© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 082/17 Bekämpfung von Praktiken der Steuervermeidung und -hinterziehung Initiativen des Europäischen Parlaments im Lichte der Enthüllungen zu den sog. Paradise-Papers Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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November 2015 6 3.2. Die Entschließung vom 16. Dezember 2015 7 3.3. Die Entschließung vom 6. Juli 2016 8 3.4. Bericht des Untersuchungsausschusses PANA vom 18. Oktober 2017 10 4. Anhörung des PANA-Ausschusses zu den „Paradise Papers“ 11 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 4 1. Hintergrund Seit Anfang November 2017 publizieren Medien weltweit Erkenntnisse aus den jüngsten Enthüllungen über Offshore-Geschäftsaktivitäten von Privatpersonen und internationalen Unternehmen zur Verschleierung von Vermögenswerten und Minimierung ihrer Steuerlast. Grundlage hierfür bildet eine 13,4 Millionen Dokumente umfassende Datensammlung zweier Offshore-Dienstleister , der Anwaltskanzlei Appleby und der Treuhandfirma Asiaciti Trust sowie die Unternehmensregister von insgesamt 19 sog. Steueroasen. Diese sog. Paradise Papers sind der Süddeutschen Zeitung zugespielt worden, die an ihrer Auswertung unter dem Dach des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) beteiligt ist.1 Den seither umfangreichen Presseveröffentlichungen zufolge legen die sog. Paradise Papers dieselben Steuervermeidungs- und -hinterziehungspraktiken, Akteure und Schauplätze offen, die bereits durch vorangegangene Enthüllungen, wie u.a. die sog. Panama-Papers (2016), ans Licht gebracht wurden. Sie rücken darüber hinaus die Rolle von Dienstleistern in den Fokus, die teils aggressive Steueroptimierungssysteme anbieten, bei denen unterschiedliche ausländische Steuerjurisdiktionen gezielt ausgenutzt werden. Im Kern wird das Problem auf das Dilemma zurückgeführt , dass dem weitgehend schrankenlosen grenzüberschreitenden Kapitalverkehr kein adäquates , vergleichbar übergreifendes Besteuerungssystem, vielmehr aber eine Vielzahl nationaler Steuerjurisdiktionen gegenübersteht. Diese wiederum erzeugen mangels internationaler Zusammenarbeit und unter dem Druck des Steuerwettbewerbs der Staaten Schlupflöcher und Unvereinbarkeiten , die für die Steueroptimierung gezielt genutzt werden. Das Europäische Parlament (EP) reagierte auf die Enthüllungen mit einer Dringlichkeitsdebatte zum Thema am 14. November 2017. Dabei wurde auf seine unter dem Eindruck der Veröffentlichung der sog. Panama-Papers intensivierten Bemühungen um ein verschärftes europaweites System der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung verwiesen; zahlreiche Parlamentarier kritisierten die zögerliche Haltung zahlreicher Mitgliedstaaten hinsichtlich einer Reihe der vom EP initiierten und von der Europäischen Kommission (KOM) vorgeschlagenen Maßnahmen und unterstrichen die dringende Notwendigkeit eines abgestimmten europäischen Vorgehens . Der vorliegende Sachstand trägt die jüngsten Meilensteine des Engagements des EP überblickshaft zusammen. 2. Die jüngste Dringlichkeitsdebatte zu den „Paradise Papers“ im Plenum des Europäischen Parlaments Vor dem Hintergrund der Enthüllungen zu den sog. Paradise Papers setzte das EP eine Dringlichkeitsdebatte auf die Tagesordnung der Plenarsitzung vom 14. November 2017.2 1 Süddeutsche Zeitung, Paradise Papers - So lief die SZ-Recherche, 5. November 2017, sz.de. 2 TOP 2 „Paradise Papers“ der EP-Plenarsitzung am 14. November 2017, Tagesordnung online abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20171114+TOC+DOC+XML+V0//DE&language =DE (23. November 2017). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 5 Ausgangspunkt der Debatte bildete eine Stellungnahme des für Wirtschaft und Finanzen zuständigen Mitglieds der Europäischen Kommission (KOM), Pierre Moscovici, in der dieser die EU- Mitgliedstaaten aufforderte, die von der KOM vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung aggressiver Steuergestaltung so schnell wie möglich anzunehmen. Hierbei bezog er ausdrücklich den Legislativvorschlag der KOM vom Juni 2017 für strengere Transparenzregeln für sog. Intermediäre 3 sowie den Vorschlag zur Änderung der vierten Geldwäscherichtlinie vom Juli 20164 ein, dessen stockendes Gesetzgebungsverfahren er scharf kritisierte. Darüber hinaus richtete er das Augenmerk auf den Richtlinienentwurf der KOM zur Einführung einer öffentlichen Berichterstattungspflicht bestimmter Unternehmen vom April 20165 sowie ihren Vorschlag zur Erarbeitung einer Liste von Drittstaaten, die die Standards verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich nicht einhalten, als Teilelement der externen Strategie für effektive Besteuerung vom Januar 2016.6 Er forderte die EU-Finanzminister auf, bei der bevorstehenden Tagung des ECOFIN-Rates am 5. Dezember 2017 die bereits entwickelte „schwarze Liste“ der Steueroasen anzunehmen. Schließlich warb er – gerichtet an die Adresse der Mitgliedstaaten – dafür, sich um größere Konvergenz der nationalen Steuergesetzgebungen in der EU zu bemühen. Die Schaffung einer europäischen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer7 sei ein Schritt, das grenzüberschreitende Ausnutzen von Lücken und Inkonsistenzen der jeweiligen nationalen Steuervorschriften zu vermindern. Über das gesamte politische Spektrum hinweg stellte sich eine breite Mehrheit der wortnehmenden Parlamentarier hinter das Engagement der KOM für einen zielgerichteten Ausbau des Rechtsrahmens zur Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung. An die Finanzminister der Mitgliedstaaten ging der Aufruf, sich im Kampf gegen Steuervermeidung nicht hinter der Einstimmigkeitsregel zu verstecken, die im Rat für die Rechtsetzung im Steuerbereich gilt; der Rat entspräche nicht den an ihn gerichteten Erwartungen. In der Debatte wurde auch die Gefahr betont, die von unfairen Steuerpraktiken für die Gesellschaft in der EU ausgehe, da diese den Wettbewerb schädigten, Ungleichheiten verschärften und zu einem Vertrauensverlust der Menschen führten. Die angeprangerten Steuervermeidungspraktiken untergrüben nicht nur den öffentlichen Sektor, sondern auch die Demokratie.8 3 KOM: Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Modelle; KOM(2017) 335 endg. 4 KOM: Vorschlag vom 5. Juli 2016 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG; KOM(2016) 450 endg. 5 KOM: Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen; KOM(2016) 198 endg. 6 KOM: Mitteilung über eine externe Strategie für effektive Besteuerung vom 28. Januar 2016; KOM(2016) 24 endg. 7 KOM: Mitteilung über die Einführung eines fairen, wettbewerbsfähigen und stabilen Systems der Unternehmensbesteuerung für die EU vom 25. Oktober 2016; KOM(2016) 682 endg. Mit dieser sog. Chapeau-Mitteilung präsentierte die KOM ihren GKKB-Vorschlag (KOM(2016)683 endg.) in einer Reihe weiterer Legislativvorschläge zur Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung. 8 Zum Verlauf der Debatte zu TOP 2 „Paradise Papers“ der EP-Plenarsitzung am 14. November 2017: http://www.europarl.europa .eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20171114+ITEM-002+DOC+XML+V0//DE (23. November 2017). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 6 3. Bisherige Initiativen des Europäischen Parlaments Das jüngere Engagement des EP zur Verschärfung des Rechtsrahmens für die Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken veranschaulichen die folgenden wesentlichen Meilensteine: die Einsetzung des Sonderausschusses zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE) am 12. Februar 2015 in der Folge der sog. Lux-Leaks- Enthüllungen, die Entschließung des EP vom 25. November 2015 mit der erstmals erhobenen Forderung nach Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sowie nach einer länderbezogenen Berichterstattung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen , die Einsetzung des Sonderausschusses zu Steuervorbescheiden (TAXE II) am 2. Dezember 2015 zur Fortsetzung und Komplettierung der Arbeiten des TAXE-Sonderausschusses, die Legislativentschließung vom 16. Dezember 2015 mit Vorschlägen für Gesetzesinitiativen zur transparenteren Gestaltung, Koordinierung und Konvergenz der Politik im Bereich der Körperschaftsteuer in der EU die Einsetzung des Untersuchungsausschusses (PANA) von 8. Juni 2016, der nach Enthüllung der „Panama Papers" mit der Prüfung der offengelegte mutmaßlichen Verstöße gegen das Unionsrecht und damit verbundener Versäumnisse der KOM und der Mitgliedstaaten beauftragt wurde, sowie dessen Bericht und Empfehlungsentwurf vom 18. Oktober 2017. 3.1. Die Entschließung vom 25. November 2015 Nachdem im November 2014 vertrauliche Dokumente veröffentlicht wurden, die mehr als 500 Steuervorbescheide (sog. Tax Rulings) der luxemburgischen Steuerbehörden für über 300 multinationalen Unternehmen aus den Jahren 2007-2009 offenlegten („Lux-Leaks“), setzte das EP im Februar 2015 den TAXE-Sonderausschuss ein. Mit seinem Einsetzungsbeschluss9 wurde der Ausschuss u.a. beauftragt zu ermitteln, ob die seit 1991 erteilten Steuervorbescheide der Mitgliedstaaten mit den europäischen Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind. Weitere Untersuchungsgegenstände umfassten auch die Frage, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, sich gegenseitig über die Erteilung von Steuervorbescheiden zu unterrichten. Der Bericht dieses Ausschusses10 bildet die Grundlage für die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2015 zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung.11 Darin identifiziert das EP die mit der Steuervorbescheidpraxis verbundenen Rechtsverstöße (vgl. Ziff. 86 des Berichts) und fordert u.a. die Einführung einer öffentlichen län- 9 P8_TA(2015)0039. 10 Bericht (A8-0317/2015) des Sonderausschusses zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE) vom 5. November 2015 (2015/2066(INI)). 11 Entschließung (P8_TA(2015)0408) vom 25. November 2015 zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (2015/2066(INI)). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 7 derspezifischen Berichterstattung von multinationalen Unternehmen (Ziff. 135), eine Gemeinsame Konsolidierte Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer (GKKB; Ziff. 114 ff.) sowie einen besseren Schutz interner Hinweisgeber (Ziff. 142 ff.). 3.2. Die Entschließung vom 16. Dezember 2015 Mit seiner vom Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EP vorbereiteten legislativen Entschließung vom 16. Dezember 2015 schlägt das EP eine Reihe von Gesetzgebungsinitiativen vor, mit denen signifikante Verbesserungen bei der Koordinierung und Konvergenz der Körperschaftssteuersysteme der Mitgliedstaaten erzielt werden sollen.12 Im Fokus der Vorschläge steht die Forderung an die Mitgliedstaaten, gegen aggressive Steuerplanung und -vermeidung durch internationale Unternehmen vorzugehen. Gerichtet an die KOM forderte das EP unter anderem: die Einführung einer umfassenden und öffentlich zugänglichen länderspezifischen Berichterstattung durch multinationale Unternehmen aller Branchen, die Vorlage eines erneuerten Legislativvorschlags zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer -Bemessungsgrundlage (GKB), die Einführung einer verbindlichen gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), die Vorlage eines Vorschlags für eine europäische Steueridentifikationsnummer (TIN); die Vorlage eines Legislativvorschlags zum verbesserten rechtlichen Schutz von Hinweisgebern , die Vorlage eines Vorschlags zur Verbesserung der derzeitigen Mechanismen zur Beilegung grenzüberschreitender Steuerstreitigkeiten in der EU, die Vorlage eines Vorschlags für einen neuen Mechanismus, der die Mitgliedstaaten verpflichtet , unverzüglich darüber zu informieren, wenn sie beabsichtigen, neue Freibeträge, Ermäßigungen, Ausnahmen, Vergünstigungen oder ähnliche Maßnahmen einzuführen, die wesentliche Auswirkungen auf den effektiven Steuersatz in dem Mitgliedstaat oder auf die Besteuerungsgrundlagen in einem anderen Mitgliedstaat haben könnten, die Entwicklung eines Verfahrens, mit dem das Ausmaß der direkten und indirekten Ausfälle der Körperschaftsteuer, d.h. der Unterschied zwischen der geschuldeten und der entrichteten Körperschaftsteuer in allen Mitgliedstaaten ermittelt werden kann, die Entwicklung von Leitlinien zur Umsetzung von Patentbox-Regelungen für die Mitgliedstaaten , um schädliche Auswirkungen von Patentboxen zu unterbinden, die EU-weite Definition der Begriffe „Betriebsstätte“ und „wirtschaftliche Substanz“ zu sichern, um dafür zu sorgen, dass Unternehmensgewinne dort besteuert werden, wo die Unternehmen wertschöpfend tätig sind, die EU-weite Definition des Begriffs „Steueroase“ zu sichern und Maßnahmen gegen Unternehmen vorzuschlagen, die Steueroasen nutzen, die Verbesserung des EU-Rahmens für Verrechnungspreise. 12 Entschließung (P8_TA-PROV(2015)0457) vom 16. Dezember 2015 mit Empfehlungen an die Kommission zur transparenteren Gestaltung, Koordinierung und Harmonisierung der Politik im Bereich der Körperschaftssteuer in der Union (2015/2010(INL)). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 8 In Reaktion auf die Forderungen des EP legte die KOM u.a. ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Steuervermeidung13 mit folgenden Strategie- und Legislativvorschlägen vor: Mitteilung über eine externe Strategie für effektive Besteuerung,14 Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU (EU-Amtshilferichtlinie ) bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung,15 Vorschlag für eine Richtlinie mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (Anti-BEPS-Richtlinie; auch ATAD-Richtlinie [Anti Tax Avoidance Directive]),16 Empfehlung zur Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Steuerabkommen .17 Eine Gesamtübersicht18 der von der KOM infolge der Initiativen des EP (Ausschüsse ECON- und TAXE) eingeleiteten Legislativ- und anderen Maßnahmen ist diesem Sachstand angefügt als Anlage. 3.3. Die Entschließung vom 6. Juli 2016 Nach Ablauf des Mandats des TAXE-Sonderausschusses setzte das EP im Dezember 2015 den TAXE 2-Sonderausschuss ein, der an die Arbeit seines Vorgängers anknüpfen und diese ergänzen sollte. Der Ausschuss erhielt den Auftrag,19 die von Mitgliedstaaten gehandhabte Praxis bei der Anwendung der Vorschriften des Beihilfe- und Steuerrechts der EU in Bezug auf Steuervorbescheide und andere Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung zu prüfen. Seine Ermittlungsergebnisse20 machte sich das EP mit der Entschließung vom 6. Juli 2016 zu eigen, und forderte die KOM auf, u.a. folgende Maßnahmen zu ergreifen: EU-weit einheitliche Definition des Begriffs der „nicht kooperativen Staaten und Gebiete“ und Schaffung einer gemeinsamen Liste solcher Staaten und Gebiete („schwarze Liste der Steuerparadiese“), 13 Mitteilung der KOM vom 26. Januar 2016: Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung: nächste Schritte auf dem Weg zu einer effektiven Besteuerung und einer größeren Steuertransparenz in der EU (KOM(2016)23 endg.). 14 KOM(2016)24 endg. 15 KOM(2016)25 endg. 16 KOM(2016)26 endg. 17 K(2016)271 endg. 18 Gemeinsames Scoreboard ECON/TAXE – Maßnahmen infolge der Empfehlung von ECON/TAXE zur Politik im Bereich der Körperschaftsteuer und Steuervorbescheide, Anlage 4 zum Bericht des Sonderausschusses zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE 2) vom 29. Juni 2016 (A8-0223/2016), S. 50 ff. 19 P8_TA(2015)0420. 20 Bericht (A8-0223/2016) des Sonderausschusses zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE 2) vom 29. Juni 2016 (2016/2038(INI)). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 9 Erarbeitung eines EU-Regulierungsrahmens für Sanktionen gegen unkooperative Staaten und Gebiete, einschließlich der Möglichkeit, ultimativ Freihandels- oder Doppelbesteuerungsabkommen zu suspendieren und den Zugang zu Unionsmitteln zu unterbinden, Stärkung der bestehenden Verhaltenskodizes für den Bereich der Steuerberatung mit einer Offenlegungspflicht etwaiger Interessenkonflikte, Entwicklung eines EU-Verhaltenskodex‘ für sämtliche Beratungsdienste, der eine Offenlegungspflicht für Interessenkonflikte vorsieht. Weiterhin forderte das EP die KOM auf, u.a. folgende Legislativvorschläge vorzulegen: Neufassung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, insbesondere , um die derzeitigen Ausnahmen vom Grundsatz des Informationsaustauschs einzugrenzen bzw. abzuschaffen, Vorschlag für die Verrechnungspreisgestaltung, in dem den OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen aus dem Jahr 2010 Rechnung getragen wird, Einführung einer unionsweiten, von den Mitgliedstaaten verwalteten Quellensteuer, um innerhalb der EU erzielte Gewinne zumindest einmal zu besteuern, bevor sie diese verlassen, Einführung EU-weit verbindlicher Rechtsvorschriften über Patentboxen auf der Grundlage des modifizierten Nexus-Ansatzes der OECD zum Verbot ihres Missbrauchs und zur Verknüpfung ihrer Nutzung mit einer tatsächlichen Wirtschaftstätigkeit, Schaffung eines klaren Rechtsrahmens zum wirksamen Schutz von Hinweisgebern (Whistleblower), Journalisten und anderen Personen, die mit den Medien in Verbindung stehen und Hinweisgeber unterstützen. An die Mitgliedstaaten richtet das EP u.a. folgende Forderungen: Einführung wirksamer und abschreckender Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Vorschriften, gegen Führungskräfte von Unternehmen, die Steuern hinterziehen, Schaffung der Möglichkeit, Fachkräften und Unternehmen, die nachweislich an der Entwicklung oder der Umsetzung aggressiver Steuerplanungs- oder Steuerhinterziehungsstrategien beteiligt sind, die Gewerbeerlaubnis zu entziehen. Die KOM reagierte auf die Forderungen des EP mit der Vorlage einer Reihe von Legislativvorschlägen , darunter die Vorschläge für: eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB)21 eine Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB)22 ein Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der EU23 21 KOM(2016)683 endg. 22 KOM(2016)685 endg. 23 KOM(2016)686 endg. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 10 die Änderung der Richtlinie bezüglich hybrider Gestaltungen.24 3.4. Bericht des Untersuchungsausschusses PANA vom 18. Oktober 2017 Im Zuge der Enthüllung der sog. Panama-Papers im April 201625 setzte das EP einen Untersuchungsausschuss (PANA) ein. Mit dem Einsetzungsbeschluss26 übertrug das EP dem Ausschuss den Auftrag, die behaupteten Verstöße gegen das Unionsrecht im Zusammenhang mit Geldwäsche , Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu prüfen und dabei insbesondere mutmaßliche Versäumnisse der KOM und der Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung geltenden Unionsrechts zu ermitteln. Der Untersuchungsausschuss nahm am 18. Oktober 2017 den Abschlussbericht27 über seine Ermittlungen an. Darin weist er auf die Unionsrechtsverstöße durch die mit den “Panama-Papers” enthüllten Steuerpraktiken hin, insbesondere die Verletzung der Geldwäscherichtlinie (RL 2005/60/EG) und der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (RL 2011/16/EU). Der Bericht betont, eine Reihe von Mitgliedstaaten habe verabsäumt, Geldwäsche und Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen. In seinem Beweisteil trägt der Bericht die seinen Feststellungen zugrundeliegenden Belege und Analysen zusammen und identifiziert Fälle von Rechtsverstößen und Verwaltungsversäumnissen. In dem auf diesen Erkenntnissen basierenden Entwurf für Empfehlungen28 des EP an den Rat und die KOM unterstreicht der Ausschuss die dringende Notwendigkeit, das europäische Besteuerungsmodell neu zu gestalten, um den bestehenden unfairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu beenden. Er bedauert, dass das bestehende Steuerrecht auf Unions- wie auf nationaler Ebene zahlreiche Schlupflöcher für Steuerhinterziehung und Geldwäsche biete. Dem sei durch konsequente Durchsetzung und Verbesserung des Rechtsrahmens zu begegnen. Zugleich kritisiert der Ausschuss den Mangel an politischem Willen einzelner Mitgliedstaaten zu Reformen und Rechtsverschärfungen, die einen tatsächlichen Wandel herbeiführen könnten. (Ziff. 2, 5). Der Empfehlungsentwurf enthält darüber hinaus die Forderung nach einer Stärkung des EU- Rechtsrahmens u.a. zur Bekämpfung von Geldwäsche und zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden. Zu den Empfehlungen des Ausschusses gehören u.a. folgende Forderungen: International einheitliche Definition sog. Offshore Finanzzentren (OFC), Schattenfinanzplätze (tax havens), Steueroasen (secrecy jurisdictions), nicht kooperierende Steuergebiete 24 KOM(2016)687 endg. 25 Bei den im April 2016 veröffentlichten "Panama Papers" handelt es sich um eine geleakte Dokumentensammlung der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die detaillierte Einblicke in die Praxis zuließ, die Geschäftsleute, Unternehmen und auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens anwandten, um unter Verwendung von sog. Offshore-Konstrukte Vermögen vor dem Fiskus zu verbergen. 26 P8_TA(2016)0253. 27 Report (A8-0357/2017) on the inquiry into money laundering, tax avoidance and tax evasion (2017/2013(INI)), 18. Oktober 2017 (nur englisch). 28 Recommendation (B8-0000/2016) to the Council and the Commission pursuant to the third subparagraph of Rule 198(10) of the Rules of Procedure following the inquiry into money laundering, tax avoidance and tax evasion (2016/3044(RSP)), 18. Oktober 2017 (nur englisch). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 082/17 Seite 11 (non-cooperative tax jurisdictions), Hochrisikostaaten im Bereich der Geldwäsche (highrisk countries) (Ziff. 14), Schaffung einer Rechtfertigungspflicht für Unternehmen, die Offshore-Strukturen anlegen, zum Zwecke der Garantie, dass diese nicht zur Geldwäsche oder Steuerhinterziehung eingesetzt werden (Ziff. 15), Unverzügliche Veröffentlichung der gemeinsamen EU-Liste nicht kooperierender Steuergebiete („schwarze Liste der Steueroasen“) (Ziff. 22), Identifizierung und Listung von Hochrisikostaaten im Bereich der Geldwäsche in einer eigenen EU-Liste (Ziff. 27), Ambitionierte Schritte zur Einführung einer öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen (Ziff. 33), Schaffung standardisierter, verknüpfter und öffentlich zugänglicher Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, Stiftungen, Treuhandgesellschaften und anderen Rechtsformen zur Aufhebung der Anonymität der tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer (UBOs) (Ziff. 81), Schaffung neuer Bestimmungen für Intermediäre, mit denen jene rechtlichen Schlupflöchern beseitigt werden, die Banken und Beratern aggressive Steuergestaltungsangebote ermöglichen , sowie Schaffung abschreckender Sanktionen für Intermediäre, die wissentlich, absichtlich und systematisch in illegale Steuer- oder Geldwäschepraktiken involviert sind (Ziff. 112, 120). Der Abschlussbericht des PANA-Untersuchungsausschusses wird gemeinsamen mit dem Empfehlungsentwurf bei der bevorstehenden Plenartagung des EP am 12. Dezember 201729 zur Abstimmung gestellt; lediglich der Empfehlungsentwurf ist dabei der Möglichkeit von Änderungsanträgen unterworfen. 4. Anhörung des PANA-Ausschusses zu den „Paradise Papers“ Am 28. November 2017, dem letzten Anhörungstag30 des scheidenden PANA-Untersuchungsausschusses , fand eine Anhörung zu den Enthüllungen der sog. Paradise Papers in Brüssel statt. Die Ausschussmitglieder befragten drei Mitglieder des die „Paradise-Papers“ auswertenden Journalistenkonsortiums über ihre Erkenntnisse und debattierten anschließend mit den KOM-Mitgliedern Pierre Moscovici (Wirtschaft und Finanzen) und Věra Jourová (Justiz und Verbraucher) über mögliche Folgeschritte. Ergebnisse der Anhörung sind noch nicht veröffentlicht worden.31 – Fachbereich Europa – 29 Draft agenda for the sittings of 11-14 December (nur englisch). 30 Der Vorsitzende des Ausschusses, MdEP Werner Langen, betonte, dass der bereits am 18. Oktober 2017 abgestimmte Abschlussbericht des Ausschusses abgeändert werden kann, sollte sich durch die Anhörung Erkenntnisse ergeben, die dies rechtfertigten. Vgl. Interview vom 6. November 2017. 31 Zum Verlauf der Anhörung vgl. Webstream des EP.