© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 87/16 Bestimmungen über den Marktzugang Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 2 Bestimmungen über den Marktzugang Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 87/16 Abschluss der Arbeit: 20. Juni 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Regelungsgehalt von Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 5 3. Ratifizierung „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“ 6 4. Vereinbarkeit der den AKP-Staaten gesetzten Frist mit Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 7 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 4 1. Fragestellung Zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) andererseits wurde am 23. Juni 2000 in Cotonou ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet,1 welches erstmals am 25. Juni 2005 in Luxemburg2 und zum zweiten Mal am 23. Juni 2010 in Ouagadougou3 geändert wurde (AKP-Abkommen). In den „Bestimmungen über den Marktzugang“ (Market Access Regulation) der Verordnung (EG) Nr. 1528/20074 (WPA-Durchführungsverordnung, im Folgenden: VO 1528/2007) ist eine Ratifizierung „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“ vorgesehen. Diesbezüglich stellt sich die Frage nach dem angemessenen Zeitraum. Nachdem die EU eine erste Frist für den 1. Oktober 2014 gesetzt hatte, hat sie nunmehr den 1. Oktober 2016 als neue Frist für den Abschluss der nationalen Ratifikationsprozesse festgesetzt. Wird diese Frist nicht eingehalten, droht die EU mit dem Entzug der einseitigen Handelspräferenzen. Dies hätte insbesondere auf die Länder Auswirkungen , die weder unter die „Alles-außer-Waffen“-Initiative5 fallen, noch unter das allgemeine Präferenzsystem (APS/APS+)6 fallen und damit ihren zollfreien Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren würden. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Ausarbeitung mit Fragen des Markzugangs im Rahmen von WPA der EU mit bestimmten AKP-Staaten auseinander. Hierbei geht die Ausarbeitung zunächst auf die Definition des Begriffs des angemessenen Zeitraums gemäß Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 ein. Auf dieser Grundlage wird erörtert, inwiefern die von der EU für den Abschluss 1 ABl. EG L 317 vom 15. Dezember 2000, S. 3, vgl. hierzu den Bericht des AKP-EU-Ministerrats an die Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU über die Durchführung des AKP-EU-Partnerschaftsabkommens im Jahr 2015, ACP-UE 2112/16 vom 13. April 2016, abrufbar unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox /dokumentInhalt?id=135880. 2 Abkommen zur Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000, ABl. EU L 209 vom 11. August 2005, S. 27. 3 ABl. L 287 vom 4. November 2010, S. 3, vgl. für ein Interimsabkommen zur Festlegung eines Rahmens für ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Interims-WPA) den Beschluss 2012/196/EG des Rates vom 13. Juli 2009 über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Interimsabkommens zur Festlegung eines Rahmens für ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Staaten des östlichen und des südlichen Afrika einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl. L 111 vom 24. April 2012, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2012:111:FULL&from=EN. 4 Verordnung (EG) Nr. 1528/2007 des Rates vom 20. Dezember 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu den Regelungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen oder der zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen führenden Abkommen für Waren mit Ursprung in bestimmten Staaten, die zur Gruppe der Staaten Afrikas, des karibischen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP) gehören, ABl. L 348, 31. Dezember 2007, S.1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02007R1528- 20141225&qid=1465801619846&from=DE. 5 Vgl. hierzu http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/october/tradoc_152839.pdf. 6 Vgl. hierzu http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/october/tradoc_150025.pdf sowie http://trade.ec.europa .eu/doclib/docs/2016/january/tradoc_154180.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 5 der nationalen Ratifikationsprozesse in den AKP-Staaten gesetzte Frist vom 1. Oktober 2016 mit den Marktzugangsbestimmungen der VO 1528/2007 in Einklang steht. 2. Regelungsgehalt von Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 Mit der VO 1528/2007 wird der zoll- und kontingentfreie EU-Marktzugang für Einfuhren aus 36 AKP-Staaten geregelt, die mit der EU WPA ausgehandelt haben. Die VO 1528/2007 stellt eine Übergangslösung für diejenigen Länder dar, die die Verhandlungen über Interims-WPA abgeschlossen , diese aber noch nicht ratifiziert haben. Zur Vermeidung von Handelsstörungen nimmt die Verordnung den von der EU in diesen Abkommen gewährten zoll- und kontingentfreien Marktzugang vorweg, während die betroffenen Länder auf die Ratifizierung hinarbeiten. Dementsprechend werden auf Grundlage der VO 1528/2007 für Waren mit Ursprung in bestimmten AKP-Staaten die Regelungen angewendet, die in WPA bzw. die zu WPA führenden Abkommen vorgesehen sind. In Anhang I der VO 1528/2007 ist die Liste der im Rahmen der EU-Regelung über zoll- und kontingentfreien Marktzugang für Einfuhren begünstigten Länder festgelegt. In Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 ist vorgesehen, dass diejenigen Staaten bzw. Regionen durch einen delegierten Rechtsakt der Kommission (Art. 2a und 2b VO 1528/2007) von der Liste in Anhang I VO 1528/2007 gestrichen werden können, wenn „die Ratifizierung des Abkommens, das die Aufnahme der Region oder des Staates in Anhang I ermöglicht hat, nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt ist, so dass das Inkrafttreten des Abkommens über Gebühr verzögert wird“. Nimmt ein AKP- Staat nicht die für die Ratifizierung seines (Interims-)WPA erforderlichen Schritte vor, so erfüllt er nicht mehr die Bedingungen der Marktzugangsverordnung für die vorgezogene vorläufige Anwendung der Handelspräferenzen, die ihm mit Wirkung vom 1. Januar 2008 im Vorgriff auf die Ratifizierung eines WPA zuerkannt wurde. Nach den Kriterien des Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 soll die dem betreffenden Staat gewährten Handelspräferenzen nicht mehr aufrechterhalten werden. Sollten die aus Anhang I der VO 1528/2007 gestrichenen Länder die erforderlichen Schritte in Hinblick auf eine Ratifizierung eines WPA ergreifen, so könnten sie weiterhin die jeweiligen Handelspräferenzen in Anspruch nehmen und zur Wahrung des ihnen gewährten Marktzugangs baldmöglichst wieder in den Anhang aufgenommen werden. Mit der Verordnung (EU) Nr. 527/2013 (VO 527/2013)7 wurde die Regelung für den Marktzugang für diejenigen Länder, die die für die Ratifizierung der mit der EU geschlossenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen erforderlichen Schritte nicht ergriffen haben, aufgehoben, indem diese Länder aus Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1528/2007 gestrichen wurden. Um sicherzustellen, dass diese Länder schnell wieder in Anhang I VO 1528/2007 aufgenommen werden können, sobald sie die erforderlichen Schritte zur Ratifizierung ihrer jeweiligen Abkommen ergriffen haben, wurde die Kommission bis zu deren Inkrafttreten ermächtigt, Rechtsakte nach Art. 290 AEUV zu 7 Verordnung (EU) Nr. 527/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1528/2007 des Rates hinsichtlich der Streichung einiger Länder von der Liste der Regionen oder Staaten, die Verhandlungen abgeschlossen haben, ABl. L 165 vom 18. Juni 2013, S. 59, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0527&qid=1466428119003&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 6 erlassen. Dabei gelten die einschlägigen Artikel 2a und 2b der Verordnung (EU) Nr. 527/2013 erst ab dem 1. Oktober 2014. Eine insoweit unveränderte Neufassung der VO 1528/2007 wurde am 26. Mai 2016 im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen.8 3. Ratifizierung „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“ Weder in der VO 1528/2007 selbst, noch in den vorbereitenden Texten sind Hinweise auf eine konkrete Auslegung des Kriteriums „angemessener Zeitraum“ ersichtlich. Jedoch ergibt sich im Hinblick auf die Anwendung der Marktzugangsregeln aus dem 5. Erwägungsgrund der VO 1528/2007, dass die Regelungen der VO 1528/2007 gänzlich oder teilweise zu beenden sind, wenn die fraglichen Abkommen nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums in Kraft treten nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜV).9 In Art. 93 AKP-Abkommen ist das Erfordernis der Ratifikation bzw. Genehmigung des AKP-Abkommens durch die Vertragsparteien vorgesehen. Dementsprechend bezieht sich die erforderliche Handlung auf eine Zustimmung zum Vertrag durch Ratifikation im Sinne von Art. 14 WÜV. Zur angemessenen Dauer des innerstaatlichen Ratifikationsverfahrens enthält das WÜV keine Vorgaben. Insoweit liegt eine Auslegung des betreffenden Vertrages „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes“ (Art. 31 WÜV) nahe. Danach ergibt sich aus Art. 93 Abs. 3 AKP-Abkommen, dass das Abkommen zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Hinterlegung einer ausreichenden Anzahl von Ratifikationsurkunden in Kraft 8 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Durchführungsbestimmungen zu den Regelungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen oder der zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen führenden Abkommen für Waren mit Ursprung in bestimmten Staaten, die zur Gruppe der Staaten Afrikas, des karibischen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP) gehören (Neufassung), KOM(2015) 282 endg. vom 10. Juni 2015, vgl. hierzu die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. April 2016 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Durchführungsbestimmungen zu den Regelungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen oder der zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen führenden Abkommen für Waren mit Ursprung in bestimmten Staaten, die zur Gruppe der Staaten Afrikas, des karibischen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP) gehören (Neufassung) (COM(2015)0282 – C8- 0154/2015 – 2015/0128(COD)), P8_TA-PROV(2016)0094; zur Annahme des EP-Standpunkts in 1. Lesung durch den Rat am 26. Mai 2016 vgl. Rats-Dok. 9444/16, Neufassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CONSIL:PE_6_2016_REV_1&from=DE. 9 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II S. 926. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 87/16 Seite 7 tritt.10 Die AKP-Unterzeichnerstaaten, die die in Art. 83 Abs. 1 und 2 AKP-Abkommen vorgesehene Verfahren bis zu dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens nicht abgeschlossen haben, konnten das Verfahren grundsätzlich nur innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten zum Abschluss bringen. Dies spricht dafür, dass die betreffenden Staaten das Ratifikationsverfahren jedenfalls aktiv betreiben müssen. Zudem dient das AKP-Abkommen der Aushandlung regionaler Wirtschaftspartnerschaftsabkommen , um den Handel zu liberalisieren.11 Vor diesem Hintergrund zielt die durch die VO 1528/2007 gewährte Marktzugangsöffnung darauf ab, die AKP-Staaten bereits vor einem Inkrafttreten des jeweiligen Abkommens zu fördern. Hierbei war die Verordnung als eine provisorische Lösung, nicht als ein dauerhaftes Instrument konzipiert. Ausgehend von dem Sinn und Zweck der VO 1528/2007 im Kontext des AKP-Abkommens bestand nach Ansicht der Kommission bereits in den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten der VO 1528/2007 ein ausreichender Zeitrahmen für die Ratifizierung durch die AKP-Staaten bzw. für weitere Verhandlungen.12 Dies lässt darauf schließen, dass bei der Definition des Begriffs „angemessener Zeitraum“ von einer Dauer ausgegangen werden kann, in der mit den erforderlichen Schritt regelmäßig eine Ratifikation erfolgen kann. 4. Vereinbarkeit der den AKP-Staaten gesetzten Frist mit Art. 2 Abs. 3 lit. b) VO 1528/2007 Vor dem Hintergrund des oben dargestellten Regelungsgehalts der VO 1528/2007, den die VO 527/2013 tragenden Gründen sowie den Erwägungen des Unionsgesetzgebers bei der Neufassung der VO 1528/2007 stellt sich eine Fristsetzung als grundsätzlich mit den Marktzugangsbestimmungen der VO 1528/2007 vereinbar dar. - Fachbereich Europa - 10 Vgl. hierzu die Unterrichtung über das Datum des Inkrafttretens des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens von Cotonou, ABl. L 83 vom 1. April 2003, S. 69, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22003X0401(01)&from=DE; Mitteilung über die vorläufige Anwendung des Abkommens zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geändert in Luxemburg am 25. Juni 2005, ABl. L 13 vom 18. Januar 2011, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22011X0118(01)&from=DE. 11 Erklärung XXIII zur Schlussakte des AKP-Abkommens, Gemeinsame Erklärung zum Marktzugang im Rahmen der AKP-EG-Partnerschaft, ABl. EG 2000, L 317, S. 345. 12 Vgl. COM(2014) 5214 final vom 25. Juli 2014, S. 2.