© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 82/17 Das Abkommen zwischen der EU und Japan (JEFTA) Einstufung als gemischtes Abkommen oder als EU-only-Abkommen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 2 Das Abkommen zwischen der EU und Japan (JEFTA) Einstufung als gemischtes Abkommen oder als EU-only-Abkommen Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 82/18 Abschluss der Arbeit: 26.06.2018 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Gemischte Abkommen und EU-only-Abkommen 4 3. Zuständigkeitsverteilung in JEFTA 6 3.1. Vorgaben zur Bestimmung der Zuständigkeiten 6 3.2. Materiell-rechtliche Bestimmungen 7 3.2.1. Warenhandel (Kapitel 2 bis 7 des JEFTA) 7 3.2.2. Dienstleistungshandel, Liberalisierung von Investitionen und elektronischer Geschäftsverkehr (Kapitel 8) 9 3.2.2.1. Liberalisierung von Investitionen 10 3.2.2.2. Verkehrsdienstleistungen 10 3.2.2.3. Zwischenergebnis 11 3.2.3. Kapitalverkehr (Kapitel 9) 11 3.2.4. Öffentliche Beschaffungen (Kapitel 10) 12 3.2.5. Wettbewerbspolitik (Kapitel 11) 13 3.2.6. Subventionen (Kapitel 12) 14 3.2.7. Staatsunternehmen (Kapitel 13) 15 3.2.8. Geistiges Eigentum (Kapitel 14) 15 3.2.9. Corporate Governance (Kapitel 15) 17 3.2.10. Nachhaltige Entwicklung (Kapitel 16) 17 3.3. Institutionelle Bestimmungen 18 3.3.1. Die Rechtsnatur institutioneller Bestimmungen 18 3.3.2. Institutionelle Bestimmungen des JEFTA (Kapitel 1 sowie 17 bis 23) 19 4. Fazit 20 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich wurde um ein Gutachten zur Rechtsnatur des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens der Europäischen Union mit Japan (im Folgenden: JEFTA)1 ersucht, für welches die Verhandlungen am 8. Dezember 2017 abgeschlossen worden sind.2 Die Kommission hat dem Rat Vorschläge für einen Beschluss über die Unterzeichnung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der EU und Japan im Namen der EU und für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der EU und Japan vorgelegt.3 In der Begründung des Vorschlags führt die Kommission aus, im Einklang mit dem EUSFTA-Gutachten sei davon auszugehen, dass alle von JEFTA erfassten Bereiche in die Zuständigkeit der EU und insbesondere unter die Art. 91, 100 Abs. 2 und 207 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) fallen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich bei JEFTA um ein sogenanntes EU-only-Abkommen handelt, für das allein die EU zuständig ist, oder JEFTA als gemischtes Abkommen eingestuft werden kann, welches von der EU und ihren Mitgliedstaaten mit Japan abgeschlossen wird. 2. Gemischte Abkommen und EU-only-Abkommen Gemischte Abkommen unterscheiden sich von den sogenannten EU-only-Abkommen dadurch, dass letztere von der EU ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten geschlossen werden, während erstere nur von der EU und ihren Mitgliedstaaten gemeinsam geschlossen werden können.4 Wann die EU bei dem Abschluss eines Abkommens allein handeln kann und wann sie gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten agieren muss, entscheidet sich nach der Zuständigkeitsverteilung für die im Abkommen geregelten Bereiche.5 1 Anhang des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 18.04.2018 für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Japan im Namen der Europäischen Union KOM(2018) 193 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0193&from=EN. 2 European Commission, Countries and regions, Japan http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions /countries/japan/. 3 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 18.04.2018 für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Japan im Namen der Europäischen Union KOM(2018) 193 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0193&from=EN. 4 EuGH, Gutachten 2/15 (EUSFTA) vom 16.05.2017, http://curia.europa.eu/juris /document/document.jsf?text=&docid=190727&pageIndex=0&doclang =de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=236602, Rn. 29. 5 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 31. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 5 Ist die EU für alle im Abkommen geregelten Bereiche ausschließlich zuständig, kann und muss sie es als EU-only-Abkommen schließen. Enthält der Vertrag auch Bereiche, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, ist eine Beteiligung der Mitgliedstaaten zwingend, sodass ein gemischtes Abkommen vorliegt. Eine politische Entscheidung über die Art des Abkommens ist bei Verträgen zu treffen, deren Regelungen weder in der ausschließlichen Kompetenz der EU noch der Mitgliedstaaten liegen, sondern zum Teil in eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit fallen. In Übertragung des in Art. 2 Abs. 2 AEUV für nach innen gerichtete Rechtsakte geregelten Vorrangs des unionalen Tätigwerdens bei geteilter Zuständigkeit auf den Bereich des auswärtigen Handels, kann die EU entscheiden, ob sie die geteilte Zuständigkeit wahrnimmt und das Abkommen allein schließt oder hierauf verzichtet und die Mitgliedstaaten am Vertragsschluss beteiligt (sogenannte fakultativ gemischte Abkommen).6 Der EuGH schien in seinem Gutachten über die Zuständigkeit für den Abschluss des Freihandelsabkommens der EU mit Singapur (im Folgenden: EUSFTA) derartige fakultative gemischte Abkommen abzulehnen. Er stellte in seinem Gutachten fest, dass Bereiche des Abkommens, die in die geteilte Zuständigkeit fallen, nicht von der EU „allein genehmigt werden [können].“7 Allerdings hat der EuGH im Dezember 2017 einen Rechtsstreit um Kompetenzen in Bezug auf das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr für die Klarstellung genutzt, dass er im EUSFTA-Gutachten zwar festgestellt habe, dass die maßgeblichen Bestimmungen des EUS- FTA über andere ausländische Investitionen als Direktinvestitionen, die in die zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit fallen, nicht von der Union allein genehmigt werden können. Damit habe er jedoch nur auf die vom Rat im damaligen Gutachtenverfahren vorgetragene Unmöglichkeit abgestellt, die erforderliche Ratsmehrheit dafür zu erreichen, dass die Union die in diesem Bereich mit den Mitgliedstaaten geteilte Außenkompetenz allein ausüben kann.8 Der EuGH erachtet die Entscheidung über den Abschluss von Abkommen (als gemischte Abkommen oder EU-only-Abkommen), deren Gegenstand in der geteilten Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten liegt, mithin als eine politische Entscheidung des Rates und bejaht damit die Möglichkeit fakultativ gemischter Abkommen. Wenn einer der in JEFTA geregelten Bereiche in die geteilte Zuständigkeit von Mitgliedstaaten und Union fallen würde, wäre es mithin der politischen Entscheidung der Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat überlassen, ob JEFTA als gemischtes Abkommen oder EU-only Abkommen geschlossen wird. Regelt JEFTA hingegen lediglich Bereiche, die in der ausschließlichen Kompetenz der Union liegen, ist ein EU-only Abkommen zu vereinbaren. Enthält JEFTA Regelungen für 6 Siehe GA Sharpston, Schlussanträge zu Gutachten 2/15, Rn. 74, die unter anderem auf die Ausführungen des Rates in der mündlichen Verhandlung verweist; Mögele, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 216 AEUV, Rn. 40 ff.; Giegerich, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, AEUV und GRC, 2017, Art. 216 AEUV, Rn. 159 ff., 163. 7 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 244, vgl. ferner Rn. 282, 304. 8 EuGH, Urt. v. 5.12.2017, Rs. C‑600/14 (Bundesrepublik Deutschland/Rat), Rn. 68. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 6 Bereiche, die in der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen, muss ein gemischtes Abkommen geschlossen werden. 3. Zuständigkeitsverteilung in JEFTA Im Folgenden wird untersucht, in wessen Zuständigkeit die in JEFTA geregelten Bereiche fallen. Dabei wird, wann immer möglich, auf die Wertungen des EuGH im EUSFTA-Gutachten zurückgegriffen , die im Folgenden kurz dargelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass das EUSFTA im Anschluss an das Gutachten des EuGH aufgeteilt worden ist und nunmehr in zwei Teilen (einem Freihandelsabkommen als EU-only-Abkommen und einem Investitionsschutzabkommen als gemischtem Abkommen) abgeschlossen werden soll.9 Dies hat zur Konsequenz, das sich die Kapitel (reihenfolge) des EUSFTA seit dem Gutachten des EuGH geändert hat. Die nachfolgende Ausarbeitung orientiert sich an der aktuellen Fassung des Freihandelsabkommens der EU mit Singapur , wie es die Kommission vorgeschlagen hat. 3.1. Vorgaben zur Bestimmung der Zuständigkeiten Zentrale Bedeutung für die Zuständigkeit der EU für die in JEFTA geregelten Bereiche kommt der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV zu, die gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU liegt. Die gemeinsame Handelspolitik umfasst die Änderung von Zollsätzen, den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen betreffen, die Handelsaspekte des geistigen Eigentums, ausländische Direktinvestitionen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und handelspolitische Schutzmaßnahmen. Dabei genügt es für eine Einschlägigkeit dieser Zuständigkeit nicht, dass ein Abkommen oder die in ihm geregelten Verpflichtungen „bestimmte Auswirkungen auf den Handelsverkehr mit einem oder mehreren Drittstaaten haben kann [bzw. können].“10 Der EuGH verlangt stattdessen, dass die betreffenden Verpflichtungen jeweils speziell den Handelsverkehr mit Drittstaaten betreffen, weil sie ihn im Wesentlichen fördern, erleichtern oder regeln sollen und sich direkt und sofort auf ihn auswirken.11 Ist die EU nicht nach Art. 207 Abs. 1 AEUV zuständig, kann sich ihre ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss eines Abkommens aus einer impliziten Außenzuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 AEUV ergeben. Danach hat die EU „die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss 9 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 18.04.2018 für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur, COM/2018/196 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1529308966650&uri=CELEX:52018PC0196 und Vorschlag der Europäischen Kommission vom 18.04.2018 für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Investitionsschutzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits, COM/2018/194 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1529308966650&uri=CELEX:52018PC0194. 10 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 36, so schon zuvor: EuGH, Gutachten 2/00 (Cartagena Protokoll) vom 06.12.2001, Rn. 40. 11 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 36; so schon zuvor: EuGH, Urteil vom 18.07.2013, Rs. C-414/11 (Daiichi Saknyo und Sanofi-Aventis/Deutschland), Rn. 51. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 7 internationaler Übereinkünfte, wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist [Var. 1], wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Tätigkeit ausüben kann [Var. 2], oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte [Var. 3].“ Es handelt sich hierbei also um Varianten einer nicht sachbereichsbezogenen ausschließlichen Zuständigkeit der EU. Dabei geht Art. 3 Abs. 2 Var. 3 AEUV auf das AETR-Urteil des EuGH zurück, in dem der Gerichtshof entschied, dass in Bereichen, in denen die EU Rechtsakte erlassen hat, die Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen mit Drittstaaten eingehen dürften, die diese Rechtsakte beeinträchtigen, und folglich die EU zuständig sei für den „gesamten Geltungsbereich der Gemeinschaftsordnung vertragliche Verpflichtungen gegenüber dritten Staaten“ zu übernehmen und zu erfüllen.12 Die Tragweite der gemeinsamen Regeln der EU kann laut EuGH auch durch Verpflichtungen in Abkommen beeinträchtigt werden, die einen Bereich betreffen, der nur weitgehend von gemeinsamen Regeln erfasst ist, sodass keine völlige Übereinstimmung zwischen den Vertragsbestimmungen und den gemeinsamen Regeln erforderlich ist.13 Eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit kann sich aus Art. 216 Abs. 1 AEUV ergeben. Danach kann die EU mit einem Drittland „eine Übereinkunft schließen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist [Var. 1] oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich [Var. 2] oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist [Var. 3] oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte [Var. 4].“14 Da nach Art. 4 Abs. 1 AEUV die EU ihre Zuständigkeiten mit den Mitgliedstaaten teilt, wenn ihr außerhalb der in den Art. 3 und 6 AEUV genannten Bereichen eine Zuständigkeit übertragen worden ist, wird Art. 216 Abs. 1 AEUV als geteilte Zuständigkeit angesehen .15 3.2. Materiell-rechtliche Bestimmungen 3.2.1. Warenhandel (Kapitel 2 bis 7 des JEFTA) Die Kapitel 2 bis 7 des JEFTA enthalten Vorgaben zum Warenhandel (Kapitel 2), Ursprungsregeln und Ursprungsverfahren (Kapitel 3), Regeln zu Zollfragen und zur Erleichterung des Handels (Kapitel 4), Vorgaben zu handelspolitischen Schutzmaßnahmen (Kapitel 5), Regeln bezüglich gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Kapitel 6) sowie Vorgaben zu technischen Handelshemmnissen (Kapitel 7). 12 EuGH, Urteil vom 31.03.1971, Rs. 22/70 (AETR), Rn. 15, 19. 13 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 181, so schon zuvor: EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Rs. C-114/12 (Kommission /Rat), Rn. 69 f. 14 Es ist zu beachten, dass die Wortlaute von Art. 216 Abs. 1 AEUV und Art. 3 Abs. 2 AEUV zwar sehr ähnlich, aber nicht deckungsgleich sind. 15 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 242. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 8 Diese Vorgaben betreffen im Wesentlichen den Marktzugang von Waren. Gemäß der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich hierbei folglich um Maßnahmen der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 207 Abs. 1 AEUV, die in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU liegt. Im EUS- FTA-Gutachten hat der EuGH bei Regelungen, welche die Einfuhr von Waren und Dienstleistungen erleichtern, eine direkte und sofortige Auswirkung auf den internationalen Handel ohne eingehende Begründung festgestellt.16 Sowohl Kapitel 2 des EUSFTA als auch Kapitel 2 des JEFTA sehen vor, dass jede Vertragspartei die Waren der anderen Vertragspartei diskriminierungsfrei behandelt (vgl. Art. 2.3 des EUSFTA und Art. 2.7 des JEFTA) und ihre Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und -beschränkungen nach den vereinbarten Verpflichtungen abbaut oder beseitigt (vgl. Abschnitt B und C des EUSFTA und Art. 2.8, 2.12 und 2.15 des JEFTA). Daraus folgert der EuGH, dass es sich somit um Zoll- und Handelsverpflichtungen, die den Handel mit Waren betreffen, i.S.v. Art. 207 Abs. 1 AEUV handelt .17 Kapitel 3 des JEFTA enthält Ursprungsregeln und Vorgaben zum Ursprungsverfahren, die zu den klassischen Gegenständen der Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV zählen.18 Im EUSFTA sind derartige Regelungen insbesondere im Protokoll Nr. 1 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen zu finden. Kapitel 4 des JEFTA sieht in Art. 4.1 lit. c) und Art. 4.4 Nr. 1, ebenso wie Kapitel 6 des EUSTFA, eine diskriminierungsfreie Zollgesetzgebung vor. Dies dient laut EuGH der Regelung und Vereinfachung des Warenhandels zwischen den Vertragsparteien, sodass die Vorschriften in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fallen.19 Kapitel 5 des JEFTA und Kapitel 3 des EUSFTA betreffen handelspolitische Schutzmaßnahmen im Sinne von Art. 207 Abs. 1 AEUV.20 Kapitel 6 und 7 des JEFTA und Kapitel 4 und 5 des EUSFTA zielen darauf ab, die Hindernisse für den Warenhandel, die sich möglicherweise daraus ergeben, dass die Vertragsparteien ihre technischen und gesundheitspolizeilichen Normen anwenden dürfen, soweit wie möglich abzubauen . Sie haben somit laut EuGH die Vereinfachung des Warenhandels zwischen den Vertragsparteien zum Gegenstand.21 Zudem verringern ihre Bestimmungen die Voraussetzungen für die Einfuhr von Waren und können sich daher direkt und sofort auf den internationalen Handelsverkehr auswirken. 16 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 40 ff. 17 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 41. 18 Weiß, Kompetenzverteilung bei gemischten Abkommen am Beispiel des TTIP, DÖV 2016, S. 537 (544). 19 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 46 ff. 20 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), rn. 42 f. 21 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 44 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 9 Kapitel 2 bis 7 des JEFTA enthalten Vorgaben zur gemeinsamen Handelspolitik und fallen somit nach Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der Union. 3.2.2. Dienstleistungshandel, Liberalisierung von Investitionen und elektronischer Geschäftsverkehr (Kapitel 8) Kapitel 8 des JEFTA verpflichtet die Vertragsparteien, die Liberalisierung von Investitionen, den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel sowie die Einreise und den vorübergehenden Aufenthalt natürlicher Personen für Wirtschaftsteilnehmer der anderen Vertragspartei zu gewährleisten . Trotz unterschiedlicher Überschriften stimmen Abschnitt B „Liberalisierung von Investitionen “ in JEFTA und Abschnitt C „Niederlassung“ des Kapitels 8 in EUSFTA inhaltlich stark miteinander überein. Auch die anderen Abschnitte entsprechen sich in wesentlichen Punkten. Beispielsweise regeln sie die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen (Abschnitt C in JEFTA und Abschnitt B in EUSFTA) und die vorübergehende Präsenz natürlicher Personen zu Geschäftszwecken (Abschnitt D in JEFTA und EUSFTA). Zum Kapitel 8 in EUSFTA hat der EuGH in seinem Gutachten festgestellt, dass sich aus der Tatsache , dass die Vertragsparteien – unter den vertraglich festgelegten Voraussetzungen und vorbehaltlich der dort vereinbarten Ausnahmen – verpflichtet werden, Dienstleistungen, Niederlassungen und Unternehmern der anderen Vertragspartei eine Behandlung zu gewähren, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie ihren eigenen vergleichbaren Dienstleistungen, Niederlassungen und Unternehmern gewähren, ergibt, dass mit dem Kapitel im Wesentlichen der jeweilige Markt einer Vertragspartei für die Dienstleistenden der anderen Vertragspartei geöffnet werden soll.22 Daraus folgert der Gerichtshof, dass es Ziel von Kapitel 8 des EUSFTA sei, den Handelsverkehr zu fördern, zu erleichtern und zu regeln.23 Darüber hinaus könnten sich die in Kapitel 8 des EUSFTA vorgesehenen Verpflichtungen in Bezug auf den Marktzugang direkt und sofort auf den Dienstleistungshandel zwischen der Union und der Republik Singapur auswirken .24 In Kapitel 8 des JEFTA finden sich mit denen in EUSFTA vergleichbare Verpflichtungen: Nach Art. 8.8 Abs. 1 des JEFTA „gewährt [jede Vertragspartei] Unternehmern der anderen Vertragspartei … eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie ihren eigenen Unternehmern … in vergleichbaren Situationen … gewährt“. Art. 8.16 Abs. 1 des JEFTA enthält diese Verpflichtung für Dienstleistungen und Dienstleister der anderen Vertragspartei. Somit lässt sich auch für den Großteil des Kapitels 8 des JEFTA schließen, dass es – wie Kapitel 8 des EUSFTA – das Ziel hat, den Handelsverkehr zu fördern, zu erleichtern und zu regeln. Auch die den Marktzugang regelnden Vorschriften sind inhaltlich fast identisch (vgl. Art. 8.10 des EUS- FTA mit Artikel 8.7 des JEFTA). Die übrigen Vorgaben aus Kapitel 8 des JEFTA werden im Folgenden gesondert erörtert. 22 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 51 f. 23 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 52. 24 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 53. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 10 3.2.2.1. Liberalisierung von Investitionen Für den Abschnitt zur „Liberalisierung von Investitionen“ in JEFTA ist von Bedeutung, dass nach Art. 207 Abs. 1 AEUV nur ausländische Direktinvestitionen in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fallen. Alle anderen Investitionen, die unter dem Begriff Portfolioinvestitionen zusammengefasst werden, sind laut EuGH von der gemeinsamen Handelspolitik ausgenommen.25 Für Portfolioinvestitionen ergibt sich auch keine ausschließliche Zuständigkeit der EU aus Art. 3 Abs. 2 AEUV i.V.m. Art. 63 ff. AEUV.26 Diesbezügliche Verpflichtungen fallen gemäß Art. 216 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 lit. a) AEUV in die zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit.27 Direktinvestitionen sind „Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen, für die die Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind.28 Gemäß Art. 8.6 des JEFTA gilt der Abschnitt für Maßnahmen einer Vertragspartei, die sich auf die Niederlassung beziehen. Dabei ist eine Niederlassung laut Art. 8.2 lit. i) des JEFTA „die Errichtung oder [der] Erwerb einer juristischen Person, auch durch Kapitalbeteiligungen, oder die Einrichtung einer Zweigniederlassung oder Repräsentanz in der Europäischen Union beziehungsweise in Japan zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter wirtschaftlicher Verbindungen“. Mithin erfasst der Abschnitt B von Kapitel 8 des JEFTA nur Direktinvestitionen und nicht Portfolioinvestitionen und zählt damit zum Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV. 3.2.2.2. Verkehrsdienstleistungen Der Gerichtshof ist im EUSFTA-Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Zuständigkeit der Union für die Genehmigung von Kapitel 8 des EUSFTA nicht allein aus der Kompetenz für die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV ergeben kann.29 Denn Kapitel 8 des EUSFTA enthält Vorgaben zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs, welche nach Art. 207 Abs. 5 AEUV aus der gemeinsamen Handelspolitik ausgenommen sind.30 Es ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der Dienstleistungen „im Bereich des Verkehrs“ neben Verkehrsdienstleistungen als solchen laut EuGH auch andere Dienstleistungen umfasst, wenn 25 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 83. 26 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 233 ff. 27 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 243. 28 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 94. 29 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 56. 30 Für Näheres zu dieser Ausnahme siehe Gutachten 2/15 (Fn. 4). Rn. 56 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 11 diese naturgemäß mit einer körperlichen Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Verkehrsmittels verbunden sind.31 Da auch Kapitel 8 des JEFTA Regelungen zu Verkehrsdienstleistungen enthält, kann sich die Zuständigkeit der EU für JEFTA nicht allein aus ihrer Kompetenz für die gemeinsame Handelspolitik ergeben. Im Fall des JEFTA sind die Dienstleistungen der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen in Abschnitt E, Unterabschnitt 6 aufgeführt. Sie betreffen den internationalen Seeverkehr. Diese Vorgaben des JEFTA können aber auf Grundlage impliziter Außenzuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen. Voraussetzung dafür ist, dass die EU im Bereich der Verkehrsdienstleistungen Rechtsakte erlassen hat, denn gemäß Art. 3 Abs. 2 AEUV ist sie befugt für den „gesamten Geltungsbereich der Gemeinschaftsordnung vertragliche Verpflichtungen gegenüber dritten Staaten“ zu übernehmen.32 In seinem EUSFTA-Gutachten hat der EuGH entschieden, dass der Bereich des Abkommens, zu dem die Vorschriften, die den internationalen Seeverkehr betreffen, gehören, weitgehend von den gemeinsamen Regeln in der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 erfasst wird.33 Auch könnten die in EUSFTA geregelten Verpflichtungen die in der Verordnung festgelegten gemeinsamen Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern, sodass die EU nach Art. 3 Abs. 2 AEUV für diesen Bereich ausschließlich zuständig ist.34 Für den Abschnitt E, Unterabschnitt 6 von Kapitel 8 des JEFTA, der den Vorschriften in EUSFTA entsprechende Regelungen zum internationalen Seeverkehr trifft, ergibt sich die ausschließliche Zuständigkeit der EU aus Art. 3 Abs. 2 AEUV i.V.m. den auf der Rechtsgrundlage von Art. 91 und Art. 100 Abs. 2 AEUV erlassenen Sekundärrechtsakten. 3.2.2.3. Zwischenergebnis Kapitel 8 des JEFTA fällt mit Ausnahme der in Abschnitt E, Unterabschnitt 6 geregelten Verpflichtungen unter die gemeinsame Handelspolitik. Für die Verpflichtungen, die den internationalen Seeverkehr betreffen, ist die EU aufgrund impliziter Außenzuständigkeit ausschließlich zuständig , sodass sich im Ergebnis eine ausschließliche Zuständigkeit der EU für das gesamte Kapitel 8 des JEFTA ergibt. 3.2.3. Kapitalverkehr (Kapitel 9) Das Kapitel 9 des JEFTA enthält Vorgaben zum Kapitelverkehr, Zahlungen und Transfers sowie zur Möglichkeit vorübergehender Schutzmaßnahmen in diesem Bereich. Diese Regelungen ent- 31 EuGH, Urteil vom 15.10.2015, Rs. C-168/14 (Grupo Itevelesa u.a.), Rn. 45 f. 32 EuGH, Urteil vom 31.03.1971, Rs, 22/70 (AETR), Rn. 15, 19.; vgl. dazu bereits oben unter 3.1. 33 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 182. 34 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 192 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 12 sprechen im Wesentlichen den Vorgaben in den Art. 16.7, 16.9 und 16.10 des EUSFTA, die allerdings erst nach dem Gutachten des EuGH in das Freihandelsabkommen der EU mit Singapur eingefügt worden sind. Es gibt aus diesem Grund keine Ausführungen des EuGH zu derartigen Bestimmungen . Art. 9.1 des JEFTA verpflichtet die Vertragsparteien Zahlungen und Transfers im Zusammenhang mit Leistungsbilanztransaktionen, die in den Geltungsbereich des JEFTA fallen, zu gestatten. Die Leistungsbilanz weist die Güter- und Transferströme aus Leistungstransaktionen zuzüglich der unentgeltlichen Übertragungen von Sachgütern zwischen Inländern und dem Ausland aus.35 Davon umfasst sind Zahlungen als Gegenleistung für Waren und Dienstleistungen, deren Regelung in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV fällt.36 Gemäß Art. 9.2 des JEFTA gestattet jede Vertragspartei im Hinblick auf Transaktionen in der Vermögensänderungs - und Kapitelbilanz den freien Kapitalverkehr zum Zwecke der Liberalisierung von Investitionen und sonstigen Transaktionen nach Kapitel 8. Der freie Kapitelverkehr zum Zweck der Liberalisierung von Investitionen gilt aufgrund des Verweises in Art. 9.2 Abs. 1 des JEFTA auf Kapitel 8 nur für Direktinvestitionen und fällt damit ebenfalls in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 AEUV. Die Regelungen in Art. 9.3 und 9.4 des JEFTA bauen auf diesen ersten beiden Bestimmungen auf und sind mithin ebenfalls Bestandteil der gemeinsamen Handelspolitik. 3.2.4. Öffentliche Beschaffungen (Kapitel 10) Kapitel 10 regelt die Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU und Japan, indem es die Modalitäten festlegt, unter denen Wirtschaftsteilnehmer jeder Partei an den Vergabeverfahren öffentlicher Stellen der anderen Vertragspartei teilnehmen können. Für das Kapitel der öffentlichen Beschaffung in EUSFTA hat der EuGH entschieden, dass es in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fällt, da die dort festgelegten Modalitäten auf Erwägungen des diskriminierungsfreien Zugangs , der Transparenz und der Effizienz beruhen und sich somit auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien direkt und sofort auswirken.37 Die Bestimmungen in Kapitel 10 des JEFTA, das in seinem Art. 10.1 das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (im Folgenden: GPA)38 sinngemäß übernimmt, stimmen inhaltlich weitestgehend mit denen des Kapitels 9 (im Gutachten noch Kapitel 10) EUSFTA überein. Insbesondere beruhen die das Vergabeverfahren gestaltenden Modalitäten in JEFTA auch auf Erwägungen des diskriminierungsfreien Zugangs, der Transparenz und 35 Begriff der Leistungsbilanz in: Hohlstein/Pflugmann-Hohlstein/Sperber/Sprink, Lexikon der Volkswirtschaft, 3. Aufl. 2009. 36 Weiß, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 57. EL, Stand: August 2015, Art. 207 AEUV, Rn. 31. 37 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 76 f. 38 Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen, abgeschlossen in Genf am 30.03.2012, abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2017/2175.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 13 der Effizienz, wie sich jeweils aus Art. 10.1 des JEFTA i.V.m. der Präambel, Art. IV, VI VII und XVI GPA ergibt. Somit fällt Kapitel 10 des JEFTA in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik und damit nach Art. 207 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der EU. Eine Ausnahme gilt jedoch für Anhang 10 Teil 2 Nr. 4 (Beschaffung von Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Schienenverkehr)39, auf den Art. 10.2 des JEFTA verweist. Denn wie bereits erörtert, ist der Bereich des Verkehrs gemäß Art. 207 Abs. 5 AEUV von der gemeinsamen Handelspolitik ausgeschlossen. Allerdings kann sich, wie schon bei Kapitel 8, auch hier eine ausschließliche Zuständigkeit der EU aus Art. 3 Abs. 2 AEUV ergeben. Denn die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich des Verkehrs wird laut EuGH von der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe40 sowie der Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste41 erfasst.42 Somit gehören die Verpflichtungen in Kapitel 10 zu einem Bereich, der bereits weitgehend von gemeinsamen Regeln der Union erfasst ist, deren Tragweite sie auch beeinträchtigen oder ändern könnten. Folglich verfügt die EU hierfür über eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 AEUV.43 Im Ergebnis ist die EU für das gesamte Kapitel 10 des JEFTA ausschließlich zuständig. 3.2.5. Wettbewerbspolitik (Kapitel 11) Kapitel 11 des JEFTA legt die Wettbewerbspolitik fest. Die entsprechenden Vorschriften in EUS- FTA betreffen laut EuGH nicht die Harmonisierung des Wettbewerbsrechts, sondern „zweifelsfrei “ die Liberalisierung des Handelsverkehrs zwischen der EU und der Republik Singapur und fallen somit in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik. 44 Der Gerichtshof begründet dies damit, dass es in den Vorschriften speziell um die Bekämpfung von wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und von Zusammenschlüssen geht, die einen Handelsverkehr zwischen der EU 39 Anhang des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 18.04.2018 für einen Beschluss des Rates über den Abschluss eines Wirtschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Japan, KOM(2018) 192 endg., abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:cf1c4c42-4321-11e8-a9f4- 01aa75ed71a1.0003.02/DOC_12&format=PDF. 40 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. EU 2014, Nr. L 94/65, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0024&from=DE. 41 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, ABl. EU 2014, Nr. L 94/243, abrufbar unter: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0025&from=DE. 42 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 222. 43 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4). Rn. 224. 44 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn 134 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 14 und der Republik Singapur unter gesunden Wettbewerbsbedingungen verhindern oder verhindern sollen.45 Art. 11.2. S. 1 (im Gutachten noch Art. 12.2 S. 1) des EUSTFA hält fest, dass „jede Vertragspartei […] bei der Weiterentwicklung und Umsetzung ihres jeweiligen Rechts autonom [bleibt]“. Art. 11.1 (im Gutachten noch Art. 12.1) des EUSFTA stellt klar, dass das Kapitel nur für wettbewerbswidrige Vereinbarungen, Beschlüsse, Verhaltensweisen, Ausnutzung und Unternehmenszusammenschlüsse gilt, die sich auf den Handel zwischen der Union und der Republik Singapur auswirken . Diese Normen bestätigen laut dem EuGH, dass die Regelungen des Abkommens nicht die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der EU oder den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, also den Bereich des Binnenmarkts, betreffen.46 In JEFTA finden sich ähnliche Regelungen: Art. 11.2, Art. 11.3 Abs. 1 und 2, Art. 11.5, Art. 11.6 und Art. 11.7 betonen, dass jede Vertragspartei Maßnahmen im Einklang mit „ihren Gesetzen und sonstigen Vorschriften“ trifft und „ihr Wettbewerbsrecht“ anwendet und wahrt. Art. 11.1. hebt die Bedeutung des fairen und freien Wettbewerbsrechts für den freien Handel hervor. Es geht also auch in Kapitel 11 des JEFTA nicht um die Harmonisierung des Binnenmarkts, sondern um die Liberalisierung des Handelsverkehrs zwischen der EU und Japan. Somit fällt Kapitel 11 des JEFTA in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, also in die ausschließliche Zuständigkeit der EU. 3.2.6. Subventionen (Kapitel 12) Die gemeinsame Handelspolitik umfasst gemäß Art. 207 Abs. 1 S. 1 AEUV handelspolitische Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen. Im Hinblick auf die Regelungen zu Subventionen im EUSFTA hielt der EuGH in seinem Gutachten fest, dass diese erstens auf die Verpflichtungen der Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, das Teil des Anhangs 1A zum Übereinkommen zur Errichtung der WTO ist, verweisen, zweitens bestimmen, welche mit dem Waren- und Dienstleistungshandel zwischen der Union und der Republik Singapur verbundenen Subventionen verboten sind, und drittens jede Vertragspartei verpflichten, sich darum zu bemühen, die Auswirkungen nicht verbotener Subventionen auf den Handel mit der anderen Vertragspartei zu beseitigen oder zu verhindern. Diese Vorgaben betreffen laut EuGH speziell den Handelsverkehr und zählen damit zum Bereich der gemeinsamen Handelspolitik.47 Die Vorgaben des Kapitels 12 des JEFTA zu Subventionen entsprechen im Wesentlichen den Vorgaben von Abschnitt C des Kapitels 11 des EUSFTA zu Subventionen. In Art. 12.2 S. 3 des JEFTA wird betont, dass grundsätzlich keine Vertragspartei Subventionen gewähren sollte, die ihrer Einschätzung nach erhebliche negative Auswirkungen auf den Handel oder auf Investitionen zwischen den Vertragsparteien haben oder haben können. Art 12.7 des JEFTA verbietet bestimmte 45 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 134. 46 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 135. 47 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 137 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 15 Subventionen, die erhebliche negative Auswirkungen auf den Handel oder Investitionen zwischen den Vertragsparteien haben können und gemäß Art. 12.4 des JEFTA lässt das Abkommen die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus dem Subventionsübereinkommen der WTO unberührt. Weitere Regelungen des Kapitels 12 betreffen ein Konsultationsverfahren und eine Notifizierungspflicht zwischen den Vertragsparteien, die sich in vergleichbarer Form als Transparenzverpflichtungen auch im EUSFTA finden. Da sich die Vorgaben zu Subventionen im JEFTA an deren Bedeutung für den Handelsverkehr orientieren und diesbezüglich Regelungen treffen, fallen die Vorgaben des Kapitels 12 des JEFTA in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, für den die EU ausschließlich zuständig ist. 3.2.7. Staatsunternehmen (Kapitel 13) Zwischen den Vorgaben des Kapitels 13 des JEFTA (Staatsunternehmen, Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten und erklärten Monopolen) und den Vorgaben von Abschnitt B des Kapitels 11 des EUSFTA (öffentlichen Unternehmen, Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten und staatlichen Monopolen) gibt es mehrfach Übereinstimmungen. In Hinblick auf diese Regelungen im EUSFTA hielt der EuGH in seinem Gutachten fest, dass die Art. 11.3 und 11.4 des EUSFTA (im Gutachten noch Art. 12.3 und 12.4) einen spezifischen Bezug zum Handelsverkehr zwischen der Union und der Republik Singapur aufweisen.48 Sie sehen nämlich im Wesentlichen vor, dass jedes öffentliche Unternehmen, jedes Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten und jedes staatliche Monopol Waren und Dienstleistenden der anderen Vertragspartei diskriminierungsfrei behandeln muss. Das Diskriminierungsverbot im EUSFTA entspricht den Vorgaben von Art. 13.5 Abs. 1 des JEFTA, wonach Staatsunternehmen beim Kauf bzw. Verkauf von Waren oder Dienstleistungen aus kommerziellen Erwägungen heraus handeln und Unternehmen der anderen Vertragspartei im Verhältnis zu Unternehmen der eigenen Vertragspartei nicht diskriminieren. Darüber hinaus bekräftigt Art. 13.3 des JEFTA die Bindung der Vertragsparteien an WTO-Abkommen und Art. 13.6 Abs. 1 an die einschlägigen internationalen Standards. Nach Art. 13.6 des JEFTA wendet jede Vertragspartei ihre jeweiligen Gesetze in kohärenter und nicht diskriminierender Weise auf Staatsunternehmen u.ä. an. Da sich die Vorgaben zu Staatsunternehmen, Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten und erklärten Monopolen an deren Bedeutung für den Handelsverkehr orientieren und diesbezüglich Regelungen treffen, fallen die Vorgaben aus Kapitel 13 des JEFTA in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, für den die EU ausschließlich zuständig ist. 3.2.8. Geistiges Eigentum (Kapitel 14) Nach Art. 207 Abs. 1 AEUV umfasst die gemeinsame Handelspolitik auch die Handelsaspekte des geistigen Eigentums. 48 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 136. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 16 Das EUSFTA enthält in seinen Bestimmungen zu Urheberrechten und verwandten Schutzrechten Verweise auf bestehende internationale Verpflichtungen und bilaterale Verpflichtungen, um zu gewährleisten, dass den Unternehmern der Union und Singapurs ein angemessener Schutz ihrer Rechte des geistigen Eigentums gewährt wird. Die Bestimmungen von Kapitel 10 EUSFTA ermöglichen den Unternehmern der Union und Singapurs darüber hinaus, im Gebiet der anderen Vertragspartei in den Genuss von Schutzstandards der Rechte des geistigen Eigentums, Schutzinstrumenten und gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten zu kommen, die eine gewisse Homogenität aufweisen. Sie tragen so laut EuGH dazu bei, dass die Unternehmer gleichberechtigt am freien Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen der Union und der Republik Singapur teilnehmen können.49 Im Hinblick auf die Regelungen des EUSFTA zum geistigen Eigentum kam der EuGH in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass diese Handelsaspekte des geistigen Eigentums regeln. Die Bestimmungen des EUSFTA sind nach Ansicht des EuGH darauf gerichtet, die Produktion und Vermarktung innovativer und kreativer Erzeugnisse sowie die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien zu erleichtern und die Vorteile aus Handel und Investitionen zu steigern. Das Kapitel 10 enthält keine Harmonisierung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Union, sondern regelt die Liberalisierung des Handelsverkehrs zwischen der Union und der Republik Singapur.50 Die Bestimmungen im EUSFTA zum geistigen Eigentum können sich laut EuGH direkt und sofort auf den Handelsverkehr zwischen der Union und der Republik Singapur auswirken und gehören daher zur gemeinsamen Handelspolitik.51 Auch JEFTA enthält in seinem Art. 14.3 Verweise auf bestehende internationale Verpflichtungen der Vertragsparteien. Art. 14.4 und Art. 14.5 des JEFTA ordnen zudem an, dass jede Vertragspartei Staatsangehörige der anderen Vertragspartei in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums grundsätzlich eine Behandlung gewährt, die nicht weniger günstig ist, als die ihrer eigenen Staatsangehörigen (Inländerbehandlung und Meistbegünstigung). Wie in Art. 10.36 des EUSFTA bekräftigt auch Art. 14.40 des JEFTA die Verpflichtung der Vertragsparteien aus dem TRIPS-Abkommen , Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vorzusehen, die erforderlich sind, um die Durchsetzung des Rechts des geistigen Eigentums zu gewährleisten. Die anschließenden Artikel zu zivilrechtlichen Rechtsbehelfen entsprechen ebenfalls großenteils den Vorgaben des EUSFTA. Die Vertragsparteien werden verpflichtet, ein gewisses Schutzniveau und Instrumente zu seiner Durchsetzung zu gewährleisten, sodass ein freier Handel mit innovativen und kreativen Erzeugnissen sowie die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien erleichtert werden . Die Bestimmungen im JEFTA zum geistigen Eigentum harmonisieren nicht das Recht der Vertragsparteien zum geistigen Eigentum, sondern regeln bestimmte Aspekte des Schutzes des geistigen Eigentums, welche sich auf den Handelsverkehr auswirken, indem sie die Rechtsposition von Unternehmen der anderen Vertragspartei bei Exporten stärken und absichern. Sie gehören daher zur gemeinsamen Handelspolitik. 49 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 122 ff. 50 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 126. 51 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 127 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 17 3.2.9. Corporate Governance (Kapitel 15) Kapitel 15 des JEFTA enthält Vorgaben zur „Corporate Governance“. Darunter wird im deutschen Recht die Unternehmensverfassung als Gesamtheit der Regeln der Unternehmensleitung und –überwachung52 bzw. Führungsgrundsätze, die sich an Gesellschaftsorgane wenden,53 verstanden . Im EUSFTA finden sich keine Regelungen unter einer Überschrift „Corporate Governace“, weswegen der EuGH zu diesem Regelungskonzept in seinem Gutachten keine Ausführungen getätigt hat. Für die Prüfung kann jedoch auf die allgemeingültigen Maßstäbe des EuGH zur Definition der gemeinsamen Handelspolitik zurückgegriffen werden. Kapitel 15 des JEFTA normiert in Art. 15.3 allgemeine Grundsätze der Corporate Governance, wie die Offenlegung aller wesentlichen Informationen bei börsennotierten Unternehmen sowie eine angemessene Rechenschaftspflicht und verantwortungsvolle Entscheidungsfindung der Geschäftsführung . Die Vertragsparteien verpflichten sich gemäß Art. 15.1 Abs. 3 des JEFTA diese Grundsätze einzuhalten, sofern sie den Zugang zu den Märkten der jeweils anderen Seite des Abkommens erleichtern. Mithin beziehen sich auch die Vorgaben zur Corporate Governance im JEFTA auf den Handelsverkehr, sodass auch Kapitel 15 des JEFTA dem Bereich der gemeinsamen Handelspolitik unterfällt. 3.2.10. Nachhaltige Entwicklung (Kapitel 16) Die gemeinsame Handelspolitik wird gemäß Art. 207 Abs. 1 S. 2 AEUV im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union gestaltet. Diese Grundsätze und Ziele umfassen gemäß Art. 21 Abs. 2 lit. f) EUV die nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit der Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung ist laut EuGH ein fester Bestandteil der gemeinsamen Handelspolitik.54 Die Vorgaben im EUSFTA zu Handel und nachhaltiger Entwicklung hat der EuGH vor diesem Hintergrund als Regelungen im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik eingestuft.55 Die Vorgaben in Kapitel 12 des EUSFTA verpflichten die Union und die Republik Singapur im Wesentlichen dazu, zu gewährleisten, dass der Handelsverkehr zwischen ihnen unter Einhaltung der Verpflichtungen stattfindet, die sich aus den internationalen Übereinkünften zum sozialen Schutz von Arbeitnehmern und zum Umweltschutz, deren Vertragsparteien sie sind, ergeben. Kapitel 12 sorgt dafür, dass der Handelsverkehr unter Beachtung dieser Übereinkünfte stattfindet und dass keine auf der Grundlage dieser Übereinkünfte ergriffene Maßnahme so angewendet wird, dass sie 52 Stephan/Tieves, Münchener Kommentar GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 37 GmbHG, Rn. 36. 53 Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 13. Aufl. 2018, § 76 AktG, Rn. 37. 54 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 147. 55 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 167. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 18 zu einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung oder zu einer verschleierten Beschränkung des Handelsverkehrs führt.56 Die Vorgaben in Kapitel 12 können sich mithin direkt und sofort auf den Handelsverkehr auswirken. Der EuGH argumentiert diesbezüglich, es wäre inkonsequent , anzunehmen, dass die Bestimmungen, die den Handel zwischen der Union und einem Drittstaat liberalisieren, unter die gemeinsame Handelspolitik fallen, die Bestimmungen, die gewährleisten sollen, dass diese Liberalisierung unter Wahrung einer nachhaltigen Entwicklung stattfindet, aber nicht.57 Auch in Kapitel 16 des JEFTA zur nachhaltigen Entwicklung werden die Vertragsparteien primär zur Einhaltung der Verpflichtungen aus den international anerkannten Normen und Übereinkünften , deren Vertragsparteien sie sind, verpflichtet. Gemäß Art. 16.2 Abs. 3 des JEFTA wenden die Vertragsparteien ihre Gesetze und Vorschriften in den Bereichen Umwelt und Arbeit nicht in einer Weise an, die auf eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Vertragspartei oder auf eine verschleierte Handelsbeschränkung hinausläuft. Ziel des Kapitels ist ausweislich des Art. 16.1 Abs. 2 des JEFTA eine Intensivierung der Handelsbeziehung und der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und nicht eine Harmonisierung der Umwelt- oder Arbeitsstandards. Die Regelungen in Kapitel 16 können sich nach den Maßstäben des EuGH mithin direkt und sofort auf den Handelsverkehr auswirken und sind als Bestandteil der gemeinsamen Handelspolitik zu qualifizieren. 3.3. Institutionelle Bestimmungen 3.3.1. Die Rechtsnatur institutioneller Bestimmungen Unter institutionellen Bestimmungen versteht der Gerichtshof solche über die Einrichtung einer Organstruktur, Wege der Zusammenarbeit, Pflichten zum Informationsaustausch, bestimmte Entscheidungsbefugnisse 58 sowie Verpflichtungen zur Transparenz und Regelungen über Streitbeilegung .59 Der EuGH sieht die institutionellen Bestimmungen eines Abkommens grundsätzlich in einem akzessorischen Verhältnis zu den im Abkommen geregelten materiell-rechtlichen Verpflichtungen . Denn die Aufgabe institutioneller Bestimmungen besteht seiner Ansicht nach darin , „die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Bestimmungen des Abkommens sicher[zu]stellen “60 bzw. diese „zu flankieren“61. Institutionellen Bestimmungen komme daher im Verhältnis zu materiell-rechtlichen Verpflichtungen lediglich „Hilfscharakter“ zu.62 56 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 156. 57 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 163. 58 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 257 ff. 59 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 280 ff. und Rn. 285 ff. 60 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 275. 61 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 276. 62 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 276. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 19 Diese Akzessorietät prägt auch die Zuständigkeitsbestimmung. Institutionelle Vorschriften eines Abkommens teilen gemäß dem EUSFTA-Gutachten des EuGH die Zuständigkeit der materiellrechtlichen Bestimmungen, auf die sie sich beziehen bzw. die sie flankieren.63 3.3.2. Institutionelle Bestimmungen des JEFTA (Kapitel 1 sowie 17 bis 23) Die Kapitel 1 (Allgemeine Bestimmungen), 17 (Transparenz), 21 (Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien), 22 (institutionelle Bestimmungen) und 23 (Schlussbestimmungen) des JEFTA finden sich in ähnlicher Form im EUSFTA und sind dort vom EuGH als institutionelle Bestimmungen eingestuft worden. Das Kapitel 18 des JEFTA (Regulierungspraxis und Zusammenarbeit in Regulierungsfragen) enthält Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Vertragsparteien in Regulierungsfragen, diesbezügliche gegenseitige Informationspflichten der Vertragsparteien und einen Ausschuss „Zusammenarbeit in Regulierungsfragen“. Es handelt sich dabei um institutionelle Vorgaben, wie sie in vergleichbarer Form auch in den Kapiteln 4, 5 und 7 des EUSFTA zu finden sind. Ähnliche Regelungen in diesen Kapiteln hatte der EuGH im EUSFTA-Gutachten als institutionelle Bestimmungen angesehen.64 Vorgaben zu öffentlichen Konsultationen und Folgenabschätzungen von Regulierungsmaßnahmen , die die Regulierungsbehörde einer Vertragspartei in Bezug auf von dem Abkommen erfasste Fragen vornehmen kann, wie sie die Art. 18.7 und 18.8 des JEFTA enthalten, sind im EUSFTA nicht zu finden. Auch diese Vorgaben stellen jedoch Verfahrensvorgaben dar, keine materiellrechtlichen Regelungen, und sind daher als institutionelle Bestimmungen anzusehen. Kapitel 19 des JEFTA enthält Vorgaben für eine Zusammenarbeit der Vertragsparteien im Bereich der Landwirtschaft. Es regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien, die Möglichkeit von Informationsersuchen und die Errichtung eines Ausschusses „Zusammenarbeit im Bereich Landwirtschaft “. All diese Vorgaben sind institutionelle Bestimmungen, so wie sie der EuGH im EUS- FTA-Gutachten definiert hat,65 auch wenn das EUSFTA keine derartigen Vorgaben speziell für den Bereich der Landwirtschaft enthält. Sie enthalten keine eigenständigen materiellen Vorgaben , sondern sind organisatorischer bzw. institutioneller Natur. Kapitel 20 des JEFTA enthält ausweislich des Art. 20.1 Bestimmungen, die auf eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien in Fragen abstellen, welche für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von Bedeutung oder von besonderem Nutzen sind. Diese Bestimmungen umfassen im Wesentlichen Vorgaben zur Bereitstellung von Informationen auf öffentlich zugänglichen Websites und die Benennung von KMU-Kontaktstellen. Auch diese Vorgaben sind institutionelle Bestimmungen, wie sie der EuGH im EUSFTA-Gutachten definiert hat, auch wenn das EUSFTA keine derartigen Vorgaben speziell für den Bereich der KMU enthält. 63 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 276. 64 EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 261, 264 und 266. 65 Vgl. EuGH, Gutachten 2/15 (Fn. 4), Rn. 257 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 82/18 Seite 20 Da die materiellen Regelungen des JEFTA in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union liegen , gilt dasselbe für die institutionellen Bestimmungen. 4. Fazit Nach einer ersten kursorischen Durchsicht des Abkommenentwurfs sind keine Bestimmungen ersichtlich, die der Wertung der Kommission entgegenstehen, wonach es sich bei JEFTA um ein EU-only-Abkommen handelt. Soweit nach dieser ersten Durchsicht ersichtlich, liegen die in JEFTA enthaltenen Regelungen in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU, sodass JEFTA als EU-only-Abkommen in der vorliegenden Form nach hiesiger Einschätzung abzuschließen ist. – Fachbereich Europa –