei ist zu beachten, dass das finanzielle Engagement und der daraus folgende Vergleichsmaßstab eines privaten Investors nicht auf eine kurzfristige Kapitalrendite ausgerichtet sein muss, sondern es insoweit auch auf die im konkreten Fall verfolgten Investitionsziele ankommt und diese – wie hier offensichtlich mit Blick auf die beabsichtigte „Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und des Bahnsystems“45 – auch längerfristig und strategischer Natur sein können. In solchen Fällen ist der Vergleichsmaßstab für die Ermittlung eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers entsprechend anzupassen und auf langfriste Rentabilitätsaussichten abzustellen.46 Unabhängig hiervon stehen zur Ermittlung der Renditeerwartungen verschiedene Bewertungsmethoden zur Verfügung. In der Beihilfemitteilung finden sich hierzu folgende Hinweise: „Ob eine Transaktion mit den Marktbedingungen im Einklang steht, kann auch anhand einer allgemeinen Standard-Bewertungsmethode festgestellt werden […]. Eine solche Methode muss auf den verfügbaren objektiven, überprüfbaren und zuverlässigen Daten […] beruhen, die hinreichend detailliert sein müssen und unter Berücksichtigung der Höhe des Risikos und der Erwartungen für die Zukunft […] die wirtschaftliche Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Transaktion widerspiegeln sollten. Je nach dem Wert der Transaktion sollte die Belastbarkeit der Bewertung in der Regel durch eine Sensitivitätsanalyse bestätigt werden, bei der verschiedene Geschäftsszenarios geprüft, Notfallpläne ausgearbeitet und die Ergebnisse mit alternativen Bewertungsmethoden verglichen werden. Eine neue (Ex-ante-)Bewertung 41 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 60, 63. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 74 ff. 42 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 61 f. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 74 ff. 43 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.9.2014, verb. Rs. C-533/12 P u. C-536/12 P (SNCM), Rn. 30, 31. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 74, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 44 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 87; Götz, in: Dauses/Ludwigs (Fn. 24), H. III. Staatliche Beihilfen (48. EL Juli 2019), Rn. 101. 45 Siehe Klimaschutzprogramm 2030 (Fn. 1), S. 67. 46 Vgl. Kühling, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 107 AEUV, Rn. 55; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 89 ff., 92 f.; Götz, in: Dauses/Ludwigs (Fn. 24), H. III. Staatliche Beihilfen (48. EL Juli 2019), Rn. 101 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 12 kann erforderlich sein, wenn die Transaktion sich verzögert und den jüngsten Veränderungen der Marktbedingungen Rechnung getragen werden muss. Eine weithin anerkannte Standardmethode für die Ermittlung der (jährlichen) Kapitalrendite ist beispielsweise die Berechnung des internen Zinsfußes (Internal Rate of Return — IRR) […]. Man kann die Investitionsentscheidung auch anhand ihres Barwerts (NET Present Value — NPV) […] bewerten, der in den meisten Fällen zu gleichwertigen Ergebnissen führt wie der IRR […]. Um zu prüfen, ob die Investition zu Marktbedingungen getätigt wird, muss die Kapitalrendite mit der normalen erwarteten marktüblichen Rendite verglichen werden. Die normale erwartete Rendite (oder die Kapitalkosten der Investition) kann definiert werden als die durchschnittliche erwartete Rendite, die der Markt bei einer Investition auf der Grundlage allgemein anerkannter Kriterien und insbesondere des Investitionsrisikos verlangt, wobei der finanziellen Lage des Unternehmens und den Besonderheiten des Wirtschaftszweigs, der Region oder des Landes Rechnung getragen wird. Wenn diese normale Rendite nicht erwartet werden kann, würde die Investition höchstwahrscheinlich zu Marktbedingungen nicht getätigt werden. Je höher das mit dem Vorhaben verbundene Risiko ist, desto höher wird im Allgemeinen die von den Kapitalgebern verlangte Rendite sein, d. h. umso höher werden die Kapitalkosten sein.“47 Zu beachten sind in diesem Zusammenhang sodann noch folgende Aspekte: Bei der Prüfung, ob auch ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber die hier vorgesehenen Eigenkapitalerhöhungen vorgenommen hätte, sind nur solche Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, „die mit der Rolle des Staates als Wirtschaftsbeteiligter zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Rolle als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen. Das Kriterium ist also in der Regel nicht anwendbar, wenn der Staat als Träger der öffentlichen Gewalt und nicht als Wirtschaftsbeteiligter handelt. Wenn ein Eingriff des Staates zum Beispiel aus Gründen des Gemeinwohls […] erfolgt, kann das Verhalten des Staates zwar aus politischer Sicht rational sein, aber gleichzeitig Erwägungen Rechnung tragen, die marktwirtschaftlich handelnde Wirtschaftsbeteiligte in der Regel nicht berücksichtigen. Bei der Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten sollten daher alle Erwägungen außer Betracht bleiben, die sich ausschließlich auf die Rolle des Mitgliedstaats als Träger der öffentlichen Gewalt beziehen […].“48 Hieraus folgt, dass allein politische (Allgemeinwohl-)Erwägungen wie hier der Klimaschutz eine in wirtschaftlicher Hinsicht nicht marktkonforme Maßnahme im Hinblick auf die Tatbestandlichkeit als Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht zu heilen vermögen .49 Zweitens ist die „Marktkonformität“ nach den Vorgaben der Rechtsprechung und der Kommission ex ante unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Maßnahme 47 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 101 u. 102. 48 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 77, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 49 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 66. Relevant werden können solche Erwägungen dann aber auf der Ebene der Rechtfertigung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 13 verfügbaren Informationen zu prüfen; eine ex-post vorgenommene wirtschaftliche Bewertung positiver Natur reicht nicht aus.50 Drittens sind bei der Prüfung der Marktkonformität alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten.51 Viertens ist zu beachten, dass insbesondere bei wirtschaftlich komplexen Entscheidungen den betreffenden Mitgliedstaat eine Darlegungslast hinsichtlich der Marktkonformität seines Verhaltens trifft, er im Zweifelsfall nachweisen muss, dass seine Entscheidung – hier die Erhöhungen des Eigenkapitals der DB AG – „auf der Grundlage wirtschaftlicher Bewertung getroffen wurde, die denen vergleichbar sind, die ein vernünftiger, marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter (mit ähnlichen Merkmalen wie die betreffende öffentliche Einrichtung) in ähnlicher Lage vorgenommen hätte, um die Rentabilität oder die wirtschaftlichen Vorteile der Transaktion zu ermitteln.“52 Ob und inwieweit die Bundesregierung im Zusammenhang mit der beschlossen Eigenkapitalerhöhung entsprechende Überlegungen wirtschaftlicher Natur angestellt hat, ist nicht bekannt. Weder im Klimaschutzprogramm, den vorher aufgestellten Eckpunkten noch in dem Entwurf des Ergänzungshaushaltsgesetzes finden sich hierzu Angaben. Dessen ungeachtet und unabhängig von dem anzulegenden Beurteilungsmaßstab53 lässt sich eine Prüfung auf Einhaltung der oben beschriebenen Vorgaben zum Privaten-Kapitalgeber-Test aufgrund der wirtschaftlichen Komplexität und mangels hierfür notwendiger betriebswirtschaftlicher Expertise an dieser Stelle nicht durchführen.54 Sollte die Maßnahme jedoch allein aus klimapolitischen Gründen getroffen worden sein, ohne dass insoweit wirtschaftliche Gesichtspunkte und Renditeerwartungen eine Rolle gespielt haben, dürfte von einer Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen sein. Dies soll für die weitere Ausarbeitung unterstellt werden. 50 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 78; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 81, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 51 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 82. 52 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 79, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 63, 79. 53 Vgl. hierzu Kühling, in: Streinz (Fn. 46), Art. 107 AEUV, Rn. 94, der zwischen dem einem staatlichen Investor insbesondere bei längerfristigen Rentabilitätserwägungen eingeräumten Beurteilungsspielraum, dem (weiten) Ermessen der Kommission bei der Konkretisierung des hypothetischen Vergleichsinvestors und der gerichtlichen Kontrolldichte hinsichtlich der Anwendung dieses Vergleichsmaßstabs durch die Kommission unterscheidet . 54 Nach dem Auftragsgutachten (Fn. 21) „verfehlt die geplante Kapitalerhöhung […] die Anforderungen des [Privat Investor Tests] deutlich“, so dass man im Ergebnis davon ausgeht, dass „eine beihilferechtlich relevante Begünstigung der DB AG [vorliegt]“, S. 15. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 14 3.1.1.3. Staatlichkeit der Mittel und Selektivität der Maßnahme Keine Zweifel bestehen sodann bei den Merkmalen der Staatlichkeit der Mittel und der Selektivität der Maßnahme. Ersteres ist immer dann erfüllt, wenn sich die (unterstellte) Begünstigung aus Haushaltsmitteln speist und wenn deren Gewährung dem Staat unmittelbar zuzurechnen ist.55 Das ist hier der Fall, da es sich um Bundeshaushaltsmittel handelt und die daraus zu finanzierende Eigenkapitalerhöhung durch den Staat als gesellschaftsrechtlicher Eigentümer des Unternehmens erfolgen soll. Selektiv ist eine Maßnahme, wenn sie nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugutekommt. Diese Voraussetzung bedarf vor allem dann einer gesonderten Prüfung, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die etwa in Form von Steuervergünstigungen abstrakt-genereller Natur sind und eine Vielzahl von Unternehmen begünstigen.56 Handelt es sich hingegen – wie hier – um eine individuelle Begünstigung nur eines Unternehmens, welches dazu jedenfalls zu großen Teilen mit anderen (Eisenbahn-)Unternehmen in Konkurrenz steht, so ist von einer Selektivität auszugehen. 3.1.1.4. Verfälschung des Wettbewerbs und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel An das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung und an die Feststellung von Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel werden in der Regel keine hohen Anforderungen gestellt, sofern die vorgenannten Beihilfemerkmale verwirklicht sind und es sich nicht um rein lokale oder kommunale Vorhaben handelt.57 Im Fall der Infrastrukturförderung misst die Kommission den beiden Merkmalen jedoch ein deutlich größeres Gewicht zu und legt ihnen eine differenzierte Prüfung zugrunde.58 Zunächst wird 55 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 48 bzw. 39, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 56 Siehe hierzu die Ausführungen in der Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 119 ff., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 57 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11 (Libert u. a), Rn. 76,77: Beihilfe muss nur geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, vgl. EuGH, Urt. v. 17.09.1980 Rs. C-730/79 (Phillip Morris), Rn. 11: Staatliche Maßnahmen drohen den Wettbewerb zu verfälschen, wenn sie die Wettbewerbsposition des Empfänger im Vergleich zu seinen Wettbewerbern verbessern könnten. 58 Im Auftragsgutachten (Fn. 21) wird auf diesen Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Wettbewerbsverfälschung sowie der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht eingegangen, vgl. S. 16 f. Insoweit wird allein auf den Umstand abgestellt, dass sich die DB AG mit zahlreichen Töchterunternehmen in verschiedenen Geschäftsfeldern im In- und Ausland im Wettbewerb mit anderen Unternehmen befindet. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 15 danach unterschieden, ob es sich bei dem Begünstigten um den Eigentümer bzw. Träger der Infrastruktur , ihren Betreiber oder Endnutzer handelt.59 Innerhalb der Gruppen werden sodann verschiedene beihilferelevante und nicht relevante Konstellationen unterschieden60. Hiervon ausgehend nimmt die Kommission im Zusammenhang mit Maßnahmen zugunsten von Infrastrukturträgern eine Vorbewertung verschiedener Wirtschaftszweige vor.61 Soweit ersichtlich, beruhen diese Differenzierungen jedoch ausschließlich auf der bisherigen Kommissionspraxis bzw. den von ihr hierzu formulierten Vorgaben. Obgleich erste Urteile des Gerichts (EuG)62 hierzu vorliegen , bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten, insbesondere auch bestätigende Entscheidungen des EuGH. Ausgehend von den allgemein durch die Kommission aufgestellten Vorgaben ist im Folgenden zu prüfen, ob die hier geplante Infrastrukturförderung an sich Auswirkungen auf den Wettbewerb und den zwischenstaatlichen Handel haben kann. Hierbei ist zunächst zwischen dem Bau und Ausbau der Infrastruktur (3.1.1.4.1.) sowie ihrem Betrieb zu unterscheiden (3.1.1.4.2.). Sodann ist auf das Verbot der Quersubventionierung einzugehen, das in beiden Fällen zu beachten ist (3.1.1.4.3.). 3.1.1.4.1. Bau und Ausbau von Infrastrukturen mit flächendeckenden Netzen In Bezug auf Infrastrukturen mit flächendeckenden Netzten verneint die Kommission in der Regel einen unmittelbaren Wettbewerb und damit einhergehend auch Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel, „sofern [die betreffenden Netze] ein natürliches Monopol darstellen, d. h. sofern der Nachbau des Netzes unrentabel wäre.“63 Vor diesem Hintergrund hat sie folgende Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen Wettbewerbsverfälschungen und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel ausgeschlossen sind: Das ist dann der Fall, „wenn i) eine Infrastruktur in der Regel keinem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt ist, ii) in dem betreffenden Wirtschaftszweig und dem betreffenden Mitgliedstaat nur vernachlässigbar kleine private Finanzierungsmittel aufgebracht werden und iii) die Infrastruktur nicht so ausgestaltet ist, dass sie selektiv ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Wirtschaftszweig begünstigt, sondern für die Gesellschaft insgesamt von Nutzen ist.“64 59 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 200. 60 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 201, 210 ff., 222 ff., 225 ff. 61 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 213 ff. 62 Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EUV umfasst der Gerichtshof der Europäischen Union u. a. den Gerichtshof (EuGH) und das Gericht (EuG). Letzteres ist insbesondere bei Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV erstinstanzlich zuständig, soweit nicht die Satzung des Gerichtshofs eine Zuständigkeit des EuGH vorsieht, vgl. Art. 256 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV. In der Praxis ist das EuG vor allem für Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen erstinstanzlich zuständig sowie für Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und Organen, insbesondere der Kommission, die eher verwaltungsrechtlicher Natur sind, beispielsweise im hier relevanten EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 ff. AEUV. 63 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 211. 64 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 211. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 16 Für den Bau – und damit wohl auch für die Modernisierung und den Ausbau – von Eisenbahninfrastruktur sieht die Kommission diese Voraussetzungen „in der Regel als erfüllt“ an, soweit die Infrastruktur den „potenziellen Nutzern zu gleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt wird“.65 An letzterem bestehen im Hinblick auf das Schienennetzt der DB Netz AG – soweit ersichtlich – keine grundlegenden Zweifel. Ob damit zugleich die eben beschriebene Regelvermutung der Kommission als erfüllt angesehen werden kann, dürfte indes auch von der Frage des Bestehens eines unmittelbaren Wettbewerbs mit „Infrastrukturen anderer Art, die in erheblichem Maße substituierbare Dienstleistungen anbieten,“ abhängen.66 Im vorliegenden Kontext könnte an den intermodalen Wettbewerb mit dem Personen- und Güterverkehr auf Straße und in der Luft gedacht werden. In ihren Ausführungen in der Beihilfemitteilung zur Eisenbahnstruktur erwähnt die Kommission den intermodalen Wettbewerb jedoch nicht und ihre oben wiedergegebene Regelvermutung spricht dafür, dass sie diesen Wettbewerb in dem Kontext als nicht relevant ansieht. Soweit es zu dieser Frage bereits Rechtsprechung gibt, ist diese nicht eindeutig. In einer Entscheidung des EuG zu einer Kommissionsentscheidung in Bezug auf dänischen Beihilfen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Festen Fehmarnbeltquerung wurde zwischen der Hinterlandanbindung an das dänische Schienennetz und dem Tunnel unter dem Fehmarnbelt unterschieden .67 Während das EuG hinsichtlich der Hinterlandanbindung eine Beihilfe mangels Wettbewerbsverfälschung und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel ablehnte, schloss es dies im Hinblick auf den Tunnel nicht aus, da diese Infrastruktur im Wettbewerb mit anderen Verkehrsdienstleistungen stehe, insbesondere mit Schiffsfährdiensten.68 Ob dies der besonderen Situation der Fehmarnbeltquerung geschuldet war, die zum jetzigen Zeitpunkt allein per Schiff bewältigt werden kann, lässt sich nicht abschließend beurteilen, zumal dieser Gesichtspunkt auch für das Urteil des EuG nicht entscheidungserheblich war. Die Entscheidung zeigt aber, dass der intermodale Wettbewerb nicht gänzlich außer Acht gelassen werden kann und die weitere Rechtsentwicklung insoweit abzuwarten ist. Hiervon unabhängig stellt sich die Frage, ob es hier allein auf die oben genannten Kriterien ankommen kann. Denn vorliegend besteht die Besonderheit, dass hier Trägerschaft und Betrieb der Infrastruktur durch dasselbe Unternehmen, nämlich die DB Netz AG, vereint werden. Daher ist auch der Blick auf die Kriterien für die Beurteilung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur zu richten. 65 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 219. 66 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 211. 67 Vgl. EuG, Urt. v. 13.12.2018, Rs. T-630/15 (Scandlines Danmark), Rn. 18, 19; 91, 92. Gegen dieses Urteil wurde ein Rechtsmittel beim EuGH eingelegt (Rs. C-174/19 P). 68 EuG, Urt. v. 13.12.2018, Rs. T-630/15 (Scandlines Danmark), Rn. 91, 92. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 17 3.1.1.4.2. Betrieb der Infrastruktur Im Zusammenhang mit dem Betrieb von Eisenbahninfrastruktur stellt die Kommission in Anknüpfung an allgemeine Vorgaben darauf ab, ob es hierfür einen Wettbewerb gibt oder ob der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur einem rechtlichen Monopol unterliegt; ist das der Fall, so könnten Beihilfen an den Betreiber auch keinen Wettbewerb verfälschen.69 In einer solchen Konstellation handele es sich um nationale, geografisch geschlossene und abgegrenzte Märkte, die keinem Wettbewerb unterlägen, so dass auch keine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels angenommen werden könne.70 Diesen Ansatz hat das EuG in seiner Rechtsprechung grundsätzlich bestätigt.71 Im Lichte dieser Voraussetzungen dürfte auch für den Betrieb des deutschen Schienennetzes durch die DB Netz AG und die darauf bezogene finanzielle Förderung nichts anderes gelten, da hier mit Blick auf den fast 88%igen-Anteil der DB Netz AG am deutschen Schienennetzes und den Kosten für den Bau neuer Schienenwege zumindest ein faktisches Monopol besteht. Somit kann auch hier ein nationaler, geografisch geschlossener und abgegrenzter Markt angenommen werden. Wettbewerbsverfälschungen und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel sind insoweit dem Grunde nach ausgeschlossen. 3.1.1.4.3. Verbot der Quersubventionierung Die oben beschriebenen Voraussetzungen zum Ausschluss der Wettbewerbsverfälschung und der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelns gelten allerdings nur, soweit eine Quersubventionierung oder mittelbare Subventionierung von wettbewerbsrelevanten Wirtschaftstätigkeiten des begünstigten Unternehmens ausgeschlossen ist.72 Diese Vorgabe ist etwa dann von Bedeutung , wenn das betreffende Unternehmen zugleich auf anderen (ausländischen, liberalisierten) Märkten tätig ist.73 Und das dürfte insbesondere auch im Hinblick auf die DB AG gelten, die als Konzern über andere Tochterunternehmen u. a. als Endnutzer von Schieneninfrastruktur im Inund Ausland tätig ist. In der Kommissionsmitteilung heißt es insoweit: „Quersubventionierungen können ausgeschlossen werden, wenn sichergestellt ist, dass der Eigentümer der Infrastruktur keine anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt, oder — wenn der Eigentümer eine andere wirtschaftliche Tätig- 69 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 219, Fn. 314. 70 Vgl. Kommission, Staatliche Beihilfe SA.39078 (2014/N) – Dänemark (Financing of the Fehmarn Belt Fixed Link project), Rn. 55; SA.35948 (2012/N) – Tschechische Republik (Prolongation of the interoperability scheme in railway transport), Rn. 21. 71 Siehe etwa EuG, Urt. v. 13.12.2018, Rs. T-630/15 (Scandlines Danmark), Rn. 116, 120, 127, 129. 72 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 212, 219, Fn. 314. Siehe auch EuG, Urt. v. 13.12.2018, Rs. T-630/15 (Scandlines Danmark), Rn. 130, 131. 73 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 314. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 18 keit ausübt — wenn getrennte Bücher geführt werden, in denen die Kosten und Einnahmen ordnungsgemäß zugewiesen werden und gewährleistet ist, dass öffentliche Zuwendungen nicht für andere Tätigkeiten verwendet werden.“74 Blickt man auf diese Definition, so könnte man zunächst zwar darauf abstellen, dass die DB Netz AG keine andere wirtschaftliche Tätigkeit als den Betrieb ihres Schienennetzes ausübt. Da aber nicht ihr Eigenkapital, sondern das ihrer Konzernmutter erhöht werden soll, dürfte es darauf nicht ankommen. Ob vor dem Hintergrund der anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten der DB AG gewährleistet werden kann, dass hier „getrennte Bücher geführt werden, in denen die Kosten und Einnahmen ordnungsgemäß zugewiesen werden und gewährleistet ist, dass öffentliche Zuwendungen nicht für andere Tätigkeiten verwendet werden“, ist im Fall einer der Konzernmutter zukommenden Eigenkapitalerhöhung fraglich. Denn hierdurch wird die Kapitalausstattung des gesamten Konzerns beeinflusst und damit auch seine Möglichkeit, sich für alle seine Tätigkeiten am Markt zu refinanzieren . Der Nachweis, ob und ggf. wie eine Quersubventionierung in einer solchen Konstellation auf andere Art und Weise ausgeschlossen werden kann, obliegt dabei der Bundesregierung. Hiervon unabhängig ist – soweit ersichtlich – nicht bekannt, welche Anforderungen ggf. die Kommission oder Rechtsprechung hieran stellen würden. Hinzuweisen ist in diesem Kontext auf die bisherige Praxis für die Förderung der von der DB Netz AG verantworteten Eisenbahninfrastruktur, die über sog. Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen (LuFV) erfolgt, die als Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und der DB AG sowie den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der DB AG (Netz AG, DB Station & Service AG, DB Energie GmbH) anderseits geschlossen werden.75 3.1.1.5. Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt in tatbestandlicher Hinsicht festzuhalten, dass die Qualifizierung der Eigenkapitalerhöhung bei der DB AG als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV maßgeblich von zwei Aspekten abhängt, über die hier nicht abschließend entschieden werden kann: Erstens der Qualifizierung der Erhöhung als Begünstigung und zweitens der Beachtung des Verbots der Quersubventionierung. Im ersten Fall hängt die Einstufung als Begünstigung davon ab, ob der Bund als Eigentümer der DB AG die Eigenkapitalerhöhung aus renditegestützten wirtschaftlichen Gründen vornimmt, die auch einen privaten Kapitalgeber zu dieser Investition bewogen hätten. Insoweit besteht weder Kenntnis bzgl. derartiger Überlegungen der Bundesregierung noch ließe sich im Rahmen des Gutachtens ggf. bewerten, ob eventuell vorliegende (betriebs-)wirtschaftliche Motive auch aus Sicht eines privaten Kapitalgebers für die Erhöhung vorgelegen hätten. 74 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 212. 75 Siehe hierzu die Ausarbeitung von WD 5 (Wirtschaft, Verkehr, Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz ) „Die aktienrechtliche Kapitalerhöhung“ vom 7.10.2019, WD 5 - 3000 - 152/19. S. 6 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 19 Die Frage nach der Beachtung des Verbots der Quersubventionierung stellt sich nur, wenn die Eigenkapitalerhöhung als Begünstigung anzusehen ist. Unterstellt man dies, so müsste zur Vermeidung von Wettbewerbsverfälschungen und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel gewährleistet werden, dass die Eigenkapitalerhöhung nicht zu einer (Quer-)Subventionierung der im wirtschaftlichen Wettbewerb stehenden Tätigkeitsbereich der DB AG führt. Ob und wie dies in einem solchen Fall, in welchem die Kapitalausstattung des gesamten Konzerns erhöht wird, umgesetzt werden kann, lässt sich vorliegend mangels betriebswirtschaftlicher Expertise zum einen sowie mangels eventueller Kommissionvorgaben hierzu zum anderen nicht beantworten . Aus den Ausführungen wird zudem deutlich, dass mit einer anderen Art der finanziellen Förderung die Beachtung des Verbots der Quersubventionierung ggf. einfacher sicherzustellen wäre, so dass zumindest im Lichte der Kommissionsvorgaben zur Infrastrukturförderung eine tatbestandliche Beihilfe vermieden werden könnte.76 3.1.2. Entscheidung über die Eigenkapitalerhöhung und ihre öffentliche Ankündigung als Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV In einem Auftragsgutachten für zwei Interessensvertretungen von Eisenbahnunternehmen wird die Ansicht vertreten, dass neben der Eigenkapitalerhöhung als begünstigungsrelevante Maßnahme bereits die Entscheidung der Bundesregierung hierüber sowie deren öffentliche Ankündigung im Rahmen des sog. Klimapakets den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen könnten .77 Verwiesen wird dabei auf eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2013. Nach dieser wurden mehrere öffentliche Erklärungen der französischen Regierung zugunsten eines öffentlichen Unternehmens im Hinblick auf die Erhöhung des Eigenkapitals sowie ein kurze Zeit später angekündigtes und sodann unterbreitetes Angebot eines Aktionärsvorschusses in der Gesamtbetrachtung als aus staatlichen Mitteln stammende Begünstigung angesehen.78 Das Besondere an dieser Rechtssache war, dass der begünstigungsrelevante Aktionärsvorschuss von dem Unternehmen letztlich nicht angenommen wurde und die später auf regulärem Wege vorgenommene Kapitalerhöhung lediglich in ihrer potentiellen Wirkung für die Qualifizierung des Aktionärsvorschusses und der in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen als aus staatlichen Mitteln stammende Begünstigung Beachtung fand.79 76 Siehe hierzu etwa die Ausführungen im Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 18 ff., 23, 27. 77 Vgl. Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 8 ff. 78 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 2 bis 49 zum Sachverhalt, der Kommissionsentscheidung und dem erstinstanzlichen Verfahren, Rn. 98 bis 114 zum rechtsfehlerhaften Urteil des EuG, Rn. 115 bis 139, insb. Rn. 132 ff. zu endgültigen Entscheidung des EuGH in Bezug auf die hier relevanten Teile des Rechtsstreits. 79 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 16, 18, 137, 139. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 20 Hinsichtlich der Begünstigung stellte der EuGH insoweit darauf ab, dass insbesondere der angekündigte Aktionärsvorschuss als Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, „da er es dem Unternehmen ermöglicht hat, ‚seine Finanzmittel aufzustocken[,] und den Markt hinsichtlich seiner Fähigkeit, seine fälligen Verbindlichkeiten einzulösen, beruhigt[e]‘.“80 Damit stellt der EuGH für die Qualifizierung der Begünstigung auf die sog. sekundären Wirkungen der angekündigten Kapitalerhöhung ab und nicht auf die später tatsächlich erfolgte tatsächliche Erhöhung des Eigenkapitals.81 Was das Merkmal der Staatlichkeit der Mittel in einem solchen Fall angeht, verwies der EuGH zunächst auf seine Rechtsprechung, wonach „eine staatliche Maßnahme, die geeignet ist, gleichzeitig die Unternehmen, auf die sie angewandt wird, in eine günstigere Lage als andere zu versetzen , und ein hinreichend konkretes Risiko für den Eintritt einer künftigen zusätzlichen Belastung für den Staat zu schaffen, zulasten der staatlichen Mittel gehen kann […].“82 Dies gelte etwa für Begünstigungen in Form staatlicher Bürgschaften, die „eine zusätzliche Belastung für den Staat bedeuten können […].“83 Vor diesem Hintergrund bedarf es für die Annahme einer staatlichen Beihilfe stets des Nachweises eines „hinreichend engen Zusammenhang zwischen dem Vorteil, der dem Begünstigten gewährt wird, einerseits und der Verringerung eines Postens des Staatshaushalts oder einem hinreichend konkreten wirtschaftlichen Risiko für dessen Belastung andererseits […].“84 Allerdings ist es „weder erforderlich, dass eine solche Verringerung oder ein solches Risiko diesem Vorteil entspricht oder ihm gleichwertig ist, noch dass diesem Vorteil eine solche Verringerung oder ein solches Risiko gegenübersteht, noch dass er von gleicher Art wie die Bindung staatlicher Mittel ist, denen er entspringt.“85 Diese Anforderungen sah der Gerichtshof unter Verweis auf seine Rechtsprechung insbesondere zu den Bürgschaften sowie mit Blick auf die Besonderheiten des betreffenden Falls als gegeben an und führte insoweit aus: „In Bezug auf die Voraussetzung der Bindung staatlicher Mittel, die ebenfalls in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellt wird, ist festzustellen, dass der Aktionärsvorschuss die Eröffnung einer Kreditlinie von 9 Mrd. Euro bedeutet. Zwar hat [das Unternehmen ] die ihr vorgelegte Vorschussvereinbarung nicht unterzeichnet, doch hätte sie 80 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 136. 81 Vgl. zum entscheidungserheblichen Sachverhalt insoweit EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C- 410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 16, 18. Siehe zur Differenzierung zwischen primären und sekundären Begünstigungswirkungen in derartigen Fällen Reese, Zum EU-Beihilfenbegriff – Der enge Zusammenhang zwischen Vorteil und Last als Zurechnungsproblem, EuR 2013, S. 572 (576 f.). 82 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 106 83 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 107 (Hervorhebung durch Verfasser). 84 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 109. 85 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 110. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 21 […] sie jederzeit unterzeichnen können und damit Anspruch auf sofortige Überweisung des Betrags von 9 Mrd. Euro gehabt. […] In Anbetracht zum einen der potenziellen zusätzlichen Belastung der staatlichen Mittel in Höhe von 9 Mrd. Euro und zum anderen der […] Rechtsprechung [zu Bürgschaften] hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass der [im angekündigten Aktionärsvorschuss liegende] Vorteil aus staatlichen Mitteln im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt wurde.“86 Ausgehend von dieser Entscheidung wird im Auftragsgutachten die Auffassung vertreten, dass auch die DB bereits durch die Ankündigung der Kapitalerhöhung begünstigt wurde, da etwa die Ratingagentur Standard & Poor’s daraufhin das Rating der DB AG erhöht habe.87 Zurückhaltender wird hingegen die zweite Voraussetzung zur Staatlichkeit der Mittel beurteilt. Denn im Vergleich zur EuGH-Entscheidung bzw. dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt fehle es zum jetzigen Zeitpunkt an einem hinreichend konkreten Risiko für die Belastung des staatlichen Haushalts.88 Insbesondere bedürfe „die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung noch der Beschlussfassung der zuständigen Gremien.“89 Dies sei aber bei Abschluss des laufenden bundeshaushaltsgesetzlichen Verfahrens der Fall, da dann aus Sicht der Verfasser des Auftraggutachtens „auch angesichts der Gesamtumstände (zumindest weitreichende politische Bindung) eine hinreichende Verbindlichkeit der seitens der Bundesregierung beschlossenen Kapitalerhöhung besteh[t]. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Bouygues keineswegs zwingend ist, dass ein Rechtsanspruch auf die Durchführung der Maßnahme gewissermaßen jederzeit durch eine einseitige Handlung des Unternehmens hergestellt werden kann. Vielmehr lässt sich die betreffende Entscheidung so interpretieren, dass es genügt, wenn die Durchführung der Maßnahme faktisch feststeht.“90 Vor diesem Hintergrund wird die Auffassung vertreten, dass nach Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen eine Beihilfe anzunehmen wäre, wenn auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt seien.91 Wie bereits aus den zitierten Ausführungen deutlich wird, beruht diese Einschätzung auch auf einer durch die Verfasser des Auftragsgutachtens vorgenommenen (weiten) Auslegung der zitierten EuGH-Entscheidung hinsichtlich der Anforderungen an das Beihilfemerkmal der Staatlichkeit der Mittel. Stellt man hingegen auf die genauen Umstände der Entscheidung ab, so dürfte ein vergleichbar enges konkretes Risiko einer Haushaltsbelastung wohl nicht schon im noch zu beschließenden Haushaltsgesetz 2020 erblickt werden. Denn insoweit werden nur die Mittel im 86 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 137 u. 139 (Hervorhebung durch Verfasser). 87 Siehe Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 9. 88 Siehe Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 9. 89 Siehe Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 9. 90 Siehe Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 9 f. 91 Siehe Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 10. Diese werden in dem Auftragsgutachten bejaht. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 22 Haushalt bereitgestellt, eine Übertragung und damit Belastung des Haushaltes erfolgt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, auch besteht kein Rechtsanspruch auf die Übertragung der Mittel durch die DB AG. Hierfür sind weitere Schritte notwendig, an deren Ende eine notariell zu beurkundenden Satzungsänderung steht (vgl. § 23 Abs. 1, 3 Nr. 3 AktG) und erst auf dieser Grundlage kann das Eigenkapital erhöht werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Rating der DB AG durch die Ankündigung der Eigenkapitalerhöhung zwar eine Anhebung erfahren haben mag. Im EuGH-Fall befand sich das begünstigte Unternehmen hingegen in einer wirtschaftlichen sehr schwierigen Situation,92 an der es vorliegend – soweit ersichtlich und ungeachtet etwaiger unternehmerischer Schwierigkeiten – fehlt. Ferner stellte der EuGH auch darauf ab, dass das Unternehmen im Ausgangsfall infolge des angekündigten Aktionärsvorschusses auf dem Kapitalmarkt tätig werden und Fremdkapital einwerben konnte.93 Ob auch die DB AG insoweit tätig geworden ist und zu günstigeren Bedingungen als vorher Fremdkapital einwerben konnte, ist nicht bekannt und wird auch in dem Auftragsgutachten nicht weiter erwähnt. Vor diesem Hintergrund bestehen aus einer vergleichenden Perspektive auch an dem Merkmal der Begünstigung Zweifel. Ungeachtet der tatsächlichen Unterschiede zwischen den Umständen, die dem zitierten EuGH- Urteil zugrunde lagen und den hier vorliegenden, spricht einiges gegen eine eher weite Auslegung dieses Urteils. Verwiesen sei zunächst auf die Kommission und ihre Rezeption der Entscheidung in der Beihilfemitteilung. Darin führt sie zwar aus, dass auch die Schaffung eines konkreten Risikos einer künftigen Belastung für den Staat für die Zwecke des Art. 107 Abs. 1 AEUV und das Merkmal der staatlichen Mittel ausreichend sei, beispielhaft verwiesen wird jedoch nur auf Garantien oder ein vertragliches Angebot.94 Im Schrifttum wird das EuGH-Urteil hingegen aufgrund der damit einhergehenden dogmatischen Folgen kritisiert. So wird etwa eingewandt, dass die „weite Auslegung des Zusammenhangs zwischen [Begünstigung] und [Staatlichkeit der Mittel] zur Beihilferelevanz von Begünstigungen [führt], die nicht auf staatlicher Mittelverwendung beruhen, sondern allein auf staatlich begründetem Vertrauen. Die mit der weiten Auslegung des Zusammenhangs von [Begünstigung] und [Staatlichkeit der Mittel] bewirkte Ausdehnung des EU-Beihilfetatbestandes unterläuft dabei die Begrenzungsfunktion der staatlichen Mittelbelastung und macht das Kriterium letztlich überflüssig.“95 Soweit ersichtlich, hat es im Anschluss an das zitierte EuGH-Urteil auch keine weiteren Entscheidungen gegeben, denen vergleichbare Konstellationen zugrunde lagen. Geht man hier gleichwohl davon aus, dass schon die Ankündigung der Eigenkapitalerhöhung ein aus staatlichen Mitteln herrührende Begünstigung sein kann, dann kommt es im Weiteren wohl darauf an, dass die übrigen Beihilfevoraussetzungen, etwa bezüglich des privaten Kapitalgeber- 92 EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 2 bis 19, 133 ff. 93 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 134, 135, 14, 17. 94 Beihilfemitteilung (Fn. 4), Rn. 51 und Fn. 79. 95 Reese (Fn. 81), S. 592. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 23 tests, vorliegen, wobei dann wieder auf die Kapitalerhöhung und damit auf die primäre Begünstigungswirkung abgestellt wird.96 Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zur Beihilferelevanz der eigentlichen Eigenkapitalerhöhung zu verweisen.97 Insgesamt lässt sich somit auch hier keine abschließende Entscheidung treffen, wobei die spezifischen Gründe in dieser Konstellation vor allem rechtlicher Natur sind. Denn die einschlägige Entscheidung des EuGH lässt sich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall der angekündigten Eigenkapitalerhöhung übertragen. Weitere Rechtsprechung, die den der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Ansatz konkretisiert, liegt bisher nicht vor. Kommission und Schrifttum sprechen hingegen gegen eine weite Auslegung. 3.1.3. Rechtfertigung Geht man für das weitere Gutachten davon aus, dass eine tatbestandliche Beihilfe durch die Eigenkapitalerhöhung bzw. ihre Ankündigung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, ist nach einer eventuellen Rechtfertigung zu fragen. Die dabei anzustellenden Erwägungen gelten – mangels gegenteiliger Vorgaben – in gleicher Weise sowohl für die die Eigenkapitalerhöhung als auch ihre beihilfetatbestandlich gesondert zu betrachtende Ankündigung. 3.1.3.1. Sekundärrechtliche Freistellungsoptionen Mit Blick auf das Ziel der Förderung, nämlich in die „Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und das Bahnsystem“ zu investieren, kommt eine Anwendung der sekundärrechtlich ausgestalteten Freistellungsoptionen mangels entsprechender Tatbestände nicht in Betracht.98 3.1.3.2. Eisenbahnleitlinien In sachlicher Hinsicht wäre sodann an die sog. Eisenbahnleitlinien aus dem Jahre 200899 zu denken . Obgleich diese auch Möglichkeiten bietet, (mittelbar) infrastrukturbezogene Beihilfemaßnahmen zu fördern, ist sie hierauf gerade nicht ausgerichtet. Deutlich wird dies bereits an dem Anwendungsbereich der Leitlinien, von dem „die Gewährung öffentlicher Finanzmittel zugunsten von Infrastrukturbetreibern“ ausgenommen ist.100 An anderer Stelle wird ausgeführt, dass das 96 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2013, verb. Rs. C-399/10 P und C-410/10 P (Bouygues u. a.), Rn. 140; Auftragsgutachten (Fn. 21), S. 10. 97 Siehe oben unter 3.1.1., S. 8 ff., insbesondere 3.1.1.5., S. 18. 98 Siehe zur Freistellung von der Notifizierung oben unter 2.2.2., S. 7. 99 Siehe oben Fn. 17. 100 Vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 15 aE. Siehe auch Rn. 90, wonach die Kommission davon ausgeht, dass es „der öffentlichen Hand überlassen [bleibt], in die Entwicklung der Infrastruktur zu investieren.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 24 Ziel der Leitlinien nicht darin liege „in Bezug auf Vorschriften über staatliche Beihilfen einen Rechtsrahmen für die öffentliche Infrastrukturfinanzierung festzulegen.“101 Erfasst werden hingegen verschiedene Beihilfen für Eisenbahnunternehmen im Sinne der Richtlinie 91/440 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft102, die mittlerweile durch die selbst mehrfach geänderte Richtlinie 2012/34 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums103 ersetzt wurde.104 Beide Rechtsakte unterscheiden zwischen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern. Nach der weitgehend gleichlautenden Definition von Eisenbahnunternehmen ist darunter „jedes nach dieser Richtlinie zugelassene öffentlichrechtliche oder private Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten zur Beförderung von Gütern und/oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen die Traktion sicherstellen muss; dies schließt auch Unternehmen ein, die ausschließlich die Traktionsleistung erbringen.“105 Ob und inwieweit darunter auch die DB AG fällt, die im Sinne der Richtlinie 2012/34 als „vertikal integriertes Unternehmen“– eine Kategorie, die die Richtlinie 91/440 (noch) nicht kannte – zu qualifizieren ist,106 lässt sich hier nicht eindeutig beantworten. Die Frage verdeutlicht jedoch, dass der Anwendungshorizont der Eisenbahnleitlinien mit dem vorliegenden Fall nur bedingt kompatibel ist. Unterstellt man indes, dass auch die DB AG (und nicht nur einzelne ihrer Tochterunternehmen) als Eisenbahnunternehmen anzusehen ist, so sehen zwar auch die Eisenbahnleitlinien grundsätzlich die Möglichkeit einer (mittelbaren) Förderung von Infrastrukturkosten vor, dies aber nur in bestimmten Konstellationen und unter bestimmten Bedingungen, von denen jedoch fraglich ist, ob sie vorliegend mit Blick auf die Zielsetzung der Bundesregierung in Betracht kommen würden . Dies gilt insbesondere für die Option, Beihilfen zur Schuldentilgung im Zusammenhang mit vergangenen Infrastrukturinvestitionen zu gewähren.107 Denkbar wäre allenfalls ein Rückgriff auf die Kategorie der Beihilfen für die Koordinierung des Verkehrs. Darunter versteht die Kommission im Kontext der Eisenbahnleitlinien Maßnahmen, 101 Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 23. 102 Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft , ABl.EG 1991 Nr. L 237/25, letzte inhaltlich konsolidierte Fassung vom 1.1.2010. 103 Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl.EU 2012 Nr. L 343/32, letzte konsolidierte Fassung vom 1.1.2019. 104 Vgl. Art. 65 RL 2012/34 (Fn. 103), wonach Bezugnahmen auf die durch diesen Rechtsakt aufgehobenen Richtlinien als Bezugnahmen auf diese Richtlinie gelten. 105 Siehe Art. 3 Nr. 1 RL 2012/34 (Fn. 103). 106 Siehe Definition in Art. 3 Nr. 31 RL 2012/34 (Fn. 103). 107 Erfasst werden u. a. Schulden, die „in direktem Zusammenhang mit [u. a.] dem Betrieb, der Errichtung oder der Nutzung der Eisenbahninfrastruktur stehen“, Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 57. Vorausgesetzt wird aber, dass die betreffende Beihilfe „der Tilgung eindeutig identifizierter und voneinander abgegrenzter Schulden dienen, die vor dem 15. März 2001 entstanden sind […]“, vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 56. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 25 die „in ihrer Bedeutung über die einfache Förderung der Entwicklung einer Wirtschaftstätigkeit hinaus[gehen]. Sie setzen zusätzlich voraus, dass der Staat in die Entwicklung des Verkehrssektors im Interesse der Allgemeinheit lenkend eingreift. Die fortschreitende Liberalisierung des landgebundenen Verkehrs hat den Koordinierungsbedarf erheblich verringert. Grundsätzlich können in einem effizienten liberalisierten Wirtschaftsbereich die Marktkräfte selbst koordinierend wirken. Allerdings bleibt es auch dann, wie oben ausgeführt, der öffentlichen Hand überlassen , in die Entwicklung der Infrastruktur zu investieren. Ferner können auch nach der Liberalisierung verschiedene Unzulänglichkeiten des Marktes fortbestehen. Vor allem wegen dieser Fehlentwicklungen ist ein Eingreifen des Staates in diesem Bereich gerechtfertigt.“108 Zwar wird auch hier durch Verweis auf die öffentliche Hand und deren Infrastrukturförderung deutlich, dass letztere gerade nicht im Fokus dieser Beihilfekategorie steht. An anderer Stelle wird in den Eisenbahnleitlinien jedoch ausgeführt, „dass die öffentliche Finanzierung von Schieneninfrastruktur , sofern sie eine staatliche Beihilfe zugunsten eines oder mehrerer Eisenbahnunternehmen darstellt, beispielsweise nach Artikel 73 des EG-Vertrags genehmigt werden kann, wenn die betreffende Infrastruktur den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entspricht . Für die Prüfung der Vereinbarkeit ist Kapitel 6 dieser Leitlinien [zu Beihilfen für die Koordinierung des Verkehrs] relevant.“109 Eine solche Qualifizierung als Beihilfe sieht die Kommission indes nur bei solchen Infrastrukturmaßnahmen, die einzelnen Eisenbahnunternehmen selektive Vorteile verschaffen, weil etwa dadurch „die normale finanzielle Belastung der Eisenbahnunternehmen vermindert […].“110 Blickt man vor dem Hintergrund auf die einzelnen Vorgaben zu Beihilfen für die Koordinierung des Verkehrs, so kommen von den dort aufgeführten Maßnahmen allenfalls solche in Betracht, die u. a. eine Verringerung der externen Kosten zum Ziel haben und mit denen eine „Verkehrsverlagerung auf die Schiene gefördert werden soll, da diese gegenüber anderen Verkehrsträgern, z. B. der Straße, weniger externe Kosten verursacht.“111 Soweit darunter auch die hier geplanten Investitionen in die „Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und das Bahnsystem“ fallen können, wären zudem verschiedene allgemein geltende Voraussetzungen für diesen Bereich zu beachten, etwa die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, ferner dürfen damit einhergehende Wettbewerbsverzerrungen nicht dem allgemeinen Interesse der Union zuwiderlaufen.112 Auch darf die Laufzeit solcher Beihilfen „[a]ngesichts der 108 Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 89, 90. 109 Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 26. 110 Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 24. 111 Vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 98 Buchst. b. 112 Vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 96. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 26 raschen Veränderungen im Verkehrssektor und somit auch des Koordinierungsbedarfs“ höchstens fünf Jahre betragen.113 Schließlich bestehen noch Vorgaben zu den beihilfefähigen Kosten und deren Intensität.114 Ob und inwieweit diese Option im vorliegenden Fall genutzt werden könnte, lässt sich auch mit Blick auf die nur mittelbare Erfassung von Infrastrukturmaßnehmen durch die Eisenbahnleitlinien nur schwer und jedenfalls nicht abschließend beurteilen. Unabhängig von den rechtlichen Unklarheiten zum Rechtfertigungsmaßstab ist zu beachten, dass es auch darauf ankommen wird, ob ein solches Rechtfertigungsziel von Seiten der Bundesregierung verfolgt würde. Informationen dazu liegen nicht vor. 3.1.3.3. Primärrecht Neben den Eisenbahnleitlinien bleibt noch die grundsätzliche Möglichkeit, Art. 93 AEUV und die dort vorgesehene Zulässigkeit von Beihilfen zur Koordinierung des Verkehrs unmittelbar als Rechtfertigungsmaßstab heranzuziehen. Zwar ist diese Möglichkeit im Schrifttum wohl umstritten .115 Befürworter eines unmittelbaren Rückgriffs verweisen jedoch auf entsprechende Kommissionsentscheidungen und zwar auch zu Infrastrukturmaßnahmen, wenngleich nicht im Bereich des Eisenbahnsektors.116 Für die Möglichkeit einer direkten Anwendung streitet vorliegend der Umstand, dass die Eisenbahnleitlinien die unmittelbare Infrastrukturförderung vom Anwendungsbereich ausnehmen, und dies wohl auch mit Blick auf ihren Erlass im Jahre 2008 und der damals vorherrschenden Ansicht, wonach die reine Infrastrukturförderung nicht beihilferelevant sei.117 Eine direkte Anwendung des Art. 93 AEUV würde der Kommission im Falle einer Rechtfertigungsprüfung jedenfalls einen größeren Beurteilungsspielraum einräumen als dies im Hinblick auf die Konkretisierung dieser Vertragsbestimmung in den Eisenbahnleitlinien der Fall ist. Ob und wie die Kommission diesen Spielraum im vorliegenden Fall nutzen würde, lässt sich nicht vorhersagen. 3.1.3.4. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine sachlich unzweifelhaft einschlägige Rechtfertigungsmöglichkeit zwar nicht ersichtlich ist. Insbesondere die Eisenbahnleitlinien erfassen die Infrastrukturförderung nicht unmittelbar. Ob und inwieweit ihre mittelbare Heranziehung in Be- 113 Vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 97. 114 Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 103, 107 ff. 115 Vgl. Lübbig, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV/GRC/AEUV, 2017, Art. 93 AEUV, Rn. 18. 116 Lübbig, aaO. 117 Vgl. Eisenbahnleitlinien (Fn. 17), Rn. 25, 90. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 27 tracht kommt, lässt sich hingegen aufgrund rechtlicher Unklarheiten nicht abschließend beantworten . Grund hierfür ist aber nicht das mit der Eigenkapitalerhöhung verfolgte Ziel von Investitionen in die „Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und das Bahnsystem“, sondern der Fokus der Eisenbahnleitlinien auf Beihilfen für Eisenbahnunternehmen . Für diese spielt Infrastrukturförderung nur eine mittelbare Rolle, die zudem auf bestimmte Fälle wie insbesondere selektiver Nutzungsvorteile beschränkt ist. Vor diesem Hintergrund wäre auch an eine unmittelbare Anwendung des Art. 93 AEUV zu denken, die der Kommission für Förderziele wie sie hier verfolgt werden einen größeren Beurteilungsspielraum einräumen würde. Dessen ungeachtet wird an der Rechtfertigungsebene deutlich, dass die beihilferechtlichen Probleme vorliegend auf der Tatbestandsebene verortet sind und dort bei entsprechender Ausgestaltung im Hinblick auf die Art der Förderung auch gelöst werden könnten, ohne dass es auf eine Rechtfertigung ankommen würde. 3.2. In formal-verfahrensrechtlicher Hinsicht In formal-verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Eigenkapitalerhöhung bzw. ihre Ankündigung nicht zweifelsfrei als tatbestandliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV qualifiziert werden kann. Bereits vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit die bestehenden unionsrechtlichen Unklarheiten auszuräumen . Mangels sachlich einschlägiger Freistellungsoption besteht hier in formal-rechtlicher Hinsicht – ungeachtet sog. informeller (Vor-)Gesprächsoptionen – nur die Möglichkeit einer Notifizierung der Maßnahme bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV. Soweit bekannt, werden zwar Gespräche mit der Kommission geführt, eine (offizielle) Notifizierung ist bisher jedoch nicht erfolgt. Schädlich ist letzteres allerdings nur dann, wenn zugleich ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV im Raum steht. Danach darf ein Mitgliedstaat die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Im Folgenden ist zwischen der Eigenkapitalerhöhung (3.2.1.) und ihrer Ankündigung (3.2.2.) zu unterscheiden. 3.2.1. In Bezug auf die Eigenkapitalerhöhung Da die Eigenkapitalerhöhung als solche noch nicht erfolgt ist, dürfte insoweit entscheidend sein, wann hier von einer Durchführung im Sinne dieser Vorschrift auszugehen ist. Soweit ersichtlich, gibt es zu diesem Begriff noch keine Rechtsprechung. Im Kommentarschrifttum wird insoweit die Frage aufgeworfen, ob der Begriff der Durchführung mit dem der Gewährung einer Beihilfe synonym verstanden werden kann. Letzterer wird in der Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass es insoweit auf den Zeitpunkt ankommt, „in dem der Beihilfeempfänger nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt.“118 Geht man hiervon aus, dann wäre im vorliegenden Fall einer Eigenkapitalerhöhung auf die notarielle Beurkundung der damit einhergehenden Satzungsänderung abzustellen (vgl. § 23 Abs. 1, 3 Nr. 3 AktG), da erst in diesem Moment ein Anspruch der DB AG auf die Mittel entstehen würde. 118 EuGH, Urt. v. 21.3.2013, Rs. C-129/12 (Magdeburger Mühlenwerke), Rn. 40. Siehe auch Rusche, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 24), Art. 108 AEUV, Rn. 49. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 28 Da das Gesetzgebungsverfahren für den Haushalt 2020 zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist und dieses sodann erst zum 1. Januar 2020 in Kraft treten würde, könnte eine notarielle Beurkundung der ersten Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 1 Mrd. EUR frühestens ab diesem Zeitpunkt stattfinden. Stellt man nicht auf ein Verständnis des Begriffs „Durchführung“ ab, das an die Gewährung anknüpft , besteht die Frage, auf welchen anderen Zeitpunkt es ankommen könnte. Wenig wahrscheinlich ist, dass es ein späterer Zeitpunkt wäre. In Betracht käme hingegen ein früherer Moment . So hat der EuGH etwa für den Fall einer durch Gesetz gewährten Beihilfe festgestellt, dass der betreffende Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 108 Abs. 3 AEUV verstieß, dass er die betreffende gesetzliche Maßnahme erst nach deren Erlass notifiziert hat.119 Geht man hiervon aus, käme es hinsichtlich der für 2020 angekündigten Eigenkapitalerhöhung auf den „Erlass“ des Haushaltsgesetzes 2020 an. Ob es dann auf die Verkündung eines Gesetzes – hier im Bundesgesetzblatt – oder auf das Inkrafttreten ankommt (vgl. Art. 82 Abs. 1 und 2 GG), lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Im vorliegenden Fall steht jedoch beides zum jetzigen Zeitpunkt noch aus, so dass auch bei einem solchen Verständnis des Begriffs der Durchführung ein Verstoß (noch) zu verneinen wäre. Dessen ungeachtet dürfte das zitierte Rechtsprechungsbeispiel auf Fälle bezogen sein, in denen die Beihilfe unmittelbar auf Grundlage des Gesetzes gewährt werden kann. Hier ist die Gewährung jedoch neben der Berücksichtigung im Haushaltsgesetz von der Vornahme einer notariell zu beurkundenden Satzungsänderung abhängig. Würde man mit der Verkündung des Haushaltsgesetzes 2020 oder mit seinem Inkrafttreten einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV annehmen, so hätte dies bei bis zu diesem Zeitpunkt fehlender tatsächlicher Eigenkapitalerhöhung allenfalls die Konsequenz , dass das weitere Vorgehen bis zu einer endgültigen beihilferechtlichen Klärung auszusetzen wäre.120 Mangels Übertragung der Eigenmittel käme eine vorläufige Rückforderung tatbestandlich nicht in Betracht.121 3.2.2. In Bezug auf die Ankündigung der Eigenkapitalerhöhung Anders stellt sich die Situation in Bezug auf die Ankündigung der Eigenkapitalerhöhung dar. Unterstellt man, dass bereits diese unter bestimmten Voraussetzungen den Beihilfetatbestand begründet , so liegt die Gewährung bereits in der positiven Reaktion der Kapitalmärkte bzw. der dort dann für die DB AG bestehenden besseren Bedingungen und ggf. auch ihrer Nutzung.122 Hiervon ausgehend, könnte ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot bereits zum jetzigen Zeitpunkt angenommen werden. Allerdings zeigt sich insbesondere an dieser Konsequenz, welche dogmatischen Probleme der dem zugrunde liegende Beihilfeansatz aufwirft: es lässt sich nämlich nur schwer rechtssicher bestimmen, wie etwa eine Aussetzungs- oder gar einstweilige Rückforderungsentscheidung , insbesondere hinsichtlich der Höhe, in einem solchen Fall beschaffen sein 119 EuGH, Urt. v. 27.3.1984, Rs. 169/82 (Kommission/Italien), Rn. 11. 120 Vgl. Art. 13 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 121 Vgl. Art. 13 Abs. 2 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 122 Siehe dazu oben unter 3.1.2. S. 19 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 091/19 Seite 29 sollte. So hatte auch die Kommission, deren Entscheidung dem oben zitierten EuGH-Fall zugrunde lag, zwar bestimmt, dass eine tatbestandliche Beihilfe vorlag, aber auf eine Rückforderung verzichtet, da sie sich nicht in der Lage sah, dies hinreichend konkret zu bestimmen.123 3.3. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die im Klimapaket vorgesehene Eigenkapitalerhöhung bei der DB AG weniger aufgrund der damit verfolgten Zielsetzung als vielmehr wegen der Art einer solchen Förderung beihilferechtliche Probleme aufwirft. Diese betreffen zudem in erster Linie den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen, zu denen insbesondere das Verbot der Quersubventionierung zählt, stellen nämlich die hier verfolgten Anliegen der Modernisierung, des Ausbaus und der Elektrifizierung des Schienennetzes keine tatbestandlichen Beihilfen dar. Da durch die Eigenkapitalerhöhung die Finanzausstattung des gesamten Konzerns verbessert wird, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die daraus folgenden Vorteile nicht nur der für die Infrastruktur zuständigen DB Netz AG, sondern auch anderen, im Wettbewerb stehenden Bahntöchtern zugutekommen und auf diese Weise eine Quersubventionierung erfolgt oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Geht man hiervon aus, bereitet auch die Rechtfertigung einer solchen Beihilfe Probleme, da die Infrastrukturförderung im Bereich des Eisenbahnverkehrs in der Kommissionspraxis bisher auf beihilfetatbestandlicher Ebene behandelt wurde und insoweit kein Bedarf für die Entwicklung von Rechtfertigungsmaßstäben bestand. Inwieweit hier die Eisenbahnleitlinien oder Art. 93 AEUV direkt herangezogen werden können, ist offen. Der Umstand, dass die Bundesregierung in dieser Angelegenheit mittlerweile mit der Kommission in Kontakt steht, lässt vermuten, dass eine Eigenkapitalerhöhung nur dann umgesetzt werden wird, wenn die beihilferechtlichen Voraussetzungen hierfür aus Kommissionssicht vorliegen. – Fachbereich Europa – 123 Vgl. Entscheidung der Kommission (2006/621/EG) vom 2. August 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich zugunsten von France Télécom gewährt hat, ABl.EU 2006 Nr. L 257/11, Rn. 259 ff.