© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 083/19 Vertragliche Kündigungsregelungen in den sog. PKW-Maut-Verträgen und EU-Beihilferecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 2 Vertragliche Kündigungsregelungen in den sog. PKW-Maut-Verträgen und EU-Beihilferecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 083/19 Abschluss der Arbeit: 16. Oktober 2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Die Kündigungsklauseln und ihre gutachterliche Bewertung 5 3. Überblick über das EU-Beihilferecht 9 3.1. Materielles EU-Beihilferecht 9 3.2. EU-Beihilfeverfahren 10 3.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren 10 3.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle 11 4. EU-beihilferechtliche Bewertung der betreffenden Kündigungsklausel 11 4.1. In materieller Hinsicht 11 4.1.1. Begünstigung 12 4.1.1.1. Begünstigung im Fall der Rechtsfolgen einer Vertragsauflösung? 12 4.1.1.2. Zur Bestimmung der Marktüblichkeit von Kündigungsklauseln 14 4.1.1.3. Begünstigung im konkreten Fall? 15 4.1.2. Weitere Beihilfemerkmale 18 4.1.3. Rechtfertigung 18 4.2. Formal-verfahrensrechtliche Ebene 19 4.2.1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Annahme eines Verstoßes 19 4.2.2. Zu den eventuellen Rechtsfolgen eines Verstoßes 20 4.3. Ergebnis 22 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Im Oktober und im Dezember 2018 schloss die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der sog. PKW-Maut zwei Verträge mit Auftragnehmern über die Erhebung (Vertrag „Erhebung“1) bzw. die Kontrolle der Infrastrukturabgabe (Vertrag „Kontrolle“2).3 Hierbei wurde sie von dem in der Sache verantwortlichen Bundesministerium der Justiz und digitale Infrastruktur (BMVI) vertreten.4 Beide Verträge sahen u. a. für den Fall eines ungünstigen Ausgangs des gegen die PKW-Maut von Seiten Österreichs angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Kündigungsrecht aus „ordnungspolitischen Gründen“ vor, wobei die Rechtsfolgen einer solchen Kündigung jeweils unterschiedlich ausgestaltet wurden.5 Nachdem der EuGH mit Urteil vom 18. Juni 2019 festgestellt hatte, dass die sog. PKW-Maut einen Verstoß gegen Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV begründet,6 wurden die Arbeiten an der Einführung der Infrastrukturabgabe eingestellt und die beiden oben genannten Verträge durch die Bundesrepublik Deutschland u. a. unter Verweis auf das betreffende Urteil gekündigt.7 Im Zuge der sich daran anschließenden politischen Debatte um die Kosten, die sich aus den bisherigen Arbeiten an der PKW-Maut ergaben, wurden auch die oben genannten Kündigungsrechte und ihre finanziellen Folgen für die Bundesrepublik Deutschland in den Blick genommen.8 In zwei Rechtsgutachten, die im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bzw. der FDP zu den haushalts- und zivilrechtlichen Aspekten der Klauseln erstellt wurden, wird die 1 Online abrufbar auf den Seiten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). 2 Online abrufbar auf den Seiten des BMVI. 3 Siehe hierzu die Angaben im Gutachten von Hufeld/Wagner-von-Papp „Die Vorbereitung der Infrastrukturabgabe vor dem Urteil des EuGH vom 18. Juni 2019: Budgetflüchtige Risikoverwaltung ? – Rechtliche Würdigung am Maßstab des Haushaltsverfassungsrechts“ vom 19.8.2019, erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (im Folgenden: Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten), S. 6 ff., online abrufbar auf den Internetseiten der Fraktion; sowie im Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Chatham Partners „PKW-Maut – Vorhersehbarkeit des EuGH-Urteils und angemessene Berücksichtigung in den vergebenen Aufträgen“ vom 23.8.2019, erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion der FDP (im Folgenden: Chatham Partners-Gutachten), S. 9 ff., online abrufbar auf den Internetseiten der Fraktion. 4 Bei der Unterzeichnung des Vertrags „Erhebung“ wurde das BMVI durch Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamtes vertreten, bei der Unterzeichnung des Vertrags „Kontrolle“ durch das Bundesamt für Güterverkehr, vgl. jeweils die Vertragstexte in Fn. 1 bzw. 2. 5 Siehe dazu im Einzelnen unten unter 2., S. 5 ff. 6 EuGH, Urt. v. 18.6.2019, Rs. C-591/17 (Deutschland/Österreich). 7 Vgl. BT-Drs. 19/12209, Antwort auf Frage 1, S. 1 f. 8 Siehe hierzu die Kleinen Anfragen der Fraktion der FDP, BT-Dr. 19/11413, und der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 19/11780. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 5 Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil als „unangemessen “9 bzw. als „gravierend vom gesetzlichen Leitbild“ abweichend10 beurteilt. In einem der Gutachten wird zudem ergänzend darauf hingewiesen, dass diese Klausel gegen das EU-Beihilferecht verstoßen könnte.11 Der Fachbereich wird vor diesem Hintergrund um eine beihilferechtliche Beurteilung der betreffenden Kündigungsklausel ersucht. Im Folgenden sollen beide Regelungen und die Beurteilung, insbesondere derjenigen im Vertrag „Erhebung“, unter Bezugnahme auf die erwähnten Gutachten kurz wiedergegeben werden (2.). Anschließend erfolgt ein Überblick über das EU-Beihilferecht (3.), bevor dann der beihilferechtlichen Einordnung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung “ nachgegangen wird (4.). 2. Die Kündigungsklauseln und ihre gutachterliche Bewertung Beide Mautverträge erhalten in dem hier relevanten Kontext ein nahezu wortgleiches Kündigungsrecht im Falle des Eintritts sog. ordnungspolitischer Gründe, unter die u. a. auch die oben beschriebene Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren zur PKW-Maut fällt: „Ein wichtiger Grund für die Kündigung durch den Auftraggeber liegt insbesondere vor, wenn: […] ordnungspolitische Gründe eintreten, insbesondere […] Entscheidungen […] europäischer Gerichte […], die eine Kündigung durch den Auftraggeber (ganz oder teilweise) erforderlich oder dem Auftraggeber die Weiterführung des Vertrages in der bestehenden Form unzumutbar machen, auch soweit eine solche […] Entscheidung […] bereits zum heutigen Tage geplant oder absehbar ist.“12 Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen unterscheiden sich beide Verträge jedoch. So sieht der Vertrag „Kontrolle“ für diesen Fall eine Entschädigung vor, die im Hinblick auf die Höhe nach Vertragsphasen gestaffelt ist und im Grundsatz eine anteilige Erstattung der bis zur Kündigung jeweils angefallenen Kosten und eingetretenen direkten Schäden vorsieht: „Kündigt der Auftraggeber gemäß Ziffer 32.3.2s) aus ordnungspolitischen Gründen, hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine Zahlung wie folgt: a) Bei einer Kündigung gemäß Ziffer 32.3.2s) in Phase 1 oder 2 hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine einmalige Zahlung, die sich aus den folgenden Bestandteilen ermittelt: 9 Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 26. 10 Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 45. 11 Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 26. 12 Ziff. 26.3.4 Buchst. v des Vertrags „Erhebung“ (Fn. 1) sowie Ziff. 32.3.2 Buchst. s des Vertrags „Kontrolle“ (Fn. 2). Vgl. dazu auch Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 6 f., und Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 9 f. 16. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 6 aa) Anteil der Gesamtsumme der über die Ordentliche Laufzeit geschuldeten Festen Vergütung I, der dem Anteil der zum Stichtag des Wirksamwerdens der Kündigung errichteten bzw. beschafften Technischen Lösung entspricht; und bb) Zahlungen zur Befriedigung nachgewiesener Ansprüche anderer Vertragspartner des Auftragnehmers aufgrund der vorzeitigen Beendigung der jeweiligen Verträge in marktüblicher Höhe (es sei denn, der Auftraggeber oder ein von ihm benannter Dritter tritt in diese Verträge ein), einschließlich Vorfälligkeitsentschädigungen im Zusammenhang mit Fremdkapitalverträgen und Kosten aus der vorzeitigen Beendigung von Zinssicherungsgeschäften in marktüblicher Höhe (sog. breakage costs), abzüglich cc) Zahlungsansprüche des Auftragnehmers […] b) Bei einer Kündigung gemäß Ziffer 32.3.2s) in Phase 3 hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine einmalige Zahlung, die sich aus den folgenden Bestandteilen ermittelt : aa) die über die restliche Ordentliche Laufzeit anteilig geschuldete Feste Vergütung I; bb) die über die restliche Ordentliche Laufzeit anteilig geschuldete Feste Vergütung II, wobei für die zukünftige Indexierung der Festen Vergütung II das zum Zeitpunkt der Kündigung geltende Inflationsziel der Europäischen Zentralbank zugrunde zu legen ist; und cc) Zahlungen zur Befriedigung nachgewiesener Ansprüche anderer Vertragspartner des Auftragnehmers aufgrund der vorzeitigen Beendigung der jeweiligen Verträge in marktüblicher Höhe (es sei denn, der Auftraggeber oder ein von ihm benannter Dritter tritt in diese Verträge ein), einschließlich Vorfälligkeitsentschädigungen im Zusammenhang mit Fremdkapitalverträgen und Kosten aus der vorzeitigen Beendigung von Zinssicherungsgeschäften in marktüblicher Höhe (sog. breakage costs), abzüglich dd) Zahlungsansprüche des Auftragnehmers […].“13 Im Vertrag „Erhebung“ lautet die Kündigungsfolgenklausel hingegen wie folgt: „(i) Kündigt der Auftraggeber den Vertrag gemäß […] Ziffer 26.3.4v), jeweils ohne dass auch ein anderer Kündigungsgrund gemäß Ziffer 26.3.4 erfüllt ist […] und (ii) handelt es sich dabei jeweils um einen Fall der Beendigung ohne Übernahme (einschließlich aufgrund Vermeintlicher Kündigung), hat der Betreiber Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, wie er sich auf Basis der Anlage 29.5.1 ergeben würde, wenn ein Angebot Dritterwerb Aktiva angenommen worden wäre; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was die Betreiberparteien infolge der Beendigung des Vertrages an Aufwendungen ersparen oder durch anderweitige Verwendung von Arbeitskräften und sonstigen Ressourcen (einschließlich der Verwendung in Verbundenen Unternehmen) erwerben oder zu erwerben böswillig unterlassen . Außerdem gilt Ziffer 20.9.1e) entsprechend. Der Betreiber hat detailliert dazu 13 Ziff. 33.4.2. des Vertrags „Kontrolle“ (Fn. 2), siehe zu den drei Phasen des Projektablaufs Ziff. 29.1. des Vertrags „Kontrolle“ (Fn. 2): Danach umfasst Phase 1 die Planung und Konzeptionierung, Phase 2 die Errichtung und Inbetriebnahme und Phase 3 die Betriebsphase. Vgl. auch Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 8 f., 44, und Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 17 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 7 vorzutragen und zu beziffern, was er sich anrechnen lässt und was nicht und jegliche Nichtanrechnung detailliert zu begründen. Darüberhinausgehende Ansprüche der Betreiberparteien sind ausgeschlossen, soweit dieser Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder vorsätzliches Handeln des Auftraggebers den Anspruch begründet. In anderen Fällen der Beendigung ohne Übernahme (einschließlich aufgrund Vermeintlicher Kündigung) haben die Betreiberparteien keine Schadensersatzoder sonstigen Ansprüche gegen den Auftraggeber.“14 Nach der – hier nur wiedergegebenen – zivilrechtlichen Bewertung in den Gutachten läuft diese Klausel in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Erstattung des entgangenen Gewinns für die gesamte Vertragslaufzeit von 12 Jahren hinaus,15 der Betreiber werde hierdurch „insgesamt schadlos gehalten und so gestellt […], als würde der Betreibervertrag erfüllt“,16 „das Risiko der Beendigung des Vertrags durch Kündigung [wird] vollständig dem Auftraggeber [aufgebürdet].“17 Zwecks Beurteilung dieser Kündigungsfolgen werden sie in den Gutachten mit den gesetzlich vorgesehenen Kündigungsvorschriften sowie mit sonst üblichen Kündigungsregelungen in Infrastrukturverträgen der öffentlichen Hand verglichen.18 Die Erstattung entgangenen Gewinns komme als gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge im Zusammenhang mit einer Kündigung nur dann in Betracht, wenn zugleich eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung vorliege oder eine willkürliche bzw. anlasslose Kündigung vorgenommen werde.19 Fehle es hieran, so sehe das Gesetz im Fall der Kündigung „aus wichtigem Grund“ lediglich den Ausgleich für in der Vergangenheit von der anderen Seite ggf. erbrachte Leistungen vor.20 Ein ähnliches Bild ergebe sich in Bezug auf Kündigungsregelungen in Infrastrukturverträgen mit der öffentlichen Hand; auch hier komme es darauf an, ob eine Vertragspartei den Kündigungsgrund zu vertreten habe.21 Sei dies der Fall, etwa bei Zahlungsverzug oder schwerwiegenden Pflichtverletzungen, bestünden Ansprüche auf Kostenersatz und weitergehende Schadensersatzansprüche , die auch den entgangenen Gewinn einschließen können.22 Es handele sich somit um 14 Ziff. 30.5.4 des Vertrags „Erhebung“ (Fn. 1). 15 Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 7 f., 39 ff., und Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 16 ff. 16 Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 17. 17 Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 42. 18 Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 20 ff. Bei Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 42 f., wird insoweit allein auf das Werkvertragsrecht und die Regelungen in §§ 648a Abs. 5, 648 BGB abgestellt. 19 Vgl. Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 42 f.; Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 21. 20 Vgl. Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 42 f.; Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 21. 21 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 22 f. 22 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 22, 23. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 8 Kündigungssituationen, die aus einer durch den Auftraggeber kontrollierbaren Sphäre stammen würden.23 Sei die Kündigung hingegen von niemandem zu vertreten, etwa bei höherer Gewalt, komme nur die Vergütung bisher erbrachter Leistungen in Betracht.24 Im Lichte dieser Maßstäbe gelangen beide Gutachten zunächst zu dem Ergebnis, dass die Kündigungsregelung im Vertrag „Erhebung“ eine „starke“ bzw. „grundlegende“ Abweichung von den einschlägigen gesetzlichen Leitbildern darstelle.25 Denn die Kündigung dieses Vertrags und die mit ihr verbundenen, für den Auftraggeber nachteiligen Rechtsfolgen knüpften an einen vertragsmäßig vorgesehenen wichtigen Grund und eben nicht an eine willkürliche Kündigung oder eine schuldhafte Pflichtverletzung. Gleiches gelte im Vergleich mit den üblichen Regelungen in Infrastrukturverträgen. Das Risiko eines negativen EuGH-Urteils sei durch Deutschland nicht kontrollierbar und daher auch eine darauf beruhende Kündigung durch den Auftraggeber nicht zu vertreten.26 Verwiesen wird zudem auf den Vertrag „Kontrolle“ der zwar den gleichen Kündigungsgrund beinhalte , aber hinsichtlich der Folgen eine dem gesetzlichen Leitbild entsprechende anteilige Vergütung für bereits erbrachte Leistungen vorsehe.27 Kritisch angemerkt wird ferner, dass die Einseitigkeit der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung “ „unverständlich“ sei, sofern im Gegenzug keine Zugeständnisse an anderer Stelle erfolgten , wobei über die Gründe für die Kündigungsklausel keine Kenntnis bestünde.28 Auch sei die vorgenommene Vertragsgestaltung mit Blick auf das zu dem Zeitpunkt bevorstehende EuGH-Urteil insoweit „widersinnig“: trotz einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit für einen negativen Verfahrensausgang sei eine besonders gravierende Kündigungsfolge vereinbart worden, zu erwarten gewesen wäre ein gegenteiliges Vorgehen.29 Auch sei ein berechtigtes Interesse des durch die Regelung begünstigten Auftragnehmers an solchen Kündigungsfolgen nicht erkennbar.30 Schließlich habe auch das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kurzfristig zu erwartende Urteil keine volle Kompensation des Auftragnehmers gerechtfertigt.31 23 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 23. 24 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 22. 25 Vgl. Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 45, bzw. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 24. 26 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 24. 27 Vgl. Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 44, 45. 28 Vgl. Hufeld/Wagner-von-Papp-Gutachten (Fn. 3), S. 45 f. 29 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 24. 30 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 25. 31 Vgl. Chatham Partners-Gutachten (Fn. 3), S. 25. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 9 3. Überblick über das EU-Beihilferecht Das EU-Beihilferecht lässt sich in materielle (3.1.) und formal-verfahrensrechtliche Bestimmungen (3.2.) aufteilen. 3.1. Materielles EU-Beihilferecht Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . Diesem Normtext werden mehrere Merkmale entnommen, die kumulativ erfüllt sein müssen, um von dem Vorliegen einer Beihilfe ausgehen zu können: Neben der aus staatlichen Mitteln gewährten Begünstigung an Unternehmen gehören hierzu die Selektivität (Begünstigung nur bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige), die Wettbewerbsverfälschung und die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.32 Fehlt es nur an einem der Merkmale, so liegt keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vor und das EU-Beihilferecht findet keine Anwendung .33 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählt vor allem Art. 107 Abs. 3 AEUV und die dort aufgeführten Fallgruppen.34 Danach können Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen und insoweit gerechtfertigt bzw. als unionsrechtlich zulässig angesehen werden. 32 Siehe zu den einzelnen Merkmalen und der dazu ergangenen Rechtsprechung die sog. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (letztmaliger Abruf unter 04.12.19). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 33 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans), Rn. 74, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 34 Weitere primärrechtliche Vorschriften in diesem Zusammenhang sind Art. 107 Abs. 2 AEUV (zwingende Legalausnahmen ) oder Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 10 3.2. EU-Beihilfeverfahren Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV vor allem der Kommission .35 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei zwei Ansätze zu unterscheiden: eine primärrechtlich vorgesehene ex-ante-Prüfung (siehe unter 3.2.1.) und eine sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle (siehe unter 3.2.2.). 3.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfe-VerfO)36 können mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) überprüft werden. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV37). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie insbesondere nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann.38 Bis zum Abschluss des Verfahrens darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nicht durchführen (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV39). Von hoher praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen die Kommission einerseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und andererseits ihre Ermessenspraxis u. a. zur Auslegung des Art. 107 Abs. 3 AEUV verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.40 Zu diesen Rechtsakten gehören überwiegend nicht verbindliche Maßnahmen, die – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.41 Diese nichtverbindlichen 35 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein, Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 36 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl.EU 2015 Nr. L 248/9 (letztmaliger Abruf am 04.12.19). 37 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 36). 38 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfe-VerfO (Fn. 36). 39 Vgl. auch Art. 3 Beihilfe-VerfO (Fn. 36). 40 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 41 Vgl. bspw. EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-288/96 (Deutschland/Kommission), Rn. 62; EuGH, Urt. v. 7.03.2002, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Rn. 52. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 11 Maßnahmen werden in Form von (zum Teil bereichsspezifischen) Leitlinien, Unionsrahmen und Mitteilungen42 erlassen. Von Bedeutung ist im vorliegenden Kontext insbesondere die 2016 erlassene sog. Beihilfemitteilung , in welcher die Kommission den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV anhand der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung erläutert.43 3.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.44 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer sie dazu ermächtigenden Verordnung des Rates im Sinne des Art. 109 AEUV erlassen kann.45 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt . Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. 4. EU-beihilferechtliche Bewertung der betreffenden Kündigungsklausel Hinsichtlich der beihilferechtlichen Bewertung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ ist zunächst zwischen der materiellen (4.1.) und der formel-verfahrensrechtlichen Ebene (4.2.) zu unterscheiden. 4.1. In materieller Hinsicht In materieller Hinsicht lautet die primäre Frage, ob die Kündigungsklausel den Beihilfetatbestand im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Merkmal der Begünstigung zu (4.1.1.). Erst wenn dieses zu bejahen ist, kommt es hier auf die übrigen Voraussetzungen des Beihilfetatbestandes an (4.1.2.). Wäre danach eine Beihilfe anzunehmen, ist 42 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (Stand vom 15.04.2014, letztmaliger Abruf am 04.12.19). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte, vgl. Frenz (Fn. 35), Rn. 747 ff. 43 Siehe oben Fn. 32. 44 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, Das neue europäische Beihilferecht, NJW 2014, S. 3128 (3130). 45 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl.EU 2015 Nr. L 248/1, (letztmaliger Abruf am 04.12.19). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 12 weiter danach zu fragen, ob sie ggf. nach Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV materiell rechtfertigungsfähig wäre (4.1.3). 4.1.1. Begünstigung Unter einer Begünstigung ist nach ständiger Rechtsprechung jede wirtschaftliche Vergünstigung zu verstehen, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte.46 Entscheidend sind dabei allein die Auswirkungen einer Maßnahme auf das betreffende Unternehmen, auf die Gründe oder Ziele des staatlichen Handelns kommt es ebenso wenig an, wie auf die genaue Art der Maßnahme.47 Ob eine Begünstigung vorliegend angenommen werden kann, bedarf unter mehreren Gesichtspunkten einer näheren Erörterung: Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen einer Vertragsauflösung wie sie hier durch die Kündigung bewirkt wurde, überhaupt dem Grunde nach angenommen werden kann (4.1.1.1.). Sodann bedarf es der Klärung, nach welchen Bedingungen bzw. Vorgaben in derartigen Fällen zu bewerten ist, ob Kündigungsfolgen den normalen Marktbedingungen entsprechen oder nicht (4.1.1.2.). Schließlich ist zu prüfen, ob das ggf. hier der Fall ist (4.1.1.3.). 4.1.1.1. Begünstigung im Fall der Rechtsfolgen einer Vertragsauflösung? Tritt der Staat auf dem Markt nicht als Hoheitsträger auf, sondern als Wirtschaftsbeteiligter und schließt dieser insoweit – wie hier etwa – Austauschverträge, so ergibt sich die Beihilferelevanz in der Regel aus dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung: Steht die Gegenleistung des Unternehmens in keinem angemessenen Verhältnis zur staatlich gewährten Leistung, so liegt darin eine beihilferechtliche Begünstigung.48 Vorliegend steht jedoch nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Vertrag „Erhebung“ in Frage, sondern die Rechtsfolgen der durch Kündigung bewirkten Auflösung dieses Vertrags. Soweit ersichtlich, ist eine solche Konstellation bisher weder Gegenstand der Kommissionspraxis noch der beihilferechtlichen Rechtsprechung gewesen. Diese beihilferechtlich daher eher als untypisch anzusehende Fallgestaltung weist jedoch eine gewisse Nähe zu Konstellationen auf, in denen nach der Rechtsprechung die Annahme einer Begünstigung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Staat zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet ist.49 Hierzu hat der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren , in welchem er um Beantwortung der Frage ersucht wurde, ob Zahlungen an be- 46 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 47 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 67 u. 68, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 48 Vgl. etwa Arhold, in: Münchener Kommentar, Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Band 3: Beihilfen - und Vergaberecht, 2011, Art. 107 AEUV, Rn. 142; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht , 5. Aufl. 2016, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 61. 49 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 71. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 13 stimmte Unternehmen, zu denen der griechische Staat zum Ersatz eines Schadens möglicherweise verurteilt wird, als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen wären,50 folgendes ausgeführt: „Staatliche Beihilfen als Maßnahmen der öffentlichen Hand zur Begünstigung bestimmter Unternehmen oder bestimmter Erzeugnisse unterscheiden sich somit in ihrem rechtlichen Charakter grundlegend von Zahlungen, zu denen nationale Behörden gegebenenfalls zum Ersatz eines Schadens verurteilt werden, den sie Privatpersonen verursacht haben. Auf den ersten Teil der dritten Frage ist daher zu antworten , daß Zahlungen, zu denen nationale Behörden zum Ersatz eines Schadens verurteilt werden, den sie Privatpersonen verursacht haben, keine Beihilfen im Sinne der Artikel [107 f. AEUV] darstellen.“51 Im gleichen Zusammenhang erwähnt die Kommission in der Beihilfemitteilung noch zwei weitere Konstellationen, in denen das Vorliegen eines Vorteils nach der Rechtsprechung grundsätzlich ausgeschlossen ist: bei Erstattung rechtswidrig erhobener Abgaben oder bei Ausgleichsleistungen für Enteignungen.52 Gemeinsam ist den drei anerkannten Fällen eines Begünstigungsausschlusses, dass die staatliche Leistung dort nicht freiwillig erbracht wird, sondern einen Vollzug von Rechtspflichten darstellt .53 Unter diesem Blickwinkel besteht eine Parallele zum vorliegenden Fall, denn auch hier handelt es sich nicht um eine dem Unternehmen durch den Bund zu gewährende freiwillige Leistung, sondern um den Vollzug der sich aus der Kündigung ergebenden Rechtsfolgen. Neben dieser Parallele weist der hier zu beurteilende Fall aber auch Unterschiede zu den anerkannten Fällen des Begünstigungsausschlusses auf. So liegt den letztgenannten jeweils ein rechtswidriges (im Fall des Schadensersatzes oder Abgabenerstattung) bzw. für den Einzelnen ohne Ausgleichspflicht unzumutbares (rechtliches) Vorverhalten vor (Enteignung). Daran fehlt es hier, da die Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen vertraglich ausdrücklich vorgesehen ist. Zudem charakterisiert die drei anerkannten Fälle, dass sich die an das rechtserhebliche Vorverhalten knüpfenden Rechtspflichten zwingend aus dem Gesetz ergeben und solche allgemeiner Natur sind, während sie hier zwischen den Parteien vertraglich vereinbart und privatautonom ausgestaltet wurden. Ob die Unterschiede oder die oben beschriebene Parallele zu den anerkannten Begünstigungsausschlüssen hier schwerer wiegen und insoweit eine Begünstigung auszuschließen oder eine solche dem Grunde nach als möglich anzusehen ist, lässt sich mangels unionsgerichtlicher Rechtsprechung an dieser Stelle nicht abschließend entscheiden. Festzuhalten ist, dass sich der hier zu beurteilende Fall von den bisher bekannten und damit als typisch geltenden Fallkonstellationen des Beihilferechts unterscheidet, in denen der Staat als Wirtschaftsbeteiligter gegenüber einem 50 EuGH, Urt. v. 27.9.1988, verb. Rs. 106 bis 120/87 (Astersis u. a), Rn. 21. 51 EuGH, Urt. v. 27.9.1988, verb. Rs. 106 bis 120/87 (Astersis u. a), Rn. 23 f. 52 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 71, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 53 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 56. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 14 Unternehmer auftritt und sich die Begünstigung aus dem Verhältnis der freiwillig vereinbarten Leistung und Gegenleistung ergibt. Aus Sicht des Verfassers sprechen die besseren Gründe dafür, in Konstellationen wie hier eine Begünstigung grundsätzlich auszuschließen. Denn die Frage, ob sich der Vollzug der staatlichen Leistung aus gesetzlichen (allgemeinen) Rechtspflichten (bspw. Staatshaftung) oder vertraglich vereinbarten Verpflichtungen (Kündigungsklausel) ergibt, erscheint im Vergleich zum Merkmal der freiwilligen Gewährung der zur Begünstigung führenden staatlichen Leistung nicht oder allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Sowohl bei einem gesetzlich begründeten als auch im Fall eines vertraglich begründeten Vollzugs von Rechtspflichten geht es gerade nicht darum, ein Unternehmen zu begünstigen. Zwar lässt sich im letztgenannten Fall nicht ausschließen, dass eine solche Konstruktion auch gewählt werden könnte, um eine Beihilfe zu verschleiern. Soweit ersichtlich, liegen hierfür jedoch in einer Gesamtbetrachtung keine Anhaltspunkte vor.54 Für das weitere Gutachten soll gleichwohl unterstellt werden, dass auch in einer solchen Situation eine Begünstigung nicht per se auszuschließen ist. 4.1.1.2. Zur Bestimmung der Marktüblichkeit von Kündigungsklauseln Geht man hiervon aus, stellt sich als nächstes die Frage, wie im Lichte der obigen Definition die Markt(un)üblichkeit des staatlichen Vorgehens in einem solchen Fall ermittelt werden kann.55 In Konstellationen, in denen der Staat am Markt als Wirtschaftsbeteiligter auftritt, wird die Frage nach der Marktüblichkeit durch das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten konkretisiert; mit seiner Hilfe wird der Vergleichsmaßstab ermittelt, um das staatliche Tätigwerden und seine Begünstigungswirkung beurteilen zu können.56 In der Kommissionspraxis und ihr folgend auch der Rechtsprechung wurde das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten in Abhängigkeit von der einschlägigen wirtschaftlichen Transaktion näher ausgeformt: etwa für Austauschbeziehungen, in denen der Staat als Käufer oder Nachfrager auftritt (Marktüblichkeit des jeweiligen Preises – privater Käufer oder Erwerber) oder bei staatlichen (Unternehmens-)Investitionen (privater Kapitalgeber oder Gläubiger).57 Soweit ersichtlich, hat es eine vergleichbare Ausformung für Fälle wie den vorliegenden , in dem es nicht um die primäre (Haupt-)Leistungsbeziehung geht, sondern um deren Abwicklung in Folge einer Kündigung, bisher nicht gegeben. 54 Siehe dazu auch unten unter 4.1.1.3., S. 16 f. 55 Vgl. oben 4.1.1., S. 12. 56 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 60, 63. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 74 ff. 57 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 61 f. Siehe auch Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 74 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 15 Dies dürfte jedoch unschädlich sein, da das Kriterium eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht auf bestimmte Konstellationen wirtschaftlicher Transaktionen beschränkt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die ihm zugrunde liegenden Methoden zur Ermittlung der Marktkonformität geeignet sind, auch im vorliegenden Fall abzubilden, wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter sich verhalten hätte. Das dürfte der Fall sein, da es – ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Bindungen des Staates – um privatautonomes Handeln geht. Und auch in den bisher anerkannten Fällen liegt nicht immer ein transparenter Marktpreis vor oder kann ein solcher nicht im Wege eines Vergabeverfahrens ermittelt werden,58 so dass man darauf angewiesen ist, andere Bewertungsmethoden zugrunde zu legen, insbesondere das Benchmarking . In der Kommissionsmitteilung wird dieses wie folgt definiert: „Um festzustellen, ob eine Transaktion die Marktbedingungen erfüllt, kann sie anhand der Bedingungen geprüft werden, zu denen vergleichbare Transaktionen von vergleichbaren privaten Wirtschaftsbeteiligten in einer vergleichbaren Lage vorgenommen wurden (Benchmarking).“59 Zwar weist der Begriff der Transaktion auch hier mehr auf das wirtschaftliche „Primärverhältnis“ von Leistung und Gegenleistung oder die (Kapital-)Investition hin. Es ist aber nicht ersichtlich, warum nicht auch vertraglich vereinbarte Kündigungsbestimmungen mit einer solchen vergleichenden Methode auf ihre Marktüblichkeit untersucht werden können. Auf welche Art und Weise dies möglich ist, zeigen bspw. die oben zitierten Gutachten und die dort vorgenommene vergleichende Beurteilung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ am Maßstab der (dispositiven ) gesetzlichen Vorschriften einerseits sowie sonstiger Infrastrukturverträge andererseits.60 Eine abschließende Entscheidung in dieser Frage lässt sich mangels Rechtsprechung sowie einer entsprechenden Kommissionspraxis zu solchen Fällen an dieser Stelle allerdings nicht treffen. 4.1.1.3. Begünstigung im konkreten Fall? Wendet man sich vor diesem Hintergrund gleichwohl einer Prüfung der Begünstigung im konkreten Fall zu, so sind zunächst folgende allgemeine Vorgaben für die Prüfung aus Sicht eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten zu beachten: Erstens sind hierbei nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, „die mit der Rolle des Staates als Wirtschaftsbeteiligter zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Rolle als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen. Das Kriterium ist also in der Regel nicht anwendbar, wenn der Staat als Träger der öffentlichen Gewalt und nicht als Wirtschaftsbeteiligter handelt. Wenn ein Eingriff des Staates zum Beispiel aus Gründen des Gemeinwohls […]erfolgt, kann das 58 Siehe zu den Fällen sog. empirisch bzw. direkt feststellbarer Marktkonformität, Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 68, 69 ff. Vgl. auch die Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 84 ff. 59 Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 98. Siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 81. 60 Siehe oben unter 2., S. 5 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 16 Verhalten des Staates zwar aus politischer Sicht rational sein, aber gleichzeitig Erwägungen Rechnung tragen, die marktwirtschaftlich handelnde Wirtschaftsbeteiligte in der Regel nicht berücksichtigen . Bei der Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten sollten daher alle Erwägungen außer Betracht bleiben, die sich ausschließlich auf die Rolle des Mitgliedstaats als Träger der öffentlichen Gewalt beziehen […].“61 Hieraus folgt, dass allein politische (Allgemeinwohl-)Erwägungen eine in wirtschaftlicher Hinsicht nicht marktkonforme Maßnahme nicht zu heilen vermögen.62 Zweitens ist zu beachten, dass die „Marktkonformität“ nach den Vorgaben der Rechtsprechung und der Kommission ex ante unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Maßnahme verfügbaren Informationen zu prüfen ist; eine ex-post vorgenommene wirtschaftliche Bewertung positiver Natur reicht nicht aus.63 Drittens sind bei der Prüfung der Marktkonformität alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten.64 Nach diesen Maßgaben kann sich die Beurteilung einer Begünstigung im vorliegenden Fall jedenfalls nicht auf eine isolierte Betrachtung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ stützen. Der Umstand, dass diese in den oben zitierten Gutachten als „starke“ bzw. „grundlegende“ Abweichung von den einschlägigen gesetzlichen Leitbildern als auch den sonst üblichen Regelungen in Infrastrukturverträgen beurteilt wird und im Vertrag „Kontrolle“ eine andere Rechtsfolge vereinbart wurde,65 genügt somit alleine für sich nicht, um eine Begünstigung anzunehmen. Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Gründe für die Verankerung der Klausel nicht bekannt sind. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass etwaige politische Erwägungen im Hinblick auf die isoliert betrachteten (wirtschaftlich) begünstigenden Elemente der Klausel unbeachtlich wären. In die Bewertung eingestellt werden müssten ferner sonstige Umstände, die für die getroffene Gesamtvereinbarung und ihren Inhalt maßgeblich waren, sowie die Frage, ob der Verankerung dieser Kündigungsklausel nicht Zugeständnisse an anderer Stelle gegenüberstehen, die in wirtschaftlicher Hinsicht eine Relativierung ihrer Folgen aus einer ex-ante Perspektive gebieten. Auch hierzu liegen keine Informationen vor, die eine Bewertung erlauben. Schließlich stellt sich hier mit Blick auf diese untypische Beihilfekonstellation die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Annahme einer Begünstigung abzustellen ist. Bei Verträgen, deren Beihilferelevanz sich üblicherweise aus dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ergibt, 61 Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 77, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 62 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 66. Relevant werden können solche Erwägungen dann aber auf der Ebene der Rechtfertigung. 63 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 78; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 81, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 64 Siehe Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 82. 65 Siehe oben unter 2., S. 5 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 17 dürfte es bereits auf den Vertragsschluss und somit den Zeitpunkt der Vereinbarung ankommen, da in der Regel keine Zweifel an der Gewährungs- bzw. Leistungsabsicht bestehen dürften. Vorliegend stellt sich die Sachlage anders dar. Kündigungsklauseln wie diese werden für vertragliche „Notfälle“ vereinbart, so dass der Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derartigen Situationen nicht unbedingt als relevant erscheint. Zwar wurden nach Angaben des BMVI die Mautverträge bereits gekündigt.66 Doch lässt sich auch hieraus nicht in gleicher Weise auf eine Gewährungsbzw . Leistungsabsicht schließen, wie dies bei den Primärleistungspflichten der Fall ist. Das gilt insbesondere im vorliegenden Fall. Die maßgebliche Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung “ steht u. a. unter der Bedingung, dass eine Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen (Ziffer 26.3.4. Buchst. v des Vertrags) erfolgt, „ohne dass auch ein anderer Kündigungsgrund gemäß Ziffer 26.3.4. erfüllt ist […].“67 Nach Angaben des BMVI wurde die Kündigung des betreffenden Vertrags auf drei Kündigungsgründe gestützt, u. a. auf die Nichterfüllung vertraglicher Leistungspflichten des Auftragnehmers.68 Ob und inwieweit sich dahinter ein Kündigungsgrund im Sinne der Ziffer 26.3.4 des Vertrags „Erhebung“ verbirgt, die insgesamt 22 sehr konkret ausformulierte Kündigungsgründe umfasst, ist nicht bekannt. Es unterstreicht jedoch, dass es in zeitlicher Hinsicht auch nicht zwingend auf das Moment der Kündigung ankommen muss, insbesondere , weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Einschlägigkeit der Kündigungsklausel zwischen den Vertragsparteien streitig sein wird. Endgültige Klarheit über eine eventuelle Begünstigung würde vor diesem Hintergrund erst im Fall einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Entscheidung angenommen werden können. Wie sich hier die Vertragsabwicklung gestalten wird, ist derzeit nicht abzusehen. In dieser Problematik kommt im Übrigen das oben in grundsätzlicher Hinsicht erwähnte Freiwilligkeitskriterium zum Ausdruck, dass diese Konstellation von sonst typischen Beihilfefällen im Bereich der staatlichen Wirtschaftsbeteiligung unterscheidet, in denen sich die Begünstigung aus der freiwillig gewährten primären staatlichen Leistungspflicht ergibt. Mangelt es hieran, erschwert dies die Feststellung einer Begünstigung in zeitlicher wie in tatsächlicher Hinsicht. Zusammenfassend bleibt mit Blick auf die fehlenden Informationen über die Gründe für die Verankerung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ sowie die bei der Prüfung im konkreten Fall aufgeworfenen rechtlichen Fragen festzuhalten, dass eine eindeutige Beurteilung im Hinblick auf das Begünstigungsmerkmal nicht vorgenommen werden kann. Zu beachten ist hier abschließend allerdings, dass jeweils den Mitgliedstaat insbesondere bei wirtschaftlich komplexen Entscheidungen eine Darlegungslast hinsichtlich der Marktkonformität seines Verhaltens trifft, er im Zweifelsfall nachweisen muss, dass seine Entscheidung – hier für die nachteilige Ausgestaltung der Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ – „auf der Grundlage wirtschaftlicher Bewertung getroffen wurde, die denen vergleichbar sind, die ein vernünfti- 66 Vgl. BT-Drs. 19/12209, Antwort auf Frage 1, S. 1 f. 67 Siehe Vertrag „Erhebung“ (Fn. 1), Ziffer 30.5.4. 68 Vgl. BT-Drs. 19/12209, Antwort auf Frage 1, S. 1 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 18 ger, marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter (mit ähnlichen Merkmalen wie die betreffende öffentliche Einrichtung) in ähnlicher Lage vorgenommen hätte, um die Rentabilität oder die wirtschaftlichen Vorteile der Transaktion zu ermitteln.“69 4.1.2. Weitere Beihilfemerkmale Unterstellt man nach Maßgabe der obigen Ausführungen für die weitere Prüfung gleichwohl, dass die hier im Fokus stehende Kündigungsklausel im Vertrag „Erhebung“ eine Begünstigung des Auftragnehmers darstellt, kommt es darauf an, ob auch die übrigen Beihilfemerkmale vorliegen . Das dürfte der Fall sein. Für die Kündigungsfolgen müsste in vertraglicher Hinsicht die Bundesrepublik Deutschland aufkommen, die hierfür erforderlichen Mittel wären Haushalts- und damit staatliche Mittel.70 Da die Begünstigung in Gestalt der Kündigungsfolgen hier nur den Vertragspartnern zugutekommt, handelt es sich auch um eine selektive Begünstigung.71 An die Wettbewerbsverfälschung und die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels werden bei Vorliegen der vorgenannten Merkmale in der Regel keine hohen Anforderungen gestellt, die bei Annahme einer Begünstigung auch hier erfüllt sein dürften.72 4.1.3. Rechtfertigung Wie oben ausgeführt, können Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV am Maßstab des Art. 107 Abs. 2 oder Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden.73 Von praktischer Relevanz sind dabei insbesondere die Ermessenstatbestände in Art. 107 Abs. 3 Buchst. a bis d AEUV, die von der Kommission in den von ihr erlassenen unverbindlichen Maßnahmen bzw. den rechtsverbindlichen Freistellungsverordnungen konkretisiert wurden.74 Vorliegend ist – eine tatbestandliche Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV unterstellend – mit Blick auf die Umstände des Falls nicht erkennbar, dass eine Rechtfertigung am Maßstab der genannten Vertragsvorschrift bzw. ihren Konkretisierungen in Betracht kommen könnte. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um eine als Beihilfe getroffene staatliche Maßnahme, mit der Zwecke im Sinne der Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV verfolgt werden. Zweitens dürfte die Ein- 69 Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 79, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Siehe auch Mestmäcker/Schweitzer , in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 63, 79. 70 Siehe zu Merkmal der staatlichen oder aus staatlichen Mitteln finanzierten Begünstigung die Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 38 ff., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 71 Siehe zum Merkmal der Selektivität die Beihilfemitteilung (Fn. 32), Rn. 117 ff. Vgl. auch Mestmäcker/Schweitzer , in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 39, 60, 139 (in Bezug auf Einzelmaßnahmen). 72 Vgl. etwa Koenig/Förtsch, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 107 AEUV, Rn. 102, 111; Nowak, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/AEUV/GRC, 1. Aufl. 2017, Art. 107 AEUV, Rn. 42, 43. 73 Siehe oben unter 3.1., S. 9 f. 74 Siehe oben unter 3.2.1., S. 10 f. bzw. 3.2.2., S. 11 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 19 schlägigkeit dieser Tatbestände in Fällen, in denen sich die Begünstigung aus einer nicht marktüblichen kündigungsbedingten Vertragsabwicklung ergibt, eher fernliegend sein. Entscheidend sind aber auch an dieser Stelle alle Umstände des Einzelfalls, die hier nicht weiter bekannt sind. 4.2. Formal-verfahrensrechtliche Ebene Auch für die formal-verfahrensrechtliche Ebene kommt es entscheidend darauf an, ob in materieller Hinsicht eine Beihilfe vorliegt oder nicht. Wie oben dargestellt, lässt sich das vorliegend nicht abschließend beurteilen. Unterstellt man für das Gutachten, dass dem Vertrag „Erhebung“ eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zugrunde liegen könnte, sieht Art. 108 Abs. 3 AEUV ihre Notifizierung bei der Kommission und eine dem sich anschließende Beihilfeprüfung vor; bis zu deren Abschluss dürfte die Beihilfe nicht durchgeführt werden, sog. Durchführungsgebot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV.75 Soweit bekannt, ist eine Notifizierung bisher nicht erfolgt. Mit Blick auf den beihilfeuntypischen Charakter der Konstellation ist ferner davon auszugehen, dass auch eine sekundärrechtlich dem Grunde nach mögliche Freistellung von der Notifizierungspflicht nicht einschlägig ist.76 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus einer – im Weiteren mangels sicherer Kenntnis im Weiteren zu unterstellenden – (bisher) fehlenden Notifizierung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zu ziehen sind. Hierbei ist zwischen dem hier maßgeblichen Zeitpunkt für die Annahme eines Verstoßes (4.2.1.) und den sich daran ggf. knüpfenden Rechtsfolgen für den Vertrag „Erhebung“ zu unterscheiden (4.2.2.). 4.2.1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Annahme eines Verstoßes Erörterungsbedürftig ist zunächst, ab welchem Zeitpunkt vorliegend eine Notifizierungspflicht bestanden hat bzw. besteht. In Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV findet sich hierzu die Vorgabe, dass „die Kommission […] von jeder beabsichtigten Einführung […} von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet [wird], dass sie sich dazu äußern kann.“ Der darauf bezogene Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV bestimmt sodann, dass der „betreffende Mitgliedstaat […] die Maßnahme nicht durchführen [darf], bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.“ Das sog. Durchführungsverbot besteht somit während der gesamten Dauer des Beihilfeverfahrens. Für den Fall einer durch Gesetz gewährten Beihilfe hat der EuGH festgestellt, dass der betreffende Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 108 Abs. 3 AEUV verstoßen hat, dass er die betreffende gesetzliche Maßnahme erst nach deren Erlass notifiziert hat.77 Übertragen auf das Tätigwerden des Staates als Wirtschaftsbeteiligter dürfte bei vertraglichen Austauschverhältnissen wohl eine Notifizierung vor Vertragsschluss notwendig sein. Ob dies allerdings auch dann gilt, wenn sich die Beihilfe wie hier aus einer Kündigungsklausel ergibt, ist 75 Siehe dazu oben 3.2.1., S. 10 f. 76 Siehe dazu oben 3.2.2., S. 11 f. 77 EuGH, Urt. v. 27.3.1984, Rs. 169/82 (Kommission/Italien), Rn. 11. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 20 offen. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist ggf. noch nicht absehbar, ob und insbesondere auch in welchem Umfang eine Beihilfe vorliegen könnte. Auch an dieser Stelle wirkt sich somit die bereits oben angesprochene untypische Beihilfekonstellation aus und wirft die nicht abschließend zu beantwortenden Fragen auf.78 Vorliegend sind die Mautverträge jedoch bereits gekündigt worden, so dass das Kündigungsregime wirksam geworden ist, ungeachtet der Tatsache, ob und inwieweit dessen Anwendung und vor allem der konkrete Vollzug zwischen den Parteien streitig sein werden. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Kündigung dürfte eine Notifizierung kaum als rechtzeitige Unterrichtung anzusehen sein. Mit Blick auf die Besonderheiten der vorliegenden Konstellation stellt sich jedoch die weitere Frage, ob vorliegend zugleich auch gegen das – unmittelbar anwendbare – Durchführungsverbot nach Art. 108 abs. 3 S. 3 AEUV verstoßen wurde. Soweit ersichtlich, gibt es zum Begriff der Durchführung noch keine Rechtsprechung. Im Kommentarschrifttum wird insoweit die Frage aufgeworfen, ob der Begriff der Durchführung mit dem der Gewährung einer Beihilfe synonym verstanden werden kann. Letzterer wird in der Rechtsprechung dahingehend verstanden, dass es insoweit auf den Zeitpunkt ankommt, „in dem der Beihilfeempfänger nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt.“79 Auch diese Vorgabe dürfte mit Blick auf Konstellationen aufgestellt worden sein, in denen Beihilfen öffentlich-rechtlich (hoheitlich) vergeben werden. Übertragen auf den vorliegenden Fall läge eine Gewährung jedenfalls noch nicht im Vertragsschluss, sondern frühestens ab dem Moment der Kündigung. Denn erst dann entstehen dem Vertrag nach die für die Kündigung vereinbarten Ansprüche. Da die Kündigung vorliegend erfolgt ist, ließe sich bei einer synonymen Verwendung der Begriffe „Durchführung“ und „Gewährung“ durchaus von einem Verstoß gegen das Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV sprechen. Allerdings gilt auch hier, dass diese Vorgabe generell für Konstellationen gelten dürfte, in denen die Beihilfegewährung von Seiten des Staates freiwillig erfolgt. Das ist hier – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.80 4.2.2. Zu den eventuellen Rechtsfolgen eines Verstoßes Nimmt man vorliegend einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 S. 1 u. 3 AEUV an, so würde dies dazu führen, dass die dem Vertrag „Erhebung“ ggf. zugrunde liegende Beihilfe als formal rechtswidrig anzusehen ist, vgl. Art. 1 Buchst. f. Beihilfe-VerfO.81 78 Siehe oben unter 4.1.1.1., S. 12 ff. sowie 4.1.1.3., S. 16 ff. 79 EuGH, Urt. v. 21.3.2013, Rs. C-129/12 (Magdeburger Mühlenwerke), Rn. 40. Siehe auch Rusche, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 48), Art. 108 AEUV, Rn. 49. 80 Siehe oben unter 4.1.1.1., S. 12 ff. 81 Siehe oben Fn. 36. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 21 Was die Rechtsfolgen eines Verstoßes insbesondere gegen Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV angeht, so hat der EuGH folgendes hierzu ausgeführt: „Nach alledem beeinträchtigt die Verletzung von [Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV] durch die nationalen Behörden die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen . Die nationalen Gerichte müssen daraus zugunsten der einzelnen, die sich auf eine solche Verletzung berufen können, entsprechend ihrem nationalen Recht sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen.“82 Zwar steht vorliegend eine tatsächliche Zahlung nicht im Raum, so dass es auf eine vorläufige Rückforderung etc. nicht ankommt. Von Bedeutung ist aber die Frage nach der Gültigkeit der staatlichen Durchführungsmaßnahme, die vorliegend den Vertrag „Erhebung“ betrifft . Soweit ersichtlich, hat der EuGH sich bisher zwar nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob ein durch zivilrechtlichen Vertrag bzw. seine Vorschriften begründeter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV zwingend zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages führt. In einer neueren Entscheidung, bei der allerdings auch Rechtskraftfragen in Bezug auf den beihilferelevanten Vertrag und ein dazu ergangenes früheres Urteil eines nationalen Gerichts im Raum standen, hat der EuGH jedoch ausgeführt, dass die nationalen Gerichte „gegebenenfalls einstweilige Maßnahmen erlassen können“ und insoweit zu prüfen haben, „ob es möglich ist, eine Maßnahme wie eine vorübergehende Aussetzung der streitigen Verträge bis zum Erlass der verfahrensbeendenden Entscheidung der Kommission anzuordnen […].“83 Dies deutet darauf hin, dass eine Gesamtnichtigkeit als Rechtsfolge jedenfalls nicht zwingend ist. Auch der BGH geht in seiner neueren Rechtsprechung davon aus, dass der Zweck des unionsrechtlichen Durchführungsgebots nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV „keine Gesamtnichtigkeit von Kaufverträgen [gebietet].“84 Zumindest bei Verträgen, in denen sich das Beihilfeelement aus einem zu niedrigem Kaufpreis ergebe, reiche es zur Beseitigung des rechtswidrig erlangten Wettbewerbsvorteils aus, dass v. a. der Unterschiedsbetrag zwischen dem vereinbarten und dem beihilfefreien Preis gezahlt werde.85 82 EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 (FNCE), Rn. 12 (Hervorhebung durch Verf.). Siehe aus neuerer Rechtsprechung , EuGH, Urt. v. 13.12.2018, Rs. C-492/17 (Rittinger u. a.), Rn. 42. 83 EuGH, Urt. v. 11.11.2015, Rs. C-505/14 (Klausner Holz Niedersachsen GmbH), Rn. 35. 84 BGH, Urt. V. 5.12.2012, I ZR 92/11, Rn. 35 ff. 85 BGH, Urt. V. 5.12.2012, I ZR 92/11, Rn. 35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 22 Überträgt man diese Aussagen auf den vorliegenden Fall, so ließe sich – eine materielle Beihilfe unterstellend – die Einräumung eines rechtswidrig erlangten Wettbewerbsvorteils dadurch vermeiden , dass die Rechtsfolgen der Kündigung auf eine beihilfekonforme Schadensersatzzahlung begrenzt werden, etwa in Gestalt der Kündigungsfolgen, die der Vertrag „Kontrolle“ vorsieht. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage lässt sich mangels Rechtsprechung zu einem Fall wie dem vorliegenden jedoch nicht treffen. 4.3. Ergebnis Ob dem PKW-Maut-Vertrag „Erhebung“ mit Blick auf die Kündigungsklausel aus ordnungspolitischen Gründen im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil zur PKW-Maut eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zugrunde liegt, lässt sich aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen nicht eindeutig und abschließend beurteilen. In rechtlicher Hinsicht bestehen zunächst Zweifel, ob eine Beihilfe in materieller Hinsicht überhaupt angenommen werden kann, da es in Konstellationen wie dieser jedenfalls an der freiwilligen Einräumung der Begünstigung fehlt, die für anerkannte Beihilfefälle typisch ist. Geht man darüber vorliegend hinweg, stellt sich hinsichtlich der Prüfung im konkreten Fall das Problem, dass eine isolierte Betrachtung der betreffenden Kündigungsklausel alleine nicht genügt , um eine Begünstigung anzunehmen. Es sind vielmehr die Gesamtumstände des Vertragsschlusses und seines Inhalts zu betrachten, wobei weder die Gründe für die Vereinbarung dieser Klausel bekannt sind noch, ob ihr insoweit Zugeständnisse wirtschaftlicher Natur an anderer Stelle gegenüberstehen. Mit Blick auf die fehlende Freiwilligkeit und den Umstand, dass bestimmte weitere Kündigungsgründe die hier als beihilferelevant angesehenen Rechtsfolgen ausschließen, stellt sich in rechtlicher Hinsicht sodann die an dieser Stelle nicht abschließend zu beantwortende Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Annahme einer Begünstigung abzustellen ist. Dessen ungeachtet würde die Darlegungslast zu den tatsächlichen Unklarheiten in einem Beihilfeverfahren bei der Bundesrepublik Deutschland liegen. Könnte man vor diesem Hintergrund eine Begünstigung gleichwohl annehmen, wäre von dem Vorliegen der übrigen Beihilfemerkmale im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen. Eine eventuelle Rechtfertigung im Lichte des Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV ist für diesen Fall nach Maßgabe der bekannten Umstände nicht erkennbar. Von der materiellen Wertung zu Art. 107 Abs. 1 AEUV sind sodann auch die formal-verfahrensrechtlichen Konsequenzen abhängig. Nur soweit man zur Annahme einer Beihilfe im Sinne dieser Vertragsvorschrift gelangt, besteht eine Notifizierungspflicht bei der Kommission sowie ein Durchführungsverbot bis zum Erlass einer verfahrensabschließenden Entscheidung, Art. 108 Abs. 3 S. 1 u. 3 AEUV. Geht man davon aus, dass eine Notifizierung bislang nicht erfolgt ist, hinge ein Verstoß gegen die genannten Vertragsvorschriften davon ab, ab welchem Zeitpunkt in Fällen wie diesen eine Notifizierungspflicht besteht und in welchem Moment ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot anzunehmen ist. Es spricht einiges dafür, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt der bereits erfolgten Kündigung der Fall ist, obgleich auch dies nicht zwingend ist. Würde man einen Verstoß bejahen, hätte dies nicht unbedingt die Gesamtnichtigkeit des Vertrags Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 083/19 Seite 23 „Erhebung“ zur Folge. Es könnte ggf. auch genügen, die Rechtsfolgen der Kündigung auf eine beihilfekonforme Schadensersatzzahlung zu beschränken. – Fachbereich Europa –