© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 – 90/13 Fragen zur Klage des Vereinigten Königreichs gegen den Ratsbeschluss 2013/52/EU über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionsteuer EuGH, Rs. C-209/13 (Vereinigtes Königreich/Rat) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 2 Fragen zur Klage des Vereinigten Königreichs gegen den Ratsbeschluss 2013/52/EU über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionsteuer EuGH, Rs. C-209/13 (Vereinigtes Königreich/Rat) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 – 90/13 Abschluss der Arbeit: 30.09.2013 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Hintergründe 5 3. Wesentliche Klagegründe und ihre Begründung 7 3.1. Zur Zulässigkeit der Klage 7 3.2. Zur Begründetheit der Klage 7 3.2.1. Begründung einer exterritorialen Wirkung 7 3.2.2. Verstoß gegen Art. 327 AEUV 8 3.2.3. Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht 8 3.2.4. Verstoß gegen Art. 332 AEUV 10 4. Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage 10 4.1. Zulässigkeit 10 4.1.1. Zulässiger Klagegegenstand 10 4.1.2. Klagebefugnis 13 4.1.3. Zwischenergebnis zur Zulässigkeit der Klage 13 4.2. Begründetheit entsprechend der beschränkten Zulässigkeit der Klage 14 4.2.1. Bestehen einer nicht ausschließlichen Zuständigkeit der Union (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 EUV) 15 4.2.2. Verstärkte Zusammenarbeit als Ultima Ratio (Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV) 15 4.2.3. Offenheit für alle Mitgliedstaaten (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV, Art. 326, 327 AEUV) 17 4.2.4. Rücksichtnahme auf Nichtteilnehmer (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV, Art. 327, 332 AEUV) 17 4.2.5. Achtung des Unionsrechts und Beeinträchtigungsverbote (Art. 326 AEUV) 19 4.2.5.1. Rechtmäßige Ziele der Verstärkten Zusammenarbeit 19 4.2.5.2. Voraussetzungen der Handlungsgrundlage 20 4.2.5.3. Keine Beeinträchtigung im Sinne von Art. 326 UAbs. 2 AEUV 22 4.2.5.4. Vereinbarkeit mit geltendem Sekundärrecht 24 4.2.5.4.1. Grundsätzliches Verbot der Erhebung indirekter Steuern (Art. 5 RL 2008/7/EG) 25 4.2.5.4.2. Ausnahmen vom generellen Verbot (Art. 6 RL 2008/7/EG) 26 4.2.5.4.3. Ergebnis 28 4.2.5.5. Vereinbarkeit mit dem Primärrecht 28 4.2.5.5.1. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit 28 4.2.5.5.2. Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit 29 4.2.6. Zwischenergebnis 30 4.3. Ergebnis zu den Erfolgsaussichten einer beschränkt zulässigen Klage 31 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 4 5. Begründetheit der Klage bei umfassender Zulässigkeit 31 5.1. Verstoß gegen Art. 327 AEUV – Rücksichtnahme auf Nichtteilnehmer 31 5.1.1. Unionsrechtliches Territorialitätsprinzip im Bereich des Steuerrechts 32 5.1.1.1. Völkerrechtlicher Maßstab 32 5.1.1.2. Unionsrechtliche Entsprechung des völkerrechtlichen Maßstabes 34 5.1.2. Vereinbarkeit einer FTT mit exterritorialer Wirkung mit dem Territorialitätsprinzip 37 5.2. Verstoß gegen Art. 326 AEUV 38 5.2.1. Keine Beeinträchtigung im Sinne von Art. 326 UAbs. 2 AEUV 38 5.2.2. Verstoß gegen Art. 326 UAbs. 1 AEUV – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 40 5.2.2.1. Schutzbereich potenziell betroffener Grundfreiheiten 40 5.2.2.2. Beschränkung potenziell betroffener Grundfreiheiten 40 5.2.2.2.1. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit 40 5.2.2.2.2. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit 43 5.2.2.3. Rechtfertigungsgrund 43 5.2.2.4. Rechtfertigungsschranken 46 5.2.2.4.1. Geeignetheit der Regelung 47 5.2.2.4.2. Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelung 49 5.3. Budgetlast – Verstoß gegen Art. 332 AEUV 50 5.4. Ergebnis zu den Erfolgsaussichten einer umfassend zulässigen Klage 51 6. Zusammenfassung der Ergebnisse 51 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 5 1. Einleitung Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Großbritannien oder der Kläger) hat am 18.4.2013 gemäß Art. 263 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage erhoben gegen den Beschluss 2013/52/EU1 des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit (VZ) im Bereich der Finanztransaktionsteuer (englisch: Financial Transaction Tax, FTT).2 Der Kläger beantragt, den Ratsbeschluss für nichtig zu erklären. Beklagter ist der Rat der Europäischen Union .3 Die Ausarbeitung setzt sich mit den Erfolgsaussichten der Klage auseinander. Nach einer Erläuterung der Hintergründe der Klage (2.) werden zunächst die wesentlichen Klagegründe dargestellt (3.). Anschließend erfolgt eine Bewertung der Zulässigkeit und der Begründetheit der Klage gegen den Ratsbeschluss (4.). Im Sinne einer umfassenden Analyse setzt sich die Ausarbeitung abschließend mit den Erfolgsaussichten der Klage auseinander, wenn die Klage – entgegen den Ergebnissen zu 4. – umfassend zulässig wäre (5.). 2. Hintergründe Im Jahr 2011 hat die Kommission gestützt auf Art. 113 AEUV eine Richtlinie über eine FTT mit Geltung für die gesamte EU vorgeschlagen.4 Nachdem sich die Mitgliedstaaten der EU nicht auf ein gemeinsames System der Finanztransaktionssteuer in der EU als Ganzes einigen konnten5, haben am 28.9.2012 elf Mitgliedstaaten6 die Kommission gemäß Art. 329 Abs. 1 AEUV ersucht, einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Begründung einer VZ gemäß Art. 20 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) i.V.m. Art. 326 ff. AEUV zur Einrichtung einer FTT vorzulegen. Am 23.10.2012 hat die Kommission dem Rat einen entsprechen- 1 Beschluss des Rates vom 22. Januar 2013 über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer (2013/52/EU), ABl. L 22/11 vom 25.01.2013, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:022:0011:0012:DE:PDF, im Folgenden: Ratsbeschluss. 2 EuGH, Rechtssache (Rs.) C-209/13 (Vereinigtes Königreich/Rat), ABl. C 171/22. 3 Die Bundesrepublik Deutschland hat am 5.8.2013 den Antrag auf Zulassung als Streithelferin (Art. 40 Abs. 1 Satzung EuGH und Art. 129, 130 Verfahrensordnung EuGH) auf Seiten des Rates in dieser Rechtssache gestellt, dem mit Schreiben vom 11.9.2013 entsprochen wurde. Als Streithelfer auf Seiten des Rates beigetreten sind ferner Österreich, Portugal, Frankreich und Belgien sowie das Europäische Parlament und die Europäische Kommission . 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG, KOM(2011) 594 endgültig, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0594:FIN:DE:PDF. 5 Zum Hintergrund vgl. Europäische Kommission, Besteuerung des Finanzsektors, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/other_taxes/financial_sector/index_de.htm. 6 Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 6 den Vorschlag unterbreitet.7 Diesem hat das Europäische Parlament am 12.12.2012 zugestimmt.8 Am 22.1.2013 hat der Rat schließlich mit qualifizierter Mehrheit9 den Beschluss 2013/52/EU über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer gefasst. Der Ratsbeschluss verleiht den teilnehmenden Mitgliedstaaten die Befugnis, sich der Unionsinstitutionen zu bedienen. Zum anderen bestimmt der Beschluss auch den Gegenstand der VZ und damit die Grenzen der engeren Kooperation. Insofern bedarf es der hinreichenden Bestimmtheit des Ratsbeschlusses .10 An den Beratungen des Rates im Rahmen der VZ können nach Art. 20 Abs. 3 S. 2 EUV weiterhin alle – also auch jene nicht an der VZ beteiligten – Mitgliedstaaten teilnehmen. Beschlüsse werden aber nur von den teilnehmenden Mitgliedstaaten gefasst. Die nicht an der VZ teilnehmenden Mitgliedstaaten können jedoch jederzeit einen Antrag auf Teilnahme an der VZ stellen. Die zur Durchführung der VZ erlassenen Maßnahmen haben die Rechtsnatur und Wirkungsweise , die ihnen das Unionsrecht auch sonst zuweist.11 Sie können unmittelbar anwendbar sein und haben Anwendungsvorrang gegenüber nationalem Recht, binden aber nur die an der VZ beteiligten Staaten.12 Durch den Ratsbeschluss werden die teilnehmenden Mitgliedstaaten ermächtigt, „auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen der Verträge untereinander eine VZ im Bereich der Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems zu begründen“. Gemäß dem 6. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses ist es das Ziel der VZ, durch Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems die Steuern der Mitgliedstaaten auf Finanztransaktionen zu harmonisieren , die Finanzeinrichtungen mit einem angemessenen Beitrag an den Kosten der globalen Finanzkrise zu beteiligen und durch geeignete Anreizregelungen die der Effizienz der Finanzmärkte nicht förderlichen Transaktionen zu unterbinden. Die VZ bietet dabei den Rechtsrahmen für die Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems in den beteiligten Mitgliedstaaten. Zur Einrichtung einer FTT im Wege der VZ legte die Kommission am 14.2.2013 den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer vor, den die teilnehmenden Mitgliedstaaten ab dem 1.1.2014 anwenden sollen.13 Über die- 7 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer , KOM (2012) 631 final, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0631:FIN:DE:PDF. 8 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12.12.2012 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer (KOM(2012)0631 – C7- 0396/2012 – 2012/0298(APP)), online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=- //EP//TEXT+TA+20121212+ITEMS+DOC+XML+V0//DE&language=DE#sdocta14. 9 Bei der Abstimmung im Rat enthielten sich Großbritannien, Luxemburg, Malta und Tschechien. 10 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, 3. Auflage 2012, Art. 326 AEUV, Rn. 31. 11 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 8. Auflage 2012, Rn. 83. 12 Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 20 EUV, Rn. 16. 13 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer, KOM(2013) 71, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/com_2013_71_de.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 7 sen Richtlinienvorschlag werden die an der VZ beteiligten Mitgliedstaaten nun verhandeln, um schließlich nach Anhörung von Europäischem Parlament und Wirtschafts- und Sozialausschuss, einen einstimmigen Ratsbeschluss über die Richtlinie zur Umsetzung der VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer bezogen auf die an der VZ teilnehmenden Mitgliedstaaten fassen zu können. 3. Wesentliche Klagegründe und ihre Begründung Der Kläger vertritt die Auffassung, der Ratsbeschluss sei rechtswidrig, weil er zur Einführung einer FTT mit exterritorialen Effekten im Widerspruch zu Art. 327 AEUV (hierzu sogleich 3.2.2.) und/oder völkerrechtlichen Grundsätzen (hierzu sogleich 3.2.3.) ermächtige. Darüber hinaus bzw. alternativ folge die Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses aus dem Umstand, dass er zu einer FTT ermächtige, die entgegen Art. 332 AEUV Kosten für die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten verursache (hierzu sogleich 3.2.4.). 3.1. Zur Zulässigkeit der Klage Der Kläger antizipiert, dass der Klage entgegengehalten werden könnte, sie sei zu früh erhoben worden und nicht der ermächtigende Beschluss, sondern erst die Annahme von Maßnahmen zur Umsetzung der FTT durch die teilnehmenden Mitgliedstaaten sei richtiger Klagegegenstand.14 Diesen potenziellen Bedenken entgegnet der Kläger, dass die fundamentale Bedeutung der in der Klage angesprochenen Punkte einem prozessualen Vorgehen entgegenstehe, erst die späteren, umsetzenden Maßnahmen anzugreifen und sich dadurch dem Risiko einer Verfristung auszusetzen . Zudem solle so das Recht des Klägers gesichert werden, spätere, die VZ ausgestaltende Rechtsakte anzugreifen. Zweifel an einer verfrühten bzw. den unzutreffenden Klagegegenstand betreffenden Klageerhebung und damit einer offensichtlichen Unzulässigkeit der Klage ließen sich erst durch einen entsprechenden Beschluss des EuGH beseitigen. Nur im Wege einer Klage sei aus Sicht des Klägers Rechtssicherheit zu erreichen. 3.2. Zur Begründetheit der Klage Der Kläger behauptet, der Ratsbeschluss verletze seine Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten gemäß Art. 327 AEUV sowie seine völkerrechtlich begründete Besteuerungshoheit und belaste ihn im Widerspruch zu Art. 332 AEUV mit Kosten. 3.2.1. Begründung einer exterritorialen Wirkung Der Kläger begründet seine Ansicht mit der Behauptung, der Ratsbeschluss sei dazu bestimmt, die Einführung einer FTT mit exterritorialer Wirkung zu ermöglichen. Art. 3 KOM(2011) 594 etabliert nach Ansicht des Klägers ein „Gegenpartei-Prinzip“: Insbesondere Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(2011) 594 zeitige den Effekt, die Gegenpartei einer Transaktion mit 14 Klageschrift v. 18.4.2013, Ziff. 6–8. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 8 einem Finanzinstitut oder eine Partei aus dem Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaats steuerpflichtig zu machen, auch wenn die Gegenpartei nicht die Ansässigkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a-d KOM(2011) 594 erfülle. Die Ermächtigung des Ratsbeschlusses umfasse ausweislich seines 6. Erwägungsgrundes dieses „Gegenpartei-Prinzip“, da demnach die elf Mitgliedstaaten beantragten, „dass sich der Geltungsbereich und die Ziele der VZ auf den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie vom 28.9.2011 stützen sollten“. Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, die Kommission verstehe den Ratsbeschluss als Erlaubnis zur Einrichtung einer FTT mit exterritorialen Effekten. Der Vorschlag KOM(2013) 71 behalte das „Gegenpartei-Prinzip“ bei (Art. 4 Abs. 1 lit. f KOM(2013) 71) und führe in Art. 4 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 lit. c KOM(2013) 71 darüber hinaus ein „Ausgabe-Prinzip“ ein. Der Vorschlag habe die Wirkung, dass eine Partei einer Transaktion mit grundsätzlich unter die FTT fallenden Produkten auch dann steuerpflichtig wird, wenn das Produkt oder die zugrundeliegenden Sicherheiten im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ausgegeben werden. 3.2.2. Verstoß gegen Art. 327 AEUV Nach Ansicht Großbritanniens verstößt der Beschluss 2013/52/EU des Rates gegen Art. 327 AEUV, weil er den Erlass einer FTT mit der oben beschriebenen exterritorialen Wirkung erlaube, die die Zuständigkeit, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Staaten missachte. Ausweislich der Art. 113, 114 Abs. 2 AEUV erfahre die souveräne Steuerhoheit der Mitgliedstaaten besonderen primärrechtlichen Schutz. Die Präambel des Ratsbeschlusses betone, dass die Einführung einer EU-weiten FTT keine umfassende Zustimmung unter allen Mitgliedstaaten gefunden habe. Daher verletzte die Ermächtigung zur Einrichtung einer FTT, die auf nicht in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässige Marktteilnehmer wirkt oder die anknüpft an Handlungen außerhalb dieser Mitgliedstaaten, die Zuständigkeit, Rechte und Pflichten der nicht teilnahmewilligen Staaten. Solche Wirkungen der FTT seien zudem unverhältnismäßig. Schließlich versichere der 14. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses zwar, dass die Einrichtung einer FTT in Übereinstimmung mit Art. 327 AEUV erfolge. Die Feststellung im 14. Erwägungsgrund, dass ein solches System die Möglichkeit der nicht teilnehmender Länder nicht beeinträchtige, „eine Finanztransaktionssteuer auf der Grundlage nicht harmonisierter nationaler Vorschriften beizubehalten oder einzuführen“, verkenne aber den zentralen Umstand, dass der Ratsbeschluss zur Einrichtung einer FTT ermächtige, welche die Freiheit der nicht teilnehmenden Staaten beeinträchtige , zu entscheiden, dass Marktteilnehmer oder Transaktionen auf ihrem Territorium keiner FTT unterliegen sollen. 3.2.3. Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht Unter Verweis auf Art. 3 Abs. 5 EUV und Art. 327 AEUV sowie auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-366/10 (ATAA), Rn. 101 ff. vertritt der Kläger die Auffassung, dass jede VZ auch die völkergewohnheitsrechtlich begründeten Kompetenzen der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten wahren muss. Insoweit unterlägen Rechtssetzungsakte in der Union jedenfalls hinsichtlich offensichtlicher Beurteilungsfehler einer gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH. Nach Auffassung des Klägers widerspricht die Ermächtigung zu einer FTT mit exterritorialer Wirkung völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen. Dies beruhe nach Ansicht des Klägers auf dem Umstand, dass aus der staatlichen Souveränität die ausschließliche Zuständigkeit jedes Staates zur Rechtssetzung in seinem Staatsgebiet und hinsichtlich seiner Staatsangehörigen folge. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 9 Hieraus ergebe sich eine territoriale Beschränkung der rechtssetzenden Tätigkeit des Staates auf sein eigenes Staatsgebiet. Jedoch könne der Staat auch Recht mit exterritorialer Wirkung setzten, sofern eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem Regelungsgegenstand und dem Staat bestehe, wodurch gegebenenfalls auch konkurrierende Regelungsansprüche anderer Staaten überlagert werden könnten. Die Notwendigkeit einer hinreichend engen Verbindung sei auch ein tragender Grundsatz des internationalen Steuerrechts. Zur Begründung macht sich der Kläger die Ausführung des Bundesverfassungsgerichts zu eigen, wonach das Erfordernis eines hinreichenden und sachgerechten Anknüpfungsmoments für eine Besteuerung „eine wesentliche tatbestandliche Einschränkung der zulässigerweise von einem Staat mit Regelungen seiner eigenen Rechtsordnung zu erfassenden Sachverhalte, eine Begrenzung seiner internationalen Regelungskompetenz “ bilde (BVerfGE 63, 343 [369]). Eine solche hinreichende Verbindung liege insbesondere bei steuerlich erheblichen Tatbeständen im Inland („in rem“ – Territorialitätsprinzip) oder der Ansässigkeit bzw. des Sitzes des Steuerpflichtigen („in personam“ – Personalitätsprinzip) vor. Die Besteuerung mit direkten Steuern knüpfe regelmäßig an das Personalitätsprinzip, die Besteuerung mit indirekten Steuern regelmäßig an das Territorialitätsprinzip (wie beispielsweise im Fall von Verbrauchssteuern an den Ort des Letzt- bzw. Endverbrauchs) an. Nach Ansicht des Klägers stelle die FTT weder eine direkte Steuer auf die Erträge von Finanzinstitutionen noch eine indirekte Steuer, für die sich ein „Verbrauchsort“ feststellen lasse. Jedenfalls ermächtige der Ratsbeschluss zur Einrichtung einer FTT, deren exterritorialen Wirkungen weder durch das Territorialitäts-, noch durch das Personalitätsprinzip gerechtfertigt werden könnten. Das „Gegenpartei-Prinzip“ könne unter keinem der beiden Aspekte gerechtfertigt werden , das „Ausgabe-Prinzip“ jedenfalls nicht unter dem Aspekt des Personalitätsprinzips. Es sei auch nicht durch das Territorialprinzip gerechtfertigt, solange aus der Transaktion kein Eigentumsübergang auf das Territorium eines teilnehmenden Mitgliedstaates erfolge. Das im Vorschlag KOM(2013)71 normierte „Ausgabe-Prinzip“ sei zu unbestimmt und differenziere künstlich zwischen verschiedenen Wertpapierformen. In wörtlicher Auslegung gehe der exterritoriale Effekt weit über sachgerechte und anerkannte Anknüpfungsmomente hinaus. Der Kläger verdeutlicht dies am Beispiel von Art. 2 Abs. 1 KOM(2013) 71. Danach umfasst der Begriff der Finanztransaktion auch den Abschluss von Derivatkontrakten. Nach Ansicht des Klägers würden hierdurch auch Derivatkontrakte über in Mitgliedstaaten ausgegebene strukturierte Produkte oder Finanzinstrumente erfasst. Daher würde die auf Grundlage des Ratsbeschlusses eingeführte FTT auch den Abschluss von Derivatkontrakten zwischen zwei US-Amerikanischen Finanzinstitutionen erfassen , wenn der zugrundeliegende Basiswert in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ausgegeben wurde, was nach Ansicht des Klägers wiederum ein Beispiel wäre für die Weite des Anwendungsbereichs der Anti-Missbrauchsvorschrift des Art. 14 KOM(2013) 71. Die fehlende völkerrechtliche Anerkennung des „Ausgabe-Prinzips“ werde schließlich auch von der Kommission gesehen.15 Auch andere Zuordnungsprinzipien wie das Universalitäts- oder das Schutzprinzip könnten die exterritorialen Wirkungen der FTT nicht rechtfertigen. In keiner dieser Fallgruppen würde die 15 Abschnitt 6.4.2 Commission Staff Working Document: Impact Assessment accompanying the document Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of financial transaction, SWD(2013)28 endg., online abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/swd_2013_28_en.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 10 exterritoriale Besteuerung hinsichtlich des Gegenpartei- oder des Ausgabe-Prinzips mittels einer hinreichend engen Verbindung zum besteuernden Staat gerechtfertigt. Auch die in der Präambel des Ratsbeschlusses aufgeführten Gründe – die Generierung zusätzlicher Steuereinnahmen und die regulierende Wirkung einer FTT (3. Erwägungsgrund) sowie die Vermeidung von Steuerumgehungsmaßnahmen und die Verlagerung in andere Steuergebiete (6. Erwägungsgrund) – böten keine Rechtfertigungsgrundlage. Insbesondere das Erfordernis einer weitreichenden exterritorialen Wirkung zur Vermeidung von Steuerumgehungsmaßnahmen sei vielmehr Ausdruck eines Schutzes der teilnehmenden Mitgliedstaaten vor den negativen Folgen ihrer eigenen Rechtsetzungsentscheidung . Schließlich könne der Verstoß gegen Art. 327 AEUV oder völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze nicht dadurch geheilt werden, dass potenziell Steuerpflichtige gemäß Art. 3 Abs. 3 KOM(2011) 594 bzw. Art. 4 Abs. 3 KOM(2013) 71 den Gegenbeweis ihrer (fingierten) Ansässigkeit und damit ihrer Steuerpflichtigkeit antreten können. Es sei Sache des besteuernden Staates und nicht die des potenziell Steuerpflichtigen, exterritoriale Effekte steuerlicher Maßnahmen zu rechtfertigen. Zudem verstießen die Bestimmungen gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. 3.2.4. Verstoß gegen Art. 332 AEUV Der Kläger vertritt die Ansicht, dass der Ratsbeschluss dadurch gegen Art. 332 AEUV verstößt, dass er zur Einrichtung einer FTT ermächtigt, in deren Rahmen für die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten unvermeidlich Kosten entstünden. Dies ergebe sich aus der Erfüllung von Aufgaben aus den Richtlinien 2010/24/EU16 und 2011/16/EU17, welche auch im Hinblick auf die Durchführung der FTT Anwendung fänden. 4. Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage 4.1. Zulässigkeit 4.1.1. Zulässiger Klagegegenstand Im Verfahren der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV ist nur ein Antrag statthaft ist, der auf die Aufhebung einer rechtsverbindlichen Handlungen der Union wie beispielsweise Gesetzgebungsakte gerichtet ist. Gesetzgebungsakte sind gemäß Art. 289 Abs. 3 AEUV alle Rechtsakte der Union, die gemäß einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen wurden. Die erfassten Unionshandlungen müssen von der beklagten Unionseinrichtungen endgültig verabschiedet und im Übrigen dazu bestimmt sein, verbindliche Rechtswirkungen im Außenverhältnis zu erzeugen . Hierbei müssen sie einen endgültigen Gestaltungswillen der betreffenden Unionseinrich- 16 Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, ABl. Nr. L 84/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:084:0001:0012:DE:PDF. 17 Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. Nr. L 64/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:064:0001:0012:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 11 tung zum Ausdruck bringen. Daran fehlt es grundsätzlich bei nur vorbereitenden oder Zwischenmaßnahmen in einem mehrphasigen Verfahren.18 Insbesondere Vorschläge der Kommission für Rechtsetzungsakte sind daher nicht selbständig angreifbar.19 Ein Vorgehen im Wege der VZ beruht auf der Annahme zweier Rechtsakte: Zunächst entscheidet der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments über ein Vorgehen im Wege einer VZ und erteilt die Ermächtigung hierzu. Die konkrete Ausgestaltung des Regelungsvorhabens, auf das die VZ bezogen ist, erfolgt durch den anschließenden, die teilnehmenden Staaten bindenden Rechtsakt. Aufgrund der Eigenständigkeit beider Handlungen darf die gerichtliche Kontrolle eines Beschlusses über die Ermächtigung nicht mit derjenigen der Rechtsakte, die im Anschluss im Rahmen der VZ erlassen werden, vermengt werden.20 Die Kontrolle des ermächtigenden Beschlusses durch den EuGH ist dementsprechend darauf beschränkt , ob der Beschluss die Voraussetzungen erfüllt, die für die Einrichtung einer VZ gem. Art. 20 EUV und den Art. 326 ff. AEUV erforderlich sind. Der im Streit stehende Ratsbeschluss enthält lediglich die verfahrensrechtliche Ermächtigung für 11 Mitgliedstaaten, eine VZ im Bereich eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems einzugehen. Die im Zentrum der Klagebegründung stehende exterritoriale Wirkung einer FTT ergibt sich indes erst aus der späteren Ausgestaltung der VZ entsprechend dem Richtlinienvorschlag der Kommission. Zwar sind in den Erwägungsgründen 3, 6, 7 und 11 des Beschlusses die Ziele der VZ genau beschrieben. Diese Darstellung der Ziele entsprechen lediglich den Anforderungen des Art. 329 Abs. 1 AEUV, wonach die Mitgliedstaaten, die eine VZ eingehen wollen, ihrem Antrag an die Kommission den Anwendungsbereich und die Ziele, die angestrebt werden, mitzuteilen haben. Diese Konkretisierung der Ziele und des Zwecks der VZ erlaubt der Kommission die erforderliche Vorprüfung, ob die Voraussetzungen für die VZ vorliegen und ob von ihr im Rahmen ihres Initiativrechts (Art. 329 Abs. 1 S. 2 AEUV) Vorschläge vorzubereiten sind. Der Beschluss regelt mit seinen Zielbenennungen jedoch nicht die konkrete Einrichtung und Ausgestaltung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems. Angesichts des auf die Exterritorialität der projektierten FTT gestützten Vorbringens des Klägers stellen sich der nicht angenommene Vorschlag KOM(2011) 594 und der zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Ratsbeschlusses noch nicht beschlossene Vorschlag KOM(2013) 71 als die eigentlichen Klagegegenstände dar. Solange das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen ist, lassen sich die Effekte auf die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht zuver- 18 Vgl. hierzu die Entscheidungen des EuGH in den verb. Rs. C-133/87 und C-150/87 (Nashua Corporation /Kommission und Rat), Rn. 9; Rs. C-147/96 (Niederlande/Kommission), Rn. 26; Rs.C-362/08 P (Internationaler Hilfsfond/Kommission) Rn. 52; verb. Rs. C-463/10 P und C-475/10 P (Deutsche Post und Deutschland /Kommission), Rn. 50 sowie die Entscheidungen des EuG in den Rs. T-64/89 (Automec), Rn. 42; Rs. T- 37/92 (BEUC), Rn. 27; Rs. T-277/94 (AITEC), Rn. 5ß f.; Rs. T-241/97 (Stork Amsterdam/Kommission), Rn. 49; Rs. T-2/04 (Korkmaz), Rn. 47; verb. Rs.T-355/04 und T-446/04 (Co-Frutta/Kommission), Rn. 33. 19 Vgl. Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL 2013, Art. 263, Rn. 39. 20 Vgl. Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 137. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 12 lässig einschätzen.21 Das Gegenpartei- und Ausgabeprinzip, auf die sich die Klage im Wesentlichen stützt, waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ratsbeschlusses mangels konkreter Ausgestaltung hypothetische Elemente eines noch durchzuführenden Rechtsetzungsverfahrens. Dass der Kläger offenbar selbst anerkennt, dass der Ratsbeschluss die projektierte FTT nicht ausgestaltet , ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er sich zur Begründung einer exterritorialen Wirkung der FTT auf die Vorschläge KOM(2011)5 94 und KOM(2013) 71 stützt, was bei einer entsprechenden , eigenständigen Determinierung der FTT durch den Ratsbeschluss nicht erforderlich wäre.22 Diese Erwägungen lassen jedoch die Zulässigkeit der Klage gegen den Ratsbeschluss an sich unberührt . Die Frage des sachlichen Anwendungsbereichs der FTT ist keine Bedingung, welche die Gültigkeit des Beschlusses über die Ermächtigung zu einer VZ bestimmt.23 Dem Kläger bleibt es unbenommen, sich im Wege von Art. 263 AEUV gegen jeden anhand der vorstehenden Maßstäbe zulässigen Klagegegenstand zu wenden, ohne dass hieraus eine „verfrühte“ Klageerhebung resultierte . Jedoch ist in einem solchen Verfahren nur ein Vorbringen gegen die Rechtmäßigkeit des zur VZ ermächtigenden Beschlusses zulässig, nicht aber zu Fragen der Vereinbarkeit der (späteren ) Ausgestaltung des Finanztransaktionssteuersystems mit dem Unionsrecht auf Grundlage des – derzeit noch nicht existenten – ausgestaltenden Rechtsaktes. Dahingehende Angriffsmittel des Klägers sind insoweit verfrüht und damit als unzulässig zurückzuweisen. Vielmehr muss die Frage der Auswirkungen eines Finanztransaktionssteuersystems Gegenstand eines gesonderten Rechtsaktes sein, der von den teilnehmenden Mitgliedstaaten nach dem Verfahren in Art. 113 AEUV einstimmig erlassen wird und selbständig vor dem EuGH angegriffen werden kann.24 Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der besonderen Bedeutung einer FTT zeitigt keine Auswirkungen auf den limitierten, nicht die Fragen einer exterritorialen Ausgestaltung der FTT durch einen späteren Rechtsakt umfassenden Prüfungsumfang der Nichtigkeitsklage. Dies ver- 21 Zu der derzeit noch nicht absehbaren endgültigen Ausgestaltung des Finanztransaktionssteuersystems vgl. beispielhaft die Änderungsvorschläge in der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3.7.2013 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer (KOM(2013)0071 – C7-0049/2013 – 2013/0045(CNS)), P7_TA(2013)0312, online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2013- 0312+0+DOC+XML+V0//DE. 22 Zu den Folgen einer abweichenden Bewertung der Determinierung der FTT durch den Ratsbeschluss siehe unten unter 5. 23 Vgl. Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 138 f. 24 Vgl. hierzu die parallele Situation im Vorgehen Italiens und Spaniens gegen die Ausgestaltung des Sprachenregimes im Rahmen eines einheitlichen Patentschutzes, dessen Einrichtung im Rahmen einer VZ erfolgt. Italien und Spanien haben zunächst den hierzu ermächtigenden Beschluss des Rates erfolglos angefochten (EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat)). Nunmehr wenden sich Spanien mit erneuten Klagen (EuGH, Rs. C-146/13 (Spanien/Rat) und Rs. C-147/13 (Spanien/Rat) direkt gegen die im Rahmen der VZ ergangene , das Sprachenregime ausgestaltende Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates v. 17.12.2012 über die Umsetzung der VZ im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen, ABl. Nr. L 361/89 (online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:361:0089:0092:DE:PDF). Deutschland hat am 27.7.2013 den Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung des Rates eingereicht. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 13 deutlichen die Bestimmungen über die Klagefrist gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV. Danach ist die Nichtigkeitsklage innerhalb der zwingenden Ausschlussfrist von zwei Monaten zu erheben. Diese Frist dient der Rechtsklarheit und -sicherheit und steht weder zur Disposition der Parteien noch der Unionsgerichte.25 Art. 263 Abs. 6 AEUV hindert den Kläger zwar nicht daran, die Nichtigkeitsklage zu erheben, sobald die streitige Entscheidung ergangen ist, ohne deren Mitteilung oder Veröffentlichung abzuwarten, also bevor der Lauf der Klagefrist begonnen hat. Voraussetzung bleibt aber stets die endgültige Verabschiedung des angegriffenen Rechtsakts, so dass die Klage gegen einen bei ihrer Erhebung noch nicht erlassenen Rechtsakt beziehungsweise ein dahingehendes Klagevorbringen unzulässig ist. Diente die Klage (auch) der Feststellung, schnellstmöglich Rechtsicherheit über die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Klageerhebung zu erlangen, so wäre der Kläger hierzu auf eine gesonderte Feststellung gemäß Art. 151 VerfO-EuGH zu verweisen . 4.1.2. Klagebefugnis Gegen eine Zulässigkeit der Klage insgesamt könnte sprechen, dass sich der Kläger bei der Abstimmung im Rat über den nunmehr angegriffenen Beschluss enthalten und so erst den Weg für ein Vorgehen der 11 Mitgliedstaaten im Wege der VZ bereitet hat. Insofern ließe sich der Zulässigkeit der Klage das Argument des widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten. Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 263 Abs. 2 AEUV für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, ein objektives Normenkontrollverfahren zur Überprüfung von Unionsrechtsakten einzuleiten. Sie können als sogenannte privilegierte Kläger in diesem Verfahren jede Handlung einer Unionseinrichtung anfechten, ohne eine besondere Klageberechtigung nachweisen zu müssen. Vorangegangene Versäumnisse, die eine politische Mitverantwortung an der Maßnahme begründen könnten oder die Tatsache, dass der Kläger am Zustandekommen der angegriffenen Handlung selbst mitgewirkt hat, schließen diese Klageberechtigung nicht aus.26 Insofern kann für die Zulässigkeit der Klage außer Betracht bleiben, dass sich Großbritannien bei der Abstimmung im Rat der Stimme enthalten und nicht dagegen gestimmt hat, obwohl es zugleich in seiner Protokollerklärung zunächst auf Art. 20 EUV und 326, 327 AEUV im Allgemeinen Bezug nimmt, die Voraussetzungen einer VZ wiedergibt und abschließend feststellt, „dass es nicht möglich sei, der Ansicht zu sein, dass die in den Verträgen genannten Voraussetzungen erfüllt seien“.27 4.1.3. Zwischenergebnis zur Zulässigkeit der Klage Die Klage erscheint nur im Hinblick auf die Frage zulässig, ob der angefochtene Beschluss die Voraussetzungen erfüllt, die für die Umsetzung der VZ gem. Art. 20 EUV und den Art. 326 ff. 25 Vgl. hierzu die Entscheidungen des EuGH in den Rs. EuGH, Rs. C-246/95 (Coen), Rn. 21; verb. Rs. T-80/89 ua (BASF ua/Kommission), Rn. 58; verb. Rs. T-148/98, T-162/98 (Evans ua/Kommission), Rn. 29; verb. Rs. T- 142/01, T-283/01 (OPTUC/Kommission), Rn. 30; Rs. T-392/05 (MMT/Kommission), Rn. 36; Rs. T-327/04 (SNIV/Kommission), Rn. 19. 26 EuGH, Rs. 22/70 (AETR), Rn. 63; EuGH, Rs. 166/78 (Italien/Rat), Rn. 6. 27 „It is not possible to take the view, expressed in the Authorising Decision, that the conditions set out in the Treaties are fulfilled“. Zu der Unerheblichkeit der Position, die eine klagende Partei im Rechtsetzungsverfahren eingenommen hatte vgl. EuGH, Rs. C-378/00 (Kommission/Europäisches Parlament), Rn. 28; EuGH, Rs. C- 355/10 (Europäisches Parlament/Rat), Rn. 38. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 14 AEUV erforderlich sind. Das darüber hinausgehende Vorbringen des Klägers, welches auf die spätere Ausgestaltung der FTT abstellt, erscheint hingegen unzulässig.28 Entsprechend dem Vorgehen Italiens und Spaniens gegen die Ausgestaltung des Sprachenregimes im Rahmen eines einheitlichen Patentschutzes29 wäre der Kläger vielmehr auf ein zweifaches rechtliches Vorgehen zu verweisen: Zunächst ein Vorgehen gegen das Vorliegen der Voraussetzungen der Genehmigungsentscheidung und anschließend ein Vorgehen gegen den ausgestaltenden Rechtsakt und dessen materielle Auswirkungen. 4.2. Begründetheit entsprechend der beschränkten Zulässigkeit der Klage Die Nichtigkeitsklage ist begründet, wenn die angegriffene Maßnahme mit einem oder mehreren der in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Nichtigkeitsgründe behaftet ist und dieser Mangel vom Kläger geltend gemacht wurde. Dies ist bei einer Klage gegen einen Beschluss des Rates zur Einrichtung einer VZ der Fall, wenn dieser die Voraussetzungen für die Durchführung einer VZ gemäß Art. 20 EUV und den Art. 326 ff. AEUV nicht wahrt. Fragen der späteren Ausgestaltung des Regelungsvorhabens im Wege der VZ gehören hingegen nicht zu den Fragen, die nach den maßgeblichen Bestimmungen der Verträge für die Umsetzung der VZ erforderlich sind.30 Die Ermächtigung des Rates zur Begründung einer VZ stellt vielmehr die Prämisse für den späteren Erlass von Rechtssetzungsakten zur Ausgestaltung der VZ dar.31 Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage ist die gerichtliche Kontrolle folglich in ihrem Umfang sachlich begrenzt auf die Rechtmäßigkeit des ermächtigenden Beschlusses. Sie ermöglicht hingegen nicht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der potenziell exterritorialen Auswirkungen eines Finanztransaktionssteuersystems entsprechend den Vorschlägen KOM(2011) 594 und KOM(2013) 71. Im Folgenden geht die Ausarbeitung im Sinne der Vollständigkeit über die Erwägungen des Klägers hinaus auf alle materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV i.V.m. Art. 329 AEUV auf Antrag von 11 Mitgliedstaaten formell vertragsgemäß erlassenen Ratsbeschlusses ein. 28 Zu den Folgen einer abweichenden Bewertung der Determinierung der FTT durch den Ratsbeschluss siehe unten unter 5. 29 EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), siehe oben Fußnote 24. 30 Vgl. Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 98 f. 31 Vgl. Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 99. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 15 4.2.1. Bestehen einer nicht ausschließlichen Zuständigkeit der Union (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 EUV) Der Ratsbeschluss sieht in seinem 10. Erwägungsgrund vor, dass das System der gemeinsamen FTT auf Art. 113 AEUV gestützt werden soll. In materieller Hinsicht setzt die Einrichtung einer VZ zunächst voraus, dass sie im Rahmen der Zuständigkeit der Union begründet wird und sich nicht auf Bereiche erstreckt, die unter die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 EUV). Es bedarf einer geeigneten Kompetenzgrundlage der Union in den Bereichen der geteilten, koordinierenden oder unterstützenden Kompetenzen nach Art. 4 bis 6 AEUV. Gemäß Art. 2 Abs. 6 AEUV knüpfen dabei die Zuständigkeitsvorschriften zur Bestimmung der Kompetenzart an die im AEUV im Einzelnen geregelten Politikbereiche an, deren Vorschriften die konkreten Rechtsgrundlagen enthalten, deren Voraussetzungen das Handeln der Union bestimmen.32 Die ausschließlichen Zuständigkeiten der EU, d.h. jene Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten kraft Existenz der gemeinschaftlichen Zuständigkeit jegliche Maßnahmen zu unterlassen haben, wenn die Union sie nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV zum Handeln ermächtigt hat,33 sind in Art. 3 AEUV entsprechend der Formulierung in Abs. 1 sowie durch die Ergänzung in Abs. 2 abschließend aufgelistet. Dort ist die Harmonisierung von Steuervorschriften nicht explizit erwähnt .34 Dies spricht dafür, dass eine Harmonisierung im Rahmen des Steuerrechts nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt. Ob Art. 113 AEUV einen Fall der nicht ausschließlichen Zuständigkeit betrifft, bestimmt sich aus der Kompetenzordnung des zugrundeliegenden Politikbereichs. Die Vorschrift ermöglicht die Harmonisierung von Rechtsvorschriften über indirekte Steuern, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Der in Art. 113 AEUV angesprochene Politikbereich Binnenmarkt fällt gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV in die geteilten Zuständigkeiten der Union. Die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 EUV sind damit insoweit erfüllt. 4.2.2. Verstärkte Zusammenarbeit als Ultima Ratio (Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV) Die VZ ist nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV nur als letztes Mittel zulässig, wenn der Rat feststellt, dass die mit der Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht 32 Vgl. Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 47. 33 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, 3. Auflage, Baden-Baden, 2012, Art. 20 EUV, Rn. 22. 34 Die in Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV angelegte ausschließliche Kompetenz der Union für die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Wettbewerbsregeln umfasst nicht die gesamten Binnenmarktkompetenzen der EU (Art. 113, Art. 114 f. AEUV), sondern nur die Vorschriften über das Wettbewerbsrecht der Art. 101 ff. AEUV, vgl. Fischer-Lescano/Kommer, VZ in der EU, S. 10. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 16 innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können. Die VZ soll die Ausnahme bleiben und nicht im Rat den Druck verringern, doch noch gemeinsame Lösungen zu finden.35 Für die Feststellung, ob im Sinne von Art. 20 Abs. 2 EUV mit diesem Versuch die Schwelle zum letzten Mittel erreicht ist und die angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht in einem vertretbaren Zeitraum verwirklicht werden können, verfügt der Rat über ein weites Ermessen . Es obliegt dem die endgültige Entscheidung über die Ermächtigung zu einer VZ treffenden Rat, unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte unparteiisch zu beurteilen, ob die Mitgliedstaaten Kompromissbereitschaft zeigen und in der Lage sind, Vorschläge zu unterbreiten , die in absehbarer Zeit zum Erlass einer Regelung für die gesamte Union führen können.36 Die Kontrolle durch den EuGH ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Ausübung des Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft oder missbräuchlich ist oder ob der Rat offensichtlich die Grenzen seines Ermessens überschritten hat.37 Nach Ansicht des EuGH wäre dies dann der Fall, „wenn auf Kosten der Suche nach einem Kompromiss, der den Erlass einer Regelung für die Union in ihrer Gesamtheit ermöglichen würde, jede ergebnislose Verhandlung zu einer VZ in einem oder mehreren Fällen führen könnte.“38 Es muss zumindest versucht worden sein, ein gemeinsames Handeln herbeizuführen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn bereits ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren eingeleitet worden ist und im Rat verschiedene Umsetzungsformen des Regelungsvorhabens diskutiert worden sind.39 Am 28.9.2011 hatte die Kommission einen auf Art. 113 AEUV gestützten Richtlinienvorschlag für ein gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem40 vorgelegt. Nachdem das EP41, der Wirtschafts - und Sozialausschuss42 und der Ausschuss der Regionen43 befürwortende Stellungnah- 35 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, 3. Auflage, Baden-Baden, 2012, Art. 20 EUV, Rn. 24 m.w.N. 36 Vgl. EuGH, verb. Rs. C- 274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 53 f. 37 Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 114 f. mit Verweis auf EuGH, Rs. C-425/08 (Enviro Tech), Rn. 47. 38 EuGH, verb. Rs. C- 274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 49. 39 Vgl. EuGH, verb. Rs. C- 274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 55 f. 40 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG, KOM(2011) 594 endgültig, (online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0594:FIN:DE:PDF. 41 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Mai 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG (KOM(2011)0594 – C7-0355/2011 – 2011/0261(CNS)), (online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012- 0217+0+DOC+XML+V0//DE. 42 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 21.6.2012 zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG“ KOM(2011) 594 final, ABl. C 181/55, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:181:0055:0063:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 17 men abgegeben hatten, wurde der Kommissionsvorschlag auf den Ratstagungen verhandelt. Wegen grundlegender Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten konnte die nach Art. 113 AEUV erforderliche Einstimmigkeit im Rat jedoch nicht erzielt werden.44 Entsprechend stellte der Rat der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen) am 22.6.2012 fest, dass in absehbarer Zukunft keine Einigung auf einen Richtlinientext im Rat erzielt werden kann.45 Es wurde also über einen längeren Zeitpunkt versucht, eine Einigung herbeizuführen. Die Feststellung des Rates im 9. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses hinsichtlich der VZ als letztes Mittel erscheint nicht offensichtlich dahingehend ermessensmissbräuchlich zu sein, dass nicht vorher alle Verhandlungsmöglichkeiten unter den 27 Mitgliedstaaten ausgeschöpft worden sind und andere Lösungen hinsichtlich der Einführung eines Finanztransaktionssteuersystems hätten vorgeschlagen werden können. Dementsprechend erscheint die Feststellung, dass die Schwelle zum „letzten Mittel“ i.S.v. Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV jedenfalls erreicht war und die Entscheidung, eine VZ einzuleiten, entsprechend dem 9. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses ultima ratio getroffen wurde, nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft zu sein. 4.2.3. Offenheit für alle Mitgliedstaaten (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV, Art. 326, 327 AEUV) Aus Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV und Art. 328 AEUV ergibt sich, dass die VZ zudem allen übrigen Mitgliedstaaten, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen, offen stehen muss. Dieses Prinzip der Offenheit stellt sicher, dass sich die enger kooperierenden Staaten von den übrigen EU-Mitgliedstaaten nicht aus eigenem Willen absondern können und sich unterschiedliche Integrationsniveaus verfestigen.46 Vorliegend enthalten weder der Ratsbeschluss zur Ermächtigung zu einer VZ noch der Richtlinienentwurf Bestimmungen, die die Aufnahme der bislang nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten in die VZ verhindern würden. Vielmehr betont der 15. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses ausdrücklich die Offenheit der VZ für die Teilnahme weiterer Mitgliedstaaten. 4.2.4. Rücksichtnahme auf Nichtteilnehmer (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV, Art. 327, 332 AEUV) Der Ratsbeschluss muss die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten wahren (Art. 327 S. 1 AEUV), während die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten 43 Ausschuss der Regionen, Stellungnahme 2012/C 113/03 v. 18.4.2012: „Ein gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem “, , ABl. C 113/7, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:113:0007:0010:DE:PDF. 44 KOM(2013) 71 final, Begründung S. 3; vgl. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.06.2012, EUCO 76/2/12, REV2, Seite 13, Punkt 3 lit. j, online abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/131398.pdf. 45 Zum Hintergrund vgl. Europäische Kommission, Besteuerung des Finanzsektors, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/other_taxes/financial_sector/index_de.htm. 46 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, 3. Auflage 2012, Art. 20 EUV, Rn. 26 m.w.N. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 18 ihrerseits der Durchführung der VZ nicht im Wege stehen dürfen. Damit besteht im Verhältnis von teilnehmenden und nicht teilnehmenden Staaten eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht. Der fundamentale Grundsatz der Loyalität zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 EUV) wird also durch eine VZ nicht aufgehoben.47 Der Ratsbeschluss ermächtigt die teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Einführung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems und stellt zugleich das Recht der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten klar, eine unabhängige Finanztransaktionssteuer auf nationaler Ebene beizubehalten oder einzuführen, solange die nationalen Regelungen die unionsrechtlichen Verpflichtungen einhalten. Vor dem Hintergrund des weiten Ermessensspielraums des Rates ist die Prüfung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Voraussetzungen gemäß Art. 327 S. 1 AEUV darauf beschränkt, ob der Rat nicht offensichtlich einen Ermessensfehler begangen hat oder ob die Einführung einer VZ zur Schaffung eines Finanztransaktionssteuersystems unter den Bedingungen des Art. 327 AEUV offensichtlich ungeeignet ist. Dies erscheint im Rahmen des beschränkten Prüfungsumfangs nicht der Fall zu sein. Insbesondere die aus dem 14. Erwägungsgrund des Beschlusses hervorgehenden Erwägungen erscheinen nicht offensichtlich fehlerhaft. Auch geht aus dem Ratsbeschluss nicht die Pflicht zur Einführung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems mit exterritorialer Wirkung hervor. Soweit der Kläger Bezug nimmt auf eine mögliche Verletzung der Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten durch den weiten Anwendungsbereichs des Finanztransaktionssteuersystems entsprechend den Kommissionsvorschlägen KOM(2011) 594 und KOM(2013) 71, ist dies keine entscheidende Bedingung, welche die Gültigkeit des Beschlusses über die Ermächtigung zu einer VZ zu bestimmen vermag. Die auf dem Beschluss aufbauende Maßnahme darf jedoch nicht dazu führen, dass die nicht beteiligten Mitgliedstaaten an der Ausübung ihrer Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten gehindert werden.48 Gleiches gilt gemäß Art. 332 AEUV für die aus der Umsetzung der VZ resultierende Kostenlast. Bei isolierter Betrachtung des Ratsbeschlusses kann es nicht als Verletzung der Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten gewertet werden, dass in dem Beschluss in Aussicht genommen wird, ein vom Kläger abgelehntes gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem einzuführen .49 Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass der Ratsbeschluss bei notwendig isolierter Betrachtung nicht die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten verletzt. 47 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, 3. Auflage 2012, Art. 328 AEUV (S. 2488). 48 Die Protokollerklärung des Klägers zum Beschluss des Rates („It is not possible to take the view, expressed in the Authorising Decision, that the conditions set out in the Treaties are fulfilled“) lässt sich insoweit dahingehend verstehen, dass es grundsätzlich nicht möglich sei, aufbauend auf der VZ ein gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem zu errichten, welches die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten wahrt. 49 Zu den Folgen einer abweichenden Bewertung unter Berücksichtigung der exterritorialen Wirkung der FTT siehe unten unter 5.2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 19 4.2.5. Achtung des Unionsrechts und Beeinträchtigungsverbote (Art. 326 AEUV) Eine VZ muss nach Art. 326 AEUV die Verträge und das Recht der Union achten, also das gesamte Primär- und bestehende Sekundärrecht (gemeinschaftlicher Besitzstand). Des weiteren darf die VZ den Binnenmarkt und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt nicht beeinträchtigen (Art. 326 UAbs. 2 S. 1 AEUV), den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht behindern oder diskriminieren oder den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten nicht verzerren (Art. 326 UAbs. 2 S. 2 AEUV). 4.2.5.1. Rechtmäßige Ziele der Verstärkten Zusammenarbeit Die VZ muss darauf ausgerichtet sein, die Ziele der Union zu fördern, ihre Interessen zu schützen und diesen zu dienen, sowie ihren Integrationsprozess zu stärken (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 EUV). Bei seiner Ermächtigung zur Einrichtung einer VZ muss der Rat beurteilen, ob eine VZ das geeignete Mittel ist, um gemäß Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 EUV die Verwirklichung der Ziele der Union zu fördern, ihre Interessen zu schützen und ihren Integrationsprozess zu fördern. Diese Beurteilung ist nur dahingehend justiziabel, ob der Rat seine Wahlfreiheit nicht offensichtlich fehlerhaft oder ermessensmissbräuchlich ausgeübt hat oder ob er nicht offensichtlich die Grenzen seines Ermessens überschritten hat.50 Für die Beförderung des Ziels der Stärkung des Integrationsprozesses51 im Sinne von Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 EUV durch die VZ spricht, dass die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im Bereich der Steuern auf Finanztransaktionen derzeit nicht integriert sind. Die Errichtung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems würde demgegenüber die Integration zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten und – mit Blick auf die Offenheit der VZ – potenziell der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten vertiefen. Das hierzu auf das Mittel der VZ und damit auf einen Mechanismus der differenzierten Integration zwischen den Mitgliedstaaten zurückgegriffen wird, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, sondern entspricht vielmehr dem Wesensmerkmal der VZ. Sie dient gerade dem Zweck, es einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die in einem bestimmten Bereich Maßnahmen durchführen wollen, zu ermöglichen, einer Blockierung in diesem Bereich abzuhelfen und dabei innerhalb des institutionellen Rahmens der Union und unter Beachtung der in den Verträgen vorgesehenen Bedingungen zu bleiben.52 Insoweit beruht der Ratsbeschluss nicht auf einem Ermessensmissbrauch, sondern trägt in Anbetracht der Unmöglichkeit, innerhalb eines vertretbaren Zeitraums für die gesamte Union eine gemeinsame Regelung zu erreichen , zum Integrationsprozess bei.53 50 Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Spanien und Italien/Rat), Rn. 28 f. mit Verweis auf die Urteile des EuGH in den Rs. 78/74 (Deuka), Rn. 9; Rs. 84/87 (Erpelding), Rn. 27; verb. Rs. C-254/94, C-255/94 und C-269/94 (Fattoria autonoma tabacchi u. a.), Rn. 56; Rs. C-354/95 (National Farmers’ Union u. a.), Rn. 50; Rs. C-210/03 (Swedish Match), Rn. 48; Rs. C-425/08 (Enviro Tech), Rn. 47. 51 Zum Begriff der Europäischen Integration vgl. EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Rn. 3 ff; BVerfGE 123, 267 (272 ff.). 52 Generalanwalt Bot, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 82. 53 Vgl. EuGH, verb. Rs. C- 274/11 und C-295/11 (Italien und Spanien/Rat), Rn. 37. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 20 4.2.5.2. Voraussetzungen der Handlungsgrundlage Gemäß Art. 326 Abs. 1 AEUV muss bei der Ausübung einer der Union übertragenen Zuständigkeit im Rahmen der VZ insbesondere die Bestimmung beachtet werden, die diese Zuständigkeit begründet. Entsprechend dem 10. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses soll sich die Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems auf Art 113 AEUV stützen und muss daher mit dieser Norm im Einklang stehen. Art. 113 AEUV ist eine spezielle Harmonisierungskompetenz für indirekte Steuern, die sich typischerweise unmittelbar auf die Preise für grenzüberschreitend zu erbringende Leistungen auswirken und deren Rechtsgrundlagen deshalb angeglichen werden können.54 Die Norm erfordert, dass eine Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Maßnahmen nach Art. 113 AEUV müssen tatsächlich das Ziel verfolgen, durch eine Angleichung des mitgliedstaatlichen Rechts die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.55 Die bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften und die abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Grundfreiheiten und Wettbewerbsverzerrungen genügt nicht. Vielmehr müssen diese Unterschiede geeignet sein, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken oder zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen zu führen.56 Insbesondere kann ein Rechtsakt dann auf Art. 113 AEUV gestützt werden, wenn das Ziel verfolgt wird, Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, sofern ihr Entstehen wahrscheinlich ist und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezweckt.57 In der Vergangenheit wurde bezweifelt, ob die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer tatsächlich der Harmonisierung der Finanztransaktionssteuersysteme dienen sollte oder ob nicht vielmehr die Erhebung einer neuen Steuer Hintergrund der Planungen war.58 Begründet wurden die Bedenken damit, dass zum damaligen Zeitpunkt keine unterschiedlichen Systeme von Finanztransaktionssteuern bestanden. 54 Vgl. Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL 2013, Art. 113 AEUV, Rn. 4. 55 Vgl. EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 60; EuGH, Rs. C-436/03 (Europäische Genossenschaft), Rn. 3; EuGH, Rs. C-217/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Rn. 42; EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone), Rn. 32. 56 Vgl. EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 84, 106; EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland /Parlament und Rat), Rn. 37; EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone u.a./Secretary of State for Business), Rn. 32. 57 Vgl. EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 38; EuGH, Rs. C-301/06 (Irland/Parlament und Rat), Rn. 64. 58 Mayer/Heidfeld, Europarechtliche Aspekte einer Finanztransaktionssteuer, EuZW 2011, S. 373 (374). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 21 Zwischenzeitlich haben sich aber verschiedene EU-Mitgliedstaaten für die Einführung von unterschiedlichen Formen von Finanztransaktionssteuern auf mitgliedstaatlicher Ebene entschieden oder planen eine solche: Schon seit 1986 wird in Großbritannien eine Abgabe auf den Handel mit Aktien inländischer Gesellschaften an der Börse (Stamp Duty Reserve Tax) erhoben.59 Der Steuersatz beträgt 0,5 % auf den Kauf von Aktien, jedoch nur, wenn mit der Transaktion ein Wertpapier tatsächlich weiter gereicht wird. Genau genommen wird damit nicht der Transfer selbst, sondern die Registrierung des Eigentümerwechsels von Unternehmensanteilen aller in Großbritannien ansässigen Unternehmen besteuert.60 An der Einordnung der Stamp Duty als Form der Transaktionssteuer ändert dies jedoch nichts.61 In Belgien wird eine Börsenumsatzsteuer mit einem Steuersatz von 0,17 % erhoben. Vergleichbare Börsenumsatzsteuern gab es bereits im Jahr 2008 in Finnland, Griechenland, Irland, Malta, Polen und Zypern.62 Seit dem 1.8.2012 erhebt nun auch Frankreich für den Erwerb sogenannter Kapitalwertpapiere eine Finanztransaktionssteuer mit einem Steuersatz von 0,2 % des Kaufpreises. Der Steuer unterliegt dort der Erwerb von Wertpapieren von börsennotierten Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Frankreich haben und die über eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro verfügen . Die Besteuerung erfolgt unabhängig vom Ort der Transaktion, so dass auch der Handel mit französischen Wertpapieren an ausländischen Börsenplätzen steuerpflichtig ist.63 Zudem wurden Steuern für den Hochfrequenzhandel (Steuersatz 0,01%) und für den Kauf von Credit Default Swaps, soweit es sich dabei um Schuldtitel aus EU-Staaten handelt, eingeführt, die aber nur von Unternehmen und Personen, die in Frankreich steuerpflichtig sind, erhoben werden.64 In Italien ist als Bestandteil des Stabilitätsgesetzes 2013 eine Finanztransaktionssteuer eingeführt worden. Sie ist unabhängig davon zu erheben, wo der Ort der Transaktion liegt bzw. wo die Vertragsparteien ansässig sind. Steuerschuldner ist grundsätzlich derjenige, in dessen Interesse die Transaktion stattfindet. Dazu zählen auch Privatpersonen. Bei dem Handel mit Derivaten ist jeder 59 Vgl. HM Revenue & Customs, Stamp Duty Reserve Tax - the basics, online abrufbar unter http://www.hmrc.gov.uk/sdrt/intro/basics.htm. 60 Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 22. 61 Vgl. Steinbach, Wie eine Finanztransaktionssteuer funktionieren kann, Wirtschaftsdienst 2010, S. 814 (815); Paul/Neumann, Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 22. 62 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler u.a., BT- Drs. 16/12571, S. 6ff. (Frage 15/16). 63 Lappas/Ruckes, Finanztransaktionssteuern – quo vadis?, IStR 2013, 117 (118). 64 Lappas/Ruckes, Finanztransaktionssteuern – quo vadis?, IStR 2013, 117 (117). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 22 an der Operation Beteiligte steuerpflichtig. Inländische und ausländische Finanzintermediäre sind von der Steuer befreit, müssen aber die Steuer für ihre Kunden abführen. 65 Auch in Ungarn wurde zum 1.1.2013 eine Finanztransaktionssteuer eingeführt, nach welcher zunächst alle Finanzgeschäfte und ab 2014 auch Wertpapiertransaktionen mit einem Steuersatz zwischen 0,01% und 0,3 % besteuert werden sollen.66 Spanien67 und Portugal68 scheinen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu planen, und auch Slowenien69 will eine Finanztransaktionssteuer einführen. Zwischenzeitlich haben somit mindestens 14 EU-Mitgliedstaaten eine FTT eingeführt oder erwägen ihre Einführung.70 Die wachsende Zahl steuerlicher Maßnahmen in den Mitgliedstaaten begründet die Gefahr einer Fragmentierung der steuerlichen Behandlung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt.71 Eine Anwendung der Harmonisierungskompetenz des Art. 113 AEUV ist bereits dann zulässig, wenn damit der Entstehung von Handelshemmnissen infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorgebeugt werden soll, das Entstehen solcher Hemmnisse wahrscheinlich ist und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezweckt.72 Entsprechend ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Handelshemmnissen infolge einer heterogenen Entwicklung in den Mitgliedstaaten jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zu bejahen. 4.2.5.3. Keine Beeinträchtigung im Sinne von Art. 326 UAbs. 2 AEUV Der Ratsbeschluss darf gemäß Art. 326 UAbs. 2 AEUV nicht zu Maßnahmen ermächtigen, welche die Errichtung und die Gewährleistung des Funktionieren des Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 26 AEUV) beeinträchtigen und insbesondere gegen das Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot sowie das Verbot von Wettbewerbsverzerrungen verstoßen. In diesem Rahmen besitzt der Rat bei der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten in den Bereichen ein weites Ermessen, in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen 65 Dahm/Hamacher, Finanztransaktionssteuern anderer Länder - (taugliche) Muster für die grenzüberschreitende Steuererhebung, IStR 2013, 123 (125). 66 Küpper, Ungarn, WiRO 2012, 346 (346). 67 Vgl. KOM(2013) 71 final, Begründung S. 3. 68 Ebert, Portugal: Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung der portugiesischen Regierung, IStR-LB, 2012, 107 (107). 69 Vgl. Lappas/Ruckes, Finanztransaktionssteuern – quo vadis?, IStR 2013, 117 (119). 70 Vgl. Lappas/Ruckes, Finanztransaktionssteuern – quo vadis?, IStR 2013, 117 (122). 71 KOM(2013) 71 final), Begründung S. 4. 72 EuGH, Rs. C-436/03 (Europäische Genossenschaft), Rn. 39. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 23 muss.73 Die Nachprüfbarkeit seiner Entscheidung und mithin eines potenziellen Verstoßes gegen Art. 326 UAbs. 2 AEUV ist auf die Fragestellung beschränkt, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist.74 Zu Ermöglichung einer Nachprüfung muss der Rat seine Entscheidung auf objektive Kriterien stützen und bei der Beurteilung der mit verschiedenen möglichen Maßnahmen verbundenen Belastungen prüfen, ob die mit der gewählten Maßnahme angestrebten Ziele sogar beträchtliche negative wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können.75 Bestandteil des Vorschlags der Kommission für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer war eine umfassende Prüfung und Folgenabschätzung .76 Hierauf stützt sich der Ratsbeschluss und zielt ab auf die Harmonisierung der Rechtsvorschriften für die indirekte Besteuerung von Finanztransaktionen, die Gewährleistung, dass die Finanzinstitute einen angemessenen Beitrag zu den Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise leisten und auf die Schaffung geeigneter Hemmnisse für Transaktionen, die der Effizienz der Finanzmärkte nicht förderlich sind.77 Vor dem Hintergrund der auf offensichtliche Ermessensfehler beschränken Justiziabilität des Ratsbeschlusses ergibt sich ausweislich der 11. und 13. Erwägungsgründe und der Begründung des Ratsbeschlusses kein offensichtlicher Ermessensfehler. Unterschiedliche Finanztransaktionssteuersysteme der Mitgliedstaaten bzw. die Fragmentierung der steuerlichen Behandlung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt können eine Zergliederung des Binnenmarktes hervorrufen und unionsweit zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Durch die Einführung einer gemeinsamen Finanztransaktionssteuer in den teilnehmenden Mitgliedstaaten soll verhindert werden, dass diese eigene, zu stark divergierende Regelungen treffen. Zudem soll die VZ der der Gefahr von Doppelbesteuerungen oder Nichtbesteuerungen entgegenwirken.78 Das von der VZ verfolgte Ziel, durch Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems die bestehende bzw. potenzielle Fragmentierung des Binnenmarktes im Bereich der Steuern auf Finanztransaktionen zu beseitigen, kann potenziell zur Reduzierung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten beitragen. Die hierauf aufbauende Annahme, dass die VZ zur Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes im Sinne der Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 26 AEUV beiträgt, erscheint jedenfalls nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft. Auch mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität, wonach die Union in den Bereichen, die nicht in ihre 73 Vgl. EuG, Rs. T-187/06 (Schräder/CPVO), Rn. 59 ff. mwN. 74 Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV in Verbindung mit dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (ABl. Nr. C 306/148). Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-189/01 (Jippes u. a.), Rn. 82 f.; EuGH, Rs. C-558/07 (S.P.C.M. u. a.), Rn. 42; EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 123; EuGH, verb. Rs. C-11/04, C-12/04 und C-194/04 (Fratelli Martini), Rn. 68. 75 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-96/03 und C-97/03 (Tempelman und van Schaijk), Rn. 48; EuGH, Rs. C-86/03 (Griechenland /Kommission), Rn. 96; EuGH, Rs. C-504/04 (Agrarproduktion Staebelow), Rn. 37. 76 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der Finanztransaktionssteuer , KOM(2012)631 endg, Rats-Dok. 15390/12. 77 Beschluss 2013/52/EU, 3. und 11. Erwägungsgrund. 78 Beschluss 2013/52/EU, 7. Erwägungsgrund. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 24 ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene erreicht werden können, erscheint die auf die Argumentation der Kommission gestützte Erwägung des Rates nicht offensichtlich unvertretbar, dass die Einführung von unabhängigen nationalen Finanztransaktionssteuern mit Blick auf die Wechselbeziehungen zwischen den Finanzmärkten der Mitgliedstaaten das ordnungsgemäße Funktionieren des unionsweiten Finanzmarktes nicht unerheblich stören könnte.79 Diesem Ergebnis ließe sich entgegenhalten, dass die VZ, zu der der Ratsbeschluss die Ermächtigung erteilt, den Binnenmarkt und den freien Wettbewerb dahingehend beeinträchtigen könnte, dass der Beschluss den Grundstein für eine Diskriminierung zwischen den Finanzinstituten legt. Der Handel mit Finanzinstrumenten aus teilnehmenden Mitgliedstaaten könnte infolge einer potenziellen Doppelbesteuerung der gleichen Transaktionen in nicht teilnehmenden Staaten begünstigt werde.80 Jedenfalls könnte die VZ eine Aufspaltung des Binnenmarktes zur Folge haben und durch die Vergrößerung von steuerlichen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt beeinträchtigen.81 Eine derartige Argumentation muss sich jedoch auf die konkrete Ausgestaltung eines Finanztransaktionssteuersystems stützen, welche zum Zeitpunkt des Beschlusses des Rates noch nicht angenommen war. Der angefochtene Beschluss stellt hingegen einen reinen Verfahrensbeschluss dar, der die Ziele einer VZ definiert, welche erst in den folgenden Verhandlungen ihre konkrete Form erhält und ist insoweit nur beschränkt justiziabel. Die Frage der Auswirkungen eines Finanztransaktionssteuersystems auf den freien Wettbewerb oder den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt ist somit keine entscheidende Bedingung, die die Gültigkeit des Beschlusses über die Ermächtigung zu einer VZ zu bestimmen vermag.82 Der Nachweis einer solchen Beeinträchtigung kann nicht auf den Ratsbeschluss gestützt werden. Sofern der Kläger im Wesentlichen auf die Exterritorialität eines Finanztransaktionssteuersystems abstellt, so beruht dies lediglich auf den Vorschlägen der Kommission, während sich die konkrete Ausgestaltung des Systems zum Zeitpunkt der Annahme des Ratsbeschlusses noch in einem Stadium der Vorarbeiten befand und nicht Bestandteil des Ratsbeschlusses ist. Eine Rüge des Verstoßes gegen Art. 326 Abs. 1 AEUV erscheint insoweit unzulässig. 4.2.5.4. Vereinbarkeit mit geltendem Sekundärrecht Gemäß Art. 326 UAbs. 1 AEUV muss eine VZ die Verträge und das Recht der Union wahren. Diese Voraussetzung umfasst die Achtung und Wahrung des gesamten acquis communautaire des Unionsrechts. Grundsätzlich kann zwar mit Blick auf die normhierarchische Gleichrangigkeit der Rechtsakte die Nichtigkeit eines Sekundärrechtsaktes nicht aus dem Konflikt mit einem anderen 79 Beschluss 2013/52/EU, 11. Erwägungsgrund. 80 Siehe hierzu unten 5.2.1. 81 Vgl. hierzu unten 5.2.1. sowie das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 6.9.2013, EU-Dok. 13412/13, Rn. 30 ff. 82 Siehe oben 4.1.1. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 25 resultieren. Insofern wäre ein potenzieller Konflikt des Ratsbeschlusses mit einem anderen Sekundärrechtsakt ohne Relevanz für die vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeit des Ratsbeschlusses . Art. 326 AEUV normiert jedoch mit Blick auf die Wahrung des gemeinsamen Besitzstandes aller Mitgliedstaaten als Ausnahme von dem Grundsatz der normhierarchischen Gleichrangigkeit auch die notwendige Sekundärrechtskonformität von ermächtigenden Beschlüssen . Diese Pflicht zur Beachtung des gesamten acquis communautaire stellt den Vorrang sämtlichen Unionsrechts vor den in einer VZ getroffenen Maßnahmen sicher.83 Dementsprechend muss der Ratsbeschluss mit geltendem Sekundärrecht vereinbar sein. In diesem Kontext einschlägig ist die Richtlinie (RL) 2008/7/EG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital.84 Nach Erwägungsgrund 3 zielt die Richtlinie darauf, die Rechtsvorschriften über indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital zu harmonisieren, um so weit wie möglich die Verfälschung von Wettbewerbsbedingungen und die Behinderung des freien Kapitalverkehrs auszuschließen. Da, anders als noch mit dem Richtlinienvorschlag aus dem Jahre 2011 geplant85, im Wege der VZ keine Änderung der RL 2008/7/EG vorgenommen werden kann, ist entscheidend, dass die im Ratsbeschluss angelegte FTT mit der Richtlinie vereinbar ist.86 4.2.5.4.1. Grundsätzliches Verbot der Erhebung indirekter Steuern (Art. 5 RL 2008/7/EG) Nach Art. 5 Abs. 1 lit. e) und Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 2008/7/EG dürften auf die darin aufgeführten Transaktionen grundsätzlich keine Steuern erhoben werden. Insbesondere verbietet Art. 5 Abs. 2 lit. a) RL 2008/7/EG den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Erhebung indirekter Steuern „irgendwelcher Art auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten“. Darüber hinaus dürfen gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. b) RL 2008/7/EG keine indirekten Steuern auf bestimmte Anleihen einschließlich Renten erhoben werden. Art. 6 RL 2008/7/EG lässt Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot zu. Fraglich ist, ob die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer durch die Mitgliedstaaten im Rahmen einer VZ gegen das grundsätzliche Verbot der indirekten Besteuerung aus Art. 5 RL 2008/7/EG verstößt, oder ob einer der Ausnahmetatbestände aus Art. 6 der Richtlinie greift. 83 Vgl. Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL 2013, Art. 326, Rn. 3. 84 Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12.2.2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital , ABl. Nr. L 46/11, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:046:0011:0022:DE:PDF. 85 Vgl. Art. 15 KOM(2011) 594. 86 Vgl. den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer VZ im Bereich der FTT, KOM(2012) 631, S. 8, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2013:0071:FIN:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 26 4.2.5.4.2. Ausnahmen vom generellen Verbot (Art. 6 RL 2008/7/EG) Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL 2008/7/EG gestattet den Mitgliedstaaten, „pauschal oder nicht pauschal erhobene Steuern auf die Übertragung von Wertpapieren“ zu erheben. Fraglich ist damit, ob eine FTT unter diese Ausnahmeregelung subsumiert werden kann. Hierzu werden verschiedene Ansichten vertreten: Zum Teil wird vertreten, dass Art. 6 RL 2008/7/EG nur die Besteuerung einer etwaigen Übertragung von Wertpapieren erlaube, jedoch nicht das Anknüpfen an den Kapitalwert einer Transaktion .87 Für diese enge Auslegung des Ausnahmetatbestands wird auf den insoweit noch weiteren Wortlaut der Vorgängerrichtlinie 69/335/EWG88 verwiesen, die in Art. 12 Abs. 1 lit. a) noch explizit die Einführung einer Börsenumsatzsteuer gestattete. Im Umkehrschluss sollen also eine Börsenumsatzsteuer und damit auch eine umfassendere Besteuerung des Kapitalwerts der Transaktion (FTT) sekundärrechtlich ausgeschlossen sein. Gegen diese Argumentation wird eingewandt, dass mit der Neufassung der Richtlinie keine Einschränkung des Ausnahmetatbestands im Hinblick auf die Einführung von Finanztransaktionssteuern intendiert worden sei.89 Begründet wird diese Auffassung mit dem Ergebnis eines Vergleich des Wortlauts der alten RL 69/335/EWG mit der neuen RL 2008/7/EG in anderen Sprachfassungen : In der englischen Fassung normiert sowohl Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL 2008/7/EG als auch Art. 12 Abs. 1 lit. a) RL 69/335/EWG wortlautgleich als Ausnahmetatbestand vom Verbot der indirekten Besteuerung „duties on the transfer of securities, whether charged at a flat rate or not“.90 Das gleiche gilt für die französische Sprachfassung, nach der in beiden Richtlinienfassungen eine Ausnahme des Verbots der indirekten Besteuerung für „taxes sur la transmission des valeurs mobilières, percures forfaitairement ou non“ enthalten ist.91 Insofern sind der Wortlaut des Ausnahmetatbestandes des (neuen) Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL 2008/7/EG und des (alten) Art. 12 Abs. 1 87 Maunz, Das Risiko der Unvereinbarkeit, in Süddeutschen Zeitung vom 21.5.2010, online abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanztransaktionssteuer-europaweit-oder-gar-nicht-1.946597-2. 88 Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, ABl. L 249/25, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1969L0335:19850617:DE:PDF. Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie lautete: „In Abweichung von den Artikeln 10 und 11 können die Mitgliedstaaten folgendes erheben: a) pauschal oder nicht pauschal erhobene Börsenumsatzsteuern“. 89 Mayer/Heidfeld, Europarechtliche Aspekte einer Finanztransaktionssteuer, EuZW 2011, S. 373 (377). 90 Council Directive 2008/7/EC of 12 February 2008 concerning indirect taxes on the raising of capital, OJ L 46 p. 11, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32008L0007:EN:HTML; Council Directive of 17 July 1969 concerning indirect taxes on the raising of capital (69/335/EEC), OJ L 249, p. 25, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1969L0335:19850617:EN:PDF. 91 Directive 2008/7/CE du Conseil du 12 février 2008 concernant les impôts indirects frappant les rassemblements de capitaux, JO L 046, p. 11, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32008L0007:FR:HTML; Directive du Conseil du 17 juillet 1969 concernant les impôts indirects frappant les rassemblements de capitaux (69/335/CEE), JO L 249, p. 25, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1969L0335:19850617:FR:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 27 lit. a) RL 69/335/EWG sowohl in der englischen als auch in der französischen Sprachfassung identisch. Da alle Sprachfassungen des Unionsrechts gleich verbindlich sind, darf für die Auslegung des Inhalts einer Norm auch auf andere Sprachfassungen Rückgriff genommen werden.92 Daraus lässt sich folgern, dass dem Begriff „Übertragung von Wertpapieren“ in der neuen RL 2008/7/EG keine andere Bedeutung zukommt als dem Begriff „Börsenumsatzsteuer“ in der alten RL 69/335/EWG.93 Für diese weite Auslegung des Ausnahmetatbestands spricht zusätzlich, dass die Begründung des Entwurfs der heutigen RL 2008/7/EG zu den Ausnahmetatbeständen in Art. 6 ausdrücklich feststellt, dass Art. 6 dem früheren Art. 12 RL 69/335/EWG entspreche, und dass dieser „abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen unverändert“94 bliebe. Nach der Intention des Unionsgesetzgebers sollte also der Ausnahmetatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL 2008/7/EG nicht enger gefasst werden. Somit spricht viel dafür, dass auch die neue RL 2008/7/EG die Erhebung einer FTT durch die Mitgliedstaaten im Wege einer VZ weiterhin gestattet, solange die FTT mit dem Ziel der RL 2008/7/EG vereinbar ist, die Kapitalzuführung zu Kapitalgesellschaften ausschließlich der vereinheitlichten Gesellschaftssteuer zu unterwerfen.95 Die Primärmarktbesteuerung, also eine Besteuerung der Erstemissionen, unterliegt deswegen nach der Richtlinie einem Verbot.96 Mit den Verbotsgründen in Art. 5 Abs. 2 RL 2008/7/EG sollen darüber hinaus auch die Erhebung anderer indirekter Steuern mit den gleichen Merkmalen wie eine Gesellschaftssteuer oder eine Wertpapiersteuer untersagt werden.97 Dementsprechend verboten ist die Besteuerung der Ausgabe von Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, Obligationen – einschließlich Renten – oder anderen handelsfähigen Wertpapieren, die Anleihen betreffen. Mit einer auf dem Ratsbeschluss aufbauenden FTT können also keine Steuern – in welcher Variante auch immer – auf Kapitalerhöhungen erhoben werden. 92 St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. C-149/97 (The Institute of the Motor Industry/Commissioners of Customs & Excise) Rn. 16. 93 Mayer/Heidfeld, Europarechtliche Aspekte einer Finanztransaktionssteuer, EuZW 2011, S. 373 (377 f.). 94 Vorschlag KOM(2006) 760 der Europäischen Kommission vom 4.12.2006 für eine Richtlinie des Rates betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Neufassung), online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0760:FIN:DE:PDF. 95 Vgl. die Erwägungsgründe 1-3 RL 2008/7/EG sowie die Erwägungsgründe der RL 69/335/EWG. 96 Vogel, Der EU-Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer, IStR 2012, S. 12 (14). 97 8. Erwägungsgrund der Richtlinie 69/335/EWG; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Bd. 1, Loseblatt, Stand: September 2010, Art. 63 AEUV, Rn. 331. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 28 4.2.5.4.3. Ergebnis Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass eine FTT unter vorstehenden Bedingungen nicht gegen die RL 2008/7/EG verstoßen würde, sodass der Ratsbeschluss grundsätzlich mit der RL 2008/7/EG vereinbar ist.98 4.2.5.5. Vereinbarkeit mit dem Primärrecht Die Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses könnte sich aus einem Verstoß gegen den im Primärrecht normierten acquis communautaire ergeben. Der Ratsbeschluss muss dementsprechend insbesondere mit den Grundfreiheiten vereinbar sein. In Betracht kommt angesichts seiner Regelungsziele ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV). Verpflichtungsadressaten der Grundfreiheiten sind primär die Mitgliedstaaten. Die Grundfreiheiten binden aber nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit auch die Unionsorgane bei der Sekundärrechtssetzung.99 Für die Kapitalverkehrsfreiheit hat das der EuGH bislang zwar – soweit ersichtlich – nicht ausdrücklich entschieden . Systematisch spricht für eine Bindung der Unionsorgane aber, dass diese nur unter den Voraussetzungen der Art. 66 und 75 AEUV kapital- bzw. zahlungsverkehrsbeschränkende Maßnahmen treffen dürfen. Hieraus ergibt sich argumentum e contrario, dass in sonstigen Situationen eine Beschränkung des Kapital- oder Zahlungsverkehrs durch Organe der Gemeinschaft ausscheidet . Entsprechend müssen im Bereich des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs die Vertragsverbote von den Organen der Union ebenso eingehalten werden wie von den Mitgliedstaaten .100 Da das Verbot der Einschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs Teil des primären Unionsrechts ist, ist das von den Unionsorganen erlassene sekundäre Unionsrecht, zu welchem der streitige Ratsbeschluss zählt, auf seine Vereinbarkeit mit Art. 63 Abs. 1 u. 2 AEUV zu prüfen. 4.2.5.5.1. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Staaten. Unter dem Begriff „Kapital“ werden allgemein alle Vermögenswerte verstanden.101 So beschreibt der EuGH den Kapitalver- 98 Um einen Konflikt der im Rahmen der VZ eingeführten FTT mit der RL 2008/7/EG zu vermeiden, hat die Kommission daher vorgeschlagen, bestimmte Transaktionen, insbesondere Finanztransaktionen im Rahmen von Umstrukturierungen oder der Ausgabe von Wertpapieren nicht der Finanztransaktionssteuer zu unterwerfen. So sollen Finanztransaktionen im Rahmen von Umstrukturierungen oder der Ausgabe von Wertpapieren, deren Besteuerung nach der RL 2008/7/EG untersagt ist, nicht der Besteuerung unterliegen, vgl. Art. 3 Abs. 4 KOM(2013) 71, S. 10. 99 EuGH, Rs. 15/83 (Denkavit Nederland), Rn. 15; EuGH, Rs. C-51/93 (Meyhui), Rn. 11; EuGH, Rs. C-114/96 (Kieffer und Thill), Rn. 27; EUGH, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech Srl/S. & T.), Rn. 63. 100 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 48. Ergänzungslieferung 2012, Art. 63 AEUV, Rn 98 m.w.N. Vgl. auch Fischer-Lescano/Kommer, VZ in der EU, S. 11. 101 Von Wilmowsky, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundfreiheiten und Grundrechte, 2009, § 12 IV 1 Rn. 2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 29 kehr als „Transfer von Vermögenswerten“102 und greift in ständiger Rechtsprechung zur näheren Konkretisierung des Begriffs auf die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361103 zurück. Nach deren enumerativer, aber nicht abschließender Aufzählung104 fallen unter den Begriff Geldkapital, z. B. gesetzliche Zahlungsmittel, Wertpapiere, Kredite und Darlehen, sowie Sachkapital, wie z. B. Immobilien und Unternehmensbeteiligungen.105 Erfasst ist also jede Transaktion zum Zwecke der Anlage oder Investition bzw. der Finanzierung aus Sicht des Kapitalnachfragers.106 Die Besteuerung von Finanztransaktionen107 unterfällt damit dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit , so dass die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer an der Kapitalverkehrsfreiheit gemessen werden muss. Die Grundfreiheiten gelangen nur zur Anwendung, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Ein grenzüberschreitender Bezug ist hergestellt, wenn sich die angestrebten Regelungen in mehr als nur einem Mitgliedstaat auswirken. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt liegt entsprechend jedenfalls dann vor, wenn die Parteien einer Transaktion in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig wären, oder das gehandelte Finanzinstrument in einem anderen Mitgliedstaat ausgegeben wurde, als die Parteien der Transaktion ansässig sind. Das ist vorliegend insoweit der Fall, weil der Ratsbeschluss auf die Einrichtung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems abzielt und mithin auch Transaktionen erfassen soll, die zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten oder – mit Blick auf das Gegenpartei-Prinzip – auch zwischen teilnehmenden und nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten stattfinden. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist somit eröffnet. 4.2.5.5.2. Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet alle Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und gegenüber dritten Ländern. Der Begriff der Beschränkung in Art. 63 Abs. 1 AEUV umfasst sowohl diskriminierende nationale Regelungen als auch solche Maßnahmen, die unterschiedslos für grenzüberschreitende und innerstaatliche Transaktionen gelten.108 Unter Beschränkung wird jede nationale Maßnahme verstanden, die geeignet ist, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen 102 EuGH, verb. Rs. C-358/93 und 416/93 (Aldo Bordessa), Rn. 13. 103 Richtlinie 88/361 des Rates vom 24.6.1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABl. L 178/5, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1988:178:0005:0018:DE:PDF. 104 EuGH, Rs. C-222/97 (Trummer), Rn. 21; EuGH Rs. C-468/98 (Kommission/Schweden), Rn. 5. 105 Vgl. Schürmann, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Kommentar, 2010, Art. 63 AEUV, Rn. 3; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2005, S. 99; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 8. Auflage, 2012, Rn. 1006; Glaesner , in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2009, Art. 56 EGV, Rn. 4. 106 Sedlaczek/Züger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 63 AEUV, Rn. 20. 107 Zum Begriff der Finanztransaktion vgl. Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) bis lit. e) KOM(2013) 71. 108 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 2009, § 31, Rn. 20. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 30 in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten oder solche Maßnahmen, die geeignet sind, den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr weniger attraktiv zu machen.109 Hierunter fallen insbesondere solche Maßnahmen. Es sind somit jedenfalls alle nationalen Regelungen unzulässig, die In- und Auslandssachverhalte prima facie zwar gleich behandeln, aber grenzüberschreitende Betätigungen faktisch gegenüber den innerstaatlichen erschweren.110 Unmittelbar aus dem Ratsbeschluss sind keine Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit entsprechend dem vorstehenden Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot ersichtlich. Eine potenzielle Beschränkung folgt erst aus der konkreten Ausgestaltung des Finanztransaktionssteuersystems , welche zum Zeitpunkt des Beschlusses des Rates noch nicht angenommen war. Der angefochtene Beschluss stellt hingegen einen reinen Verfahrensbeschluss dar, der die Ziele einer VZ definiert, welche erst in den folgenden Verhandlungen ihre konkrete Form erhält. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen (siehe 4.2.5.3.) ist der Ratsbeschluss nur insoweit justiziabel , ob er zwangsläufig zu einer gegen die Verträge und insbesondere gegen die Grundfreiheiten verstoßenden VZ führt oder zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist.111 Der Ratsbeschluss ermächtigt die teilnehmenden Staaten zur Einführung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems . Weder die hierin zum Ausdruck kommende Ausübung von Besteuerungsbefugnissen der Mitgliedstaaten, noch die aus der Begründung einer VZ resultierende unterschiedliche Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Steuersysteme begründen für sich genommen einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten.112 Sofern ein solcher Verstoß aus der konkreten Ausgestaltung der FTT folgt, beruht dies auf einem eigenständigen Sekundärrechtsakt, dessen potenzielle Primärrechtswidrigkeit keine Bedingung für die Gültigkeit des Beschlusses über die Ermächtigung zu einer VZ darstellt. Der Ratsbeschluss selber ermächtigt weder zu einer zwangsläufig gegen Grundfreiheiten verstoßenden VZ, noch ist er zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet. 4.2.6. Zwischenergebnis Der Beschluss des Rates zur Einführung einer VZ erscheint aus hiesiger Sicht mit den Voraussetzungen der Art. 20 EUV, Art. 326 ff. AEUV vereinbar und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. 109 St. Rspr., vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-484/93 (Svensson), Rn. 10; Rs. C-439/97 (Sandoz), Rn. 19; Rs. C-484/93 (Svensson), Rn. 10; Rs. C-222/97 (Trummer), Rn. 26 f.; Rs. C-478/98 (Kommission/Belgien), Rn. 18 f.; Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich), Rn. 41; Rs. C-463/00 (Kommission/Spanien), Rn. 61; Rs. C- 513/03 (van Hilten-van der Heijden), Rn. 44; Rs. C-379/05 (Amurta), Rn. 28; verb. Rs. C-436/08 und C-437/08 (Haribo und Österreichische Salinen), Rn. 50; Rs. C-493/09 (Kommission/Portugal), Rn. 28 ; Rs. C-342/10 (Kommission/Finnland), Rn. 33; zur Einrichtung einer nationalen Börsenumsatzsteuer vgl. EuGH, Rs. C-569/07 (HSBC Holding plc), Rn. 30 ff. 110 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2009, Rn. 835. 111 Vgl. EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone), Rn. 52. 112 Vgl. EuGH, Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Rn. 42; EuGH, Rs. C-157/07 (Wannsee-Seniorenheimstatt), Rz. 48 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 31 4.3. Ergebnis zu den Erfolgsaussichten einer beschränkt zulässigen Klage Aus hiesiger Sicht erscheint die Klage zulässig, soweit sich das Vorbringen des Klägers auf den angefochteten Ratsbeschluss bezieht, aber unbegründet. Die Bestimmungen des Ratsbeschlusses beziehen sich nur auf die Ermächtigung zur Einführung einer FTT im Rahmen einer VZ und umreißen hierfür den Rahmen. Sie treffen jedoch keine konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung der FTT. Die Ausgestaltung der FTT erfolgt durch einen eigenständigen Rechtsakt auf Grundlage des Verfahrens der VZ. Angriffe gegen die konkrete Ausgestaltung der FTT insbesondere hinsichtlich einer potenziell exterritorialen Wirkung müssen isoliert vom Ratsbeschluss betrachtet und in einem Verfahren unmittelbar gegen den ausgestaltenden Rechtsakt geltend gemacht werden. 5. Begründetheit der Klage bei umfassender Zulässigkeit Abweichend von der vorstehend dargestellten beschränkten Zulässigkeit und Unbegründetheit der Klage ließe sich argumentieren, dass der Ratsbeschluss die spätere Ausgestaltung der FTT im Wege der VZ umfassend determiniert und die ausgestaltende Richtlinie demgemäß nur als unionsgesetzliche Konkretisierung erscheint, deren Inhalt insbesondere mit Blick auf den Verweis im 6. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses bereits in diesem umfassend angelegt ist. Unter diesen Umständen fänden auch die – vorstehend als unzulässig unberücksichtigten – Erwägungen des Klägers hinsichtlich des exterritorialen Anwendungsbereichs der FTT auf Grundlage des Gegenpartei -Prinzips Berücksichtigung. Das Ausgabe-Prinzip ist in dem von dem Ratsbeschluss in Bezug genommenen Richtlinienvorschlag KOM(1011) 594 jedoch nicht enthalten. Es findet sich erstmals in dem Richtlinienvorschlag KOM(2013) 71. Da es somit erst nach der Annahme des streitigen Ratsbeschlusses eingeführt wurde, konnte es auch nicht von dem Ratsbeschluss in Bezug genommen werden, sodass es auch bei der Annahme einer inhaltlichen Determinierung der FTT durch den Ratsbeschluss kein tauglicher Anknüpfungspunkt für dessen potenzielle Rechtswidrigkeit darstellt. 5.1. Verstoß gegen Art. 327 AEUV – Rücksichtnahme auf Nichtteilnehmer Der VZ liegt der Gedanke zugrunde, die vertiefte Integration eines Teils der Mitgliedstaaten bei mangelndem Konsens aller zu ermöglichen und zugleich sicherzustellen, dass die nicht teilnehmenden Staaten keinen negativen Wirkungen durch dieses Vorgehen ausgesetzt sind.113 Betrachtet man die Bezugnahme im 6. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses auf den Richtlinienvorschlag KOM(1011) 594 als weitgehende Determinierung der späteren Ausgestaltung der VZ, so ließe sich argumentieren, dass jedenfalls das in Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(1011)594 enthaltene Gegenpartei-Prinzip einen Verstoß gegen Art. 326 UAbs. 2 AEUV begründet. Demnach soll jede Finanztransaktion unabhängig von ihrem Durchführungsort besteuert werden, sofern zumindest eine an der Transaktion beteiligte Partei im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ansässig ist. Dies kann dazu führen, dass an Handelsplätzen in nicht teilnehmenden Mitglied- 113 Vgl. Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL 2013, Art. 20 EUV, Rn. 31 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 32 staaten durchgeführte Transaktionen in einem teilnehmenden Mitgliedstaat der Steuerpflicht unterliegen. Das Steuerrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten würde somit auf Transaktionen angewandt, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates abgewickelt werden. Unter der Prämisse, dass eine solche Ausgestaltung der FTT durch den Ratsbeschluss umfassend vorgezeichnet ist, könnte dies gegen das steuerrechtliche Territorialitätsprinzip und damit gegen Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 327 AEUV verstoßen. 5.1.1. Unionsrechtliches Territorialitätsprinzip im Bereich des Steuerrechts 5.1.1.1. Völkerrechtlicher Maßstab Das steuerrechtliche Territorialitätsprinzip beruht auf dem Umstand, dass jeder Staat aufgrund seiner Souveränität bei der Festsetzung von Steueransprüchen in seinem Hoheitsgebiet autonom handelt. Sein Besteuerungsanspruch ist jedenfalls bei Sachverhalten unbegrenzt durchsetzbar, die in seinem Gebiet verwirklicht werden. Nach allgemeinem Völkerrecht ist ein Staat nicht gehindert , seine territoriale und persönliche Steuerhoheit voll auszuschöpfen, auch wenn dies Außenwirkungen hat. Es gibt kein Prinzip materieller Territorialität, nach dem es einem Staat verboten wäre, bei der Besteuerung an ausländische Sachverhalte anzuknüpfen.114 Jedoch hat ein Staat bei der Durchsetzung von Steueransprüchen mit Außenwirkungen den völkerrechtlichen Grundsatz der formellen Territorialität zu beachten. Das formelle Territorialitätsprinzip dient vermittels der Abgrenzung staatlicher Besteuerungsansprüche der Wahrung der Souveränität und der daraus folgenden Steuerhoheit der Staaten. Damit entspricht es dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass jeder Staat auf seinem Territorium der alleinige Träger der Hoheitsgewalt ist, während auf seinem Gebiet andere Staaten regelmäßig nicht zur Ausübung von Hoheitsgewalt berechtigt sind. Es schließt so beispielsweise aus, dass ein Staat in einem anderen Staat Hoheitsakte wie beispielsweise die Zustellung von Steuerbescheiden oder die Beitreibung von Steuerforderungen vornimmt. Würde ein Staat alle Möglichkeiten der Besteuerung im Rahmen seiner formellen Territorialität ausschöpfen, käme es zu Störungen im internationalen Wirtschaftsverkehr .115 Das Völkerrecht gestattet jedoch im Ausnahmefall des Vorliegens eines vernünftigen Anknüpfungspunktes die Ausübung von Hoheitsgewalt auf fremdem Gebiet.116 Dementsprechend schließt das formelle Territorialitätsprinzip nicht aus, eine Steuerentstehung im Inland an einen Sachverhalt zu knüpfen, der sich im Ausland abspielt, soweit bei der Besteuerung von Auslands- 114 Menck, in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage, 2005, Rz. D 2. 115 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 2 Rz. 33. 116 EuGH, Rs. C-366/10 (ATAA), Rn. 110; vgl. auch die Lotus-Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (StIGHE 5, 73 ff., online abrufbar unter http://www.icj-cij.org/pcij/serie_A/A_10/30_Lotus_Arret.pdf), wonach nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Völkerrecht keine Bedenken dagegen bestünden, eine Straftat ganz im Inland zu lokalisieren, auch wenn nur der Erfolg im Inland eingetreten sei. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 33 sachverhalten ein hinreichender inländischer Anknüpfungspunkt (genuine link) besteht.117 Das Territorialitätsprinzip verlangt, dass der besteuernde Staat einen sachlichen Bezug der Steuerauflage zum Staatsgebiet in Bezug auf das Steuersubjekt oder das Steuerobjekt vorweisen kann.118 Wird das Steuerrechtsverhältnis aufgrund persönlicher Merkmale – regelmäßig der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt – begründet, so hat dies die unbeschränkte Steuerpflicht zur Folge, deren Sachumfang auf die steuerliche Erfassung des Welteinkommens und des Weltvermögens ausgerichtet ist. Dementsprechend kann das Steuerrecht der Mitgliedstaaten vorsehen, dass Steuerinländer mit ihrem gesamten Einkommen steuerpflichtig sind, ohne dass die Bemessungsgrundlage auf die inländischen Tätigkeiten beschränkt wäre.119 Liegt hingegen lediglich eine sachliche Zugehörigkeit – regelmäßig die Belegenheit der Einkunftsquelle – vor, so wird die beschränkte Steuerpflicht ausgelöst und der Staat begnügt sich mit der steuerlichen Erfassung des in seinem Gebiet belegenen Vermögens und des von dort stammenden Einkommens.120 Üben sowohl der Wohnsitzstaat als auch der Belegenheits-, Tätigkeits- bzw. Quellenstaat ihre Besteuerungsbefugnisse aus, kommt es zu einer Doppelbesteuerung, die nach den Regeln des internationalen Steuerrechts durch den Wohnsitzstaat aufzulösen ist. Hierzu stellt der Wohnsitzstaat das Besteuerungssubstrat aufgrund unilateraler oder bilateraler Maßnahmen von der Besteuerung frei (Freistellungsmethode) bzw. rechnet eine im Belegenheits-, Tätigkeits- bzw. Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer an (Anrechnungsmethode). 117 Im Einzelnen dazu Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 2 Rz. 33. Zu dem Erfordernis eines „genuine link“ aus staatlicher Sicht vgl. BVerfGE 63, 343 (368 f.): „Von Völkerrechts wegen bestehen für die abgabenrechtliche Inanspruchnahme eines Ausländers Schranken, die weiter reichen können als die Begrenzungen, die das innerstaatliche Recht eines Staates für die Inanspruchnahme eigener Staatsangehöriger zieht; damit kann im Ergebnis auch ein verstärkter Schutz des Ausländers vor dem Zugriff des ihn belastenden fremden Staates gegeben sein (vgl. Bayer, Steuer und Wirtschaft 1981, S. 69 f., 74). Dies ist auch im Zusammenhang mit der Gewährung von Rechtshilfe für ausländische Abgabenforderungen gegenüber Deutschen im Inland durch die Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen. Für die Auferlegung von Abgaben gegen einen im Ausland lebenden Ausländer , die an einen Sachverhalt anknüpft, der ganz oder teilweise im Ausland verwirklicht worden ist, bedarf es, soll er nicht eine völkerrechtswidrige Einmischung in den Hoheitsbereich eines fremden Staates sein, hinreichender sachgerechter Anknüpfungsmomente für die Abgabenerhebung in dem Staat, der die Abgaben erhebt (vgl. F. A. Mann, The doctrine of jurisdiction in international law, in: Recueil des Cours, 111 [1964 - I], S. 9 ff., 44 ff., 109 ff.). Diese Anknüpfungsmomente und ihre Sachnähe müssen von Völkerrechts wegen einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen. Dieses Erfordernis bildet eine wesentliche tatbestandliche Einschränkung der zulässigerweise von einem Staat mit Regelungen seiner eigenen Rechtsordnung zu erfassenden Sachverhalte , eine Begrenzung seiner internationalen Regelungskompetenz. Der rechtlichen Möglichkeit, Ausländer zu Abgaben heranzuziehen, sind durch das Erfordernis der Anknüpfung etwa an die Staatsangehörigkeit, Niederlassung , Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Inland oder die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges im Inland deutliche Grenzen gesetzt.“ 118 Vgl. Schaumburg Internationales Steuerrecht Rz. 5.4 und Mössner in Vogel, Steuerrecht S. 122; Homburg, Steuerlehre , 2007, S. 269 ff. 119 Vgl. EuGH, Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 20 f. 120 Vgl. § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 2009 (EStG, BGBl. I S. 3366, ber. 3862) für die beschränkte oder umfassende Steuerpflichtigkeit von Steuerausländern bei einer qualifizierten steuerlichen Verbindung zum Inland entsprechend dem Territorialitätsprinzip, § 1a EStG für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörigen sowie § 49 EStG i. V. m. §§ 13 bis 22 EStG zur Bestimmung inländischer Einkünfte. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 34 5.1.1.2. Unionsrechtliche Entsprechung des völkerrechtlichen Maßstabes In der EU fällt die Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinnahmung von Steuern grundsätzlich in die ausschließliche Zuständigkeit des territorial zuständigen Staates.121 Dieser muss seine diesbezüglichen Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.122 Die potenziell konkurrierenden Besteuerungsansprüche zwischen den Mitgliedstaaten bestehen in der Union fort, so dass von der Unionsrechtsordnung die einvernehmliche Aufteilung der Steuerhoheit und damit der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten als vorrangiges Ziel anerkannt wird.123 In Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen bleiben die Mitgliedstaaten befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich (durch Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ) oder einseitig festzulegen, wobei sogar die Nationalität ein zulässiges Abgrenzungskriterium sein kann.124 Maßgeblich für die Aufteilung der Besteuerungsrechte und Grenze für umfassende Besteuerungsansprüche der Mitgliedstaaten bleibt das Territorialitätsprinzip, welches als allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts von der Union und den Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse zu beachten ist (Art. 3 Abs. 5 EUV).125 Das Territorialprinzip dient auch in der EU dem Zweck, durch eine einheitliche Festlegung des steuerlichen Anknüpfungspunktes eine angemessene Abgrenzung des jeweiligen Geltungsbereichs des nationalen Steuerrechts herbeizuführen . Dadurch sollen in Fällen, in denen ein steuerlich relevanter Vorfall unter die Rechtsordnung mehrerer Mitgliedstaaten fallen kann, Kompetenzkonflikte vermieden werden.126 121 Hufeld, Steuerstaat als Staatsform in Europa, in: Depenheuer (Hrsg.), Festschrift Isensee, 2007, S. 857 (858). 122 St. Rspr., vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 21, 26; Rs. C-80/94 (Wielockx ), Rn. 16; Rs. C-107/94 (Asscher), Rn. 36; Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 19; Rs. C- 118/96 (Safir), Rn. 21; Rs. C-264/96 (ICI v Colmer), Rn. 19; Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Rn. 19; Rs. C- 391/97 (Gschwind), Rn. 20; Rs. C-294/97 (Eurowings), Rn. 32; Rs. C-35/98 (Verkooijen), Rn. 32; Rs. C-55/98 (Vestergaard), Rn. 15; Rs. C-251/98 (Baars), Rn. 17; verb. Rs. C-397/98, 410/98 (Metallgesellschaft und Hoechst), Rn. 37;Rs. C-141/99 (AMID), Rn. 19; Rs. C-136/00 (Danner), Rn. 28; Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 26; Rs. C-385/00 (de Groot), Rn. 75; Rs. C-436/00 (X und Y), Rn. 32; Rs. C-422/01 (Ramstedt), Rn. 25; Rs. C-42/02 (Lindman), Rn. 18; Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Rn. 29; Rs. C-345/05 (Kommission/Portugal), Rn. 10; Rs. C- 104/06 (Kommission/Schweden), Rn. 12. 123 EuGH, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Rn. 45; Rs. C-470/04 (N), Rn. 42; Rs. C-231/05 (Oy AA), Rn. 51; Rs. C- 414/06 (Lidl Belgium), Rn. 31; Rs. C-350/11 (Argenta), Rn. 50; Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-285/10 (Strafverfahren R), Rn. 68; vgl. im nationalen Kontext die Feststellung des FG Düsseldorf (Urteil v. 14.1.2012, Az.: 13 K 1501/10 F, Rn. 33), dass es „die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigt, wenn Personen, die nicht der Besteuerung eines Mitgliedstaats unterliegen und die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in einem anderen Mitgliedstaat erzielt haben, Gewinne späterer Jahre, die sie wegen zwischenzeitlich begründeter Steuerpflicht im erstgenannten Mitgliedstaat versteuern müssen, mit diesen Verlusten ausgleichen könnten.“, online abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/duesseldorf/j2012/13_K_1501_10_Furteil20120114.html 124 EuGH, Rs. C-336/96 (Gilly), Rn. 24, 30; EuGH, Rs. C-385/00 (de Groot), Rn. 93; EuGH, Rs. C-540/07 (Kommission /Italien), Rn. 29; EuGH, Rs. C-128/08 (Damseaux), Rn. 23 ff.; EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid Indus), Rn. 45. 125 EuGH, Rs. 89/85 u.a. (Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission), Rn. 18; EuGH, Rs. C-286/90 (Poulsen und Diva Navigation), Rn. 9; EuGH, Rs. C-366/10 (ATAA), Rn. 101 ff. 126 EuGH, Rs. 283/84 (Trans Tirreno Express), Rn. 14 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 35 Jeder Mitgliedstaat bestimmt in völliger Unabhängigkeit, welche Umsätze besteuerbar sind, aber ihre jeweiligen Besteuerungsbefugnisse müssen so koordiniert werden, dass bei einem Umsatz innerhalb der Union dort, wo eine Befugnis endet, die andere beginnt.127 Die Steuerpflichtigkeit ist grundsätzlich davon abhängig, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Besteuerungssubstrats mit dem Mitgliedstaat der Besteuerung besteht.128 Während bei Steuerinländern die weltweiten Einnahmen und Ausgaben in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden können, sind bei der Besteuerung von Gebietsfremden nur die Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, die in dem Staat der Besteuerung angefallen sind bzw. die sich aus der Geschäftstätigkeit des Steuerschuldners im Gebiet dieses Staates oder aus dessen Ansässigkeit im Sinne der tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ergeben.129 Der jeweilige Mitgliedstaat hat seine steuerlichen Zuständigkeiten und Befugnisse auszuüben, darf aber nicht die Zuständigkeiten und Befugnisse der anderen Mitgliedstaaten für sich wahrnehmen. Mit Blick auf das Welteinkommensprinzip als unionsrechtlich zulässiger Anknüpfungspunkt einer Besteuerung130 steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, eine Doppelbesteuerung nach der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode zu verhindern bzw. zu beseitigen.131 Aus der Europarechtskonformität des Welteinkommensprinzips folgt jedoch keine Berechtigung für den Fiskus eines Mitgliedstaates, beispielsweise eine in einem anderen Staat unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft hinsichtlich bestimmter Einkünfte effektiv wie eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft zu besteuern. Eine gebietsfremde Gesellschaft hat steuerliche Abschirmwirkung und auch die Tatsache, dass die Gründung einer gebietsfremden Tochtergesellschaft möglicherweise mit einem Vorteil für den Steuerpflichtigen bzw. der Erosion des inländischen Steuersubstrats verbunden ist, erlaubt ohne das Hinzutreten weiterer Kriterien wie 127 Generalanwalt Colomber, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-68/03 (Staatssecretaris van Financiën), Rn. 35. 128 Vgl. EuGH, Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 20 ff.; EuGH, Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 42; EuGH, Rs. C-345/04 (Centro Equestre da Lezíria Grande Lda), Rn. 21. 129 Für die Erhebung einer Schlussrechnungssteuer bei nicht realisierten Wertzuwächse im Falle einer Sitzverlegung vgl. EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid), Rn. 46 ff., 52 ff. mit Verweis auf EuGH, Rs. C-446/03 (Marks&Spencer), Rn. 46, Rs. C-231/04 (Oy AA), Rn. 54; Rs. C-311/08 (SGI), Rn. 60: „Eine solche Maßnahme soll nämlich Situationen verhindern, die das Recht des Herkunftsmitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten gefährden können, und kann daher aus Gründen der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein. […]Die geschuldete Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwächse wird nämlich zu dem Zeitpunkt bestimmt, zu dem die Besteuerungsbefugnis des Herkunftsmitgliedstaats der betreffenden Gesellschaft gegenüber endet, im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Verlegung des Sitzes der Gesellschaft. Sowohl die Berücksichtigung eines Kursgewinns als auch die eines Kursverlusts, die nach der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes eingetreten sind, durch den Herkunftsmitgliedstaat birgt nicht nur die Gefahr in sich, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten in Frage zu stellen, sondern auch zu einer doppelten Besteuerung oder einem doppelten Verlustabzug zu führen.“. 130 Nach diesem Prinzip, das für alle Einkommensarten gilt, werden im Inland und im Ausland erzielte Einkünfte einheitlich berechnet und versteuert, vgl. EuGH, Rs. C-391/97 (Gschwind), Rn. 14 ff.; EuGH, Rs. C-298/05 (Columbus Container Services), Rn. 29 ff. 131 EuGH, Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 31-33; Rs. C-391/97 (Gschwind), Rn. 22; Rs. C-87/99 (Zurstrassen), Rn. 21; Rs. C-336/96 (Gilly), Rn. 24,30, 46-54. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 36 beispielsweise der Feststellung einer rein künstlichen Konstruktion zur Umgehung des Steuerrechts keinen Zugriff auf das Besteuerungssubstrat und damit auf das Besteuerungsrecht des anderen Staates.132 Die vorstehend dargestellte Systematik ist prägend für die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse im Binnenmarkt: So können beispielsweise im Bereich der Einkommenssteuer nur solche Verluste in Abzug gebracht werden, die mit im jeweiligen Steuerstaat erwirtschafteten Erträgen im Zusammenhang stehen.133 Die steuerliche Berücksichtigung von Betriebskosten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen, die ein Gebietsfremder in einem Mitgliedstaat ausübt und mit der dort steuerbare Einkünfte erzielt worden sind, muss in dem Staat erfolgen, in dem die mit dieser Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Kosten entstanden sind.134 Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands und seines innergemeinschaftlichen Erwerbs ist die steuerliche Zuständigkeit in Bezug auf diesen Umsatz zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten geteilt, die jeweils die ihnen zustehenden Befugnisse auszuüben haben.135 Sofern sich bei Dienstleistungen der Schwerpunkt der Ertragserzielung nicht bestimmen lässt, kann zur Zuordnung einer steuerpflichtigen Handlung zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates und damit zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts auf den Wohnort oder üblichen Aufenthaltsort des Dienstleistenden als Ausprägung des Grundsatzes der Besteuerung im Ursprungsland abgestellt werden.136 Sofern ein Sachverhalt eine andere steuerliche Behandlung erfahren soll, versteht dies der EuGH als Abweichung vom „strikten Territorialitätsprinzip“, welche als Ausnahme von der Regel anderer Kriterien bedarf als die, die zur Vermeidung von Zuständigkeitskonkurrenzen eine Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten für die Zwecke der Besteuerung ermöglichen.137 Diesbezüglich wird der Territorialitätsgrundsatz beispielsweise durch das sekundärrechtliche gemeinsame Mehrwertsteuersystem konkretisiert. Danach steht die Mehrwertsteu- 132 Vgl. EuGH, Rs. C-264/96 (ICI v Colmer), Rn. 26; EuGH, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 37; EuGH, C-436/00 (X und Y), Rn. 62. 133 EuGH, Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 20 ff., vgl. hierzu Generalanwalt Lenz, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 27: „…stellt eine solche Regelung den Ausfluß des Territorialitätsprinzips im Steuerbereich dar.“ 134 EuGH, Rs. C-345/04 (Centro Equestre da Lezíria Grande Lda), Rn. 23 f. 135 Vgl. Generalanwalt Cruz Villalón, Rs. C-285/10 (Strafverfahren R), Rn. 71 ff. mit Bezugnahme auf EuGH, Rs. C- 409/04 (Teleos), Rn. 23. 136 Generalanwalt Colomber, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-68/03 (Staatssecretaris van Financiën), Rn. 23 im Hinblick auf die Erhebung von Mehrwertsteuern als mittelbaren Ausdruck der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit . 137 EuGH, Rs. 283/84 (Trans Tirreno Express), Rn. 15 ff. mit Blick auf das Regel-Ausnahmeverhältnis in Art. 9 Richtlinie 77/388/EWG. Vgl. zu dem Regel-Ausnahmeverhältnis auch Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-285/10 (Strafverfahren R), Rn. 68: „Die einvernehmliche Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten stellt meiner Ansicht nach ein vorrangiges Ziel dar, von dem nicht, wegen des – an sich legitimen – Ziels der Ahndung unzulässiger Verhaltensweisen und der Bekämpfung der Steuerhinterziehung , anteilige Ausnahmen gemacht werden dürfen, wenn das letztgenannte Ziel unschwer durch Vorschriften erreicht werden kann, die die Staaten jederzeit erlassen können.“ Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 37 er unabhängig von ihrer Höhe dem Mitgliedstaat zu, in dem der Endverbrauch des Gegenstands stattfindet, während der Ausgangsmitgliedstaat für eine innergemeinschaftliche Lieferung eine Steuerbefreiung und für die zur Erbringung der Lieferung notwendigen Eigenleistungen den Vorsteuerabzug gewährt. Der nationalen Mehrwertsteuer unterliegen nur solche Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger im Inland gegen Entgelt ausführt.138 Dieses System gewährleistet eine strikte Aufteilung der Steuerhoheit der betroffenen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Mehrwertsteuereinnahmen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen bzw. bei der Festlegung der hierauf bezogenen Steuerschuld.139 5.1.2. Vereinbarkeit einer FTT mit exterritorialer Wirkung mit dem Territorialitätsprinzip Vor dem Hintergrund der vorstehend beschriebenen Maßstäbe könnte der Ratsbeschluss dadurch gegen Art. 327 AEUV verstoßen, dass er entsprechend seinem 6. Erwägungsgrund zu einer FTT mit exterritorialer Wirkung ermächtigt. Das könnte der Fall sein, wenn die Ansässigkeitsfiktion des Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(1011) 594, auf die der Ratsbeschluss Bezug nimmt, mit dem völkerrechtlich begründeten und unionsrechtlich anerkannten Territorialitätsprinzip unvereinbar ist. Entscheidend hierfür ist, ob die Ansässigkeitsfiktion auf einem hinreichenden innerstaatlichen Anknüpfungspunkt beruht, der den Zugriff auf mitgliedstaatliche Besteuerungsansprüche zu rechtfertigen vermag. Für das Vorliegen eines hinreichenden Anknüpfungspunktes bestehen keine festen Kriterien. Die vorgenannten Fälle einer unionsrechtskonformen Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse lassen jedoch darauf schließen, dass das Kriterium der tatsächlichen Ansässigkeit oder der tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Staat, der eine Besteuerungsbefugnis geltend macht, den prägender Grundsatz der Aufteilung der Steuerbefugnisse in der EU ist. Die Ansässigkeitsfiktion bildet demgegenüber die Ausnahme insbesondere für die Fälle eines „grenzüberschreitenden Besteuerungssubstrats“ wie beispielsweise bei der Mehrwertsteuererhebung und dient dabei primär der Vermeidung von Doppelbesteuerung. Die Steuerpflichtigkeit im Rahmen des Gegenpartei-Prinzips resultiert daraus, dass eine Partei aus dem Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit mit einer Partei aus einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat ausübt. Das Gegenpartei-Prinzip stellt somit primär auf die wirtschaftliche Tätigkeit bzw. den Sitz der in einem teilnehmenden Staat ansässigen Partei ab. Anknüpfungspunkt der Steuerpflichtigkeit für Finanztransaktionen, die von einem Finanzinstitut mit Sitz in einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat abgeschlossen werden, ist mithin nicht deren eigene wirtschaftliche Tätigkeit, sondern die der Partei aus einem teilnehmenden Mitgliedstaat. Das tatsächlich in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Finanzinstitut wird gemäß Art. 9 i.V.m. Art. 3 KOM(2011) 594 zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die von seiner als ansässig geltenden Gegenpartei geschuldet werden. Damit ist der tatsächliche Ort der Ansässigkeit eines Finanzinstitutes für den Steueranfall letztlich irrelevant: Infolge der fingierten Ansässigkeit bleibt der für eine Finanztransaktion zu entrichtende Gesamtbetrag derselbe , unabhängig davon, ob die Finanztransaktion zwischen Finanzinstituten mit Sitz in einem 138 EuGH, Rs. 283/84 (Trans Tirreno Express), Rn. 13. 139 EuGH, Rs. C-245/04 (EMAG Handel Eder), Rn. 40; Generalanwalt Ruiz-Jarabo, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C- 68/03 (Lipjes), Rn. 25; Generalanwältin Kokott, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-245/04 (EMAG Handel Eder), Rn. 23 f.; Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-285/10 (Strafverfahren R), Rn. 67. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 38 teilnehmenden Mitgliedstaat oder zwischen einem Finanzinstitut mit Sitz in einem teilnehmenden und einem Institut mit Sitz in einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat erfolgt. Das Fehlen eines eigenen hinreichenden wirtschaftlichen Anknüpfungspunktes der zu besteuernden Gegenpartei mit einem an der VZ teilnehmenden Mitgliedstaat legt den Schluss nahe, dass die im Ratsbeschluss angelegte Ansässigkeitsfiktion über die vom EuGH radizierten Grundsätze der Aufteilung der Steuerbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten hinausgeht und damit weder mit dem souveränen Steuererhebungsrecht der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten, noch mit deren internationalen steuerlichen Verpflichtungen vereinbar ist. Mittels der Ansässigkeitsfiktion würde die Besteuerungszuständigkeit über Finanzinstitute ausgeübt, die außerhalb des geografischen Gebietes ansässig sein, das von dem im Rahmen der VZ erlassenen Rechtsvorschriften betroffen ist.140 5.2. Verstoß gegen Art. 326 AEUV 5.2.1. Keine Beeinträchtigung im Sinne von Art. 326 UAbs. 2 AEUV Der Ratsbeschluss darf gemäß Art. 326 UAbs. 2 AEUV nicht zu Maßnahmen ermächtigen, welche die Errichtung und die Gewährleistung des Funktionieren des Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 26 AEUV) beeinträchtigen und insbesondere gegen das Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot sowie das Verbot von Wettbewerbsverzerrungen verstoßen. Betrachtet man die Bezugnahme im 6. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses auf den Richtlinienvorschlag KOM(1011) 594 als weitgehende Determinierung der späteren Ausgestaltung der VZ, so ließe sich argumentieren, dass jedenfalls das in Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(1011) 594 enthaltene Gegenpartei- Prinzip einen Verstoß gegen Art. 326 UAbs. 2 AEUV begründet. Die Nachprüfbarkeit der Ermessensentscheidung des Rates ist auf offensichtliche Verstöße gegen Art. 326 UAbs. 2 AEUV beschränkt .141 Der aus der Umsetzung des Gegenpartei-Prinzips folgende weite Anwendungsbereich einer FTT könnte bewirken, dass der Handel mit Finanzinstrumenten aus teilnehmenden Mitgliedstaaten infolge einer potenziellen Doppelbesteuerung der gleichen Finanztransaktion für in nicht teilnehmenden Staaten ansässige Finanzinstitute begünstigt wird. Diese kann insbesondere daraus resultieren, dass auch im tatsächlichen Ansässigkeitsstaat des Finanzinstituts ein Äquivalent zur gemeinsamen FTT erhoben wird und damit sowohl der Staat der tatsächlichen Ansässigkeit als auch der Staat der fingierten Ansässigkeit auf das selbe Besteuerungssubstrat zugreifen. Während die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a-e KOM(2011) 594 eine Doppelbesteuerung in grenzüberschreitenden Fällen innerhalb des Gebietes der VZ ausschließen, enthält der von dem Ratsbeschluss in Bezug genommene Richtlinienvorschlag keine Bestimmungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Bezug auf Finanztransaktionen mit den in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten Ansässigen. 140 Vgl. hierzu das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 6.9.2013, EU-Dok. 13412/13, Rn. 18. 141 Zum Prüfungsmaßstab siehe oben 4.2.6.3. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 39 Dies könnte gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Binnenmarkt verstoßen mit der Folge, dass das Ziel, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, nicht erreicht würde. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität besagt, dass ein letztlich einheitlicher wirtschaftlicher Veräußerungsvorgang nicht sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber versteuert wird.142 Er dient dem Ziel der Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf den nationalen Teilmärkten des gemeinsamen Marktes bzw. dem Schutzgut der steuerneutralen gleichen Wettbewerbschancen.143 Eine solche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Binnenmarkt folgt nicht bereits aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Steuersysteme hinsichtlich der Erhebung einer FTT. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, ihre Steuervorschriften auf die eines anderen Mitgliedstaates abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, berücksichtigt.144 Ein Staat kann für Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein, ungünstige Auswirkungen einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen.145 Sofern sich beispielsweise aus den Unterschieden der mitgliedstaatlichen Steuersysteme eine Situation der Doppelbesteuerung ergibt, ist es nach den Regeln des internationalen Steuerrechts Aufgabe des Wohnsitz- bzw. Sitzstaates, diese zu vermeiden. Der Wohnsitz- bzw. Sitzstaat muss aber nur solche Steuergüter von der Steuer freistellen bzw. auf eine im Ausland erhobene Steuer anrechnen, wenn das Steuergut im Ausland nach den Zuweisungsregeln des internationalen Steuerrechts zu Recht besteuert wurde. Dies wiederum ließe sich mit den vorstehenden Argumenten zur Unvereinbarkeit der fingierten Ansässigkeit mit dem Territorialitätsprinzip verneinen: Ist eine wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb oder mit hinreichendem Bezug zu der Wirtschaftsordnung des Staates, der die Steuerbefugnis in Anspruch nimmt, Bedingung bzw. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung und Ausübung der Besteuerungsbefugnisse,146 so könnte die Besteuerung von Finanzinstituten auf Grundlage einer fingierten Ansässigkeit ohne Bestehen einer Steuerpflichtigkeit der Finanzinstitute erfolgen – mit der Folge, dass der nicht an der FTT teilnehmende Wohnsitz- bzw. Sitzstaat nicht zu einer Beseitigung Doppelbesteuerung verpflichtet wäre. Aus dieser Konstellation ergäbe sich dann eine Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt. Dieser Befund könnte die Annahme stützen, dass der Ratsbeschluss zur Erreichung der in seinem 13. Erwägungsgrund postulierten Ziele offensichtlich nicht geeignet sei. 142 Eingehend zum Grundsatz vgl. den Schlussantrag des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón zu EuGH, Rs. C- 285/09 (Strafverfahren R), Rn. 45 sowie die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-110/94 (INZO), Ls. 2; Rs. C- 395/05 (Transport Service NV), Rn. 31; verb. Rs. C-439/04 uns C-440/04 (Kittel u. Recolta), Rn. 59; Rs. C-409/04 (Teleos), Rn. 66; Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), Rn. 46 f. 143 Vgl. den dritten Erwägungsgrund der Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG Art 28c; BGH v. 7. 7. 2009, 1 St 41/09, DStR 2009, 1688, Rn. 27. 144 Vgl. EuGH, Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Rn. 42. 145 vgl. EuGH, Rs. C-157/07 (Wannsee-Seniorenheimstatt), Rz. 48 ff.; vgl. auch BFH, Urteil vom 9.6.2010, I R 100/09, Bundessteuerblatt II 2010, 1065, unter II.3.a. 146 Vgl. im Kontext der Zulässigkeit einer Wegzugsbesteuerung vgl. EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid), Rn. 26 ff, 35 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 40 5.2.2. Verstoß gegen Art. 326 UAbs. 1 AEUV – Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch den Ratsbeschluss im Rahmen einer begrenzt zulässigen Klagebegründung könnte die VZ bei einer auch die exterritoriale Ausgestaltung der FTT umfassenden Berücksichtigung der Klagegründe mit den Grundfreiheiten unvereinbar sein und dementsprechend gegen die Pflicht zur Wahrung der Verträge gemäß Art. 326 UAbs. 1 AEUV verstoßen. 5.2.2.1. Schutzbereich potenziell betroffener Grundfreiheiten Als betroffene Grundfreiheit kommt zunächst der freie Kapital- und Zahlungsverkehr in Betracht , deren Schutzbereich eröffnet ist.147 Zudem kommt mit Blick auf das Ziel der VZ, Steuerumgehungsmaßnahmen und Verlagerungen in andere Steuergebiete zu vermeiden (6. Erwägungsgrund), eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit von potenziell steuerpflichtigen Finanzinstituten in Betracht. Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten.148 Jeder Angehörige eines Mitgliedstaats, der von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, fällt unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV.149 5.2.2.2. Beschränkung potenziell betroffener Grundfreiheiten Eine Beschränkung der Grundfreiheiten liegt vor, wenn die Ausübung der Grundfreiheit weniger attraktiv gemacht wird, wobei bereits potenzielle Beschränkungen einen Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheit bewirken.150 5.2.2.2.1. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit Die exterritoriale Wirkung des Gegenpartei-Prinzips könnte den grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV beschränken.151 Das Gegenpartei-Prinzip könnte dadurch eine diskriminierende Wirkung entfalten, dass es gemäß Art. 3 KOM(1011) 594 nur auf Transaktionen anwendbar ist, an denen Finanzinstitute mit Ansässigkeit in nicht teilnehmenden Staaten beteiligt sind. Es lässt hingegen die Finanztransak- 147 Siehe oben 4.2.5.5.1. 148 EuGH, Rs. C-152/03 (Ritter-Coulais), Rn. 19. 149 Vgl. EuGH, Rs. C-152/03 (Ritter-Coulais), Rn. 31; EuGH, Rs. C-470/04 (N), Rn. 28; EuGH, Rs. C-212/05 (Hartmann ), Rn. 17. 150 Vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-55/94 (Gebhard), Rn. 37; Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 36 ; Rs. C-442/02 (CaixaBank France), Rn. 11; Rs. C-298/05 (Columbus Container Services), Rn. 34; Rs. C- 157/07 (Wannsee-Seniorenheimstatt), Rn. 30; Rs. C-96/08 (CIBA), Rn. 19. 151 Zum Begriff der Beschränkung siehe oben 4.2.5.5.2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 41 tion im Staat der Gegenpartei unbesteuert, die von Finanzinstituten mit Sitz in teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen werden. Damit werden Transaktionen durch nicht ansässige Finanzinstitute in einer ansonsten territorial identischen Situation mit Blick darauf unterschiedlich behandelt, ob das Finanzinstitut in einem an der VZ teilnehmenden oder nicht teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig ist.152 In dieser territorial identischen Situation greifen teilnehmende Mitgliedstaaten in die Besteuerungsrechte von nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten, nicht jedoch in die Besteuerungsrechte von anderen Mitgliedstaaten ein. Dies hat zur Folge, dass ein teilnehmender Mitgliedstaat bei einer Transaktion zwischen einem ansässigen und einem nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässigen Finanzinstitut die FTT zwei Mal vereinnahmt wird, jedoch nur ein Mal bei einer Transaktion zwischen einem ansässigen und einem in einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat ansässigen Finanzinstitut. Auch ohne explizit diskriminierenden Charakter steht eine nationale Regelung im Widerspruch zu Art. 63 Abs. 1 AEUV, wenn sie Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Investitionen abhält .153 Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit könnte sich daraus ergeben, dass nach Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(1011) 594 solche Transaktionen besteuert werden sollen, die zwischen in einem teilnehmenden ansässigen Mitgliedstaat Unternehmen stattfinden. Eine Besteuerung dieser Finanztransaktionen führt jedenfalls dazu, dass sich deren Kosten erhöhen. Es ist vorstellbar, dass sich allein durch die Erhöhung der Kosten die Bereitschaft verringert, der Besteuerung unterliegende grenzüberschreitende Finanztransaktionen durchzuführen.154 Angesichts der Tatsache , dass vorerst die FTT nur in elf Mitgliedstaaten eingeführt werden soll, ist damit jedenfalls denkbar, dass bezogen auf den Binnenmarkt aus 28 EU-Mitgliedstaaten Finanztransaktionen mit in teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen nicht mehr oder in geringerem Ausmaß durchgeführt werden und dadurch, dass Marktteilnehmer davon abhalten werden, in solchen Staaten zu agieren, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs gegeben ist. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit könnte sich darüber hinaus aus der faktischen steuerlichen Gleichbehandlung von Marktteilnehmern aus teilnehmenden und nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten als Folge der Ansässigkeitsfiktion gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e KOM(1011) 594 ergeben. Für den „Normalfall“ der steuerlichen Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Einkünften stellt Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV klar, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden , die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Eine Regelung, die Marktteilnehmer je nach ihrer Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat steuerlich unterschiedlich behandelt, stellt für sich genommen keine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV unzulässige Beschränkung des Kapitalverkehrs dar.155 Solche differenzierenden Steuerregelungen sind gemäß Art. 65 Abs. 3 AEUV primärrechtskonform, solange sie weder ein Mittel zur will- 152 So die nachfolgend dargestellte Auffassung des Juristischen Dienstes in seinem Gutachten vom 6.9.2013, EU- Dok. 13412/13, Rn. 26 ff. 153 EuGH, Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), Rn. 45; EuGH, Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 22 f. 154 Vgl. EuGH, Rs. C-439/97 (Sandoz), Rn. 19 f. bezüglich der Beschränkung des Kapitalverkehrs durch eine Steuer auf den Abschluss von Darlehensverträgen. 155 EuGH Rs. C-265/04 (Bouanich), Rn. 32 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 42 kürlichen Diskriminierung, noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 63 AEUV darstellen.156 Auch vor dem Hintergrund des Territorialitätsprinzips ist eine unterschiedliche Behandlung der betroffenen Einkunftsarten nicht gerechtfertigt , wenn die unterschiedliche Behandlung unter Berücksichtigung des mit den zugrundeliegenden nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels an objektiv miteinander vergleichbaren Situationen anknüpfen.157 Umgekehrt ließe sich argumentieren, dass Ungleiches ebenso wenig ungerechtfertigt gleich behandelt werden darf wie Gleiches ungleich behandelt werden darf. Dementsprechend könnte der Zugriff auf an sich in einem nicht teilnehmenden Staat unbeschränkt Steuerpflichtige unter Durchbrechung des Territorialitätsprinzips eine faktische Gleichbehandlung in einer objektiv nicht miteinander vergleichbaren Situation und damit ebenso eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bewirken. Dies setzt voraus, dass sich die faktische Gleichbehandlung auf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt bezieht bzw. die Steuerpflichtigkeit an nicht miteinander vergleichbare Situationen anknüpft. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt grundsätzlich dann vor, wenn sich die Steuerpflichtigkeit von Gebietsansässigen und Gebietsfremden gleichermaßen auf die tatsächliche Ansässigkeit oder auf solche Einkünfte bezieht, die mit Tätigkeiten zusammenhängen , die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, aus der im besteuernden Land steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden.158 Sofern die Akteure einer Finanztransaktion ihren Sitz bzw. Wohnort in teilnehmenden und nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten haben, unterscheidet sich ihre Situation durch divergierende nationale Prämissen. Mit der Einrichtung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems im Wege der VZ entstehen zwei verschiedene Rechtsregime in der EU: Das einer verstärkten Steuerpflicht für Marktteilnehmer aus teilnehmenden , das einer allenfalls beschränkten Steuerpflicht für Marktteilnehmer aus nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten. Entfaltet nun die FTT vermittels ihres weiten Anwendungsbereichs exterritoriale Wirkung auch für die Marktteilnehmer aus nicht teilnehmenden Staaten, so sind diese entgegen dem beschränkten Anwendungsbereich einer VZ faktisch denen aus teilnehmenden Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Steuerpflichtigkeit aus Finanztransaktionen gleichgestellt oder im Falle einer Doppelbesteuerung der gleichen Einkünfte sogar schlechter gestellt. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass das Gegenpartei-Prinzip potenziell – in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der FTT – eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bewirken könnte. 156 Vgl. EuGH, Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 28 f. 157 Vgl. in diesem Sinne die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 31 ff.; Rs. C-431/01 (Mertens), Rn. 32 ff.; Rs. C-152/03 (Ritter-Coulais), Rn. 19; Rs. C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Rn. 42 ff.; Rs. C- 345/04 (Centro Equestre da Lezíria Grande Lda), Rn. 22 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-250/95 (Futura Participations und Singer), Rn. 21 f. und EuGH, Rs. C-446/03 (Marks&Spencer), Rn. 39; Rs. C-152/05 (Kommission /Deutschland), Rn. 18; Rs. C-318/07 (Persche), Rn. 24 ff.; Rs. C-337/08 (X Holding), Rn. 22; Rs. C-25/10 (Missionswerk ), Rn. 29; Rs. C-18/11 (Philips Electronics UK), Rn. 17. 158 EuGH, Rs. C-342/10 (Kommission/Finnland), Rn. 37, 45 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 43 5.2.2.2.2. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann bei solchen Maßnahmen vorliegen, die Marktteilnehmer bei der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat benachteiligen oder den Marktteilnehmer eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen .159 Das Primärrecht garantiert einer unter Art. 54 AEUV fallenden Gesellschaft nicht, dass die Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat steuerneutral ist. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich kann eine solche Verlegung für eine Gesellschaft je nach dem Einzelfall steuerlich mehr oder weniger vorteilhaft oder sogar nachteilig sein.160 Die Niederlassungsfreiheit verpflichtet Mitgliedstaaten nicht dazu, ihre Steuervorschriften auf diejenigen der anderen Mitgliedstaaten abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt.161 Ebenso wenig verstößt eine nach der Ansässigkeit differenzierende steuerliche Behandlung gegen das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, welches in Art. 43 AEUV hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung erfahren hat.162 Sofern man annähme, dass das Besteuerungssubstrat einer FTT eine Einkunftsquelle darstellt, deren Besteuerung die Ausübung der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich behindern oder weniger attraktiv machen könnte, ließe sich argumentieren, dass dem weiten Anwendungsbereich einer FTT die Gefahr einer Doppelbesteuerung der selben wirtschaftlichen Handlung immanent ist und eine gemeinsame FTT daher abschreckende Wirkung für im Gebiet der Teilnehmerstaaten tätige Finanzunternehmen hat.163 Indem Marktteilnehmer von einer Sitzverlagerung in nicht teilnehmende Mitgliedstaaten abgehalten werden könnten, wären die Regelungen einer FTT mit einem weiten Anwendungsbereich grundsätzlich geeignet, eine zumindest potenzielle Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu evozieren. 5.2.2.3. Rechtfertigungsgrund Eine potenzielle Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit führt aber nicht per se zur Rechtswidrigkeit eines Sekundärrechtsaktes, sondern kann gerechtfertigt 159 Vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-464/02 (Kommission/Dänemark), Rn. 34 f.; Rs. C-345/05 (Kommission /Portugal), Rn. 15 f.; Rs. C-104/06 (Kommission/Schweden), Rn. 17 f.; Rs. C-318/05 (Kommission /Deutschland), Rn. 114 f.. 160 Vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. vgl. C-365/02 (Lindfors), Rn. 34; Rs. C-403/03 (Schempp), Rn. 45; Rs. C-194/06 (Orange European Smallcap Fund), Rn. 37 161 EuGH, Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Rn. 43. 162 EuGH, Rs. C-152/05 (Kommission/Deutschland), Rn. 18; Rs. C-345/05 (Kommission/Portugal), Rn. 13; Rs. C- 104/06 (Kommission/Schweden), Rn. 15; Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Rn. 35. 163 Siehe hierzu die Erwägungen unter 5.2.1. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 44 sein. Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, sind gerechtfertigt, wenn die Beschränkung ein legitimes Ziel verfolgt und zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient, zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist und nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgeht.164 Der Ratsbeschlusses verfolgt mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Wege der VZ neben der Harmonisierung zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche mitgliedstaatliche Regelungen (7. Erwägungsgrund) ausweislich seines 3. Erwägungsgrundes insbesondere die Ziele der Beteiligung des Finanzsektors an der Finanzierung der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, die Bewirkung positiver Effekte auf die Stabilisierung des Finanzmarktes und die Verhinderung zukünftiger Finanzkrisen, die Verringerung des spekulativen Handels durch höhere Transaktionskosten und die Erhöhung der Steuereinnahmen des sie erhebenden Staates. Die potenziellen Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit könnten durch Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV gerechtfertigt sein. Hiernach ist es den Mitgliedstaaten gestattet, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Norm durch eine zum Vertrag von Maastricht aufgenommene Erklärung Nr. 7 zu Art. 73d des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) (später Art. 58 EGV, jetzt Art. 65 AEUV) erheblich eingeschränkt worden: Hiernach gilt das in Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV erwähnte Recht der Mitgliedstaaten, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, nur für die einschlägigen Vorschriften (…), die Ende 1993 bestehen “ (sog. Stillhalteerklärung).165 Seit der Beitrittsakte 2003 ist diese Stillhalteklausel auch im Primärrecht verankert.166 Neue Regelungen im Kapital- und Zahlungsverkehr der Mitgliedstaaten, die nach Wohnort oder Anlageort differenzieren, können damit nicht auf Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV gestützt und gerechtfertigt werden.167 Die potenzielle Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit könnte auch dann primärrechtskonform sein, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.168 Richterrechtlich hat der EuGH seit seiner Cassis de Dijon- 164 St. Rspr., vgl. hierzu die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 33; Rs. C- 436/00 (X und Y), Rn. 49; Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Rn. 49; Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Rn. 35; Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Rn. 47; Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Rn. 64; Rs. C-345/05 (Kommission/Portugal), Rn. 24; Rs. C-104/06 (Kommission/Schweden), Rn. 25; Rs. C- 414/06 (Lidl Belgium), Rn. 27; Rs. C-157/07 (Wannsee-Seniorenheimstatt), Rn. 40; Rs. C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Rn. 57; Rs. C-371/10 (National Grid Indus), Rn. 42. 165 ABl. 1992 Nr. C 191/99. 166 Anhang IV der Akte über die Bedingungen des Beitritts von Tschechien, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und der Slowakei, ABl. 2003 L 236/33 (797). 167 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 8. Auflage, 2012, Rn. 1017; Glasner, in: Schwarze (Hrsg.), EU- Kommentar, 2009, Art. 58 EGV, Rn. 2. 168 EuGH, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Rn. 43; EuGH, Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 28 f.; EuGH, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Rn. 167; Rs. C-436/06 (Grønfeldt), Rn. 16. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 45 Entscheidung169 die „zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses“ als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe spezifiziert.170 Eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses kommt grundsätzlich nur bei unterschiedslos anwendbaren nationalen Maßnahmen in Betracht, „die für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten“171.Wenn aber schon einzelstaatliche Maßnahmen gerechtfertigt sein können, so ist erst recht davon auszugehen, dass auch im Wege einer VZ erlassene beschränkende Maßnahmen auf Grund zwingender Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein können . Als zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der Ausübung der durch den Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann, hat der EuGH die Notwendigkeit Bewahrung der Kohärenz eines Finanzsystems anerkannt.172 Dies kann jedoch nur dann der Fall sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss.173 Insofern erscheint eine Rechtfertigung von Beschränkungen infolge des weiten Anwendungsbereichs der projektierten FTT fernliegend. Im Rahmen der fiktiven Ansässigkeit besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den im Rahmen der FTT besteuerten Erträgen und einem potenziell erzielbaren steuerlichen Vorteil, wie dies beispielsweise im Verhältnis von Gewinnbesteuerung und potenziellem Verlustvortrag der Fall ist.174 Die potenzielle Beschränkung der Grundfreiheiten könnte durch das Ziel gerechtfertigt sein, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der FTT sicherzustellen, wozu die Mitgliedstaaten mangels unionsrechtlicher Vereinheitlichungsoder Harmonisierungsmaßnahmen befugt sind.175 Die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten wird insbesondere dann als Rechtfertigung anerkannt, wenn mit der betreffenden Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für 169 EuGH, Rs. 120/78 (Rewe-Zentral), Rn. 8. 170 Zur Herleitung solcher zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses durch den EuGH vgl. Haratsch /Koenig/Pechstein, Europarecht, 8. Auflage, 2012, Rn. 857 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2009, Rn. 835. 171 EuGH, Rs. C-302/97 (Konle), Rn. 40 f.; EuGH, Rs. C-503/99 (Kommission/Belgien), Rn. 45. 172 Vgl. hierzu die Urteile des EuGH in den Rs. C-204/90 (Bachmann), Rn. 28; Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 42; Rs. C-471/04 (Keller Holding), Rn. 40; Rs. C-418/07 (Papillon), Rn. 43; EuGH, Rs. C-350/11 (Argenta), Rn. 41. 173 Vgl. hierzu die Urteile des EuGH in den Rs. C-319/02 (Manninen), Rn. 42 f.; Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Rn. 39; Rs. C-418/07 (Papillon), Rn. 44; Rs. C-471/04 (Keller Holding), Rn. 40. 174 Vgl. EuGH, Rs. C-446/03 (Marks&Spencer), Rn. 40; EuGH, Rs. C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Rn. 43; EuGH, Rs. C-231/05 (Oy AA), Rn. 56; EuGH, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Rn. 34. 175 EuGH, Rs. C-231/05 (Oy AA), Rn. 52; EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid Indus), Rn. 42. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 46 die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten gefährden könnten.176 Mit Blick auf die Durchbrechung des Territorialitätsgrundsatzes erfolgt jedoch vorliegend keine Gefährdung des Steueraufkommens der an der VZ teilnehmenden Mitgliedstaaten, sondern vielmehr eine Gefährdung der Steuerhoheit der nicht an der VZ teilnehmenden Staaten. Zudem wird die Notwendigkeit , auch Finanzinstitute mit Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs von Regelungen im Rahmen der VZ mittels einer fingierten Ansässigkeit zur Entrichtung der FTT zu verpflichten , auf die Besorgnis gestützt, dass die Einführung einer FTT zu einer Verlagerung von Finanztransaktionen in nicht teilnehmende Staaten führen könnte. Eine solche „Gefährdung“ infolge des begrenzten räumlichen Anwendungsbereich der FTT ist jedoch eine Folge des Rückgriffs auf den Mechanismus der VZ und vermag damit keine weitergehende Beschränkung von Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten erscheint damit insgesamt als Rechtfertigungsgrund nicht geeignet. Gleiches gilt für das Ziel der Erhöhung von Steuereinnahmen der teilnehmenden Mitgliedstaaten . Die Gefahr von Steuerausfällen bzw. der drohende Verlust von Steuereinnahmen ist kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der geeignet ist, eine Beschränkung zu rechtfertigen .177 Scheitern vor diesem Hintergrund bereits Maßnahmen zur Sicherung des bestehenden Steueraufkommens, so können Maßnahmen zur Erhöhung des künftigen Steueraufkommens mit primär fiskalischen Erwägungen erst recht nicht gerechtfertigt sein. Angesichts der Unterschiedlichkeit der bislang vom EuGH zur Rechtfertigung anerkannten Gemeinwohlbelange ist jedoch davon auszugehen, dass den an der VZ teilnehmenden Mitgliedstaaten und den in Organleihe handelnden Unionsorganen ein weiter Einschätzungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der Rechtfertigung von grundfreiheitsbeschränkenden Wirkungen der FTT zukommt. Insofern dürfte jedenfalls das Regelungsziel der Stabilisierung der Finanzmärkte durch Verringerung von spekulativem Handel als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses und damit als Rechtfertigungsgrund für die potenziellen Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit angesehen werden können.178 5.2.2.4. Rechtfertigungsschranken Beschränkungen des Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit sind jedoch auch bei Vorliegen von zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses nur dann zulässig, soweit sie ge- 176 Vgl. Urteile EuGH in den Rs. C-379/05 (Amurta), Rn. 58; Rs. C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Rn. 66; Rs. C-284/09 (Kommission/Deutschland), Rn. 77; verb. Rs. C-338/11 bis C-347/11 (Santander Asset Management SGIIC), Rn. 47. 177 Vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-264/96 (ICI v Colmer), Rn. 28; Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Rn. 51; Rs. C-35/98 (Verkooijen), Rn. 59; verb. Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft und Hoechst), Rn. 59; Rs. C-136/00 (Danner), Rn. 56; Rs. C-436/00 (X und Y), Rn. 50; Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 36; Rs. C-385/00 (de Groot), Rn. 103; Rs. C-422/01 (Ramstedt), Rn. 53; EuGH, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Rn. 60. 178 So auch Mayer/Heidfeld, Europarechtliche Aspekte einer Finanztransaktionssteuer, EuZW 2011, S. 373 (378) für das Ziel der Stabilisierung der Finanzmärkte. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 47 eignet und erforderlich sind, diesen Zielen zu dienen, und angemessen erscheinen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).179 5.2.2.4.1. Geeignetheit der Regelung Eine Finanztransaktionssteuer ist geeignet, wenn sie für das Erreichen der zwingenden Gründe des Allgemeinwohlinteresses tatsächlich förderlich ist.180 Der EuGH legt hinsichtlich der Geeignetheit einer Maßnahme keine hohen Anforderungen an, sondern gewährt vielmehr den Mitgliedstaaten bei der Einschätzung der Eignung einen Prognosespielraum.181 Verlangt wird allerdings , dass die Regelung das Ziel in kohärenter und systematischer Weise verfolgt.182 Der weite Anwendungsbereich der FTT muss mithin geeignet sein, das Regelungsziel der Stabilisierung der Finanzmärkte durch Verringerung von spekulativem Handel zu verfolgen und potenziellen Missbrauch zu bekämpfen. Eine Regelung ist umgekehrt dann zur Missbrauchsbekämpfung ungeeignet, wenn der Missbrauch auch trotz der Regelung stattfinden kann.183 Die Meinungen in Wissenschaft und Politik zur Förderlichkeit einer Finanztransaktionssteuer für das angestrebte Ziel der langfristigen Finanzmarktstabilität gehen weit auseinander. Eine eigene Analyse oder gar die Beantwortung der Frage nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme ist der politischen Einschätzungsprärogative zuzuordnen und entzieht sich dem primärrechtlichen Prüfungsmaßstab. Es sei in diesem Zusammenhang auf die Anhörung von Sachverständigen zur Finanztransaktionssteuer im Finanzausschuss vom 17.5.2010184, das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 1.4.2010185, die Folgenabschätzung der Kom- 179 Vgl. Weber-Grellet, Neu-Justierung der EuGH-Rechtsprechung, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2009, S. 1229 (1232); Berberich, Europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit und deutsches Erbschaftsteuerrecht, 2008, S. 188 f. 180 Pache, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2010, § 10 Rn. 57. 181 EuGH, Rs. C-293/93, Slg. 1994, I-4249, Rn. 22; EuGH, Rs. C-394/97, Slg. 1999, I-3599, Rn. 43; EuGH, Rs. C- 208/05, Slg. 2007, I-181, Rn. 39. 182 Sedlaczek/Züger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 65 AEUV, Rn. 47. 183 Vgl. EuGH, C-264/96 (ICI v Colmer), Rn. 27 f.; EuGH, C-436/00 (X und Y), Rn. 63. 184 hib-Meldung vom 17.5.2010, „Völlig unterschiedliche Urteile der Sachverständigen zur Finanztransaktionssteuer “. 185 Europäische Kommission, Commission Staff Working Document – Innovative financing at a global level, SEC(2010) 409 final, S. 27, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/articles/international/documents/innovative_financing_global_level_sec2 010_409en.pdf Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 48 mission für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Unionsebene186 und natürlich auf die Ausführungen zur Geeignetheit im aktuellen Richtlinienentwurf187 hingewiesen. Die Argumentationen von Befürwortern und Gegnern unterscheiden sich bereits in ihren Grundannahmen , die auf alle Formen einer Finanztransaktionssteuer übertragen werden können: Die Befürworter der Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf nationaler Ebene gehen davon aus, dass Kapitalmärkte von einer exzessiven Liquidität aufgrund des Vorherrschens kurzfristig handelnder Spekulanten gekennzeichnet seien.188 Diese Spekulation wirke destabilisierend und sorge dafür, dass sich die Kurse von Finanztiteln von den Fundamentalwerten lösten. Dabei seien nicht Schwankungen der Vermögenspreise in der kurzen Frist, sondern die von übermäßiger Liquidität verursachte Blasenbildung in der mittleren und langen Frist problematisch für die Stabilität.189 Eine Finanztransaktionssteuer habe einen stabilisierenden Effekt, weil sie aufgrund der Besteuerung kurzfristiger Spekulationen zu längeren Anlagehorizonten der Investoren beitrüge .190 Die Gegner der Einführung einer Finanztransaktionssteuer halten Spekulation für einen unverzichtbaren Bestandteil der Preisfindungs- und Risikoallokationsprozesse.191 Insbesondere eine hohe Liquidität gewähre schnelle Anpassung hin zu Gleichgewichtspreisen. Würden diese Prozesse durch eine Finanztransaktionssteuer eingeschränkt werden, seien nicht eine höhere Finanzsystemstabilität , sondere höhere Transaktionskosten und unter Umständen sogar eine höhere Volatilität die Folge, die gerade Krisen auslösen könne.192 186 Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgenabschätzung , Begleitunterlage zum/zur Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Transaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=SEC:2011:1103:FIN:DE:PDF. 187 KOM (2013) 71 final, S. 7. 188 Schulmeister/Schratzenstaller/Picek, A General Financial Transaction Tax – Motives, Revenues, Feasibility and Effects, in: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), März 2008, S. 7, online abrufbar unter: http://www.wifo.ac.at/wwa/downloadController/displayDbDoc.htm?item=S_2008_FINANCIAL_TRANSACTIO N_TAX_31819$.PDF. Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 23. 189 Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 23. 190 Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 23. 191 Vgl. Habermeier/Kirilenko, Securities Transaction Taxes and Financial Markets, in: IMF Staff Working Papers Vol. 50 2003, S. 165 ff., online abrufbar unter: http://www.imf.org/external/pubs/ft/staffp/2002/00- 00/pdf/haberm.pdf. 192 Zusammenfassung nach Paul/Neumann, Finanzmarktregulierung: Einführung einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer auf deutscher und europäischer Ebene, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Managerkreis, 2011, S. 23 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 49 Es zeigt sich also, dass bzgl. der Geeignetheit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in nur einigen Mitgliedstaaten zur Sicherung der Finanzmarktstabilität in beide Richtungen argumentiert werden kann. Der EuGH würde daher bei einer solchen Sachlage voraussichtlich den Prognosespielraum der Mitgliedstaaten bei der Einschätzung der Eignung anerkennen. Stellt man auf das Ziel der höheren Steuereinnahmen ab, muss man der Maßnahme eine Eignung grundsätzlich zusprechen, jedoch müssten ggf. entstehende Verwaltungskosten für den Einzug der Steuer wohl gegengerechnet werden. 5.2.2.4.2. Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelung Bejahte man die Geeignetheit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in nur einigen Mitgliedstaaten im Wege der VZ zur Erreichung des angestrebten Regelungsziels, wäre die Erforderlichkeit der Steuer und insbesondere des Gegenpartei-Prinzips zu prüfen. Diese fehlte, wenn der Zweck mit einem genauso wirksamen milderen Mittel erreicht werden könnte.193 Schließlich müsste die Maßnahme auch angemessen sein im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation.194 Sowohl für die Prüfung der Erforderlichkeit als auch für die der Angemessenheit müsste eine genaue Analyse der Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer in ihrer konkreten Form erfolgen , die an dieser Stelle nicht vorgenommen werden kann. Insofern muss wiederum auf die Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten und der in Organleihe handelnden EU-Organen verwiesen werden. Jedenfalls darf die Regelung nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.195 Fraglich ist insoweit , ob das Motiv für die Weite des Anwendungsbereichs der FTT – die Missbrauchsbekämpfung durch Vermeidung der Steuerflucht beispielsweise durch Sitzverlagerung – eine verhältnismäßige Rechtfertigung darstellen kann. Für den Bereich des Steuerrechts hat der EuGH anerkannt , dass solche steuerlichen Regelungen keinen Eingriff in Grundfreiheiten rechtfertigen können , die bloß generell bestimmte Situationen erfassen und nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen.196 Insbesondere kann nicht alleine der Umstand, dass eine Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, die allgemeine Vermutung einer Steuerumgehung begründen und damit die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen.197 Eine allgemeine Vermutung der Steuerumgehung eines 193 Pache, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2010, § 10 Rn. 57. 194 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, 2012, Rn. 562 f. 195 Vgl. die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-446/03 (Marks&Spencer), Rn. 35; Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas), Rn. 47; Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation ), Rn. 64; Rs. C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha), Rn. 57. 196 Vgl. in diesem Sinne die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-264/96 (ICI v Colmer), verb. Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft und Hoechst), Rn. 57; Rn. 26; Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Rn. 37; Rs. C- 436/00 (X und Y), Rn. 62. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 50 Marktteilnehmers kann keine Maßnahmen rechtfertigen, die die Wahrnehmung einer Grundfreiheit beeinträchtigen.198 Insofern ist der im Kontext des Regelungsziels der FTT stehende Umstand , durch einen weiten Anwendungsbereich der FTT die Möglichkeit von Steuerumgehungsmaßnahmen im Binnenmarkt zu vermeiden, grundsätzlich geeignet, Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des weiten Anwendungsbereichs zu begründen. 5.3. Budgetlast – Verstoß gegen Art. 332 AEUV Entsprechend dem Vorbringen des Klägers könnte der Ratsbeschluss unter Verstoß gegen Art. 332 AEUV zu einer VZ ermächtigen, welche die nicht teilnehmenden Staaten mit den sich aus der Durchführung der VZ ergebenden Ausgaben belastet. Der Kläger stützt die Behauptung eines Verstoßes gegen Art. 332 AEUV auf den Umstand, dass die Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten die Behörden aller anderen Mitgliedstaats auf Basis der Richtlinie 77/799/EWG199 und im Sinne einer wirksamen Steueraufsicht200 um alle Auskünfte ersuchen können, die für die Festsetzung der Steuer eines Steuerpflichtigen erforderlich sind, was mit einem potenziell erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden sei. Daraus resultiert die vom EuGH bislang nicht geklärte Frage nach dem Umfang und den Grenzen der Kostentragungspflicht der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten im Rahmen einer VZ. Dem Wortlaut nach besteht eine unmittelbare Kostentragungspflicht nur hinsichtlich der aus der Durchführung einer VZ entstehenden Verwaltungskosten der Unionsorgane, mithin alle Verwaltungskosten einschließlich Personal- und Sachkosten. Die sich aus der Durchführung einer VZ ergebenden Ausgaben (operative Kosten) der VZ tragen hingegen die teilnehmenden Mitgliedstaaten alleine. Angesichts der Differenzierung zwischen Verwaltungskosten und operativen Kosten stellt sich die Frage, auf welches Budget sie jeweils bezogen sind. Für die Verwaltungskosten dürfte dies der Unionshaushalt sein, während sich die operativen Kosten primär auf die Haushalte der Mitgliedstaaten beziehen dürften. Ein enges Verständnis, dass sich nur auf eine Finanzierung der Aktivitäten durch den Unionshaushalt, nicht aber auf Ausgaben der Mitgliedstaaten bezieht, dürfte dem Normzweck widersprechen. Im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme soll eine VZ kooperationswilligen Mitgliedstaaten eine verstiefte Integration ermöglichen und zugleich die nicht teilnahmewilligen Mitgliedstaaten von allen – rechtlichen wie finanziellen – Kosten freistellen. Ausgehend von einem normzweckkonformen weiten Verständnis der Kostentragungspflicht der teilnehmenden Mitgliedstaaten müsste sich die Freistellung zudem auf alle operativen Kosten beziehen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der VZ stehen. Eine Freistellung auch von 197 Vgl. in diesem Sinne die Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-264/96 (ICI v Colmer), Rn. 26; Rs. C-478/98 (Kommission/Belgien), Rn. 45; Rs. C-436/00 (X und Y), Rn. 62; Rs. 334/02 (Kommission/Frankreich), Rn. 27; Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas), Rn. 50. 198 EuGH, Rs. C-283/94 (Denkavit), Rn. 27; EuGH, Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Rn. 38 ff.; EuGH, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Rn. 51. 199 Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, ABl. L 336/15. 200 EuGH, Rs. 120/78 (Rewe-Zentral), Rn. 8. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 90/13 Seite 51 nur mittelbar im Zusammenhang mit der VZ stehenden Kosten erscheint jedoch aus hiesiger Sicht als zu weitgehend. Die vom Kläger vorgebrachten Kostenfolgen beruhen letztlich auf einer Anwendung der Richtlinien 2011/16/EU201 und 2010/24/EU202. Die hieraus folgenden Pflichten bestehen unabhängig von einer potenziellen FTT. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts lässt sich aus den Bestimmungen über die Begründung einer VZ schwerlich darauf schließen, dass die Ermächtigung zur Einrichtung einer VZ bewirkt, dass die Mitgliedstaaten mit Blick auf potenzielle Auswirkungen der VZ von ihren unabhängig bestehenden unionsrechtlichen Verpflichtungen insoweit dispensiert werden. Vor diesem Hintergrund scheint der Ratsbeschluss aus hiesiger Sicht keinen Verstoß gegen Art. 332 AEUV zu begründen. 5.4. Ergebnis zu den Erfolgsaussichten einer umfassend zulässigen Klage Ausgehend von der Annahme, dass der Ratsbeschluss die spätere Ausgestaltung der FTT im Wege der VZ umfassend determiniert und die ausgestaltende Richtlinie demgemäß nur einer unionsgesetzlichen Konkretisierung des Ratsbeschlusses entspricht, fänden auch die Erwägungen des Klägers im Hinblick auf das Gegenpartei-Prinzip und dessen exterritorialen Wirkungen im Rahmen der Begründetheit Berücksichtigung. Unter diesen Umständen ließe sich begründen, dass der Ratsbeschluss insoweit unvereinbar mit Art. 326 AEUV wäre, als er ungerechtfertigt Grundfreiheiten beschränkte und unter Verletzung von Art. 327 AEUV in die Besteuerungshoheit des Klägers eingriffe. Unter diesen Umständen wäre die Klage begründet und damit erfolgreich. 6. Zusammenfassung der Ergebnisse Nach hiesiger Ansicht ist die Klage Großbritanniens bereits unzulässig, soweit sie sich auf Aspekte der Exterritorialität der projektierten FTT bezieht, welche sich nicht unmittelbar aus dem angefochtenen Ratsbeschluss 2013/52/EU, sondern erst aus den Richtlinienvorschlägen KOM(2011) 594 und KOM(2013) 71 ergeben. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Zu einem anderen Ergebnis gelangte man nur unter der – hier abgelehnten – Annahme, dass in dem angefochtenen Ratsbeschluss durch dessen Bezugnahme auf den Richtlinienvorschlag KOM(2011) 594 und das hierin enthaltene Gegenpartei-Prinzip bereits eine exterritoriale Wirkung der im Wege der VZ einzurichtenden FTT angelegt ist. Gestützt auf die Exterritorialität der FTT ließe sich deren Verstoß insbesondere gegen die Art. 326, 327 AEUV begründen. - Fachbereich Europa - 201 Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. L 64/1, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:064:0001:0012:DE:PDF. 202 Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, ABl. L 84/1, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:084:0001:0012:DE:PDF.