© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 91/17 Sanktionen gegen Russland Bedeutung der deutschen Zustimmung zu den Sanktionen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 2 Sanktionen gegen Russland Bedeutung der deutschen Zustimmung zu den Sanktionen Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 91/17 Abschluss der Arbeit: 11.12.2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Überblick: Sanktionen der EU gegen Russland 4 3. Verfahren zum Erlass von Sanktionen auf Unionsebene 6 4. Fazit 7 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich ist um Auskunft ersucht worden, was es für die Europäische Union bedeuten würde, wenn Deutschland die Sanktionen gegen Russland nicht verlängern würde. Gefragt worden ist, ob die EU auch ohne die Zustimmung Deutschlands Sanktionen verhängen kann. 2. Überblick: Sanktionen der EU gegen Russland Die Sanktionen, welche derzeit von der EU gegen Russland verhängt worden sind, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe sind Individualsanktionen, die bereits im März 2014 mit dem Beschluss 2014/145/GASP1 und der darauf beruhenden Verordnung (EU) Nr. 269/20142 verhängt wurden. Sie richten sich gegen Einzelpersonen, welche für „Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit , Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“, verantwortlich sind. Die Sanktionen in Gestalt von Reisebeschränkungen und „Vermögenseinfrierungen“ wurden durch weitere Verordnungen und mehrere Durchführungsverordnungen ergänzt und auf weitere Personen und verschiedene Einrichtungen ausgeweitet. Zuletzt wurden diese Individualsanktionen durch den Beschluss (GASP) 2017/15613 bis zum 15. März 2018 verlängert. Die zweite Gruppe von Sanktionen umfasst das Embargo im Hinblick auf die Krim und Sewastopol . Mit dem Beschluss 2014/386/GASP4 und der darauf beruhenden Verordnung (EU) Nr. 692/20145 wurde die Einfuhr von Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol in die 1 Beschluss 2014/145/GASP des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen , die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen , ABl. 2014, L 78/16, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2014:078:0016:0021:DE:PDF. 2 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen , die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen , ABl. 2014 L, 78/6, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014R0269-20170916&from=EN. 3 Beschluss (GASP) 2017/1561 des Rates vom 14. September 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl. 2017, L 237/72, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1561&from=DE. 4 Beschluss 2014/386/GASP des Rates vom 23. Juni 2014 über Beschränkungen für Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion, ABl. 2014, L 183/70, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014D0386&from=DE. 5 Verordnung (EU) Nr. 692/2014 des Rates vom 23. Juni 2014 über restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion, ABl. 2014, L 183/9, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014R0692- 20141220&from=EN. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 5 EU verboten. Auch diese Verordnung wurde durch weitere Verordnungen ergänzt. Die Verordnung (EU) Nr. 825/20146 ergänzte das Embargo um ein Verbot von neuen Investitionen in die Infrastruktur in den Sektoren Verkehr, Telekommunikation oder Energie und der Nutzung natürlicher Ressourcen auf der Krim und in Sewastopol sowie ein Ausfuhrverbot für wesentliche Ausrüstungen und Technologien für diese Sektoren. Die Verordnung (EU) Nr. 1351/20147 enthält ein Verbot aller ausländischen Investitionen auf der Krim oder in Sewastopol. Zudem werden alle Dienstleistungen verboten, die direkt mit dem Investitionsverbot in Zusammenhang stehen, sowie Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit Tourismusaktivitäten und in den Sektoren Verkehr , Telekommunikation, Energie und Ausbeutung von Erdöl-, Erdgas- und Mineralreserven auf der Krim oder in Sewastopol erbracht werden. Zuletzt wurden diese Sanktionen durch den Beschluss (GASP) 2017/10878 bis zum 23. Juni 2018 verlängert. Die dritte Gruppe von Sanktionen sind sektorale Sanktionen, welche durch den Beschluss 2014/512/GASP9 und die darauf beruhende Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erlassen10 und ebenfalls durch weitere Verordnungen ergänzt worden sind. Die sektoralen Sanktionen umfassen ein Waffenembargo, Handelsbeschränkungen für Dual-Use-Güter und Genehmigungsvorbehalte für Technologien zur Ölexploration, das Verbot von bestimmten Dienstleistungen im Zusammenhang mit Rüstungsgütern und Kapitalmarktsperren für verschiedene Unternehmen des russischen Banken-, Verteidigungs- und Energiesektors. Diese Sanktionen wurden zuletzt durch den Beschluss (GASP) 2017/114811 bis zum 31. Januar 2018 verlängert. 6 Verordnung (EU) Nr. 825/2014 des Rates vom 30. Juli 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 692/2014 über Beschränkungen für die Einfuhr von Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol in die Union als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion, ABl. 2014, L 226/2, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0825&from=DE. 7 Verordnung (EU) Nr. 1351/2014 des Rates vom 18. Dezember 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 692/2014 über restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion, ABl. 2014, L 365/46, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R1351&from=DE. 8 Beschluss (GASP) 2017/1087 des Rates vom 19. Juni 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/386/GASP über restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion , ABl. 2017, L 156/24, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1087&from=DE. 9 Beschluss 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. 2014, L 229/13, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014D0512&from=DE. 10 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. 2014 L, 229/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014R0833-20151009&from=EN. 11 Beschluss (GASP) 2017/1148 des Rates vom 28. Juni 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. 2017 L, 166/35, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1148&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 6 3. Verfahren zum Erlass von Sanktionen auf Unionsebene Bei der Verhängung von Sanktionen gegenüber Drittstaaten bzw. Angehörigen von Drittstaaten handelt es sich in der Regel um außen- und sicherheitspolitische Handlungen, die bei Vornahme seitens der EU zunächst unter die Bestimmungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) fallen. Die Bestimmungen zur GASP finden sich in den Art. 23 bis 46 des Vertrags über die Europäische Union (EUV). Rechtsgrundlage für die Anordnung restriktiver Maßnahmen im Bereich des GASP sind Art. 28 EUV oder – wie im vorliegenden Fall12 – Art. 29 EUV.13 In beiden Fällen entscheidet der Rat gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 EUV durch einstimmigen Beschluss. Der GASP-Beschluss enthält die Eckdaten der restriktiven Maßnahme. Er bestimmt u. a. den Adressaten , Ziel, Reichweite und den ungefähren Inhalt der Sanktionen.14 Auch der zeitliche Rahmen der Sanktionen wird im GASP-Beschluss geregelt.15 Die GASP-Beschlüsse, welche den oben dargestellten Russland-Sanktionen zugrunde liegen, sind zeitlich begrenzt. Eine Verlängerung der Russland-Sanktionen ist bisher, wie aus der obigen Darstellung hervorgeht, durch entsprechende GASP-Beschlüsse erfolgt. Ein im Rahmen der GASP erlassener Beschluss des Rates bedarf sodann der weiteren Durchführung bzw. Umsetzung. Diese Durchführung erfolgt durch Sekundärrechtsakte, deren Rechtsgrundlage sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergibt, oder gegebenenfalls durch mitgliedstaatliche Maßnahmen. Im Fall der Russland-Sanktionen sind Verordnungen auf Unionsebene auf der Rechtsgrundlage des Art. 215 AEUV erlassen worden.16 Nach Art. 215 Abs. 1 AEUV erlässt der Rat die erforderlichen Maßnahmen zur Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern. Gemäß Art. 215 Abs. 2 AEUV kann der Rat restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppen oder nichtstaatliche Einheiten erlassen , sofern dies in einem GASP-Ratsbeschluss vorgesehen ist. Der Rat handelt in beiden Fällen gemäß Art. 215 Abs. 1 AEUV mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag des Hohen Vertreters des Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission. Das Parlament wird (lediglich) unterrichtet. Die Verordnungen, welche die EU zur Umsetzung der GASP-Beschlüsse in Bezug auf die Sanktionen gegen Russland erlassen hat, enthalten – soweit ersichtlich – keine zeitlichen Begrenzungen . Zeitliche Begrenzungen finden sich nur in den GASP-Beschlüssen. Da ein GASP-Beschluss Voraussetzung für eine Verordnung nach Art. 215 AEUV ist, fehlt es ohne eine Verlängerung des 12 Siehe die Eingangsformel des Beschlusses 2014/145/GASP, in der auf Art. 29 EUV Bezug genommen wird. 13 Vgl. zu den beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen allgemein, Kaufmann-Bühler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 41, Stand: Juli 2010, Art. 29 EUV, Rn. 2 und 5. 14 Bungenberg, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 215 AEUV, Rn. 21. 15 Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 215 AEUV, Rn. 23. 16 Zu dieser Vorschrift allgemein, Schneider/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 53, Stand: Mai 2014, Art. 215 AEUV, Rn. 1 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 91/17 Seite 7 zeitlich begrenzten GASP-Beschlusses nach hiesiger Ansicht an einer Voraussetzung für die Verordnung . Die Verordnung ist an den GASP-Beschluss gekoppelt.17 4. Fazit Der Beschluss zur Verhängung von Sanktionen im Rahmen der GASP muss gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 EUV einstimmig ergehen. Der GASP-Beschluss enthält Vorgaben zum zeitlichen Umfang der Sanktionen. Die Verlängerung von Sanktionen erfolgt ebenfalls durch einen GASP-Beschluss und muss daher als einstimmiger Beschluss ergehen. Eine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland erfordert mithin Einstimmigkeit und bedarf daher auch der deutschen Zustimmung im Rat. Die Umsetzung der Sanktionen wird hingegen durch Verordnungen ausgestaltet, für deren Erlass eine qualifizierte Mehrheit im Rat genügt. Für die genaue Ausgestaltung der Sanktionen ist Deutschlands Zustimmung im Rat somit nicht zwingend erforderlich. – Fachbereich Europa – 17 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 215 AEUV, Rn. 11.