© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 89/16 Die Möglichkeit nationaler Verbote von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 2 Die Möglichkeit nationaler Verbote von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 89/16 Abschluss der Arbeit: 22.6.2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtlicher Rahmen für die Genehmigung von Wirkstoffen und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln 4 2.1. Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen Union und Mitgliedstaaten 4 2.2. Nationale Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln 5 3. Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln 6 3.1. Zulassung nach Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO 7 3.1.1. Voraussetzungen der Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO 7 3.1.1.1. Zulassungsvoraussetzungen 7 3.1.1.2. Möglichkeit der Zulassung unter Auflagen 9 3.1.2. Konsequenzen der IARC Studie 9 3.2. Zulassungsauflagen und Zulassungsverbot nach Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO 10 3.2.1. Voraussetzungen von Verwendungsbestimmungen 10 3.2.2. Voraussetzungen eines Verbots 11 3.2.2.1. Wortlautauslegung 11 3.2.2.2. Historische Auslegung 11 3.2.2.3. Teleologische und systematische Auslegung 12 3.2.2.4. Zwischenergebnis 13 3.2.3. Konsequenzen der IARC-Studie 14 3.3. Aufhebung einer Zulassung nach Art. 44 der PflanzenschutzVO 14 3.3.1. Voraussetzungen 15 3.3.1.1. Vorgehen nach § 39 Abs. 1 PflSchG 15 3.3.1.2. Vorgehen nach § 39 Abs. 2 PflSchG 15 3.3.2. Konsequenzen der IARC Studie 15 3.3.2.1. Vorgehen nach § 39 Abs. 1 PflSchG 15 3.3.2.2. Vorgehen nach § 39 Abs. 2 PflSchG 15 3.4. Notfallmaßnahmen nach Art. 69 ff. PflanzenschutzVO 16 4. Fazit 16 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 4 1. Fragestellung Der Gesundheitskommissar der EU, Vytenis Andriukaitis, hat in der Diskussion um die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat auf Unionsebene auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten verwiesen, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf nationaler Ebene zu verbieten. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) erklärte dazu, es bestehe keine Möglichkeit für ein nationales Verbot, falls die Kommission Glyphosat genehmige . Ausweislich einer Pressemitteilung von Reuters erklärte ein Sprecher des Ministeriums , das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) könne die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht mit der Begründung verweigern, Glyphosat sei wahrscheinlich krebserregend, wenn der Wirkstoff in der EU genehmigt sei. Die Aussage der Kommission , dass die Mitgliedstaaten Pflanzenschutzmittel trotz einer Genehmigung des Wirkstoffs auf Unionsebene verbieten könnten, sei irreführend.1 Das nachfolgende Gutachten untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen Pflanzenschutzmittel auf nationaler Ebene verboten bzw. ihre Zulassungen aufgehoben werden können und inwieweit die nationale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an die europäische Genehmigung des Wirkstoffs, der dem Pflanzenschutzmittel zugrunde liegt, gebunden ist. Es wird dafür zunächst der rechtliche Rahmen der Genehmigung von Wirkstoffen und der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln dargestellt (2.). Anschließend erfolgt eine Untersuchung der Möglichkeiten nationaler Behörden, Pflanzenschutzmittel (unter Auflagen) zuzulassen, zu verbieten und erteilte Zulassungen aufzuheben. 2. Rechtlicher Rahmen für die Genehmigung von Wirkstoffen und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln 2.1. Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen Union und Mitgliedstaaten Die rechtlichen Vorgaben für die Genehmigung von Wirkstoffen auf Unionsebene und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durch nationale Behörden sind auf Unionsebene primär in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (im Folgenden: PflanzenschutzVO)2 enthalten.3 1 Reuters, Umweltministerium sieht keine Chance für nationales Glyphosat-Verbot, abrufbar unter http://de.reuters .com/article/eu-glyphosat-verbot-idDEKCN0YS1MG. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. 2009 L, 309/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1107-20140630&from=EN. 3 Daneben existieren weitere Durchführungsverordnungen der Kommission sowie Rechtsakte auf der nationalen Ebene, insbesondere das PflSchG, welches das deutsche Recht an die PflanzenschutzVO anpasst. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 5 Wirkstoffe, wie Glyphosat, werden für die gesamte EU nach Art. 13 PflanzenschutzVO auf Unionsebene genehmigt.4 Den Mitgliedstaaten obliegt hingegen die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln , welche den Wirkstoff enthalten. Nach Art. 29 Abs. 1 lit. a) PflanzenschutzVO wird ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen, wenn seine Wirkstoffe genehmigt sind. § 35 Abs. 1 des deutschen Pflanzenschutzgesetz (PflSchG)5 regelt, dass bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, dessen Wirkstoff nach Art. 4 der PflanzenschutzVO genehmigt worden ist, die aus dem Genehmigungsverfahren abgeleiteten Erkenntnisse über die Eigenschaften des Wirkstoffs zu Grunde zu legen sind. Die Mitgliedstaaten entscheiden also nicht autonom über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln , sondern haben die Entscheidung auf Unionsebene über die Genehmigungsfähigkeit des jeweiligen Wirkstoffs zu beachten. Ausweislich der Erwägungsgründe der PflanzenschutzVO soll über die Genehmigung von Wirkstoffen auf Gemeinschaftsebene auf der Grundlage harmonisierter Kriterien entschieden werden, um in allen Mitgliedstaaten dasselbe Schutzniveau zu gewährleisten . Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln soll hingegen durch die Mitgliedstaaten erfolgen , da die Pflanzenschutzmittel unterschiedlich zusammengesetzt sind und für verschiedene Pflanzen und unter variierenden Bedingungen eingesetzt werden können, sodass eine pauschale Zulassung auf Unionsebene nicht sinnvoll erscheint. 2.2. Nationale Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Ziel der PflanzenschutzVO ist nach ihrem Erwägungsgrund 9, Handelshemmnisse für Pflanzenschutzmittel zu beseitigen. Zu diesem Zweck wurde mit der PflanzenschutzVO zusätzlich zu der einheitlichen Genehmigung von Wirkstoffen auf Unionsebene ein System der Zonenzulassung (Art. 35 ff. PflanzenschutzVO) und der gegenseitigen Anerkennung (Art. 40 ff. PflanzenschutzVO) von Pflanzenschutzmitteln etabliert. Diese Systeme beruhen auf der Bestimmung sogenannter Zonen (Norden, Süden und Mitte)6, in denen im Wesentlichen ein Mitgliedstaat über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels in der gesamten Zone entscheidet. Wenn ein Hersteller die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels veranlassen will, muss er gemäß Art. 33 Abs. 1 PflanzenschutzVO in jedem Staat, in dem er sein Pflanzenschutzmittel in den Verkehr bringen möchte, einen Antrag auf Zulassung stellen. Der Antrag wird dann nach Art. 35 PflanzenschutzVO von einem Mitgliedstaat der jeweiligen Zone geprüft. Auf der Grundlage dieser Prüfung entscheidet jeder Mitgliedstaat selbst gemäß Art. 36 Abs. 2 PflanzenschutzVO über die Zulassung. Gemäß den Ausführungen der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in ihrem Guidance document zur Pflanzenschutzmittelzulassung soll dies aber keine er- 4 Bei Glyphosat geht es um die Erneuerung der Genehmigung. Das Erneuerungsverfahren für Glyphosat und andere Wirkstoffe ist speziell in der Verordnung (EU) Nr. 1141/2010 geregelt. 5 Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148 ff., 1281), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1928). 6 Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. 2009 L, 309/1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 6 neute Bewertung des Zulassungsantrags bedeuten. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten ihre Bewertung auf die besonderen nationalen Bedürfnisse beschränken.7 Wird das Pflanzenschutzmittel von der prüfenden Zulassungsbehörde einer Zone nach den Vorgaben der PflanzenschutzVO zugelassen , ist es mithin auch in den anderen Mitgliedstaaten, für die der Antrag gestellt worden ist, von den dortigen Zulassungsbehörden zuzulassen, ggf. unter Anpassung der Anwendungsbestimmungen 8 gemäß Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO (s. dazu unter 3.2.). Eine andere Zulassungsmöglichkeit für den Hersteller bietet das System der gegenseitigen Anerkennung , welches in den Art. 40 ff. PflanzenschutzVO geregelt ist. Danach kann ein Hersteller, dessen Pflanzenschutzmittel bereits in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat nach dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beantragen. Der Mitgliedstaat, dem ein solcher Antrag vorgelegt wird, erteilt nach einer Prüfung im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der Mitgliedstaat, der den Antrag bereits zuvor geprüft hat, es sei denn, er greift auf die Möglichkeit einer Sonderregelung nach Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO zurück. 3. Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Ein Pflanzenschutzmittel darf gemäß Art. 28 Abs. 1 PflanzenschutzVO nur in den Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem jeweiligen Mitgliedstaat zugelassen wurde. Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist grundsätzlich durch die Genehmigung des in ihm enthaltenen Wirkstoffs auf Unionsebene bedingt, die Erkenntnisse aus dem Genehmigungsverfahren über die Eigenschaften des Wirkstoffs sind der Pflanzenschutzmittelzulassung zu Grunde zu legen. Im Folgenden wird untersucht, welche Möglichkeiten den Mitgliedstaaten im Rahmen des Zulassungsverfahrens und darüber hinaus nach der PflanzenschutzVO offen stehen, um ein Pflanzenschutzmittel trotz einer Genehmigung des in ihm enthaltenen Wirkstoffs auf Unionsebene zu beschränken oder zu verbieten. Dafür kommen als einschlägige Normen Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO (s. unter 3.1.), Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO (s. unter 3.2.), Art. 44 Abs. 1 und 3 PflanzenschutzVO (s. unter 3.3.) sowie Art. 71 Abs. 1 PflanzenschutzVO (s. unter 3.4.) in Betracht. Es wird für jede Norm geprüft, was ihre Voraussetzungen sind und ob eine Anwendung der Norm aufgrund des Umstands, dass die IARC (International Agency for Research on Cancer) Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen einstuft, möglich ist. 7 Kommission, Guidance document on zonal evaluation and mutual recognition under Regulation (EC) No 1107/2009, SANCO/13169/2010 rev. 9, S. 14 und 16 (“Other MS [Member States] must not re-evaluate the application but shall restrict the assessment to their national requirements described under article 36(3) and national data protection”); abrufbar unter http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/approval_active_substances /docs/gd_mut_rec_en.pdf. 8 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2011, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechtes , BT-Drucksache 17/7317, S. 39. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 7 3.1. Zulassung nach Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO Art. 29 PflanzenschutzVO legt die Voraussetzungen für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels fest. Gemäß Art. 31 Abs. 2 PflanzenschutzVO werden in der Zulassung Anforderungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festgelegt. Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO sind von der nationalen Behörde anzuwenden, diefür die Zulassungsprüfung eines Pflanzenschutzmittels verantwortlich ist. 3.1.1. Voraussetzungen der Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO 3.1.1.1. Zulassungsvoraussetzungen Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO benennt die Anforderungen, die ein Pflanzenschutzmittel erfüllen muss, um zugelassen zu werden. So müssen nach Art. 29 Abs. 1 lit. a) PflanzenschutzVO beispielsweise die Wirkstoffe: Safener und Synergisten genehmigt sein, damit das Pflanzenschutzmittel zugelassen werden kann. Von Interesse für die hier vorliegende Fragestellung ist, ob es Zulassungsvoraussetzungen gibt, über welche die zuständige nationale Behörde autonom befindet. Nach Art. 29 Abs. 1 lit. e) Pflanzenschutz VO ist Voraussetzung für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, dass es unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen von Art. 4 Abs. 3 der PflanzenschutzVO erfüllt. Die Anforderungen von Art. 4 Abs. 3 lit. b) Pflanzenschutz VO sind u. a., dass Pflanzenschutzmittel keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren haben. Art. 4 Abs. 3 lit. c) und e) PflanzenschutzVO stellen die Anforderungen auf, dass das Pflanzenschutzmittel keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse und auf die Umwelt haben darf. Wenn Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat beinhalten, derartige Auswirkungen haben, dürfen sie nach Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO nicht zugelassen werden. Fraglich ist, wann derartige schädliche bzw. unannehmbare Auswirkungen vorliegen. Vorgaben hierzu finden sich in der Verordnung (EU) Nr. 546/2011.9 Diese gibt detailliert vor, unter welchen Umständen die Voraussetzungen aus Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO vorliegen oder nicht. Die Mitgliedstaaten können mithin nicht aus eigenen Erwägungen heraus schädliche Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels auf die Gesundheit von Menschen oder unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt annehmen und deswegen eine Zulassung nach Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO verweigern. Sie sind insoweit an die von der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 vorgegebenen Kriterien gebunden. Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO in der Ausgestaltung durch die Verordnung (EU) Nr. 546/2011 ermöglicht keine Neuüberprüfung des von der Kommission genehmigten Wirkstoffs , sondern nur die Kontrolle seines konkreten Einsatzes in dem jeweils zuzulassenden Pflan- 9 Verordnung (EU) Nr. 546/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, ABl. 2011, L 155/127, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:155:0127:0175:DE:PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 8 zenschutzmittel. Die Kontrolle der Pflanzenschutzmittel baut auf den Erkenntnissen des Wirkstoffgenehmigungsverfahrens auf. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eines Wirkstoffs wird z.B. nach Randnummer 3.6.1. des Anhangs II der PflanzenschutzVO die annehmbare Anwenderexposition (Acceptable Operator Exposure Level, AOEL) festgestellt. Die schädlichen Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels auf die Gesundheit von Menschen werden nach Art. 29 Abs. 1 lit. e), Art. 4 Abs. 3 lit. b) PflanzenschutzVO in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 geprüft, indem die Mitgliedstaaten kontrollieren, ob die Verwendung eines Pflanzenschutzmittels zu einer wahrscheinlich zu verzeichnenden Exposition des Anwenders gegenüber dem im Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoff führt.10 Ein Pflanzenschutzmittel ist folglich wegen schädlicher Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht zuzulassen, „wenn der Anwender bei der Handhabung und Verwendung des Pflanzenschutzmittels gemäß den vorgeschlagenen Bedingungen, einschließlich Dosis und Anwendungsmethode, einer höheren als der annehmbaren Anwenderexposition (AOEL = Acceptable Operator Exposition Level) ausgesetzt ist“.11 Die Mitgliedstaaten prüfen nach Art. 29 Abs. 1 lit. e), Art. 4 Abs. 3 lit. b) PflanzenschutzVO also nicht die grundsätzlich möglichen, schädlichen Auswirkungen eines Wirkstoffs auf die menschliche Gesundheit, sondern die konkreten Auswirkungen (insbesondere die Anwenderexposition) eines bestimmten Pflanzenschutzmittels, welches den Wirkstoff beinhaltet. Die Anforderungen des Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO an die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels können somit nicht losgelöst von dem Genehmigungsverfahren des in dem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs geprüft werden. Die Genehmigung des Wirkstoffs auf Unionsebene wirkt sich auf die Zulassung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels aus. Das folgt aus den Vorgaben des Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO i.V.m. der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 und den Erwägungsgründen der PflanzenschutzVO, welche das Ziel eines gleichen Schutzniveaus in allen Mitgliedstaaten benennen. Diesem Ziel würde eine Auslegung der Pflanzenschutz VO zuwider laufen, nach der die Mitgliedstaaten losgelöst von der Genehmigung eines Wirkstoffs auf Unionsebene über die Zulassung der ihn enthaltenden Pflanzenschutzmittel entscheiden können und dabei bezüglich des Wirkstoffs zu anderen Ergebnissen als die Kommission kommen. Im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wird nicht die Prüfung des Wirkstoffs wiederholt, sondern die Wirkungsweise des Pflanzenschutzmittels kontrolliert. Die Bindungswirkung der Genehmigungsentscheidungen wird auch bei der Lektüre von Pflanzenschutzmittelzulassungen des BVL deutlich. In der Zulassung des Pflanzenschutzmittels Agree 50 WG beispielsweise nimmt das BVL mehrfach auf die Genehmigungsentscheidung des in dem Mittel enthaltenen Wirkstoffs Bezug.12 10 2.4.1.1 des Teils B der Verordnung (EU) Nr. 546/2011. 11 2.4.1.1. des Teils C der Verordnung (EU) Nr. 546/2011. 12 BVL, Zulassungsbericht für Agree 50 WG, Antragsnummer: 007638-00/00, 12.11.2015, abrufbar unter http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/01_zulassungsberichte/007638-00- 00.pdf?__blob=publicationFile&v=3. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 9 3.1.1.2. Möglichkeit der Zulassung unter Auflagen Art. 31 PflanzenschutzVO regelt die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Pflanzenschutzmittel unter Auflagen zuzulassen. Nach Art. 31 Abs. 1 PflanzenschutzVO kann bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels festgelegt werden, bei welchen Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen und nicht-landwirtschaftlichen Bereichen (z. B. Bahnanlagen, öffentliche Bereiche, Lagerräume) und für welche Zwecke das Pflanzenschutzmittel verwendet werden darf. Gemäß Art. 31 Abs. 2 PflanzenschutzVO werden in der Zulassung die Anforderungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festgelegt. Art. 31 Abs. 4 der PflanzenschutzVO zählt mögliche Anforderungen auf, welche im Rahmen einer Zulassung festgelegt werden können. Zudem enthält Art. 31 Abs. 4 lit. a) Pflanzenschutz-VOeine Art Generalklausel, wonach Beschränkungen in Bezug auf Vertrieb und Verwendung des Pflanzenschutzmittels, die dem Schutz der Gesundheit von Menschen oder der Umwelt dienen sollen, möglich sind. Art. 31 PflanzenschutzVO ermöglicht mithin verschiedene Beschränkungen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln durch die Mitgliedstaaten. Auch im Rahmen des Art. 31 PflanzenschutzVO dürfen nach dem Sinn und Zweck der Pflanzenschutz VO bestimmte Aspekte des Wirkstoffs, die bereits im Rahmen der Wirkstoffgenehmigung untersucht worden sind, nicht neu bewertet werden. Die Auflagen nach Art. 31 Pflanzenschutz VO sollen vielmehr auf besondere Auswirkungen des jeweiligen Pflanzenschutzmittels reagieren . 3.1.2. Konsequenzen der IARC Studie Es ist zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat die Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel mit der Begründung verweigern darf, die IARC habe festgestellt, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. Nach Art. 29 PflanzenschutzVO darf eine Zulassung nicht erteilt werden, wenn das Pflanzenschutzmittel die Anforderungen von Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO nicht erfüllt. Die Gefahr, dass der im Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoff wahrscheinlich karzinogen ist, könnte zu der Annahme führen, dass die ihn enthaltenden Pflanzenschutzmittel schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren haben. Das könnte die Annahme rechtfertigen, dass die Zulassungsvoraussetzung des Art. 29 Abs. 1 lit. e), Art. 4 Abs. 3 lit. b) PflanzenschutzVO in einem solchen Fall nicht vorliegen und folglich die Zulassung nicht erteilt werden darf. Allerdings ermöglicht Art. 29 Abs. 1 lit. e) keine Neuüberprüfung eines Wirkstoffs im Hinblick auf dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Gemäß den Vorgaben in der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 überprüfen die Mitgliedstaaten im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 lit. e) in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 PflanzenschutzVO allein die Konsequenzen der Anwendung eines zugelassenen Wirkstoffs in einem bestimmten Pflanzenschutzmittel. Die Karzinogenität eines Wirkstoffs wird von der EU im Rahmen des Genehmigungsverfahrens des Wirkstoffs überprüft und wird folglich nicht mehr auf Ebene der Mitgliedstaaten im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geprüft. Die Mitgliedstaaten prüfen im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 Pflanzenschutz VO grundsätzlich Fragen, die im Rahmen der Genehmigung des Wirkstoffs noch nicht geklärt worden sind. Mithin ist die IARC-Studie für die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat auf Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 10 Unionsebene von Bedeutung, aber nicht gesondert für die Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln nach Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO. Außerdem sind Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO von den nationalen Behörden nur anzuwenden , wenn diese für die Zulassungsprüfung eines Pflanzenschutzmittels verantwortlich sind. Solange keine Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln in Deutschland beantragt wird, kommt eine Anwendung von Art. 29 bzw. 31 PflanzenschutzVO nicht in Betracht. 3.2. Zulassungsauflagen und Zulassungsverbot nach Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO Grundsätzlich entscheidet der mit der Zulassungsprüfung innerhalb einer Zone gemäß Art. 35 PflanzenschutzVO beauftragte Mitgliedstaat über die Zulassung bzw. Zulassungsbeschränkungen nach Art. 29 und 31 PflanzenschutzVO. Art. 36 Abs. 3 der PflanzenschutzVO eröffnet sowohl im Zulassungsverfahren gemäß Art. 33 PflanzenschutzVO als auch im Rahmen des Systems der gegenseitigen Anerkennung (s. den Verweis in Art. 41 Abs. 1 PflanzenschutzVO) den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, voneinander abweichende Zulassungsentscheidungen zu treffen. Nach Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eigene nationale Zulassungsbedingungen festzulegen und, wenn dies als Schutzmaßnahme nicht genügt, die Zulassung zu verweigern. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung des deutschen Pflanzenschutzgesetzes an die Unionsvorgaben steht dementsprechend in der Begründung: „Wird das Pflanzenschutzmittel von der prüfenden Zulassungsbehörde nach den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zugelassen, ist es auch in den anderen Ländern, für die der Antrag gestellt worden ist, von den dortigen Zulassungsbehörden zuzulassen, ggf. unter Anpassung der Anwendungsbestimmungen.“13 Im Folgenden werden zunächst die zwei Möglichkeiten des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO dargestellt , eine Zulassung mit Verwendungsbestimmungen zu erlassen (3.2.1.) oder eine Zulassung zu verweigern (3.2.2.). Anschließend wird die Bedeutung der IARC-Studie für eine Anwendung von Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO geprüft (3.2.3.). 3.2.1. Voraussetzungen von Verwendungsbestimmungen Bei der Entscheidung über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels kann die innerhalb einer Zone zuständige Behörde nach Art. 31 PflanzenschutzVO verschiedene Auflagen für das Inverkehrbringen und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festlegen. Art. 36 Abs. 3 UAbs. 1 PflanzenschutzVO ermöglicht den Mitgliedstaaten in Fällen, in denen ein anderer Mitgliedstaat der Zone für die Zulassungsprüfung verantwortlich ist, eigene Zulassungsvoraussetzungen festzulegen . Nach Art. 36 Abs. 3 UAbs. 1 können die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Unionsrechts Zulassungsbedingungen und andere Maßnahmen zur Risikominderung in Abweichung von der Entscheidung des für die Zulassungsprüfung verantwortlichen Staates festlegen. Die Voraussetzungen dieser Möglichkeit lassen sich aufgrund der mehrdeutigen Formulierung des Unterabsatz nicht abschließend bestimmen. Es steht dort: „Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des 13 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2011, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechts , BT-Drucksache 17/7317, S. 39. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 11 Gemeinschaftsrechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden.“ Es ist nicht klar, ob sich auch die Zulassungsbedingungen nach Art. 31 Abs. 3 und 4 oder nur die anderen Maßnahmen zur Risikominderung aus den spezifischen Verwendungsbedingungen des Mitgliedstaats ergeben müssen . Folglich kann nicht sicher entschieden werden, ob die Festlegung nationaler Verwendungsbestimmungen spezifische Verwendungsbedingungen im jeweiligen Mitgliedstaat voraussetzt. Dafür sprechen die nachfolgenden Ausführungen zu den Verbotsvoraussetzungen (s. unten unter 3.2.2.). 3.2.2. Voraussetzungen eines Verbots Art. 36 Abs. 3 UAbs. 2 der PflanzenschutzVO sieht eine Möglichkeit für Mitgliedstaaten vor, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht nur zu begrenzen, sondern sogar zu verweigern, wenn für den Mitgliedstaat angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt und dieses Risiko nicht durch Verwendungsbestimmungen ausgeräumt werden kann. Entscheidend für die Möglichkeit eines nationalen Verbots ist das Verständnis des Begriffs „spezifisch“ in § 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO. Es gibt hierzu bisher noch keine Rechtsprechung, sodass im Folgenden eine Auslegung nach den juristischen Auslegungsgrundsätzen vorgenommen wird. 3.2.2.1. Wortlautauslegung Die Auslegung nach dem Wortlaut legt nahe, dass in dem jeweiligen Mitgliedstaat ökologische und landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen müssen, die ihn von anderen Mitgliedstaaten unterscheiden . Nur in diesen Fällen gebietet die spezifische Situation eine Abweichung von der allgemeinen Zulassungspraxis. 3.2.2.2. Historische Auslegung Auch Ausführungen zu Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO im Rechtsetzungsverfahren können als Argument für die Ansicht herangezogen werden, dass nationale Verwendungsbestimmungen gemäß Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO bestimmter äußerer Faktoren bedürfen, welche die Situation im jeweiligen Mitgliedstaat von der anderer Staaten unterscheidet. In ihrer Folgenabschätzung zu Beginn des Rechtsetzungsverfahrens ist die Kommission zu dem Schluss gekommen: „It is proposed that mutual recognition becomes the norm and that Member States within a zone could only amend the authorisations in accordance with already existing legislation on the protection of the health of distributors, users or workers.“14 Das Europäische Parlament forderte in seiner ersten Lesung eine stärkere Berücksichtigung nationaler Besonderheiten und ergänzte die PflanzenschutzVO in Bezug auf das Zonenzulassungssystem in Art. 37 14 Kommission, Staff Working document – report on the impact assessment for a regulation replacing directive 91/414/EEC on plant protection products, SANCO/10273/2006 Rev. 5, abrufbar unter http://ec.europa .eu/food/plant/pesticides/legislation/docs/report_impact_assessment_2006_en.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 12 um die Möglichkeit nationaler Ausnahmen und in Art. 42 um eine entsprechende Möglichkeit der Mitgliedstaaten im Anerkennungsverfahren.15 Die Kommission hat den Änderungsvorschlägen des Parlaments widersprochen, da sie in diesen eine Ablehnung des Systems der Zulassungszonen für Pflanzenschutzmittel und der obligatorischen gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen innerhalb einer Zone sah. Die Kommission wollte zur Erreichung der Harmonisierungsziele festlegen, dass die Mitgliedstaaten „nur beim Schutz der Arbeitnehmer strengere nationale Maßnahmen erlassen [können], da das EU-Recht auf diesem Gebiet nur eine Mindestharmonisierung schafft.“16 Im anschließend erstellten Gemeinsamen Standpunkt des Rates findet sich in Art. 36 Abs. 3 die Möglichkeit einer nationalen Zulassungsausnahme.17 Die Kommission erklärte dazu, dass an der obligatorischen gegenseitigen Anerkennung festgehalten werde, aber durch eine Ausnahmeregelung eine Anpassung an lokale Bedingungen sowie in Ausnahmefällen die Verweigerung – seitens der Mitgliedstaaten – aufgrund spezifischer und begründeter Risiken für Gesundheit oder Umwelt, die anders nicht ausgeschlossen werden können, erlaubt werden solle.18 Die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe verständigen sich schlussendlich auf die jetzige Formulierung des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO. Die Entwicklung zeigt deutlich das Bestreben der Kommission, eine Harmonisierung der Pflanzenschutzmittelzulassung in der Union nicht durch Sonderrechte der Mitgliedstaaten zu gefährden. Der Blick auf die Rechtsentwicklung legt daher den Schluss nahe, dass nur faktische Besonderheiten eines Mitgliedstaats ein nationales Verbot eines in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Pflanzenschutzmittels rechtfertigen können. 3.2.2.3. Teleologische und systematische Auslegung Für die Auslegung des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO nach teleologischen Gesichtspunkten können die Erwägungsgründe der PflanzenschutzVO herangezogen werden. In Erwägungsgrund 29 steht: „Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder wo das in dieser Verordnung vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann.“ Nach diesen Ausführungen kann sowohl die Tatsache 15 Europäisches Parlament, Protokoll 23. Oktober 2007, ABl. 2008, C 263E, S. 18–246. 16 Kommission, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, KOM(2008) 93 endgültig, S. 7, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52008PC0093&qid=1466509394055&from=DE. 17 Rat, Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 15. September 2008 im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, Ratsdokumentennummer: 11119/8/08 REV. 8. 18 Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag zum gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, KOM(2008) 578 endgültig, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52008PC0578&qid=1466509520569&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 13 besonderer ökologischer und landwirtschaftlicher Gegebenheiten eine Abweichung von der allgemeinen Zulassung rechtfertigen, als auch Fälle, in denen andernfalls das von der Pflanzenschutz VO vorgegebene Schutzniveau nicht erreicht werden kann. Das Wort „oder“ bezeichnet grundsätzlich ein Alternativverhältnis. Fraglich ist, ob die Bezugnahme auf das in der PflanzenschutzVO vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt voraussetzt, dass bei einem Einsatz des jeweiligen Pflanzenschutzmittels das Schutzniveau im betreffenden Mitgliedstaat unter das Schutzniveau in den anderen Staaten derselben Zone sinken würde oder ob es genügt , dass der Mitgliedstaat ein hohes Schutzniveau anstrebt und daher die Zulassung eines Mittels verweigert. Der Wortlaut des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO und das angestrebte Ziel einer Harmonisierung der Pflanzenschutzmittelzulassung in den Mitgliedstaaten sprechen für die erste Auslegungsvariante, d.h. eine eigenständige Schutzpolitik des Mitgliedstaaten allein genügt nicht, sondern es müssen besondere äußere Umstände hinzukommen, die einen nationalen Sonderweg rechtfertigen. Für die zweite Auslegungsvariante spricht das Ziel der PflanzenschutzVO, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt zu gewährleisten . Die Bedeutung dieses Ziels könnte nationale Sonderwege zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt rechtfertigen. Außer diesem Ziel finden sich aber keine weiteren Gründe für ein weites Verständnis des nationalen Abweichungsrechts in Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO. Randnummer C.2.1. des Teils II des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 546/2011, welche die Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln festlegt, besagt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei Entscheidungen über die Gewährung von Zulassungen den Bedingungen im vorgeschlagenen Verwendungsgebiet in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzengesundheit oder Umwelt (einschließlich Klima) Rechnung getragen wird. Erwägungen dieser Art können spezifische Verwendungsbedingungen und Verwendungsbeschränkungen nach sich ziehen und dazu führen, dass eine Zulassung nur für bestimmte, jedoch nicht alle Gebiete des betreffenden Mitgliedstaats erteilt wird.“19 Auch nach den Vorgaben der Durchführungsverordnung sind mithin allein äußere Umstände wie Landwirtschaft und Klima entscheidend für die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, gesondert Verwendungsbeschränkungen festzulegen. 3.2.2.4. Zwischenergebnis Der Wortlaut, der historische Hintergrund des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO sowie teleologische und systematische Erwägungen sprechen für eine Beschränkung der Abweichungsmöglichkeit nach Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO – insbesondere bezüglich der Verbotsmöglichkeit – auf Fälle, in denen diese den faktischen Besonderheiten in einem Mitgliedstaat geschuldet sind. 19 Verordnung (EU) Nr. 546/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, ABl. 2011, L 155/127, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0546&qid=1439391698836&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 14 3.2.3. Konsequenzen der IARC-Studie Fraglich ist, inwiefern eine Inanspruchnahme des Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO angesichts der Ergebnisse der IARC-Studie möglich wäre. Es sprechen gute Argumente dafür, dass Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO Abweichungen der Mitgliedstaaten von der Zulassungspraxis in ihrer Zone nur ermöglicht, wenn diese Abweichungen durch besondere Umstände in ihrem Staatsgebiet angezeigt sind. Die Studie des IARC gilt nicht speziell für die Situation in Deutschland, sondern betrifft die Karziogenität von Glyphosat allgemein und gilt daher für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen. Folglich ließe sich ein individuelles Vorgehen Deutschlands nach Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO nur schwer mit der IARC-Studie rechtfertigen. Die Zulassungsbeschränkungen und die Zulassungsverweigerung nach Art. 36 Abs. 3 Pflanzenschutz VO können zudem von den Mitgliedstaaten nur im Moment der Zulassungsentscheidung erlassen werden. Art. 37 Abs. 4 der PflanzenschutzVO bestimmt für das Zonensystem, dass andere Mitgliedstaaten als der mit der Zulassungsprüfung befasste Mitgliedstaat „innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung durch den den Antrag prüfenden Mitgliedstaat über den Antrag gemäß Artikel 36 Absätze 2 und 3“ entscheiden . Daraus folgt, dass die Entscheidung, ein Pflanzenschutzmittel in einem Mitgliedstaat vollständig zu verbieten oder durch nationale Maßnahmen zur Risikominderung einzuschränken, grundsätzlich nur in einem Zeitraum von 120 Tagen nach der Zulassung des Mittels in dem für die Prüfung verantwortlichen Mitgliedstaat möglich ist. Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO kommt daher nur im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zur Anwendung. Für die Situation , dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse eine bereits erteilte Zulassung in Frage stellen, bietet Art. 44 der PflanzenschutzVO den Mitgliedstaaten Handlungsmöglichkeiten (dazu weiter unten unter 3.3.). 3.3. Aufhebung einer Zulassung nach Art. 44 der PflanzenschutzVO Die Art. 29 ff. PflanzenschutzVO regeln die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, ein Pflanzenschutzmittel nicht oder nur beschränkt zuzulassen. Art. 44 PflanzenschutzVO regelt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Zulassung nachträglich zu beschränken oder aufzuheben. Art. 44 Abs. 3 PflanzenschutzVO benennt die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat die Zulassung aufheben oder ändern muss. Art. 44 Abs. 1 PflanzenschutzVO benennt die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat eine Zulassung ändern kann. In Deutschland wurde die Anwendung dieser Norm in § 39 PflSchG geregelt. Nach § 39 Abs. 1 PflSchG ist eine Zulassung zu widerrufen , wenn die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 3 lit. a), c) oder e) PflanzenschutzVO vorliegen und nach § 39 Abs. 2 PflSchG kann eine Zulassung widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 1 oder Abs. 3 lit. d) PflanzenschutzVO erfüllt sind. Im Folgenden werden die Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 1 und 3 PflanzenschutzVO bzw. § 39 PflSchG (3.3.1.) und die Bedeutung der IARC-Studie für die Inanspruchnahme von Art. 44 PflanzenschutzVO bezüglich glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel (3.3.2.) geprüft. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 15 3.3.1. Voraussetzungen 3.3.1.1. Vorgehen nach § 39 Abs. 1 PflSchG Eine Zulassung muss nach § 39 Abs. 1 PflSchG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 lit. a) und Art. 29 der Pflanzenschutz VO aufgehoben werden, wenn die Zulassungsanforderungen nach Art. 29 Pflanzenschutz VO nicht oder nicht mehr erfüllt sind. Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO setzt für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels insbesondere voraus, dass seine Wirkstoffe, Safener und Synergisten genehmigt sind und die Genehmigungsanforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 erfüllt sind (s. oben die Ausführungen unter 3.1.). 3.3.1.2. Vorgehen nach § 39 Abs. 2 PflSchG Nach § 39 Abs. 2 PflSchG i.V.m. Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 lit. d) PflanzenschutzVO kann das BVL eine Zulassung aufheben, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine Anforderung aus Art. 29 PflanzenschutzVO durch das Pflanzenschutzmittel nicht mehr erfüllt ist oder nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen die Art der Verwendung und die verwendeten Mengen geändert werden können. § 39 Abs. 2 PflSchG stellt diese Entscheidung in das Ermessen der Behörde. Ausweislich des Wortlauts muss die Behörde nicht handeln, sie „kann“ handeln. 3.3.2. Konsequenzen der IARC Studie Ebenso wie bei den bereits diskutierten Normen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln stellt sich die Frage, ob ein nachträgliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel angesichts der Ergebnisse der IARC-Studie, wonach Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist, möglich ist. 3.3.2.1. Vorgehen nach § 39 Abs. 1 PflSchG Nach § 39 Abs. 1 PflSchG muss das BVL eine Zulassung aufheben, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 PflanzenschutzVO durch das Pflanzenschutzmittel nicht mehr erfüllt werden, eine in der Zulassung enthaltene Bedingung nicht erfüllt wird oder der Zulassungsinhaber seine Verpflichtungen aufgrund der PflanzenschutzVO nicht erfüllt. Wenn auf Unionsebene der Wirkstoff Glyphosat erneut genehmigt bzw. seine Genehmigung verlängert wird, dürfte es auf Ebene der Mitgliedstaaten schwer zu begründen sein, dass aufgrund bestimmter Eigenschaften des Wirkstoffs die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO nicht vorliegen.20 3.3.2.2. Vorgehen nach § 39 Abs. 2 PflSchG Gemäß § 39 Abs. 2 PflSchG kann das BVL bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Anzeichen dafür, dass die Voraussetzungen des Art. 29 PflanzenschutzVO nicht erfüllt werden, die 20 Vgl. zu dem Verhältnis von Wirkstoffgenehmigung und Pflanzenschutzmittelzulassung nach Art. 29 Abs. 1 PflanzenschutzVO die Ausführungen unter 3.1.1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 16 Zulassung widerrufen. Nach Art. 44 Abs. 1 PflanzenschutzVO können Mitgliedstaaten eine Zulassung ändern, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine Anforderung gemäß Art. 29 Pflanzenschutz VO nicht mehr erfüllt ist. Das BVL hat insoweit einen Ermessensspielraum.21 Wie oben festgestellt, ist es aufgrund des Verhältnisses von Wirkstoffgenehmigung und der Pflanzenschutzmittelzulassung schwer zu begründen, warum die IARC-Studie Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Voraussetzungen von Art. 29 Abs. 1 lit. e), Art. 4 Abs. 3 lit. b) und e) Pflanzenschutz VO nicht erfüllt sind, wenn der Wirkstoff Glyphosat auf Unionsebene erneut genehmigt bzw. seine Genehmigung verlängert worden ist. Das Ziel einer Harmonisierung der Pflanzenschutzmittelzulassung in der Union spricht gegen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, aufgrund von Tatsachen bezüglich Wirkstoffeigenschaften, die auf Unionsebene der Genehmigung des Wirkstoffs nicht entgegenstanden, die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels aufzuheben. 3.4. Notfallmaßnahmen nach Art. 69 ff. PflanzenschutzVO Die Art. 69 ff. PflanzenschutzVO ermöglichen sogenannte Notfallmaßnahmen. Wenn davon auszugehen ist, dass ein genehmigter Wirkstoff oder ein Pflanzenschutzmittel, das gemäß der PflanzenschutzVO zugelassen wurde, wahrscheinlich ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt und dass diesem Risiko durch Maßnahmen, die der betreffende Mitgliedstaat oder die betreffenden Mitgliedstaaten getroffen hat bzw. haben, nicht auf zufrieden stellende Weise begegnet werden kann, sieht Art. 69 Pflanzenschutz VO vor, dass die Kommission von sich aus oder auf Verlangen eines Mitgliedstaats unverzüglich Maßnahmen zur Einschränkung oder zum Verbot der Verwendung und/oder des Verkaufs dieses Stoffs oder Produkts trifft. In extremen Notfällen kann die Kommission gemäß Art. 70 PflanzenschutzVO vorläufig Notfallmaßnahmen treffen. Wenn ein Mitgliedstaat die Kommission offiziell über die Notwendigkeit von Notfallmaßnahmen unterrichtet hat und die Kommission nicht gemäß Art. 69 oder 70 PflanzenschutzVO handelt, so kann der Mitgliedstaat nach Art. 71 PflanzenschutzVO vorläufige Schutzmaßnahmen ergreifen. Fraglich ist, ob die Studie des IARC den Schluss erlaubt, dass Glyphosat ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt und dass diesem Risiko durch Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten getroffen haben, nicht auf zufrieden stellende Weise begegnet werden kann. Dagegen spräche eine Genehmigung von Glyphosat auf Unionseben nach der Veröffentlichung der IARC-Studie. Wenn ein solches Risiko von der Bundesregierung dennoch bejaht würde, müsste sie die Kommission unterrichten und entsprechende Maßnahmen auf Unionsebene verlangen. Erst wenn dieses Bemühen erfolglos bleibt, dürfte Deutschland nach Art. 71 PflanzenschutzVO selbständig Schutzmaßnahmen ergreifen. 4. Fazit Die PflanzenschutzVO beinhaltet verschiedene Möglichkeiten der Mitgliedstaaten bzw. ihrer Behörden , Pflanzenschutzmittel nicht zuzulassen, eine Zulassung zu beschränken oder eine beste- 21 Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 201. EgL Januar 2015; § 39 PflSchG, Rn. 1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 89/16 Seite 17 hende Zulassung aufzuheben. Die Mitgliedstaaten können zur Begründung derartiger Maßnahmen allerdings nicht auf die IARC-Studie zur Karzinogenität von Glyphosat zurückzugreifen. Denn die Karzinogenität von Glyphosat wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens des Wirkstoffs Glyphosat auf Unionsebene geprüft und kann daher nicht mehr im Rahmen der nationalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, welche Glyphosat beinhalten, geprüft und neu bewertet werden. In dem Zulassungsverfahren nach Art. 28 ff. PflanzenschutzVO wird das Pflanzenschutzmittel geprüft. In diesem Rahmen werden andere Aspekte als jene, welche bereits im Rahmen der Wirkstoffgenehmigung geprüft worden sind, von den Mitgliedstaaten untersucht. Es werden Schäden, welche das Pflanzenschutzmittel verursacht, nach Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO berücksichtigt und es können spezifische nationale Verwendungsbedingungen in die Prüfung einbezogen werden, welche möglicherweise gemäß Art. 36 Abs. 3 PflanzenschutzVO der Zulassung des Pflanzenschutzmittels entgegenstehen oder bestimmte Auflagen erfordern. Die Frage, ob glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel Schäden verursachen, die einer Zulassung nach Art. 29 Abs. 1 lit. e) PflanzenschutzVO entgegenstehen, oder spezifische nationale Verwendungsbedingungen existieren, die einer Zulassung entgegenstehen, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht geklärt werden. – Fachbereich Europa –