Deutscher Bundestag Fragen zur EU-Kompetenz für die Ausweisung der Ostsee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid (NECA) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 87/13 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 2 Fragen zur EU-Kompetenz für die Ausweisung der Ostsee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid (NECA) Aktenzeichen: PE 6 – 3000 – 87/13 Abschluss der Arbeit: 29.08.2013 Fachbereich: PE 6: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Hintergründe 6 2.1. IMO und MARPOL 6 2.2. Helsinki-Übereinkommen und HELCOM 8 3. EU-Kompetenzen zur Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der Einrichtung von NECA-Zonen 8 3.1. Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der HELCOM 9 3.1.1. Rechtsqualität des Beschlusses bezüglich der HELCOM 9 3.1.2. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage 9 3.1.2.1. Enge Auslegung des Begriffs der Rechtswirksamkeit 10 3.1.2.2. Weite Auslegung des Begriffs der Rechtswirksamkeit 10 3.1.2.3. Bewertung 11 3.1.2.4. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage im konkreten Fall 13 3.1.3. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage 14 3.1.3.1. Regelungsgehalt des Art. 191 AEUV 14 3.1.3.2. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage im konkreten Fall 16 3.1.4. Zwischenergebnis 17 3.2. Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der IMO 17 3.2.1. Rechtsqualität des Beschlusses bezüglich der IMO 17 3.2.2. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage 17 3.2.2.1. Weite Auslegung eines Handelns „im Namen der Union“ 18 3.2.2.2. Enge Auslegung eines Handelns „im Namen der Union“ 18 3.2.2.3. Bewertung und Zwischenergebnis 19 3.2.3. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage 20 3.2.4. Zwischenergebnis 22 3.3. Zusammenfassung der Ergebnisse 22 4. Abgrenzung zu der Einrichtung von SECA-Zonen 23 5. Alternativen zum bestehenden Regelungsvorschlag 24 6. Vergleich einer Einrichtung von NECA-Zonen durch die EU und durch internationale Regelungen 24 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 4 1. Einleitung Die Eindämmung der durch die Seeschifffahrt verursachten Emissionen ist Gegenstand von europäischen und internationalen Regulierungsanstrengungen. Auf internationaler Ebene sieht das im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organisation , IMO)1 geschaffene Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL2) in Anhang VI die Möglichkeit vor, zur Verringerung der Luftverschmutzung durch Schiffe Emissionsüberwachungsgebiete auf Antrag der Anrainerstaaten der betreffenden Gebiete auszuweisen. Im Jahr 2010 beschloss das Ministertreffen des Übereinkommens von Helsinki über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (Helsinki-Ü3), die Ausweisung eines solchen Emissionsüberwachungsgebietes für Stickstoffoxid (Nitrogen Oxide Emissions Control Area, NECA) für die Ostsee ab dem Jahr 2016 bei der hierfür zuständigen IMO zu beantragen.4 Im Rahmen der Vorbereitung des NECA-Antrages hat die durch Art. 19 Helsinki-Ü eingerichtete Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (HELCOM) eine umfassende Analyse der Stickstoffoxidemissionen von Schiffen in der Ostsee und ihrer Auswirkungen durchgeführt und im März 2012 zugestimmt5, dass die Ostsee als NECA ausgewiesen werden soll. Derzeit steht noch der Termin für die Vorlage des NECA-Antrages in der Diskussion. Sobald hierüber in der HELCOM Einigkeit erzielt wird, werden die Ostsee-Anrainerstaaten den Antrag dem Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt der IMO (Marine Environmental Protection Committee, MEPC) zur Annahme vorlegen. Die IMO wird dann prüfen, ob die Anforderungen für eine NECA gemäß Anhang VI des MARPOL-Übereinkommens erfüllt sind. Sofern dies der Fall ist, wird der Ostsee- 1 UN Doc. A/52/491, Law of the Sea, Impact of the entry into force of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea on related existing and proposed instruments and programmes, Report of the Secretary-General, 20 October 1997, 17, para. 9. Die 1958 gegründete International Maritime Consultative Organization (IMCO) wurde 1982 in International Maritime Organization (IMO) umbenannt. Aktuelle Fassung der Satzung in BGBl.1986 II 423. 2 Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2. November 1973 in der Fassung des Londoner Protokolls vom 17. Februar 1978 (MARPOL), ILM 12 (1973), 1319; ILM 17 (1978), 246 bzw. BGBl.1982II2; BGBl.1983II632. Aktuelle Fassung: BGBl.1996II399, http://www.gesetze-im-internet .de/bundesrecht/intmeersch_bk_1973/gesamt.pdf. 3 Übereinkommen von 1992 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen) v. 9.4.1992 (BGBl. 1994 II S. 1355), in Kraft getreten am 17.1.2000, zuletzt geändert durch 2. Ostseeschutz-Änderungs VO vom 15.12.2004 (BGBl. II S. 1667). Bereits das ursprüngliche Helsinki-Ü von 1972 (BGBl.1979 II S. 1229) erfasste alle Arten der Meeresverschmutzung. 4 HELCOM HOD 37/2012, Proposal to designate the Baltic Sea as an Emission Control Area for Nitrogen Oxides under MARPOL Annex VI, submitted by Denmark, Estonia, Finland, Germany, Latvia, Lithuania, Poland, the Russian Federation and Sweden, online abrufbar unter http://meeting.helcom.fi/c/document_library /get_file?p_l_id=18975&folderId=1786543&name=DLFE-49917.pdf. 5 Baltic Marine Environment Protection Commission, Minutes of the 33rd Meeting (HELCOM 33/2012), Helsinki, Finland, 6-7 March 2012, S. 7 f., online abrufbar unter http://meeting.helcom.fi/web/helcom/1?p_p_id=110_IN- STANCE_rBCs&p_p_action=1&p_p_state=exclusive&p_p_mode=view&_110_INSTANCE_rBCs_struts_action =%2Fdocument_library_display%2Fget_file&_110_INSTANCE_rBCs_folderId=1673242&_110_IN- STANCE_rBCs_name=DLFE-49288.pdf; zu der Analyse vgl. Baltic NECA – economic impacts, Study report by the University of Turku, Centre for Maritime Studies, October 2010, online abrufbar unter http://www.helcom .fi/stc/files/shipping/CMS_Baltic_NECA_FINAL.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 5 NECA ohne weitere inhaltliche Diskussion in der IMO zugestimmt und die Ostsee als NECA ausgewiesen . Die EU, welche Vertragspartei des Helsinki-Ü, nicht aber Mitglied der IMO ist, unterstützt den durch die Ostsee-Anrainerstaaten eingeschlagenen Weg. Nach Ansicht der Kommission entspricht dieser Weg den insbesondere in der Luftqualitäts-Richtlinie 2008/50/EG6, der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen 2001/81/EG7 sowie der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2008/56/EG8 konkretisierten Umweltzielen der EU. In diesem Kontext vertritt die Kommission die Auffassung, der Rat müsse im Einklang mit Art. 218 Abs. 9 AEUV sowohl dem durch die EU bei Einreichung des Antrags für die Ostsee-NECA beim MEPC, als auch den von den EU-Mitgliedstaaten in der IMO zu vertretenden Standpunkt festlegen. Dementsprechend legte die Kommission am 17.5.2013 den auf Art. 191 i.V.m. Art. 218 Abs. 9 AEUV gestützten „Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung des in der HELCOM und der IMO zur vertretenden Standpunkts hinsichtlich der Ausweisung der Ostsee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid (NECA)“9 vor. Der Beschluss sieht folgende Standpunkte vor: Art. 1: Der Standpunkt der Europäischen Union in der HELCOM unterstützt die Einreichung des HELCOM-Vorschlags zur Ausweisung der Oststee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid bei der IMO durch die Ostsee-Anrainerstaaten spätestens bei der 66. Sitzung des IMO-Ausschusses für den Schutz der Meeresumwelt. Art. 2: Nach Annahme des in Art. 1 genannten Beschlusses der HELCOM ist dieser der IMO im Interesse der Europäischen Union gemeinsam durch die Mitgliedstaaten vorzulegen und von ihnen zu unterstützen. Nach Ansicht der Bundesregierung verstößt der Beschlussvorschlag der Kommission gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.10 Der Vorschlag der Kommission falle nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU, sondern in den Bereich der geteilten Zuständigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 lit e und g AEUV. Die EU habe ihre Zuständigkeit insoweit jedoch bislang nicht ausgeübt, so dass sie gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV bei den Mitgliedstaaten verblieben sei. Der Ratsbeschluss würde daher in die Zuständigkeitsverteilung zwischen Union und 6 Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. Nr. L 152/1, ber. 2012 ABl. Nr. L 336/101. 7 Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl. L 309/22, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 219/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2009, ABl. Nr. L 87/109. 8 Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ), ABl. L 164/19; vgl. hierzu auch die Mitteilung der Kommission v. 24.10.2005 an den Rat und das Europäische Parlament - Thematische Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt, KOM(2005)504 endg. 9 KOM(2013)300 endg, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2013:0300:FIN:DE:PDF. 10 Vgl. die Ausführungen der Bundesregierung zu KOM(2013) 300 endg. in der umfassenden Bewertung gemäß § 6 Abs. 3 EUZBBG und Ziffer II. 3. der Anlage zu § 9 EUZBLG, abrufbar unter EuDoX. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 6 Mitgliedstaaten eingreifen. Das inhaltliche Ziel könne auch ohne den vorgeschlagenen Ratsbeschluss von den Mitgliedstaaten auf regionaler Ebene verwirklicht werden. Zudem biete Art. 218 Abs. 9 AEUV keine Grundlage für den Kommissionsvorschlag. Die im der HELCOM zu treffende Entscheidung sei kein rechtswirksamer Akt im Sinne der Norm. Auch für eine Festlegung von Handlungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der IMO biete die Norm keine Grundlage, da sie nicht für die Koordinierung der Positionen der Mitgliedstaaten in Organisationen gelte, in denen nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die EU selbst Vertragsparteien sind. Mangels Unionskompetenz zur Regelung des Sachverhalts sei der Kommissionsvorschlag insgesamt weder erforderlich noch angemessen. 2. Hintergründe 2.1. IMO und MARPOL Die Ausweisung von Emissionsüberwachungsgebieten beruht im Grundsatz auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 19.12.1982 (SRÜ)11, welches ein umfassendes Rechtsregime für Meere und Ozeane aufstellt und die bedeutsamsten Nutzungen sowie den Schutz der Meere und seiner Ressourcen regelt. Im Rahmen des SRÜ wurde die IMO als VN-Sonderorganisation (Art. 57 VN-Charta) gegründet mit den Hauptaufgaben der Kreation von Regeln zur Verbesserung der Schiffssicherheit und der Verhütung von Meeresverschmutzung durch Schiffe im Rahmen SRÜ. Der IMO obliegt dafür gemäß Art. 211 SRÜ die Rechtssetzungstätigkeit durch die Erarbeitung und Verabschiedung international anwendbarer völkerrechtlicher Regeln und Normen (Art. 201 Abs. 4 SRÜ). Eines der zentralen Rechtsregime bildet das Internationale Übereinkommen zur Verhütung von Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2.11.1973 in der Fassung des Londoner Protokolls vom 17.2.1978 (International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships – MARPOL), welches die Meeresverschmutzung mit Abfällen, Abwässern und sonstigen Stoffen regelt und durch sechs Anlagen konkretisiert wird. In diesem Rahmen können bestimmte Seegebiete als Sondergebiete oder Emissionsüberwachungsgebiete ausgewiesen werden, in denen auf Grund ihrer ozeanographischen und ökologischen Verhältnisse besondere Vorschriften zur Vermeidung von Umweltverschmutzung erforderlich sind und die so einen erhöhten Schutzstatus genießen.12 Dementsprechend werden in MARPOL, Annex VI (Regeln zur Verhütung von Luftverunreinigungen durch Seeschiffe) für See und Häfen Emissionsgrenzwerte für maximale Schwefelgehalte (SOx) sowie Stickstoffgehalte (NOx) und Feinstaubbelastungen (PM) definiert. Basierend auf MARPOL, Annex VI Regel 14 gelten bestimmte Seegebiete als „Sulphur Oxide Emission Control Area” (SECA) mit maximalen Schwefelgrenzwerten.13 11 BGBl. 1994 II 1798. 12 Nord- und Ostsee sind als „Special Area” in folgenden MARPOL-Annexes mit besonderem Schutzstatus ausgewiesen : I - Ölverunreinigungen (für die Ostsee in Kraft seit 1983 und für die Nordsee in Kraft seit 1999); IV - Schiffsabwasser (Ostsee 2013); V -Müllentsorgung (Ostsee 1989, Nordsee 1991); VI -Luftverschmutzung „Emission Control Areas” (ECA) (Ostsee 2006, Nordsee 2007). 13 Für das SECA Nord- und Ostsee sowie Englischer Kanal vgl Regulation 14 3.1., Resolution MEPC.176(58), adopted on 10.10.2008, Amendment to the Annex of the Protocol of 1997 to amend the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973, as modified by the Protocol of 1978 relating thereto (re- Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 7 Darüber hinaus können im Rahmen von MARPOL durch die IMO weitere Gebiete als Emission Control Areas hinsichtlich SOx- und NOx-Schiffsemissionen ausgewiesen werden.14 Hierzu trifft die IMO auf Vorschlag eines oder mehrerer Staaten die Entscheidung darüber, ob ein besonders empfindliches Seegebiet vorliegt. Stimmt sie zu, so finden die im MARPOL-Übereinkommen für Sondergebiete festgelegten Regeln und Normen Anwendung.15 MARPOL sowie die in ihrem Rahmen erzeugten Normen haben völkerrechtliche Bindungswirkung unter der Bedingung der mitgliedstaatlichen Zustimmung (Art. 11 f. des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK)16). Die Umsetzung der MARPOL-Vereinbarung erfolgt durch innerstaatliche Umsetzung entsprechend der staatlichen Zuständigkeit für Seeschifffahrtsstraßen im Küstenmeer und der angrenzenden ausschließlichen Wirtschaftszone entsprechend den Bestimmungen des SRÜ.17 Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des SRÜ.18 Mitglieder der IMO sind nur die EU-Mitgliedstaaten, nicht aber die EU selbst.19 Diese hat in der IMO als Beobachterin nur ein eingeschränktes Mitspracherecht bei der Ausgestaltung internationaler Normen. Die Kommission hat zwar den Rat am 9.4.2002 ersucht, ihr ein Mandat für Verhandlungen über den Beitritt zur IMO zu erteilen, die Beratungen im Rat hierüber verliefen jedoch erfolglos.20 In der IMO kann die vised MARPOL Annex VI)., online abrufbar unter http://www.imo.org/OurWork/Environment/PollutionPrevention /AirPollution/Documents/Air%20pollution/Resolution%20MEPC.176%2858%29%20Revised%20MAR- POL%20Annex%20VI.pdf. 14 Vgl. Resolution MEPC.176(58), adopted on 10.10.2008, Appendix III, Criteria and Procedures for Designation of Emission Control Areas (Regulation 13.6 and regulation 14.3), online abrufbar unter http://www.imo.org/Our- Work/Environment/PollutionPrevention/AirPollution/Documents/Air%20pollution/Resolution %20MEPC.176%2858%29%20Revised%20MARPOL%20Annex%20VI.pdf. 15 Vgl. IMO-Resolution A.927(22) „Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas“. 16 BGBl. 1985, II 926; zum Verfahren der Rechtsetzung im Rahmen der IMO vgl. Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der Internationalen Maritime Organisation, 2001, S. 21 ff. 17 Vgl. zu der deutschen Rechtslage das Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen (MARPOL- Gesetz), BGBl. II S. 2546, vgl. auch § 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt (Seeaufgabengesetz - SeeaufgG), BGBl. I S. 2876 sowie § 1 der Verordnung über Zuwiderhandlungen gegen das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und gegen das Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen (MARPOL-Zuwiderhandlungsverordnung - MAR- POL-ZuwV), BGBl. I S. 247. 18 Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23.3.1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft, ABl. L 179/1. 19 Zur Bindung der EU an MARPOL vgl. EuGH, Rs. C-308/06 (Intertanko), Rn. 48; Vitzthum/Hafner, Handbuch des Seerechts, 2006, Kap. V, Rn. 201 ff. 20 Empfehlung der Kommission an den Rat Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission , mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) in Verhandlungen über die Bedingungen und Modalitäten des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft einzutreten, SEK/2002/0381 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52002SC0381%2802%29:DE:HTML; Weissbuch der Europäischen Kommission – Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 8 Kommission daher selbst im Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten nicht im Namen der Union sprechen. 2.2. Helsinki-Übereinkommen und HELCOM Die Regelungen des SRÜ werden durch zahlreiche Abkommen auf regionaler Ebene weiter konkretisiert (vgl. Art. 197, 237 SRÜ). Insbesondere zum Schutz der Umwelt können auf regionaler Ebene strengere Maßnahmen getroffen werden, soweit diese mit den Grundsätzen und Zielen des SRÜ vereinbar sind (Art. 237 Abs. 1 SRÜ). Zu diesen regionalen Abkommen zählt das Helsinki- Übereinkommen der Ostsee-Anrainerstaaten vom 22.3.1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes21, welches alle das Meer bedrohenden Verschmutzungsquellen erfasst.22 Das Helsinki-Ü entspricht einer Vereinbarung über eine regional verbesserte Durchsetzung des IMO- Rechts insbesondere zur Verhütung schiffsverursachter Verschmutzung beispielsweise in den Häfen des Ostseeraumes (Art. 8 Abs. 2 Helsinki-Ü) und über eine bessere Kontrolle seitens der neun Ostsee-Anrainerstaaten. Hierzu verweist das Helsinki-Ü in seiner Anlage IV auf die Pflicht der Vertragsparteien zu einer Zusammenarbeit im Rahmen der IMO sowie die Anwendbarkeit des IMO-Rechts und der MARPOL-Regeln. Im Rahmen des Helsinki-Ü ist die HELCOM zuständig für dessen Überwachung und Umsetzung. Zur Umsetzung des Helsinki-Ü verabschiedet die HELCOM gemäß Art. 15 des Helsinki-Ü bei Einstimmigkeit völkerrechtlich nicht bindende Empfehlungen, deren Inhalt von den Vertragsparteien in nationale Programme und Gesetzgebung umgesetzt werden soll. Dementsprechend ist die HELCOM zur Ausweisung von Schutzgebieten in der Ostsee angewiesen auf Entscheidungen der IMO. 3. EU-Kompetenzen zur Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der Einrichtung von NECA-Zonen Der Vorschlag KOM(2013) 300 endg. der Kommission zielt ab auf die Festlegung des in der HEL- COM und der IMO zu vertretenden Standpunktes hinsichtlich der Ausweisung der Ostsee als NECA. Der auf Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV gestützte und vom Rat zu beschließende Standpunkt die Zukunft, S. 114, KOM(2001) 370 endg., online abrufbar unter http://ec.europa.eu/transport/themes/strategies /doc/2001_white_paper/lb_com_2001_0370_de.pdf. 21 BGBl. 1994 II, S. 1397. Das Helsinki-Übereinkommen vom 22.3.1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets wurde 1992 durch eine neue Konvention ersetzt, die am 17. 1. 2000 in Kraft trat. Vertragspartei ist neben den neun Ostseeanrainerstaaten auch die Europäische Union durch den Beschluss 94/157/EG des Rates vom 21.2.1994 über den Abschluss des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets im Namen der Gemeinschaft (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992), ABl. L 73/19, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1994:073:0019:0019:DE:PDF. 22 Art. 6-12 Helsinki-Ü; gemäß Art. 28 Helsinki-Ü bilden daneben sieben Annexe integrale Bestandteile des Übereinkommens: Harmful substances (Annex I), Criteria for the use of Best Environmental Practice and Best Available Technology (Annex II), Criteria and measures concerning the prevention of pollution from land-based sources (Annex III), Prevention of pollution from ships (Annex IV), Exemption from the general prohibition of dumping of waste and other matter in the Baltic Sea Area (Annex V), Prevention of pollution from offshore activities (Annex VI), Response to pollution incidents (Annex VII). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 9 der Union schlösse den unionalen Meinungsbildungsprozesses ab und legte mit bindender Wirkung den Standpunkt fest, der für oder durch die Union später in einem internationalen Gremium vertreten werden soll. Der vorgeschlagene Beschluss hätte insoweit verbindlichen Charakter sowohl für den Rat und die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten, indem er sie verpflichtete , diesen Standpunkt zu vertreten.23 Der Erlass einer solchen verbindlichen Festlegung erfordert entsprechend des für die Union konstitutiven Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV) sowohl einer materiellen als auch einer verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage .24 3.1. Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der HELCOM 3.1.1. Rechtsqualität des Beschlusses bezüglich der HELCOM Der Vorschlag der Kommission zielt darauf ab, mittels eines Standpunktes der Europäischen Union in der HELCOM die Einreichung des HELCOM-Vorschlags zur Ausweisung der Oststee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid bei der IMO durch die Ostsee-Anrainerstaaten spätestens bei der 66. Sitzung des IMO-Ausschusses für den Schutz der Meeresumwelt zu unterstützen . Damit legte der Beschluss seinem Wortlaut nach den Standpunkt der Union in einem Bereich fest, der auch von den gemeinsam im Interesse der Union handelnden Mitgliedstaaten zu einem zeitlich festgelegten Zeitpunkt vertreten werden soll. Damit stellt der projektierte Beschluss eine Handlung dar, die verbindliche Rechtswirkung dadurch erzeugen soll, dass er den Standpunkt der Union im Rahmen der HELCOM festlegte, und der verbindlichen Charakter sowohl für den Rat und die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten hätte, indem er sie verpflichtete , diesen Standpunkt – die Unterstützung der Einreichung des HELCOM-Vorschlags bei der IMO – zu vertreten.25 3.1.2. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV bildet die verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für einen Beschluss der Union zur Festlegung von Standpunkten, „die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte zu erlassen hat“. Die Resolution der HELCOM, auf die der von der Kommission vorgeschlagene Standpunkt abzielt, entfaltet jedoch als unverbindliche Empfehlung für sich genommen keine verbindliche Rechtswirkung. Fraglich ist somit, ob die Resolutionen der HELCOM gleichwohl ein „rechtswirksamer Akt“ im Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV sind. Der durch den EuGH bislang26 nicht konkretisierte Begriff der „Rechtswirksamkeit“ in Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV lässt sich in verschiedener Weise auslegen. 23 Vgl. EuGH, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 44. 24 Vgl. EuGH, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 60 f. 25 Vgl. zum Rechtscharakter eines Standpunktes EuGH, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 42 f. 26 Vgl. zu der Auslegung von Art. 218 Abs. 9 AEUV nunmehr das anhängige Verfahren EuGH, Rs. C-399/12 (Deutschland/Rat). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 10 3.1.2.1. Enge Auslegung des Begriffs der Rechtswirksamkeit Gegen eine Erstreckung des Art. 218 Abs. 9 AEUV auch auf unverbindliche Organentschließungen und -empfehlungen spricht zunächst der Wortlaut, wonach sich der Begriff der Rechtswirksamkeit unmittelbar auf die Handlung des Gremiums bezieht und diese mithin selbst Rechtswirksamkeit entfalten muss. Zudem lässt die Systematik des Art. 218 AEUV, der sich insgesamt nur auf Verfahren für den Abschluss und die Durchführung völkerrechtlich bindender Abkommen bezieht,27 darauf schließen, dass es einer verfahrensrechtlichen Einbindung der Unionsorgane nach Art. 218 Abs. 9 AEUV nur für den Fall bedarf, dass das betreffende Gremium Akte mit völkerrechtlicher Bindungswirkung erlassen soll bzw. wird.28 Ob eine völkerrechtliche Übereinkunft Bindungswirkung in und für die Union entfaltet und daher begrifflich eine Übereinkunft im Sinne der Art. 216 und 218 AEUV sein kann muss sich demnach aus dem maßgeblich durch ihren Wortlaut und Zweck sowie dem Willen der vertragsschließenden Parteien bestimmten völkerrechtlichen Charakter der Norm ergeben.29 Ein Akt mit völkerrechtlicher Bindungswirkung liegt insbesondere dann vor, wenn er in konkreten Formulierungen für einen bestimmten Regelungsbereich verpflichtende Verhaltensvorschriften für die Parteien vorsieht.30 Die Empfehlungen der HELCOM sind jedoch selbst nicht völkerrechtlich bindend, sondern haben vielmehr den Charakter einer sachverständigen Unterstützung zur Vorbereitung der Willensbildung der Vertragsstaaten ohne Bindungswirkung. Dementsprechend sieht das Helsinki-Ü sieht auch keine Vorschriften zur Umsetzungspflicht der Empfehlungen, Umsetzungsfristen oder Sanktionsmechanismen vor. Konsequenz dieser engen Auslegung von Art. 218 Abs. 9 AEUV wäre, dass die Norm nicht als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss im Hinblick auf das Handeln der Mitgliedstaaten in der HELCOM dienen könnte. 3.1.2.2. Weite Auslegung des Begriffs der Rechtswirksamkeit Dass auch eine unverbindliche Resolution der HELCOM vom Begriff des „rechtswirksamen Aktes “ des Art. 218 Abs. 9 AEUV erfasst wird ließe sich damit begründen, dass grundsätzlich auch nicht bindende Handlungen eines Organs, das durch ein von der Union geschlossenes internationales Organ geschaffen wurde, Teil der Unionsrechtsordnung sein und dergestalt in der Unionsrechtsordnung Rechtswirkungen entfalten können.31 Gremienbeschlüsse entfalten dieselbe unionsrechtliche Rechtsqualität wie die jeweiligen Übereinkünfte, auf deren Grundlage sie ergehen , da die Handlungen der Gremien in unmittelbaren Zusammenhang mit den Übereinkünften 27 Vgl. EuGH, Rs. C-233/02 (Frankreich/Kommission), Rn. 45. 28 Vgl. EuGH, Gutachten 1/75 (Lokale Kosten); EuGH, Gutachten 2/92 (OECD), Rn. 8. 29 EuGH, Gutachten 1/75 (Lokale Kosten); EuGH, Gutachten 2/92 (OECD), Rn. 8; EuGH, Rs. 104/81 (Kupferberg), Rn. 17; EuGH, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 (Omega Air), Rn. 91; EuGH, Rs. C-233/02 (Frankreich/Kommission ), Rn. 42-45. 30 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 (Omega Air), Rn. 89 f.; EuGH, verb. Rs. C-300/98 und C-392/98 (Dior), Rn. 44. 31 EuGH, Rs. C-188/07 (Deutsche Shell), Rn. 16 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 11 stehen.32 Dementsprechend können so auch nicht rechtsverbindliche Handlungen, die auf der Grundlage eines von der Union geschlossenen Übereinkommens vorgenommen werden, Teil der Unionsrechtsordnung sein und innerhalb der Union Berücksichtigung finden.33 Hieraus ließe sich folgern, dass sich Art. 218 Abs. 9 AEUV nur allgemein auf die Rechtswirksamkeit der Akte, nicht aber explizit darauf bezieht, dass die von dem Gremium erlassenen Akte unmittelbar verbindlich sein müssen oder dass das Gremium ihnen unmittelbare Rechtswirkungen verleihen muss. Ausgehend von einem solchen Verständnis des Begriffs der Rechtswirksamkeit in Art. 218 Abs. 9 AEUV ließe sich zudem argumentieren, dass dieser nicht mit dem Begriff der Rechtsverbindlichkeit gleichzusetzten ist, sondern die Rechtswirksamkeit vielmehr auch mit Blick auf die Auswirkungen in der rezipierenden Rechtsordnung zu bestimmen ist. Vor diesem Hintergrund wäre die Rechtswirksamkeit der Handlung im Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV nicht allein durch die völkerrechtliche Bindungswirkung und aus der Sicht des den Akt erlassenden Gremiums beziehungsweise des entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages, sondern auch aus unionsrechtlicher Perspektive heraus zu bestimmen. Folglich können völkerrechtlich an sich unverbindliche Empfehlungen gleichwohl in der und für die Union Rechtswirkungen entfalten, sofern der Unionsgesetzgeber beschließt, sie sekundärrechtlich in das Unionsrecht zu übernehmen. Für Art. 218 Abs. 9 AEUV bedeutete diese Ansicht, dass sich die Rechtswirksamkeit letztlich dadurch bestimmt, dass der Rat die Zustimmung der Union erklärt, an Akte gebunden zu sein, die im Rechtssystem der Union aufgrund der Übereinkunft selbst oder aufgrund des Unionsrechts Rechtswirkungen entfalten, ohne aber dass diese Akte notwendigerweise völkerrechtliche Wirkung haben müssen. Indem der Unionsgesetzgeber im Sekundärrecht auf völkerrechtliche Handlungen verweist oder sich beim Erlass von Sekundärrecht auf völkerrechtliche Regelungen stützt, entfalten diese ungeachtet ihrer völkerrechtlichen (Un-)Verbindlichkeit Rechtswirkungen in der Unionsrechtsordnung. Mit der Entscheidung des Unionsgesetzgebers, völkerrechtliche Akte in das Sekundärrecht aufzunehmen, zeitigte eine spätere, auch bloß vorbereitende, völkerrechtlich unverbindliche Handlung Rechtswirkungen für das Unionsrecht.34 Konsequenz dieser weiten Auslegung von Art. 218 Abs. 9 AEUV wäre, dass die Norm grundsätzlich als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss im Hinblick auf das Handeln der Mitgliedstaaten in der HELCOM dienen könnte. 3.1.2.3. Bewertung Gegen die letztgenannte Auffassung, wonach etwaige unionsinterne Auswirkungen einer völkerrechtlich unverbindlichen Handlung mitentscheidend sind für die Verbindlichkeit der Handlung im Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV, spricht der kategoriale Unterschied von Akten, die die Union völkerrechtlich binden und solchen, die die Union nicht binden, auf die aber bindendes Unionsrecht verweist. Unionssekundärrecht gewinnt durch seine Funktion, völkerrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, weder die Qualität noch den Rang von Völkerrecht. Nach herrschender 32 EuGH, Rs. 30/88 (Griechenland/Kommission), Rn. 13; EuGH, Rs. C-188/91 (Shell), Rn. 17. 33 EuGH, Rs. C-188/91 (Shell), Rn. 16 ff. 34 Vgl. EuGH, Rs. C-45/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 21 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 12 Auffassung werden völkerrechtliche Verträge der Union mit ihrem Inkrafttreten Teil der Unionsrechtsordnung und bedürfen als „integrierende Bestandteile der [Unions]rechtsordnung“35 keiner Transformation in das Unionsrecht.36 Auch innerhalb der Unionsrechtsordnung bleibt der völkerrechtliche Geltungsumfang beziehungsweise die Natur und Struktur des jeweiligen Abkommens maßgebend:37 Aufbauend auf diesem monistischen Verständnis hinsichtlich des Verhältnisses von Unions- und Völkerrecht bleiben die völkerrechtlichen Auslegungsregeln für die Auslegung der völkerrechtlichen Abrede maßgeblich.38 Alleine das völkerrechtliche Inkrafttreten der völkerrechtlichen Abrede ist entscheidend für deren Rechtswirkung innerhalb der Unionsrechtsordnung , nicht aber der gemäß Art. 218 Abs. 3 AEUV vorzunehmende Genehmigungsakt.39 Dementsprechend ist die Rechtsgültigkeit – Vorbedingung einer darauf aufbauenden Rechtswirksamkeit – des unionsrechtlichen Zustimmungsbeschlusses zur völkerrechtlichen Abrede von deren völkerrechtlichen Wirksamkeit unabhängig.40 Ist bereits der Inkorporationsakt der völkerrechtlichen Abrede nicht maßgeblich für deren Rechtswirkung in der Unionsrechtsordnung, so kann dies umso weniger für einen nachgelagerten, lediglich Bezug auf die Abrede nehmenden, im Übrigen von der Abrede unabhängigen Sekundärrechtsakt gelten. Vielmehr ist hierfür auf die von den Vertragsparteien und mithin völkerrechtlich gewollte Wirkung der Übereinkunft abzustellen .41 Auch wenn unverbindliche Organentschließungen und -empfehlungen für die Union mittelbar durchaus rechtliche Wirkung entfalten können,42 bleibt der Rechtsgrund der Bindungswirkung in diesem Fall das bezugnehmende Sekundärrecht der EU und die Bindung erfolgt auf der Ebene und im Rang des Sekundärrechts. Die Festlegung eines Standpunktes im Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV ist der so entstehenden Bindungswirkung vorgelagert, sofern erst nach der Handlung des internationalen Gremiums Sekundärrecht ergeht, welches dann wiederum Bezug nimmt auf die Handlung des Gremiums. Für ein enges, nur völkerrechtlich bindende Gremienbeschlüsse erfassendes Verständnis des Begriffs „rechtswirksamer Akt“ im Sinne von Art. 218 Abs. 9 AEUV spricht zudem, dass die Union andernfalls dadurch, dass Sekundärrecht der Union auf internationale Übereinkünfte Bezug nimmt, ihre Kompetenzen zu Lasten der Mitgliedstaaten ausweiten könnte. 35 EuGH, Rs. 181/73 (Haegemann), Rn. 5. 36 EuGH, Rs. 104/81 (Kupferberg), Rn. 13; EuGH, Rs. 12/86 (Demirel), Rn. 5 ff.; EuGH, Rs. C-301/08 (Bogiatzi), Rn. 23; EuGH, Gutachten 1/91 (EWR I), Rn. 37; zur a.A. vgl. die Nachweise bei Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert , EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 216, Rn. 32. 37 EuGH, Rs. 270/80 (Polydor), Rn. 15 f.; EuGH, Gutachten 1/91 (EWR I), Rn. 14. 38 Vgl. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Rn. 40. 39 EuGH, Rs. 181/73 (Haegmann), Rn. 2, 6; EuGH, Gutachten 1/91 (EWR I), Rn. 37. 40 EuGH, Rs. 89/85 (Ahlström), Rn. 15. 41 EuGH, Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Rn. 42 ff; EuGH, Rs. C-377/98 (Niederlande/Parlament und Rat), Rn. 52 ff.; EuGH, verb. Rs. C-300/98 und C-392/98 (Dior), Rn. 44. 42 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 218, Rn. 25. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 13 Eine andere Bewertung der Relevanz eines Verweises des Unionssekundärrechts auf völkerrechtlich unverbindliche Handlungen bzw. deren Übernahme für die Einschlägigkeit von Art. 218 Abs. 9 AEUV mag sich nur für die Fälle ergeben, dass das bereits in Kraft gesetzte Unionssekundärrecht eine dynamische Verweisung auf eine vorangegangene, entsprechende völkerrechtliche Handlung enthält. Insofern vermag die – dann ausschließliche43 – Kompetenz der Union zur verbindlichen Festschreibung eines gemeinsamen Standpunktes aus den Erwägungen des Art. 216 Abs. 1 Var. 4 und 5 AEUV resultieren, wenn der Abschluss eines mitgliedstaatlichen Abkommens gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte. Das Vorliegen der Gefahr einer Beeinträchtigung bestimmt sich dabei nach dem Umfang, in dem eine bestimmte Materie von Rechtsnormen der Union erfasst ist und welchen konkreten Inhalt und welche Entwicklungsperspektiven die Normen haben.44 Für den Fall, dass eine völkerrechtliche Norm in den Anwendungsbereich von bestehendem Sekundärrecht fällt, hat der EuGH entschieden, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung infolge einer potenziellen Pflichtenkollision auch ohne Widerspruch zwischen der völkerrechtlichen Verpflichtung und der Unionsvorschrift jedenfalls dann vorliegt, wenn die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in einem bestimmten Bereich vollständig harmonisiert sind und Unionsrechtsakte nicht nur mittelbar betroffen sind.45 Keine Beeinträchtigung liegt hingegen dann vor, wenn die innerunionalen Harmonisierungsvorschriften Raum für ein höheres nationales Schutzniveau lassen und auch das völkerrechtliche Abkommen nur Mindestvorschriften vorsieht.46 Hieraus lässt sich - a maiore ad minus – für völkerrechtlich unverbindliche Handlungen folgern, dass ein Standpunkt auch bei einem weiten Verständnis der Rechtswirksamkeit ohne entsprechende Beeinträchtigung nicht auf Art. 218 Abs. 9 AEUV gestützt werden kann. 3.1.2.4. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage im konkreten Fall Die von der Kommission im 5. Erwägungsgrund des Beschlussvorschlages in Bezug genommen Richtlinien sehen jedoch insgesamt allgemeine Maßnahmen zur Senkung insbesondere von Luftschadstoffemissionen vor, die weder explizit auf den Schutz der Meeresumwelt noch auf Emissionsbelastungen des Schifffahrtsverkehrs abstellen.47 Dementsprechend ist weder von einer Vollharmonisierung , noch von der Gefahr der Beeinträchtigung auszugehen. Im Fall der Entscheidung der HELCOM resultiert damit aus dem Vorschlag für einen Antrag an die IMO weder aus der (engeren) völkerrechtlichen, noch aus der (weiten) unionsrechtlichen Auffassung eine Rechtswirksamkeit im Sinne des Art. 218 Abs. 9 AEUV. Die Handlung der HELCOM lässt sich vielmehr als vorbereitenden Akt für die anschließende Setzung rechtsverbindlicher Maßnahmen 43 Vgl. EuGH, Gutachten 2/91, Rn. 25 f.; Gutachten 1/03, Rn. 126. 44 EuGH, Gutachten 1/03, Rn. 126. 45 EuGH, Gutachten 2/91, Rn. 25 f.; vgl. hierzu Thym, Anmerkungen zum Urteil des EuGH v. 5.11.2002, Rs. C- 476/98 (Kommission/Deutschland), S. 277 (279 f.). 46 EuGH, Gutachten 2/91, Rn. 18; Geiger, Vertragsschlußkompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und auswärtige Gewalt der Mitgliedstaaten, JZ 1995, S. 973 (979). 47 Vgl. 16. und 17. Erwägungsgrund sowie Art. 2 lit. a der Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl. L 309/22; Art. 1 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. L 152/1, ber. 2012 ABl. L/101. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 14 im Rahmen der IMO begreifen. Diese Wertung ändert sich auch nicht durch eine von den HEL- COM-Verfahren abweichende Kosten-Nutzen-Analyse auf Seiten der Union. Aus hiesiger Sicht stellt Art. 218 Abs. 9 AEUV damit keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss dar. 3.1.3. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage Die EU kann gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EUV) auch im Bereich der Außenbeziehungen nur tätig werden, wenn sie hierfür eine materielle Sachkompetenz besitzt.48 Hierzu stützt sich der Kommissionsvorschlag auf Art. 191 AEUV. 3.1.3.1. Regelungsgehalt des Art. 191 AEUV Grundsätzlich regelt Art. 192 AEUV die Rechtsgrundlage für ein Unionshandeln im Politikbereich Umwelt. Demgegenüber beinhaltet Art. 191 AEUV im Sinne einer Aufgabenzuweisung die dabei zu verfolgenden Ziele sowie die Art der Kompetenzwahrnehmung gemäß Art. 192 AEUV, ohne selber eine Kompetenz zu begründen.49 Insbesondere verweist Art. 191 Abs. 4 UAbs. 1 S. 1 AEUV auf das Ziel eines gemeinsamen Vorgehens der Mitgliedstaaten und der Union in internationalen Organisationen, die im Sinne des Art. 191 Abs. 1 AEUV zum Schutz der Umwelt beitragen und enthält das Gebot, dass die Mitgliedstaaten die Arbeit der Union auf internationaler Ebene fördern und unterstützen. Art. 191 Abs. 4 AEUV schließt dabei den Interessensausgleich bzw. die Willensabstimmung mit Dritten ein und entspricht damit Art. 191 Abs. 1 4. Gedankenstrich AEUV, wonach die Union die Aufgabe der Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler und globaler Umweltprobleme zugewiesen ist. Das Gebot, Initiativen der Union auf internationaler Ebene nicht zu konterkarieren, ist Ausdruck des allgemeinen Loyalitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV)50 und beeinträchtigt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten , in internationalen Gremien autonom zu verhandeln und internationale Abkommen zu schließen (Art. 191 Abs. 4 UAbs. 2 AEUV).51 Art. 191 Abs. 4 AEUV kann in solchen Fällen als Kompetenznorm herangezogen werden, in denen nur das Verfahren der Zusammenarbeit im Umweltbereich in Abkommen mit dritten Ländern oder internationalen Organisationen, nicht aber Sachfragen geregelt werden.52 Diese Zuständigkeit wird – ebenso wie das Kooperationsgebot des Art. 191 Abs. 4 AEUV – wiederum 48 EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK); EuGH, Gutachten 2/00 (Cartagenaprotokoll), Rn. 5. 49 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 191 Rn. 51 mwN. 50 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 191 Rn. 52 mwN. 51 Vgl. hierzu auch Nr. 5 der Vereinbarung der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 5.3.1973 über die Unterrichtung der Kommission und der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die etwaige Harmonisierung von Dringlichkeitsmaßnahmen im Bereich des Umweltschutzes für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft , ABl. C 9/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:C:1973:009:0001:0002:DE:PDF 52 Vgl. Nettesheim, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 50. EL 2013, Art. 191, Rn. 156 mit Verweis auf EuGH, Gutachten 2/00, Rn. 43. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 15 durch die unionale Zuständigkeitsordnung maßgeblich bestimmt. Die Umweltpolitik und insbesondere der Bereich des maritimen Umweltschutzes fällt entsprechend Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV in den Bereich der geteilten Zuständigkeiten. Nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV können die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit wahrnehmen, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. Im Bereich der geteilten Zuständigkeiten ist entsprechend der Notwendigkeit einer einheitlichen völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Unionsorganen sowohl bei der Aushandlung und beim Abschluss als auch bei der Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen sicherzustellen.53 Einen ausschließlichen Charakter mit weitergehenden Bindungen der Mitgliedstaaten gewinnt die an sich geteilte Zuständigkeit der Union gemäß Art. 3 Abs. 2 AEUV insbesondere in den Fällen , in denen die Union von ihrer Innenkompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht hat, Ziele der internen Regelungsbefugnis nur dann effektiv umgesetzt werden können, wenn eine entsprechende Außenkompetenz besteht oder wenn das auswärtige Handeln allein durch die Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich das Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 3 EUV verletzte .54 Entscheidend für eine fortbestehende autonome Handlungsbefugnis der Mitgliedstaaten ist somit der Umfang, in dem die Union ausweislich des Sekundärrechts von ihrer Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat oder ob der Beschluss des internationalen Gremiums im Sinne von Art. 3 Abs. 2 AEUV „gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte“ 55. Gemeinsame Regelungen der Union können bereits dann beeinträchtigt werden, wenn Mitgliedstaaten in einer internationalen Organisation einen Vorschlag unterbreiten, der zum Erlass neuer Vorschriften führt, die ihrerseits Auswirkungen auf das geltende Unionsrecht haben, selbst wenn dies erst nach Übernahme in das Unionsrecht eintritt.56 In diesen Fällen besteht kein Raum für autonomes mitgliedstaatliche Handeln, sodass die Mitgliedstaaten in den jeweiligen internationalen Organisationen nicht im eigenen Namen aufgrund ihrer nationalen Zuständigkeit, sondern als Vermittler im Namen und im Interesse der Union handelten. Dementsprechend dürfen die Mitgliedstaaten in diesen Fällen gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV nur nach vorheriger Ermächtigung durch die Union handeln und verletzten andernfalls ihre aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 und Art. 191 AEUV resultierende Verpflichtung zur Wahrung der ausschließlichen Zuständigkeit der EU 53 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 36; EuGH, Gutachten 2/91 (###), Rn. 36; EuGH, Gutachten 1/94 (WTO), Rn. 108; EuGH, Rs. C-25/94 (Kommission/Rat), Rn. 48; EuGH, Rs. C-246/07 (Kommission/Schweden), Rn. 73. 54 Vgl. EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 36; EuGH, Gutachten 2/92 (OECD), Rn. 31 f.; EuGH, Gutachten 1/94 (WTO), Rn. 85 f, 99 f.; EuGH, Rs. C-22/70 (AETR), Rn 22. Durch diese „Charakteränderung“ ändert sich der Umfang der Zuständigkeiten der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung, nicht aber der konkrete Kompetenzcharakter der jeweiligen Zuständigkeit. Andernfalls würde der Erlass von Sekundärrecht entgegen dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung die primärrechtliche Zuständigkeitsverteilung ändern und den Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips wider den Willen des Vertragsgebers beschränken. Vgl. hierzu Cross, Pre-Emption of Member State Law in the European Economic Community: A Framework for Analysis, CMLR 29 (1992), S. 447ff.; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 1996, 95 ff. 55 Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-475/98 (Kommission/Österreich), Rn. 92; EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano-Übereinkommen ), Rn. 122. 56 EuGH, Rs. C-45/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 21 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 16 sowie die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 AEUV.57 Besteht umgekehrt sekundäres Unionsrecht, das die Mitgliedstaaten zur Rechtssetzung befugt, so können diese in den Grenzen der Befugnis auch autonom (unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 3 EUV) international tätig werden. 3.1.3.2. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage im konkreten Fall Vorliegend verdeutlichen die Richtlinien 2008/50/EG und 2001/81/EG, auf welche die Kommission in ihrem Vorschlag Bezug nimmt, dass den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem maritimen Umweltschutz weitgehende Zuständigkeiten verbleiben.58 Auch zielen die darüber hinausgehenden Maßnahmen der EU wie beispielsweise die „Strategie für den Schutz und den Erhalt des Meeresumwelt“59 auf einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Meeresschutz ab, ohne jedoch den Bereich umfassend zu harmonisieren. Hieran vermag auch der von der Kommission vorgeschlagene Beschluss im Falle seines Erlasses nichts zu ändern. Grundsätzlich besteht für die Mitgliedstaaten dann eine besondere Handlungsund Unterlassungspflicht, wenn die Kommission dem Rat – wie vorliegend – inhaltlich hinreichend konkrete Vorschläge unterbreitet hat, die – auch wenn sie vom Rat nicht angenommen werden – die Grundlage eines abgestimmten unionalen Vorgehens darstellen.60 Danach dürfen die Mitgliedstaaten selbst in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeit nicht von einem Vorschlag der Kommission abweichen, solange dieser nicht von den zuständigen Organen geändert oder abgelehnt wurde. Die Mitgliedstaaten bleiben vorliegend gem. Art. 4 Abs. 3 EUV und dem Grundsatz der einheitlichen völkerrechtlichen Vertretung der Union61 also an den Vorschlag der Kommission gebunden, solange dieser vom Rat nicht geändert oder abgelehnt wurde. Der Kommissionsvorschlag entspricht indes keiner vom Rat abgestimmten gemeinsamen Strategie, von der die übrigen Vertragsstaaten des Helsinki-Ü im Rahmen der HELCOM insbesondere mit Blick auf den Zeitpunkt der Einreichung des NECA-Antrages bei der IMO abrücken und damit unter 57 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 9; EuGH, Gutachten 2/92 (OECD), Rn. 31; EuGH, Gutachten 1/94 (WTO), Rn. 77. 58 S.o. unter 3.1.2.3. 59 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union: eine europäische Vision für Ozeane und Meere, KOM(2006) 275 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0275B:FIN:DE:PDF; 4. Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Richtlinie), KOM(2005) 505 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0505:FIN:DE:PDF 60 EuGH, Rs. 804/79 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 28; EuGH, Rs. C-266/03 (Kommission/Luxemburg), Rn. 59 f.; EuGH, Rs. C-433/03 (Kommission/Deutschland), Rn. 64 ff.; EuGH, Rs. C-246/07 (Kommission/Schweden ), Rn. 74 ff. 61 Vgl. EuGH, Rs. C-25/94 (FAO). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 17 Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit im internationalen Auftreten der Union und ihrer Mitgliedstaaten die Verhandlungsposition gegenüber den anderen Parteien des Helsinki-Ü beeinträchtigen könnten.62 Schließlich erscheint eine Beeinträchtigung der Unionsrechtsordnung durch ein autonomes Handeln der Mitgliedstaaten im Rahmen der HELCOM bereits dadurch ausgeschlossen, dass sich das diesbezügliche Handeln der Mitgliedstaaten auf eine unverbindliche Entschließung bezieht, die für sich genommen keine Rechtswirkungen in der Unionsrechtsordnung zeitigt. 3.1.4. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die Mitgliedstaaten zwar aus Art. 4 Abs. 3 EUV sowie dem Grundsatz der einheitlichen völkerrechtlichen Vertretung der Union63 verpflichtet bleiben, eng mit den Unionsorganen zusammenzuarbeiten, nicht aber materiell auf ein Mandat der Union angewiesen sind. Vor dem Hintergrund des derzeitigen Integrationsgrades der Union im Bereich des maritimen Umweltschutzes bietet Art. 191 AEUV aus hiesiger Sicht keine materielle Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss. 3.2. Festlegung eines Standpunktes im Rahmen der IMO 3.2.1. Rechtsqualität des Beschlusses bezüglich der IMO Der Vorschlag der Kommission zielt darauf ab, durch die Festlegung eines Standpunktes64 der EU die Mitgliedstaaten bei ihrem Handeln als Vertragsstaaten der IMO dazu zu verpflichten, nach Annahme des entsprechenden Beschlusses der HELCOM diesen der IMO im Interesse der Europäischen Union gemeinsam vorzulegen und ihn zu unterstützen. Der Umstand, dass die EU zwar Vertragspartei des SRÜ ist, auf der die IMO beruht, und das SRÜ-Recht insgesamt integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist,65 die EU aber gleichwohl nicht Mitglied der IMO ist, werfen die Frage auf, ob ein auf die IMO bezogener, für die Mitgliedstaaten verbindliche Rechtswirkungen erzeugender Standpunkte wie von der Kommission vorgeschlagen auf Art. 218 Abs. 9, Art. 191 AEUV gestützt werden kann. 3.2.2. Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage Seinem Wortlaut nach bildet Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV die verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für einen Beschluss der Union zur Festlegung von Standpunkten, „die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte zu erlassen hat“. Der vorgeschlagene Standpunkt spricht zwar nicht von einem Handeln der Mitgliedstaaten „im Namen der Union“, sondern lediglich von einem 62 Zu dem – abweichenden – Fall, dass bereits eine Abstimmung hinsichtlich einer gemeinsamen Strategie stattgefunden hat vgl. EuGH, Rs. C-246/07 (Kommission/Schweden), Rn. 104. 63 Vgl. EuGH, Rs. C-25/94 (FAO). 64 Vgl. zum Rechtscharakter eines Standpunktes EuGH, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 42 f. 65 Vgl. hierzu EuGH, Rs. 459/03 (MoxPlant), Rn. 82. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 18 Handeln „im Interesse der Union“. Da sich der Vorschlag gleichwohl auf Art. 218 Abs. 9 AEUV stützt, stellt sich die Frage, ob die Union die Mitgliedstaaten über den allgemeinen Loyalitätsgrundsatz des Art. 4 Abs. 3 EUV hinaus zu einem Handeln in ihrem Interesse verpflichten darf. 3.2.2.1. Weite Auslegung eines Handelns „im Namen der Union“ Dafür streitet, dass der Wortlaut des Art. 218 Abs. 9 AEUV nicht explizit auf ein Verfahren zur Festlegung eines Standpunktes im Rahmen eines Abkommens verweist, dem die Union angehört . Aus dem Wortlaut ließe sich folgern, dass es sich lediglich überhaupt um eine Übereinkunft handeln muss, in deren Rahmen ein konsentierter Standpunkt der Union durch die Union selber oder die Mitgliedstaaten vertreten werden soll. Letzteres wäre insbesondere in solchen Bereichen relevant, in denen die Union nach der internen Zuständigkeitsordnung eine entsprechende Kompetenz und Handlungsbefugnis besitzt, diese jedoch – trotz des Grundsatzes der Parallelität von Innen- und Außenkompetenz – mangels Mitgliedschaft in der internationalen Organisation selber nicht ausüben kann und insoweit zur Wahrnehmung der an sich in ihre Zuständigkeit fallenden Aufgaben auf die Mitgliedstaaten als Vertreter ihrer Interessen angewiesen ist.66 Die Tatsache, dass die Union nicht Mitglied einer internationalen Organisation ist, schließt nicht die Möglichkeit aus, dass die Außenkompetenz der Union insbesondere über die Mitgliedstaaten, die im Interesse der Union handeln, tatsächlich ausgeübt wird.67 Erzeugen Handlungen der internationalen Organisation Rechtswirkungen entsprechend der unionalen Zuständigkeitsordnung auch für die Unionsrechtsordnung, so erfolgte dies andernfalls ohne eine effektive Partizipationsmöglichkeit der Union beim völkerrechtlichen Entscheidungsverfahren. Diese Ansicht setzt jedenfalls voraus , dass die Union eine ausschließliche Zuständigkeit für den Regelungsbereich besitzt oder im Bereich der geteilten Zuständigkeiten diese vor Festlegung des entsprechenden Standpunktes umfassend wahrgenommen hat. Denn ein Handeln der Mitgliedstaaten als Vertreter der Union hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der unionalen Zuständigkeitsordnung in internationalen Gremien, denen die Union nicht angehört, dann nicht mehr im eigenen Namen handeln und eigene Beschlüsse fassen könnten. Konsequenz dieser weiten Auslegung von Art. 218 Abs. 9 AEUV wäre, dass die Norm grundsätzlich als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss im Hinblick auf das Handeln der Mitgliedstaaten in der IMO dienen könnte. 3.2.2.2. Enge Auslegung eines Handelns „im Namen der Union“ Für eine eigenständige Handlungsbefugnis der Mitgliedstaaten – und damit gegen die Anwendbarkeit von Art. 218 Abs. 9 AEUV für die Festlegung der Ostsee-NECA – streitet, dass es der Systematik des Art. 218 AEUV entsprechend nur bei einer Bindung der Union an die Beschlüsse einer internationalen Organisation einer verfahrensrechtlichen Einbindung der Unionsorgane nach Art. 218 Abs. 9 AEUV bedarf.68 Systematisch steht die Norm im Kontext der Kompetenz der Union zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge und zielt ab auf die Beschleunigung der unions- 66 Vgl. EuGH, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 43 ff. 67 Vgl. EuGH, Rs. C-45/09 (Kommission/Griechenland), Rn. 31. 68 Vgl. oben 3.1.2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 19 internen Willensbildung zur Annahme von Beschlüssen in internationalen Gremien, die völkerrechtliche Rechtswirkungen entfalten. An völkerrechtliche Verträge der Mitgliedstaaten ist die EU jedoch gerade nicht gebunden.69 Insoweit hat der EuGH in Bezug auf das MARPOL-Übereinkommen eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einzelner Vorschriften der Richtline 2005/35/EG über die Meeresverschmutzung durch Schiffe am Maßstab des Übereinkommens mit der Begründung abgelehnt, die EG sei keine Vertragspartei des Übereinkommens und sie sei auch nicht an die Stelle der Mitgliedstaaten getreten, da die entsprechende Befugnis nicht vollständig auf sie übergegangen sei.70 Hieraus lässt sich schließen, dass wenn das MAROPL-Übereinkommen mangels Vertragsparteieigenschaft der EU bereits keine Maßstabseigenschaft für Unionssekundärrecht hat, der Union auch keine Verpflichtungsbefugnis auf der vorgelagerten Ebene des Abkommens selbst zukommt. Darüber hinaus lässt sich mit dem Wortlaut des Art. 218 Abs. 9 AEUV argumentieren, dass die Norm lediglich Standpunkte betrifft, die im Namen der Union zu vertreten sind. Ein Standpunkt kann in Gremien indes nur dann „im Namen der Union“ vorgetragen werden, in denen die Union ein Vertretungs- oder Stimmrecht hat, mithin in solchen Gremien , die durch ein Übereinkommen eingesetzt wurden, deren Partei die Union ist. Eine weitergehende Verpflichtungsmöglichkeit der Union für Gremien, in denen sie nicht über die Rechte eines Mitgliedes verfügt, würde zudem die Unterschiede zwischen einem Beschluss des Rates zur Festlegung eines Standpunktes der EU einerseits und einem Beschluss der Mitgliedstaaten zur Koordinierung ihres Außenhandelns einebnen.71 Dies würde zugleich auch die Differenzierung zwischen der Frage nach der Vertretung der Union in einer internationalen Organisation über die Mitgliedstaaten, die im Interesse der Union gemeinsam handeln und der Frage nach der Zuständigkeit der Union in dem von der Resolution der internationalen Organisation erfassten Bereich aufheben.72 Einer weitergehenden Verpflichtungsmöglichkeit der Union ist schließlich die Gefahr immanent, dass die Union dadurch, dass Sekundärrecht auf internationale Übereinkünfte Bezug nimmt, ihre Kompetenzen zu Lasten der Mitgliedstaaten entgegen dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV) ausweiten könnte. Konsequenz dieser engen Auslegung von Art. 218 Abs. 9 AEUV wäre, dass die Norm grundsätzlich nicht als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss im Hinblick auf das Handeln der Mitgliedstaaten in der IMO dienen könnte. 3.2.2.3. Bewertung und Zwischenergebnis Insgesamt sprechend starke Argumente für die Ansicht, dass auch wenn die Mitgliedstaaten grundsätzlich im Bereich der Außenkompetenzen der Union „im Interesse“ der Union zu einer Koordinierung ihres Handelns verpflichtet sind (Art. 4 Abs. 3 EUV), sie doch in internationalen 69 Vgl. EuGH, Rs. C-308/06 (Intertanko), Rn. 48; EuGH, Rs. C-246/07 (Kommission/Schweden), Rn. 100; EuGH, Rs. C-533/08 (TNT Express), Rn. 60 ff. 70 EuGH, Rs. C-308/06 (Intertanko); vgl. hierzu auch EuGH, verb. Rs. C-120/06 P und C-121/06 P (Fabbrica Italiana ). 71 Vgl. Schlussanträge GA Kokott, Rs. C-370/07 (CITES), Rn. 22 ff. 72 Für eine analoge Anwendung des Art. 218 Abs. 9 AEUV in Fällen, in denen die Union aufgrund der völkerrechtlichen Rechtslage nicht Mitglied werden kann vgl. Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. Ergänzungslieferung 2013, Art. 218, Rn. 64 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 20 Gremien, denen die EU nicht angehört, weiterhin in eigenem Namen handeln.73 Dementsprechend stellt Art. 218 Abs. 9 AEUV aus hiesiger Sicht keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss dar. 3.2.3. Art. 191 AEUV als materielle Rechtsgrundlage Fraglich ist, ob Art. 191 AEUV die geeignete materielle Rechtsgrundlage für die Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes „im Interesse der Union“ als Grundlage des Handelns der Mitgliedstaaten im Rahmen der IMO ist. Insofern ist entsprechend den oben stehenden Ausführungen74 festzuhalten, dass die Zuständigkeit für den Bereich des maritimen Umweltschutzes zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilt ist und die Mitgliedstaaten gem. Art. 4 Abs. 2 lit e, S. 2 AEUV ihre Zuständigkeit wahrnehmen können, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat – was jedoch für den Bereich des maritimen Umweltschutzes nicht geschehen ist. Mit Blick auf die verbindliche Ausweisung einer Ostsee-NECA durch die IMO ließe sich argumentieren , dass diese Entscheidung der IMO Regelungen beträfe, die im weiteren Verlauf als Grundlage für die Rechtsvorschriften der Union dienen oder durch die Union im Kontext der gemeinsamen Umweltpolitik gem. Art. 191 AEUV zur Anwendung gebracht werden sollen. Insofern könnte der Grundsatz Anwendung finden, dass die Mitgliedstaaten keine internationalen Verpflichtungen eingehen können, die ein Gebiet betreffen, das bereits von Unionsvorschriften erfasst ist, soweit die Verpflichtungen diese Vorschriften beeinträchtigen könnten, selbst wenn kein Widerspruch zwischen diesen Verpflichtungen und den Unionsvorschriften besteht.75 Der Umstand, dass die Union nicht Mitglied der jeweiligen internationalen Organisation ist, schließt nicht die Möglichkeit aus, dass die Außenkompetenz der Union über die Mitgliedstaaten, die im Interesse der Union gemeinsam handeln effektiv ausgeübt wird – wofür die Mitgliedstaaten wiederum gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV einer entsprechenden Ermächtigung durch die Union bedürften .76 Der Umfang, in dem die Mitgliedstaaten alleine oder kooperativ in internationalen Gremien agieren dürfen, bestimmt sich nach Umfang in dem die Union zur Durchführung der Verträge Maßnahmen getroffen hat.77 Nur soweit diese Bestimmungen derartige Gebiete abschließend re- 73 Vgl. EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 5; EuGH, Rs. C-45/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 31. 74 Siehe oben 3.1.3. 75 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 25, EuGH, Rs. C-267/98 (Kommission/Dänemark), Rn. 82. 76 EuGH, Rs. C-45/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 30 ff. 77 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 25. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 21 geln sollen, sind die Mitgliedstaaten nicht mehr befugt, dieser Regelung andere Elemente hinzuzufügen .78 Auch hierfür bleibt das konkrete Bestehen eines vollständigen, abgeschlossenen Regelungssystems im Sinne einer Vollharmonisierung auf dem jeweiligen Gebiet entscheidend.79 Besitzen die Unionsvorschriften keinen Ausschließlichkeitscharakter, können folglich nationale Regelungen – einzelstaatlich oder kooperativ – beibehalten oder getroffen werden.80 Auch wenn die spätere Durchführung der NECA unionsrechtliche Regelungen erforderlich machen sollte, so ist mit Blick auf die vorangehende Festlegung einer NECA kein bestehender, abschließender Regelungskomplex ersichtlich, der eine entsprechende ausschließliche Unionszuständigkeit zu begründen vermag. So sieht zwar die EU-Richtlinie 2012/33/EU zum Schwefelgehalt in Kraftstoffen maximale Grenzwerte für Schwefel- und Stickstoffoxide entsprechend den MARPOL-Vorgaben vor.81 Die wiederholten Änderungen der Richtlinie beruhten auf dem Willen, das EU-Recht den aktualisierten IMO-Vorgaben für Schwefelemissionen von Schiffen im Rahmen von MARPOL, Annex VI anzupassen.82 Durch strengere Grenzwerte soll die Position der Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen im Rahmen der IMO gestärkt und bei einer Revision der Anlage VI zum MARPOL-Übereinkommen Anstöße dazu gegeben werden, das „ehrgeizigere Maßnahmen in Bezug auf strengere Schwefelgrenzwerte für von Schiffen verwendete Schweröle in Betracht gezogen und gleichwertige Alternativmaßnahmen zur Emissionsminderung getroffen werden“83 Die Strategie der EU für den Ostseeraum von 2009 verdeutlicht jedoch, dass den Mitgliedstaaten ein durch die IMO- und die EU-Vorgaben begrenzter Handlungsspielraum verbleibt .84 Zwar forderte die Richtlinie 1999/32/EG, dass sich die Gemeinschaft bei Verhandlungen zum MARPOL-Übereinkommen im Rahmen der IMO für einen weitergehenden Schutz durch 78 EuGH, Rs. 31/74 (Galli), Rn. 29; EuGH, Rs. 151/78 (Sukkerfabriken Nykøbing), Rn. 17; EuGH, Rs. 32/79 (Seefischerei -Erhaltungsmaßnahmen), Rn. 15; EuGH, Rs. 16/83 (Prantl), Rn. 13; EuGH, Rs. 218/85 (CERAFEL), Rn. 12. 79 Vgl. EuGH, Rs. 42/83 (Dansk Denkavit), Rn. 15 ff.; EuGH, Rs. 31/74 (Galli), Rn. 17; EuGH, Rs. 218/85 (CERA- FEL), Rn. 13; EuGH, Rs. 16/83 (Prantl), Rn. 13; EuGH, Rs. C-44/01 (Pippig), Rn. 40ff; EuGH, Rs. 148/78 (Ratti), Rn. 26 f. 80 Vgl. EuGH, Rs. 5/77 (Tedeschi-Denkavit), Rn. 35; EuGH, Rs. 16/83 (Prantl), Rn. 13 ff. 81 Richtlinie 2012/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.11.2012 zur Änderung der Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.7.2005 zur Änderung Richtlinie 1999/32/EG des Rates hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffe, ABl. L 327/1, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:327:0001:0013:DE:PDF 82 Vgl. 10. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.11.2012 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, ABl. L 327/1. 83 15 Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.7.2005 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, ABl. L 191/59. 84 Mitteilung der Kommission v. 10.6.2009 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Strategie der Europäischen Union für den Ostseeraum , KOM(2009) 248 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2009:0248:FIN:DE:PDF, sowie S. 20 ff. des entsprechenden Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen (SEK(2009) 712/2), online abrufbar unter http://ec.europa.eu/regional_policy /sources/docoffic/official/communic/baltic/action0520102010_de.doc. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 22 SECA-Gebiete einsetzten wird.85 Entsprechend dem von der Union zum Ausdruck gebrachten Willen, dass die Ausweisung neuer Emissionsüberwachungsgebiete dem Verfahren der IMO gemäß Anlage IV MARPOL unterliegen soll.86 Auch wenn die Kommission die Auffassung vertrat, dass die Anlage IV zum MARPOL-Übereinkommen keine ausreichenden Vorgaben für NOx-Grenzen vorgab und im Rahmen der „Strategie der Europäischen Union zur Reduzierung atmosphärischer Emissionen von Seeschiffen“87 schärfere Grenzwerte vorgeschlagen hat, so vertrat sie doch weiterhin den Standpunkt, dass Maßnahmen auf internationaler Ebene im Rahmen der IMO der sicherste Weg seien, die Umweltleistung von Schiffen aller Flaggen zu verbessern. Die Union brachte den Willen zum Ausdruck, dass Entscheidungen im Rahmen der IMO allgemein und insbesondere die Ausweisung neuer Emissionsüberwachungsgebiete entsprechend dem Verfahren der IMO gemäß Anlage IV MARPOL weiterhin den Mitgliedstaaten als den entscheidenden Akteuren obliegen:88 Die Kommission will an der Erarbeitung koordinierter Standpunkte der EU bei der IMO mitwirken. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin koordinierte Standpunkte der EU herausarbeiten und diese in den Sitzungen der IMO vertreten, die Arbeiten der IMO im Hinblick auf die Entwicklung einer Strategie zur Verringerung seeverkehrsbedingter Emissionen unterstützen und darüber hinaus neue Übergangsmaßnahmen unterstützen, die es der EU-Präsidentschaft oder der Kommission gestatten, den europäischen Standpunkt bei der IMO deutlich zu machen.89 3.2.4. Zwischenergebnis Nach alledem lässt sich feststellen, dass Art. 191 AEUV vor dem Hintergrund des derzeitigen Integrationsgrades der Union im Bereich des maritimen Umweltschutzes aus hiesiger Sicht keine materielle Rechtsgrundlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschluss bietet. 3.3. Zusammenfassung der Ergebnisse Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die von der Kommission benannten verfahrensrechtlichen und materiellen Rechtsgrundlagen für den „Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung des in der HELCOM und der IMO zur vertretenden Standpunkts hinsichtlich der 85 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/32/EG des Rates vom 26.4.1999 über die Verringerung des Schwefelgehalts bestimmter flüssiger Kraft- oder Brennstoffe und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG, ABl. L 121/13; vgl. auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts - und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Einbeziehung der Seeverkehrsemissionen in die Maßnahmen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen v. 28.6.2013, KOM(2013) 479 final , S. 10. 86 Vgl. 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.11.2012 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen., ABl. L 327/1. 87 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, KOM/2002/595 endg. Band I. 88 Vgl. 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.11.2012 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen., ABl. L 327/1. 89 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, KOM/2002/595 endg. Band I, Nr. 6.2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 23 Ausweisung der Ostsee als Emissionsüberwachungsgebiet für Stickstoffoxid (NECA)“ erheblichen Bedenken begegnen. Die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Empfehlung der HELCOM sowie die Nichtmitgliedschaft der EU in der IMO begründen erhebliche Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 218 Abs. 9 AEUV als verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage. Hinsichtlich der Tauglichkeit des Art. 191 AEUV als materielle Handlungsgrundlage bestehen insofern Zweifel, dass den Mitgliedstaaten in dem Bereich des maritimen Umweltschutzes weiterhin ein weiter Handlungsspielraum verbleibt und sich die in diesem Bereich zwischen EU und Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit nicht zu einer ausschließlichen EU-Zuständigkeit gewandelt hat. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, dass sich Kommissionsvorschlag nicht auf verfahrensrechtliche und materielle Rechtsgrundlagen stützen kann, würde ein gleichwohl erfolgender Beschluss des Rates auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsakt der Union die Grenzen dessen überschreitet, was zur Erreichung des mit dem Rechtsakt verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist.90 Dabei beschränkt sich eine Nachprüfbarkeit der Entscheidung des Rates auf die Frage, ob er beim Erlass des Rechtsaktes einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Hierfür ist die Abwägung der in der jeweiligen Rechtsgrundlage enthaltenen Ziele und Grundsätze entscheidend, auf die sich der Rechtsakt stützt.91 Diese Abwägung muss fehlgegen, wenn sich der Rechtsakt bereits auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage stützt. 4. Abgrenzung zu der Einrichtung von SECA-Zonen Angesichts der Bedenken hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit des Kommissionsvorschlages stellt sich die Frage, inwiefern sich die gegenwärtige Situation der Einrichtung einer NECA von der bereits erfolgten Einrichtung einer SECA unterscheidet. 2005 wurde die Ostsee von der IMO als besonders empfindliches Meeresgebiet und als erstes spezielles SOx-Emissionsüberwachungsgebiet (SECA) mit Grenzwerten für Schwefelemissionen gemäß dem MARPOL Anhang VI ausgewiesen. Hierbei handelten die Mitgliedstaaten ohne verbindliche Festschreibung eines gemeinsamen Standpunktes der EU im Rahmen der Verfahren der IMO gemäß Anlage IV MARPOL. Für die Festlegung von NECA sieht die Anlage IV MARPOL ein entsprechendes Verfahren vor,92 sodass zwischen der Ausweisung von SECA und NECA keine Unterschiede ergeben. 90 EuGH, Rs. C-110/03 (Belgien/Kommission), Rn. 61. 91 EuGH, Rs. C-86/03 (Griechenland/Kommission), Rn. 87 f. 92 Resolution MEPC.176(58), adopted on 10.10.2008, Appendix III, Criteria and Procedures for Designation of Emission Control Areas (Regulation 13.6 and regulation 14.3), online abrufbar unter http://www.imo.org/Our- Work/Environment/PollutionPrevention/AirPollution/Documents/Air%20pollution/Resolution %20MEPC.176%2858%29%20Revised%20MARPOL%20Annex%20VI.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 87/13 Seite 24 5. Alternativen zum bestehenden Regelungsvorschlag Alternativ zu dem Kommissionsvorschlag zur Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes erscheint der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV eine hinreichende und zugleich das Prinzip der Subsidiarität wahrende Koordinierung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten . Art. 4 Abs. 3 EUV bietet zwar gegenüber Art. 218 Abs. 9 AEUV keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für den Rat, die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Handeln zu verpflichten. Die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit gilt jedoch auch unabhängig vom Bestehen einer Situation im Sinne des Art. 218 Abs. 9 AEUV und verpflichtet die Mitgliedstaaten im Rahmen des auswärtigen Handelns im Bereich der geteilten Zuständigkeiten zu einer engen Zusammenarbeit mit den Unionsorganen und zur Berücksichtigung des Unionsrechts.93 Hierbei bestehen zumindest informelle Koordinations-, Informations- und Konsultationspflichten, die die Mitgliedstaaten zu einem koordinierten Vorgehen in internationalen Gremien verpflichten. 6. Vergleich einer Einrichtung von NECA-Zonen durch die EU und durch internationale Regelungen Die EU besitzt keine Kompetenz, selbständig eine NECA einzurichten. Eine solche Maßnahme, die potenziell mit der Freiheit des Schiffsverkehrs kollidiert, muss aufgrund der Internationalität der Schifffahrt durch die IMO auf globaler Ebene umgesetzt werden (Art. 211 Abs. 1 SRÜ). Maßnahmen gegenüber Schiffen unter fremder Flagge können Küsten- und Hafenstaaten nur in den eigenen Hoheitsgewässern und auch nur im Rahmen internationaler Regelungen treffen. Spezifische Anforderungen an Schiffe fallen vielmehr gemäß Art. 211 Abs. 2 und Art. 217 SRÜ in die Kompetenz des jeweiligen Flaggenstaates. Maßnahmen zur Emissionsverringerung im Gebiet der EU und auf EU-Ebene stellen demgegenüber nur ein kurzfristiges und temporäres Mittel dar.94 - Fachbereich Europa - 93 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 5; EuGH, verb. Rs. 3, 4 und 6/76 (Kramer), Rn. 44 f.; EuGH, Rs. C-55/00 (Gottardo), Rn. 33; EuGH, Rs. C-246/07 (Kommission/Schweden), Rn. 73. 94 Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013, KOM(2013) 480 final, S. 3 f., 24. – 27. Erwägungsgrund.