© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 082/20 Beihilferechtliche Bewertung der Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung von Ansprüchen aus Cum-Ex-Geschäften durch die Freie und Hansestadt Hamburg Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Beihilferechtliche Bewertung der Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung von Ansprüchen aus Cum-Ex-Geschäften durch die Freie und Hansestadt Hamburg Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 082/20 Abschluss der Arbeit: 12. Oktober 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Sachverhalt 4 2. Überblick über das EU-Beihilfenrecht 4 2.1. Materielles EU-Beihilfenrecht 4 2.2. Formelles EU-Beihilfenrecht 5 2.2.1. Vorabnotifizierung 5 2.2.2. Freistellung von der Notifizierungspflicht und ex-post-Kontrolle 6 3. Beihilferechtliche Würdigung der Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung 6 3.1. Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV 6 3.1.1. Unternehmenseigenschaft 7 3.1.2. Gewährung einer Begünstigung 7 3.1.3. Zurechenbare Gewährung staatlicher Mittel 8 3.1.3.1. Staatlichkeit der Mittel 9 3.1.3.2. Zurechenbarkeit der Gewährung 9 3.1.4. Selektivität 10 3.1.5. Verfälschung des Wettbewerbs und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel 11 3.1.6. Zwischenergebnis 12 3.2. Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt 12 3.2.1. Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV 12 3.2.2. Zwischenergebnis 12 4. Rechtsfolgenseite 12 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 4 1. Fragestellung und Sachverhalt Der Fachbereich Europa wurde um Prüfung gebeten, ob die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung von Ansprüchen aus Cum-Ex-Geschäften durch das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen eine verbotene Beihilfe im Sinne des Unionsrechts darstellt. Die Medien berichteten1, dass die Hamburger M.M. Warburg Co. Bank2 in den Jahren 2007-2011 in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt gewesen sein soll, durch welche sie Steuererstattungen in Millionenhöhe erhalten habe. Während andere Bundesländer nach Bekanntwerden der Vorwürfe des Steuerbetrugs Steuerbescheide an die involvierten Banken versandten und darin die zu Unrecht erhaltenen sog. Kapitalertragssteuern zurückforderten, blieb das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen zunächst untätig. Obwohl die Hamburger Finanzbehörde seit April 2016, offiziell informiert von der Staatsanwaltschaft Köln3, von den Ermittlungen gegen die Warburg Bank gewusst haben soll, soll eine Steuerschuld in Höhe von 47 Millionen Euro bis zur steuerrechtlichen Verjährung nach § 228 Abgabenordnung (AO) der Ansprüche Ende 2016 nicht zurückgefordert worden sein. Erst auf eine Weisung des Bundesfinanzministeriums im Dezember 20174, weitere Ansprüche gegen die Warburg Bank in Höhe von 43 Millionen Euro nicht erneut verjähren zu lassen, versendete das Hamburger Finanzamt einen entsprechenden Steuerbescheid samt Rückforderung.5 2. Überblick über das EU-Beihilfenrecht Die Regelungen über staatliche Beihilfen in den Art. 107-109 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Teil der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln. Das Primärrecht stellt sowohl materielle als auch formelle Voraussetzungen für die unionsrechtskonforme Durchführung von Beihilfen durch die Mitgliedstaaten auf. 2.1. Materielles EU-Beihilfenrecht Den Kern des EU-Beihilfenrechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Fehlt 1 Vgl. dazu „Der Bankier und seine Freunde in der Politik“, Die Zeit, 3.09.2020; Beck-aktuell, 23.03.2020. 2 Im Folgenden Warburg Bank. 3 Vgl. Die Zeit, 4.09.2020.. 4 Vgl. BT Drucksache 19/852, 5, abrufbar unter: https://dserver03.bundestag.btg/btd/19/008/1900852.pdf. 5 Vgl. Die Zeit, 4.09.2020, BT Drucksache 19/852, 5.. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 5 eines dieser Merkmale, so liegt keine Beihilfe vor und die Vorgaben des Art. 107 ff. AEUV finden keine Anwendung.6 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen anderen Bestimmungen zählen Art. 107 Abs. 2, 3 AEUV, unter deren Voraussetzungen Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar gelten bzw. als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden können. 2.2. Formelles EU-Beihilfenrecht Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV der Europäischen Kommission.7 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei die primärrechtlich geregelte ex-ante- Prüfung und die sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle zu unterscheiden. 2.2.1. Vorabnotifizierung Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfe-VerfO)8 sind mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) zu überprüfen. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV9). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie gerechtfertigt werden kann.10 Bis zum Abschluss des Verfahrens darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nicht durchführen (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV11). Verstöße hiergegen können zur Aussetzung oder zur vorläufigen Rückforderung bereits gewährter Beihilfen führen und zwar unabhängig von der (noch festzustellenden) materiellen Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme.12 6 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-280/00, Rn. 74 (Altmark Trans). 7 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein, Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 8 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015 Nr. L 248/9). 9 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 10 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 11 Vgl. auch Art. 3 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). 12 Vgl. Art. 13 Beihilfe-VerfO (Fn. 4). Ist eine Beihilfe materiell nicht rechtfertigungsfähig, ist sie endgültig zurückzufordern , vgl. Art. 16 Beihilfe-VerfO (Fn. 8). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 6 Eine Vorabnotifizierung fand in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt nicht statt. 2.2.2. Freistellung von der Notifizierungspflicht und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.13 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer Ermächtigungsverordnung des Rates auf Grundlage des Art. 109 AEUV erlassen kann.14 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt. Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. Die derzeit geltende Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) fasst verschiedene Freistellungstatbestände zusammen. 15 Diese gilt allerdings nur für sog. transparente Beihilfen, d.h. (Zins-)Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften, rückzahlbare Vorschüsse und Steuererleichterungen. Die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung und das daraus resultierende Freiwerden der Warburg Bank von Steuerschulden in Höhe von 47 Millionen Euro erfüllen vorliegend weder einen in der AGVO genannten Freistellungstatbestände, noch handelt es sich um eine sog. transparente Beihilfe, sodass diese nicht von der Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt war. 3. Beihilferechtliche Würdigung der Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung Um die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung vor dem Hintergrund dieses unionsrechtlichen Rahmens zu würdigen ist zunächst zu prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (dazu 3.1.) und etwaige Rechtfertigungsmöglichkeiten (dazu 3.2.) vorliegen. 3.1. Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV Bei der Nicht-Unterbindung der Verjährung der Steuerschulden der Warburg Bank in Höhe von 47 Millionen Euro durch die Hamburger Finanzbehörde müsste es sich um eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln. Dort wird der sachliche Anwendungsbereich der 13 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, Das neue europäische Beihilferecht, NJW 2014, S. 3128 (3130). 14 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. 2015 Nr. L 248/1. 15 Siehe hierzu Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, (ABl. 2014 Nr. L 187/1), letzte konsolidierte Fassung vom 10.7.2017. Vgl. dort die Art. 52 ff. zu den Infrastrukturfreistellungstatbeständen. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 7 Art. 107 f. AEUV auf staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährleistete Beihilfen gleich welcher Art beschränkt, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder ihn zu verfälschen drohen. Soweit diese den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, sind sie mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Im Laufe eines fortwährenden Modernisierungsprozesses des europäischen Beihilfenrechts wurden die Tatbestandsmerkmale immer differenzierter und ausführlicher durch die Unionsgerichte ausgeformt. Die Kommission hat diese Rechtsprechung, bzw. bei offenen Fragen ihre eigene Interpretation und Genehmigungspraxis in der sog. Beihilfemitteilung von 201616 zusammengefasst . Diese soll neben der europarechtlichen Fachliteratur als Anknüpfungspunkt für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale dienen. 3.1.1. Unternehmenseigenschaft Zunächst müsste es sich bei der Warburg Bank um ein Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit , unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.17 Bei der M.M. Warburg & Co. Bank handelt es sich um ein Unternehmen in diesem Sinne. 3.1.2. Gewährung einer Begünstigung Fraglich ist allerdings, ob der Warburg Bank vorliegend eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Begünstigung jede wirtschaftliche Vergünstigung , die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d.h. ohne Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte.18 Ob eine Maßnahme eine Begünstigung darstellt, ergibt sich nicht aus den Gründen ihrer Gewährung oder den damit verfolgten Zielen, sondern ihren Wirkungen, also der Vorteilhaftigkeit der Auswirkungen der Maßnahme auf das Unternehmen.19 Fraglich ist folglich, mit welchen Konditionen der Nutznießer eines staatlich gewährten Vorteils im Markt des Mitgliedstaates ohne die konkrete staatliche Vergünstigung zu rechnen gehabt bzw. welche Lasten und Kosten er zu tragen gehabt hätte.20 Führt die Maßnahme zu einer Abweichung 16 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, sog. Beihilfemitteilung (ABl. 2016, C 262/01). 17 Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 7, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 18 Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 19 Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 67, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 20 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 46. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 8 von der regulären Lastenverteilung zugunsten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige, so handelt es sich um eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AUEV.21 Vorliegend gab es zum fraglichen Zeitpunkt keine aktive Mittelübertragung der Finanzbehörde Hamburg an die Warburg Bank. Die Behörde unterließ es im Fall der im Jahr 2016 verjährten Ansprüche , diese rechtzeitig gegenüber der Bank geltend zu machen. Die Gewährung der Begünstigung kann mithin vorliegend allenfalls in dem Unterlassen der Versendung eines Rückforderungsbescheids an die M.M. Warburg & Co. Bank liegen. Indem die zuständige Finanzbehörde vor Verjährungseintritt keinen Steuerbescheid mit Rückforderung verfügte und infolgedessen Ansprüche der Stadt Hamburg in Höhe von 47 Millionen Euro Ende 2016 verjährten, waren diese nicht mehr durchsetzbar. Da gegenüber der Warburg Bank diese Steuerschuld nicht mehr durchsetzbar war, entstand dieser ein entsprechender finanzieller Vorteil. Sind Form und Art der Begünstigung nicht entscheidend, so kann ein beihilfenrechtlich relevanter Vorteil nicht nur in positiven staatlichen Leistungen – Subventionen im engeren Sinne – bestehen , sondern kann auch bei Maßnahmen bestehen, die in anderer Form die Belastungen vermindern , die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.22 Erfasst ist dabei gerade auch der Verzicht auf öffentliche Forderungen oder der Erlass von Geldbußen oder Zwangsgeldern.23 Der Warburg Bank entstand durch die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung und der damit verbundenen Befreiung von der zu tragenden steuerlichen Belastung, ein finanzieller Vorteil. Eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt folglich vor. 3.1.3. Zurechenbare Gewährung staatlicher Mittel Es müsste sich zudem bei der fraglichen Begünstigung infolge des Verjährungseintritts einer Steuerschuld in Höhe von 47 Millionen Euro um staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln und ihre Gewährung müsste dem Staat zurechenbar sein. 21 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 46. 22 EuGH, Rs. C-387/92, Slg. 1994 I-877, Rn. 13 (Banco Exterior de Espana); EuGH, Rs. C-200/97, Slg. 1998 I-7907, Rn. 34 (Ecotrade): Der Begriff Beihilfe sei weiter als der Begriff der Subvention, „denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedenen Formen die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im engeren Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.“; EuGH, Rs. C-75/97, Slg. 1999 I-3671, Rn. 23 (Maribel); EuGH, Rs. C-256/97, Slg. 1999 I-3913, Rn. 19 (DM Transport). 23 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 51; vgl. EuGH, Rs. C-295/97, Slg. 1999-I-3735 Rn. 42, 43 (Piaggo). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 9 3.1.3.1. Staatlichkeit der Mittel Die Staatlichkeit der Mittel ist immer dann gegeben, wenn sich die Begünstigung mittel- oder unmittelbar aus Haushaltsmitteln speist und wenn deren Gewährung dem Staat unmittelbar zuzurechnen ist.24 Staatlich sind Beihilfen, wenn es sich bei dem Beihilfegeber um einen Hoheitsträger handelt. Dazu zählen neben den Mitgliedstaaten (Gesamtstaaten) die Länder (Teilstaaten).25 In der Beihilfemitteilung der Kommission heißt es in Rn. 51 zudem: „Eine positive Mittelübertragung ist nicht erforderlich; ein Einnahmenverzicht des Staates reicht aus. Der Verzicht auf Mittel, die der Staat andernfalls eingenommen hätte, stellt eine Übertragung staatlicher Mittel dar. Einnahmenverluste, die aus den von einem Mitgliedstaat gewährten Steuer- und Abgabenbefreiungen oder -ermäßigungen oder aus dem Erlass von Geldbußen oder -strafen resultieren, sind als staatliche Mittel im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV anzusehen “ Die fraglichen 47 Millionen Euro stammen ursprünglich aus der staatlichen Erstattung der sog. Kapitalertragssteuer an die Warburg Bank im Jahr 2009 durch das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen. Da die Warburg Bank zum Zeitpunkt der Erstattung allerdings nach derzeitigem Kenntnisstand keinen Anspruch auf diese hatte, hätte das Hamburger Finanzamt die Summe nach § 130 Abs. 3 AO bis zur Verjährung Ende 2016 zurückfordern können. Die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung kommt dabei einem faktischen Verzicht auf die Rückforderung der Steuerforderung gleich, die mithin nach der Rechtsprechung des EuGH als staatliche Mittel i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind. 3.1.3.2. Zurechenbarkeit der Gewährung Die Vorteilsgewährung durch staatliche Mittel müsste dem Staat auch zurechenbar sein. Grundsätzlich ist dafür an die Entscheidung über eine Rückforderung innerhalb der Behörde anzuknüpfen . Ob es allerdings eine solche Entscheidung überhaupt gab, und wenn ja durch wen und zu welchem Zeitpunkt diese getroffen wurde, kann vorliegend nicht beantwortet werden. Nur im Falle eines schlichten Versäumnisses der rechtzeitigen Rückforderung durch das Finanzamt aber, wäre zu erwägen, dass es an einer staatlichen Zurechnung eines einem Unternehmen entstandenen Vorteils fehlte. Ob dem Merkmal des Gewährens im Rahmen des Beihilfetatbestandes überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt, ist in der unionsgerichtlichen Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden. Im Übrigen sollen nach Recherchen der Wochenzeitung Die Zeit die Umstände des Cum-Ex-Skandals der Hamburger Finanzbehörde 24 Beihilfemitteilung (Fn. 16), Rn. 48 bzw. 39, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 25 EuGH, Rs. C-428/06, Slg. 2008 I-6747, Rn. 46 ff. (UGT-Rioja); EuGH, Rs. C-248/84, Slg. 1987, 4013, Rn. 17 (Deutschland/Kommission). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 10 noch vor Verjährung bekannt geworden und sowohl eigene Untersuchungen sowie eine Entscheidung gegen ein Tätigwerden vor Verjährung herbeigeführt worden sein.26 Ausgehend von der Richtigkeit der genannten Rechercheergebnisse, wäre das Erfordernis einer dem Staat zurechenbaren Gewährung eines staatlichen Vorteils erfüllt. 3.1.4. Selektivität Es müsste zudem das Beihilfemerkmal der Selektivität erfüllt sein. Die Prüfung der Selektivität dient der Abgrenzung der Beihilfen von allgemeinen steuer- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen .27 Eine Maßnahme ist selektiv, wenn sie bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen begünstigt, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.28 Für die Beurteilung der Selektivität ist dabei unerheblich, ob die Gruppen begünstigter und nicht begünstigter Unternehmen aktuelle oder potentiell im Wettbewerb miteinander stehen.29 Eine Maßnahme ist nach diesen Grundsätzen selektiv, soweit sie einem einzelnen Unternehmen Vorteile gegenüber anderen Unternehmen in vergleichbarer Lage gewährt.30 Als rechtlich und sachlich vergleichbar mit der Warburg Bank zu bewerten sind Privatbanken, denen der in Frage stehende Vorteil nicht gewährt wurde. Das Merkmal der Selektivität dürfte vorliegend bereits dadurch erfüllt sein, dass Wettbewerber der Warburg Bank die Begünstigung infolge der unterlassenen Rückforderung einer Steuerschuld nicht erhielten. Schon aus der Natur der Sache resultiert, dass einzig das von der Nicht-Unterbindung der Verjährung eines gegen ihn gerichteten Anspruchs profitierende Unternehmen begünstigt sein kann. 26 So habe die zuständige Finanzbeamtin Vertretern der Warburg Bank mehrfach mitgeteilt, sie wolle die Steuern nicht zurückfordern. Am 17.11.2016 sei zudem bei einem Treffen der Verantwortlichen des Hamburger Finanzamtes für Großunternehmen mit Vorgesetzten aus der übergeordneten Finanzbehörde entschieden worden, die Steuern nicht zurückzufordern und damit teilweise verjähren zu lassen. Am 12.12.2016 sei schließlich der jährliche Steuerbescheid, ohne Rückforderung, verschickt worden, vgl. „Die Warburg-Bank und ihre Kontakte zu SPD-Politikern wie Olaf Scholz“, die Zeit, 04.09.2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/hamburg/2020- 09/elbvertiefung-04-09-2020. 27 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 170. 28 Siehe z.B. EuGH, Rs. C-143/99, Slg. 2001 I-8365, Rn. 41 (Adria Wien Pipeline); EuGH, Rs. C-172/03, Slg. 2005 I- 1627, Rn. 40 (British Aggregates/Kommission); EuGH, Rs. C-403/10 P; Slg. 2011 I-00117, Rn. 36 (Mediaset); EuGH, Rs.- C-106/09 P und C-107/09 P, Slg. 2011 I-11113, Rn. 75 (Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich). 29 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 170. 30 Mestmäcker/Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 171. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 11 3.1.5. Verfälschung des Wettbewerbs und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel An das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung und an die Feststellung von Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel werden in der Regel keine hohen Anforderungen gestellt, sofern die vorgenannten Beihilfemerkmale verwirklicht sind und es sich nicht um rein lokale oder kommunale Sachverhalte handelt.31 Ersteres liegt dann vor, wenn der Staat einem Unternehmen in einem liberalisierten Wirtschaftszweig einen finanziellen Vorteil gewährt und damit in ein bestehendes oder möglicherweise entstehendes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen eingreift und so den Ablauf des Wettbewerbs verändert.32 Dabei reicht es aus, wenn eine Maßnahme zu einer solchen Wettbewerbsverfälschung nur geeignet ist.33 Da auf den Kapitalmärkten ein Wettbewerb mit anderen Unternehmen , insbesondere Banken, besteht, aber nur der Warburg Bank ein finanzieller Vorteil durch die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung entstanden ist, kann in Anbetracht der geringen Anforderungen dieses Tatbestandsmerkmals von einer Verfälschung des Wettbewerbs ausgegangen werden. Damit eng verbunden ist die Frage, ob der Handel zwischen den Mitgliedstaaten durch diese Wettbewerbsverfälschung beeinträchtigt wird. Tatsächliche Auswirkungen auf den Handel sind dabei zwar nicht notwendig34, potentielle Auswirkungen dürfen allerdings nicht rein hypothetischer Natur sein oder nur vermutet werden. 35 Die Unionsgerichte prüfen insbesondere, ob eine von einem Mitgliedstaat gewährte Finanzhilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im unionsinternen Handel stärkt.36 Banken stehen am innereuropäischen Kapitalmarkt zueinander im Wettbewerb. Fraglich ist, ob die Begünstigung der Warburg Bank ihre Position als Bank am Binnenmarkt stärkte. Für die Annahme einer Stärkung, und damit einer Wettbewerbsverfälschung, spricht insbesondere das Ergebnis eines Zwischenberichts zur Schwerpunktprüfung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG vom 30. März 2016, in welchem die Prüfer feststellten, dass die Warburg Bank für den Fall der Rückforderung der offenen Cum-Ex-Steuerrückforderungen zu diesem Zeitpunkt nicht 31 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11 (Libert u. a), Rn. 76,77; EuGH, Urt. v. 17.09.1980 Rs. C-730/79 (Phillip Morris), Rn. 11. 32 Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 187 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 33 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2016, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 299 ff.; Nowak, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 107 Rn. 42. 34 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 190 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 35 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 16) Rn. 194 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 36 Siehe nur EuGH, Rs. C-518/13, Rn. 66 (Eventech). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 12 über genug Kapital verfügte, und dies bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anzeigten.37 Es ist mithin davon auszugehen, dass es zu Wettbewerbsverfälschungen und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel kam, sodass beide Tatbestandsmerkmale als erfüllt angesehen werden können. 3.1.6. Zwischenergebnis Bei Annahme einer staatlich zurechenbaren Gewährung der fraglichen Begünstigung handelte es sich bei der Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung mithin um eine vom Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasste Maßnahme. 3.2. Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt Das europäische Primärrecht sieht Ausnahmen von dem grundsätzlichen Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV vor. Einerseits sind in Art. 107 Abs. 2 AEUV sog. Legalausnahmen vorgesehen , andererseits ermöglicht Art. 107 Abs. 3 AEUV Ausnahmen im Ermessen der Kommission. 3.2.1. Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV Soweit die Beihilfemerkmale erfüllt sind, führt dies nicht sogleich zur Unionsrechtswidrigkeit einer als Beihilfe anzusehenden Maßnahme, da das Beihilfeverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV nur soweit gilt, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Ein Fall einer Legalausnahme nach Art. 107 Abs. 2 lit. a), b) oder c) AEUV ist ebenso wie eine Ausnahme im Ermessen der Kommission nach Art. 107 Abs. 3 lit. a) – lit. d) AEUV weder dargelegt noch ersichtlich. 3.2.2. Zwischenergebnis Mangels eines einschlägigen Ausnahmetatbestands ist von dem Vorliegen einer verbotenen, nicht gerechtfertigten Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen. 4. Rechtsfolgenseite Die Feststellung des Vorliegens einer verbotenen Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV obliegt gem. Art. 108 Abs. 1 und 2 AEUV der Kommission. Stellt sie eine unionsrechtswidrige Beihilfe in der Maßnahme eines Mitgliedsstaates fest, setzt die Kommission diesem eine Frist die Maßnahme aufzuheben oder umzugestalten, vgl. Art. 108 Abs. 2 AEUV. Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt dabei nach nationalem Recht38, welches gem. der Rechtsprechung des EuGH im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beihilfe 37 Vgl. „Die Warburg-Bank und ihre Kontakte zu SPD-Politikern wie Olaf Scholz“, die Zeit, 04.09.2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/hamburg/2020-09/elbvertiefung-04-09-2020. 38 Koenig/Paul, in Streinz, Art. 108 AEUV, Rn. 26; Wallenberg/Schütte, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, RdEU, Art. 108 AEUV, Rn. 100. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 082/20 Seite 13 im Sinne des Effet-Utile-Grundsatzes so zur Anwendung kommen soll, dass das Unionsinteresse vollumfänglich berücksichtigt wird.39 Sollte die Kommission im vorliegenden Fall zu der Annahme einer verbotenen Beihilfe durch die Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung kommen, würde sie Deutschland mithin grundsätzlich zur Geltendmachung der nach deutschem Steuerrecht verjährten Ansprüche in Höhe von 47 Millionen Euro zzgl. Zinsen40 verpflichten. Fraglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass deutsche Behörden steuerliche Ansprüche aufgrund nationaler Verjährungsvorschriften nicht mehr gegenüber der Warburg Bank geltend machen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Kommission innerhalb der in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Frist von zehn Jahren stets die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe samt Zinsen verlangen, ungeachtet des möglichen Ablaufs der im nationalen Verfahren geltenden Verjährungsfrist.41 Art. 16 Abs. 2 und der in Art. 16 Abs. 3 der VO 2015/1589 zum Ausdruck kommende Effektivitätsgrundsatz sind laut EuGH dahingehend auszulegen, „… dass sie der Anwendung einer nationalen Verjährungsfrist auf die Rückforderung einer Beihilfe entgegenstehen, wenn diese Frist abgelaufen ist, noch bevor der Beschluss der Kommission erlassen wurde, mit dem diese Beihilfe für rechtswidrig erklärt und ihre Rückforderung verlangt wird, oder wenn diese Verjährungsfrist in erster Linie deshalb abgelaufen ist, weil die nationalen Behörden die Vollstreckung dieses Beschlusses verzögert haben.“42 Die zuständigen deutschen Behörden wären bei entsprechender Aufforderung der Kommission, trotz nationaler Verjährung, zur Rückforderung der 47 Millionen Euro samt Zinsen gegen die Warburg Bank verpflichtet. - Fachbereich Europa - 39 EuGH, Rs. C-5/89, Slg. 1990, I-3427, Rn. 12 (Kommission/Deutschland); EuGH, Rs. C-142/87, Slg. 1990, I-959, Rn. 61 (Belgien/Kommission). 40 EuGH, Rs. C-627/18, Rn. 61 (Nelson Antunes da Cunha Lda), vgl. auch Art. 16 Abs. 2 VO 2015/1589. 41 EuGH, Rs. C-627/18, Rn. 62 (Nelson Antunes da Cunha Lda). 42 EuGH, Rs. C-627/18, Rn. 62 (Nelson Antunes da Cunha Lda).