© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 84/17 Begründung einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 84/17 Seite 2 Begründung einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 84/17 Abschluss der Arbeit: 21. November 2017 Fachbereich: PE 6 – Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 84/17 Seite 3 1. Fragestellung Die Ausarbeitung setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Notifizierung der geschäftsführenden Bundesregierung1 über die Begründung einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ, englisch: Permanent Structured Cooperation (PESCO)) im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits - und Verteidigungspolitik (GSVP) als integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (GASP) die parlamentarischen Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages verletzt. Sofern eine Verletzung vorliegt stellt sich die Frage nach möglichen Klagerechten des Parlaments. 2. Fragen betreffend die Zuständigkeit Eine geschäftsführende Regierung besitzt nach herrschender Meinung grundsätzlich dieselben Befugnisse wie eine „regulär“ im Amt befindliche Regierung.2 Ihr Handlungsspielraum ist von Rechts wegen nicht auf die „laufenden Geschäfte“ beschränkt und umfasst dementsprechend auch Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse im Rahmen des auswärtigen Handelns. Die Zustimmung der geschäftsführenden Bundesregierung zur Begründung der SSZ überschreitet aus hiesiger Sicht nicht das zustimmungsgesetzlich gebilligte Integrationsprogramm der Europäischen Union (EU); eine erneute Zustimmung des Gesetzgebers gemäß Art. 23 Abs. 1 GG zur Begründung der SSZ erscheint dementsprechend nicht erforderlich. Entsprechend dem vom Rat erarbeiteten Konzept für eine SSZ3 und der Notifikation umfasst die projektierte SSZ eine gemeinsame Liste von Verpflichtungen, welche die Mitgliedstaaten auf den Gebieten Investitionen im Verteidigungsbereich, Entwicklung von Fähigkeiten und operative Beiträge eingehen und die den politischen Rahmen der SSZ bilden; zudem enthält sie grundsätzliche Festlegungen zu den Entscheidungsstrukturen der SSZ. Damit entspricht sie den in Art. 2 Protokoll (Nr. 10) zum EUV über die SSZ festgelegten Zielen. Dieses Protokoll ist Bestandteil der Verträge (Art. 51 EUV) und war als solches Gegenstand der Zustimmung des Bundesgesetzgebers zum Vertrag von Lissabon.4 Die projektierte SSZ wahrt auch insofern das Integrationsprogramm, als hierdurch nicht die primärrechtlich festgelegten Zustimmungsregeln geändert werden. Die Aussagen in der Notifikation zur politischen Steuerung der SSZ beziehen sich auf das Management von Projekten im Rahmen der SSZ. Rat und vorbereitende Gremien sollen auch zu Fragen betreffend die SSZ im Vollformat tagen, wobei nur die teilnehmenden Mitgliedstaaten stimmberechtigt sein sollen. Diese Vorgaben entsprechen den primärrechtlichen Vorgaben in Art. 46 Abs. 6 EUV zur Beschlussfassung im Rahmen der SSZ als besondere Ausgestaltung des im Rahmen der GSVP geltenden Einstimmigkeitsprinzips (Art. 31 Abs. 1 und 4, Art. 42 Abs. 4 EUV). Schließlich berührt die Begründung der 1 Notifikation vom 13. November 2017, abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/media/31511/171113- pesco-notification.pdf. 2 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aktueller Begriff Nr. 31/13, abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/194738/cc29a157eddfc12dc5713037c35ac67e/geschaeftsfuehrende_bundesregierung -data.pdf. 3 Rats-Dok. 14190/17. 4 Vgl. BT-Drs. 16/8300, S. 139, 165 f.; BT-Drs. 16/8917 sowie BVerfGE 123, 267 (295). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 84/17 Seite 4 SSZ entsprechend ihrer inhaltlichen Zielsetzung auch nicht den integrationsfesten5 wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt.6 3. Fragen betreffend die parlamentarischen Beteiligungsrechte Ausgehend von der Annahme, dass Handlungen im Rahmen der GASP bzw. GSVP als EU-Angelegenheiten im Sinne von Art. 23 Abs. 2 GG zu qualifizieren sind,7 kann der Bundestag auch bei der Begründung der SSZ an der gemeinsamen Willensbildung des Bundes mitwirken. Gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 GG hat er das Recht auf informierte Mitwirkung sowie ein Stellungnahmerecht . Einfachgesetzlich werden die Informationsrechte und das Stellungnahmerecht im EUZBBG konkretisiert.8 Eine Verletzung der Informationsrechte des Bundestages als Grundlage seiner parlamentarischen Mitwirkung9 würde voraussetzen, dass er unter Berücksichtigung gewaltenteiliger Grenzen der Unterrichtungspflicht10 von der Bundesregierung nicht rechtzeitig, umfassend oder unter Beachtung der Anforderungen an das Verfahren oder die Form unterrichtet worden ist. Dem Fachbereich liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Bundesregierung ihre Informationspflichten gegenüber dem Bundestag verletzt hat. Ausweislich des Antrags vom 20. November 2017 auf Stellungnahme des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG (BT-Drs. 19/82) wird der Bundestag auch nicht in seinem Recht auf Stellungnahme verletzt. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der GSVP besondere Mitwirkungsrechte gemäß Art. 23 Abs. 1 GG, § 3 Abs. 3 IntVG für den Fall der Weiterentwicklung der gemeinsamen Verteidigungspolitik der EU zu einer gemeinsamen Verteidigung (Art. 42 Abs. 2 EUV) bestehen.11 Aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs bewirkt die SSZ jedoch keine Weiterentwicklung im Sinne von Art. 42 Abs. 2 S. 2 EUV. Ihre Begründung löst damit nicht den besonderen Fall der Mitwirkung gemäß Art. 23 Abs. 1 GG, § 3 Abs. 3 IntVG aus. – Fachbereich Europa – 5 Vgl. BVerfGE 123, 267 (426). 6 Vgl. BVerfGE 90, 286 (381 ff.); 104, 151 (208); 108, 34 (43); 121, 135 (153 ff.). 7 Offen BVerfGE 131, 152 (202); vgl. hierzu Rathke/Vollrath, Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, DÖV 1027, S. 565 ff. sowie die anhängigen Organstreitverfahren in den Verfahren 2 BvE 3/15 und 2 BvE 7/15. 8 Vgl. BT-Drs. 18/13150, S. 8 ff. 9 Zu den Maßstäben vgl. BVerfGE 131, 152 (194 ff.). 10 Vgl. BVerfGE 131, 152 (206) sowie Rathke/Vollrath, Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, DÖV 1027, S. 565 (567 f.); Reißmann, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Auflage 2018, § 14, Rn. 14. 11 Vgl. Rathke, in: von Arnauld/Hufeld (Hrsg.), SK-Lissabon, 2. Auflage 2018, § 7, Rn. 121.