© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 085/20 Das Luftverkehrsabkommen EU-USA und eine unionsweite Kerosinsteuer Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 085/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Das Luftverkehrsabkommen EU-USA und eine unionsweite Kerosinsteuer Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 085/20 Abschluss der Arbeit: 7. Oktober 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 085/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Derzeitige unionsrechtliche Rahmenbedingungen 4 3. Zulässigkeit einer entsprechenden Anpassung der Energiesteuerrichtlinie 5 4. Ergebnis 6 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 085/20 Seite 4 1. Einleitung Von verschiedenen Stellen wird die Einführung einer unionsrechtlichen Kerosinsteuer gefordert, um die durch den Luftverkehr verursachten negativen Klimaauswirkungen zu verringern. Nachfolgend werden zunächst die derzeitigen unionsrechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt. Sodann wird die Zulässigkeit einer Änderung der Energiesteuerrichtlinie am Maßstab des Luftverkehrsabkommens EU-USA geprüft. 2. Derzeitige unionsrechtliche Rahmenbedingungen Derzeit steht Art. 14 der Richtlinie 2003/96/EG (Energiesteuerrichtlinie)1 der Einführung einer unionsweiten Kerosinsteuer (für die gewerbliche Luftfahrt) entgegen. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 der Energiesteuerrichtlinie erlaubt eine Kerosinbesteuerung nur bei innerstaatlichen Transporten und bei bilateralen Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten. Art. 14 Abs. 1 der Energiesteuerrichtlinie lautet: „Über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und –vermeidung oder Missbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der Steuer: […] b) Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt. […]“ Art. 14 Abs. 2 der Energiesteuerrichtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten können diese in Absatz 1 Buchstaben b) und c) vorgesehenen Steuerbefreiungen auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränken. In den Fällen, wo ein Mitgliedstaat ein bilaterales Abkommen mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossen hat, kann von den in Absatz 1 Buchstaben b) und c) vorgesehenen Befreiungen abgesehen werden. In diesen Fällen können die Mitgliedstaaten einen Steuerbetrag vorschreiben, der die in dieser Richtlinie festgesetzten Mindestbeträge unterschreitet.“ (Hervorhebungen durch Verfasserin) 1 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektronischem Strom. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 085/20 Seite 5 3. Zulässigkeit einer entsprechenden Anpassung der Energiesteuerrichtlinie Es bedürfte einer Änderung des Art. 14 der Energiesteuerrichtlinie durch Streichung der Kerosinsteuerbefreiung für die gewerbliche Luftfahrt. Die (geänderte) Energiesteuerrichtlinie selbst dürfte jedoch nicht gegen höherrangiges (Unions- )Recht verstoßen. Als solches kommt insbesondere das Luftverkehrsabkommen vom 25.5.2007 (Luftverkehrsabkommen EU-USA)2 in Betracht. Bei diesem handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag. Der auch im Völkerrecht tragende Grundsatz „pacta sunt servanda“ besagt, dass jeder Vertrag die Vertragsparteien bindet und von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen ist.3 Das Luftverkehrsabkommen EU-USA haben die EU4 sowie ihre Mitgliedsstaaten mit den USA geschlossen . An dieses ist die EU ist als Vertragspartei gebunden, vgl. Art. 216 Abs. 2 AEUV. Die Bestimmungen dieses Abkommens bilden daher seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung5 und stehen im Rang unterhalb des Primärrechts, aber oberhalb des Sekundärrechts.6 Art. 11 Abs. 1 des Luftverkehrsabkommens EU-USA lautet: „Bei Ankunft im Gebiet einer Vertragspartei bleiben Luftfahrzeuge, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei im internationalen Luftverkehr eingesetzt werden, ihre üblichen Ausrüstungsgegenstände, Bodenausrüstungsgegenstände, Treibstoffe, Schmieröle, technische Verbrauchsgüter, Ersatzteile (einschließlich Triebwerken), Bordvorräte (insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, Gegenstände wie Nahrungsmittel, Getränke und alkoholische Getränke , Tabak und in begrenzten Mengen zum Verkauf an Fluggäste oder zum Verbrauch durch diese während des Fluges bestimmte sonstige Güter) und andere ausschließlich zur Verwendung im Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Versorgung ihrer im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge bestimmte Gegenstände auf der Grundlage der Gegenseitigkeit frei von allen Einfuhrbeschränkungen, Vermögenssteuern und –abgaben, Zöllen, Verbrauchssteuern und ähnlichen Gebühren und Abgaben, die a) durch die nationalen Behörden oder die Europäische Gemeinschaft erhoben werden und b) nicht auf den Kosten für geleistete Dienste beruhen, sofern diese Ausrüstungsgegenstände und Vorräte an Bord des Luftfahrzeugs verbleiben.“ 2 ABl. L134/4 vom 25.5.2007. 3 Vgl. EuGH, Rs. C-162/96, Racke, Rn. 49. 4 Das Luftverkehrsabkommen EU-USA ist durch die Beschlüsse 2007/339/EG und 2010/465/EU im Namen der Union genehmigt worden. 5 EuGH, Rs. C-366/10, Air Transport Association of America u.a., Rn. 79. 6 Lachmayer/von Förster, in von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Auflage 2015, Art. 216 AEUV, Rn. 24. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 085/20 Seite 6 Art. 11 Abs. 2 des Luftverkehrsabkommens EU-USA lautet: Außerdem werden auf der Grundlage der Gegenseitigkeit von den in Absatz 1 genannten Steuern, Zöllen, Gebühren und Abgaben außer den auf den Kosten für geleistete Dienste beruhenden Gebühren befreit: […] c) Treibstoff, Schmieröle und technische Verbrauchsgüter, die zur Verwendung in einem im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeug eines Luftfahrtunternehmens der anderen Vertragspartei in das Gebiet einer Vertragspartei eingeführt oder dort geliefert werden, selbst wenn diese Vorräte auf dem Teil des Fluges über dem Gebiet der Vertragspartei verbraucht werden sollen, in dem sie an Bord genommen werden, […]“ (Hervorhebungen durch Verfasserin) Art. 11 des Luftverkehrsabkommens EU-USA verbietet der EU als Vertragspartei die Erhebung einer Kerosinsteuer, sofern von dieser Luftfahrtunternehmen der USA betroffen sind.7 Eine entsprechende Änderung der Energiesteuerrichtlinie wäre damit unionsrechtswidrig, sofern sie die Einführung einer solchen Steuer ermöglichen würde. Sofern Luftfahrtunternehmen der USA von der unionsweiten Kerosinsteuer ausgenommen wären , würde diese nicht gegen Art. 11 des Luftverkehrsabkommens EU-USA verstoßen. Art. 11 des Luftverkehrsabkommens EU-USA regelt die Beziehung der „Vertragsparteien“ untereinander. Als Vertragsparteien des Luftverkehrsabkommens werden gemäß dessen Art. 1 Ziff. 6 „entweder die Vereinigten Staaten oder die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten“ (Hervorhebungen durch Verfasserin) bezeichnet. Danach sind die Mitgliedstaaten untereinander nicht zu einer Kerosinsteuerbefreiung verpflichtet, da sie im Verhältnis zueinander jeweils keine „andere Vertragspartei “ i.S.d. Art. 11 des Luftverkehrsabkommens darstellen. 4. Ergebnis Die Einführung einer unionsweiten Kerosinsteuer wäre unionsrechtlich nur zulässig, sofern Luftfahrtunternehmen der USA von dieser ausgenommen werden. Fachbereich Europa 7 Mangels tatsächlicher Nichtbeachtung des Art. 11 des Luftverkehrsabkommens EU-USA scheidet das Fehlen bindender Wirkung auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der international eingegangenen Verpflichtung aus, vgl. Schlussanträge von Herrn Saggio, Rs. C-149/96, Portugal, Rn. 21.