© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 81/16 Fragen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und den hierbei bestehenden Zuständigkeiten der Europäischen Union Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 2 Fragen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und den hierbei bestehenden Zuständigkeiten der Europäischen Union Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 81/16 Abschluss der Arbeit: 6. Juni 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Regelungen zur Einführung eines Umverteilungsmechanismus 4 2.1. Neuregelung der VO 604/2013 4 2.1.1. Regelungssystem der VO 604/2013 4 2.1.2. Projektierte Regelungen für einen Umverteilungsmechanismus 5 2.1.3. Normativer Kontext 6 2.2. Zuständigkeit der EU zur Regelung des in KOM(2016) 270 endg. vorgeschlagenen Umverteilungsmechanismus 7 2.2.1. Rechtsgrundlage 7 2.2.2. Folgerungen 8 2.2.3. Ausübung der Kompetenzen 8 2.3. Zusammenfassung 9 3. Regelungen für einen Solidaritätsbeitrag 9 3.1. Neuregelung der VO 604/2013 9 3.1.1. Projektierte Regelungen für einen Solidaritätsbeitrag 9 3.1.2. Normativer Kontext 10 3.2. Zuständigkeit der EU zur Regelung des in KOM(2016) 270 endg. vorgeschlagenen Solidaritätsbeitrags 10 3.2.1. Solidaritätsbeitrag als Zuständigkeitsbestimmung im Sinne von Art. 79 Abs. 2 lit. e) AEUV 11 3.2.2. Solidaritätsbeitrag als Sanktionsmechanismus 11 3.2.3. Ausübung der Kompetenzen 13 3.3. Zusammenfassung 14 4. Regelungen zur Ausdehnung der operativen Befugnisse für EASO 14 4.1. Regelungen des Vorschlags 14 4.2. Regelungen zur operativen Unterstützung 15 4.2.1. Rechtsnatur der Unterstützungsmaßnahmen 16 4.2.2. Rechtsgrundlage 17 4.2.2.1. Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems 17 4.2.2.2. Kompetenz der EU zur eigenständigen Durchführung von Asylverfahren 18 4.2.2.2.1. Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV 18 4.2.2.2.2. Art. 114 AEUV 18 4.2.2.2.3. Art. 291 Abs. 2 AEUV 19 4.2.2.2.4. Zusammenfassung 19 4.2.2.3. Kompetenzen zur Anordnung einer Unterstützung gegen den Willen des betreffenden Mitgliedstaats 20 4.2.3. Zusammenfassung 21 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 4 1. Einleitung Diese Ausarbeitung geht auf Fragen zur Zuständigkeit der Europäischen Union (EU) zu den Regelungen betreffend die Einführung eines Umverteilungsmechanismus und eines Solidaritätsbeitrags im Rahmen einer Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-VO, im Folgenden: VO 604/2013)1 sowie die Ausweitung der Kompetenzen von EASO ein, welche die Kommission in ihrem am 4. Mai 2016 vorgelegten Legislativpaket zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems vorgeschlagen hat.2 Zu den Vorschlägen der Kommission liegen derzeit nur die KOM-Dokumente in englischer Sprache vor. Weitere Informationen zur eingehenden Erläuterung der Vorschläge, beispielsweise Commission Staff Working Documents (SWD), liegen derzeit nicht vor. Die folgenden Ausführungen können sich lediglich auf die Ausführungen der Kommission in KOM2016) 270 endg. und KOM(2016) 271 endg. stützen und sind dementsprechend als eine vorläufige Bewertung zu betrachten. 2. Regelungen zur Einführung eines Umverteilungsmechanismus Zunächst geht die Ausarbeitung auf die Kompetenzen der EU zur Einführung des in KOM(2016) 270 endg. vorgesehenen Korrektur- bzw. Umverteilungsmechanismus (corrective allocation mechanism) für die Zuteilung von Asylbewerbern3 ein. 2.1. Neuregelung der VO 604/2013 2.1.1. Regelungssystem der VO 604/2013 Die derzeit geltende, auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützte VO 604/2013 enthält durch die Festlegung von Kriterien und Verfahren ein System für die Bestimmung des EU-Mitgliedstaats, 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0604&qid=1464249756409&from=DE. 2 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the criteria and mechanisms for determining the Member State responsible for examining an application for international protection lodged in one of the Member States by a third-country national or a stateless person (recast), KOM(2016) 270 endg., abrufbar unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=162685&latestVersion =true&type=5, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the European Union Agency for Asylum and repealing Regulation (EU) No 439/2010, KOM(2016) 271 endg. vom 4. Mai 2016, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0271&qid=1464450699957&from=DE; vgl hierzu auch die am 6. April 2016 von der Kommission vorgelegten Optionen für eine Änderung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems , KOM(2016) 197 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0197&qid=1464338918784&from=DE. 3 Aus Gründen der Übersichtlichkeit findet im Folgenden lediglich der Begriff des Asylbewerbers Verwendung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 5 der im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. In diesem System der zwischenstaatlichen Asylzuständigkeitsabgrenzung soll regelmäßig der Mitgliedstaat vorrangig für die Behandlung eines Schutzersuchens zuständig sein, über dessen Grenzen der Schutzsuchende in das Gebiet der EU zuerst irregulär eingereist ist (Art. 13 Abs. 1 VO 604/2013). In dem System der VO 604/2013 haben Schutzsuchende nicht das Recht auf Zugang zu einem bestimmten Mitgliedstaat. Ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Bearbeitung des Antrags nicht zuständig, muss der Antragsteller in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden. Das gegenwärtige System der VO 604/2013 ist nicht dazu bestimmt, EU-weit eine gleichmäßige Lastenteilung zu gewährleisten. In Fällen einer asymmetrischen Lastenverteilung innerhalb der EU, beispielsweise bei einem besonderen Druck auf ein Asylsystem eines Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen, bleibt die rechtliche und politische Verantwortung zur Durchführung der Verfahren gemäß der in der VO 604/2013 vorgesehenen Zuständigkeiten bestehen. Dies beruht auf der Erwägung, dass zwischen der Zuständigkeitszuweisung in Asylfragen und der Pflichterfüllung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Sicherung der Schengen-Außengrenzen ein Zusammenhang hergestellt werden sollte.4 Bei einer übermäßigen Belastung wird die gebotene Solidarität und Lastenteilung (vgl. Art. 80 AEUV) gegenwärtig durch Unterstützungsleistungen außerhalb der VO 604/2013 sichergestellt wie beispielsweise durch Geldleistungen,5 Hilfe beim Grenzschutz sowie durch Unterstützung durch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office (EASO)6). 2.1.2. Projektierte Regelungen für einen Umverteilungsmechanismus Der Vorschlag der Kommission sieht vor, am Grundsatz der VO 604/2013 festzuhalten, wonach für das Asylgesuch derjenige Mitgliedstaat7 zuständig ist, in dem der Asylbewerber in der EU ankommt . Das System der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den EU-Mitgliedstaaten soll jedoch durch einen sog. Fairness-Mechanismus ergänzt werden (Art. 34 bis 43 KOM(2016) 270 endg.). Er 4 Vgl. den Vorschlag der Kommission vom 3. Dezember 2008 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, KOM(2008) 820 endg, S. 2 ff., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52008PC0820&from=DE. 5 Vgl. hierzu die Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Einrichtung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, zur Änderung der Entscheidung 2008/381/EG des Rates und zur Aufhebung der Entscheidungen Nr. 573/2007/EG und Nr. 575/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Entscheidung 2007/435/EG des Rates, ABl. L 150 vom 20.5.2014, S. 168, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0516&qid=1464254889014&from=DE. 6 Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, ABl. L 132 vom 29.5.2010, S. 11, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32010R0439&qid=1464255137778&from=DE. 7 Zum territorialen Anwendungsbereich des Vorschlags vgl. KOM(2016) 270 endg., S. 6 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 6 sieht für Krisensituationen eine dauerhafte Ausnahmeregelung von dem Grundsatz vor, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III VO 604/2013 als zuständiger Staat bestimmt wird. Der Mechanismus soll in Krisensituationen einerseits eine unverhältnismäßige Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den Mitgliedstaaten für die Durchführung von Asylverfahren verhindern, die aus der Anwendung der regulären Verantwortlichkeitskriterien8 resultieren würde. Andererseits soll der Mechanismus die ordnungsgemäße Anwendung des Dublin-Systems einschließlich des uneingeschränkten Schutzes der Rechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen, sicherstellen .9 Der Mechanismus soll automatisch auf Grundlage eines zuvor nach der Bevölkerungsgröße und des Bruttoinlandsprodukts des jeweiligen Mitgliedstaats definierten Schwellenwerts (Art. 35 KOM(2016) 270 endg.) ausgelöst werden. Geplant ist, ihn nur in spezifischen Krisensituationen und zeitlich befristet anzuwenden: Wenn die Anzahl der Asylbewerber in einem Mitgliedstaat um 150 % des Schwellenwerts steigt (Art. 34 Abs. 2 KOM(2016) 270 endg.), sollen alle weiteren neuen Asylbewerber ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit – nach einer ersten Prüfung der Zulässigkeit ihres Antrags auf internationalen Schutz im Ankunftsmitgliedstaat, aber vor der Prüfung der Zuständigkeit des Mitgliedstaats – automatisch auf die anderen Mitgliedsländer verteilt werden , bis die Asylbewerberanzahl im Ankunftsmitgliedstaat unter den Schwellenwert sinkt. Die Umverteilung in die Umsiedlungsmitgliedstaaten erfolgt anhand eines zuvor definierten Referenzschlüssels , wobei innerhalb des Mechanismus auch das Engagement jener Mitgliedstaaten berücksichtigt werden soll, die sich an der unmittelbaren Neuansiedlung von Schutzbedürftigen aus Drittländern beteiligen. 2.1.3. Normativer Kontext Der Vorschlag für einen Umverteilungsmechanismus in KOM(2016) 270 endg. lehnt sich an den ebenfalls auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützten, im September 2015 von der Kommission vorgelegten Legislativvorschlag10 zur Einführung eines dauerhaften Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen an.11 Der Vorschlag KOM(2016) 270 endg. ist abzugrenzen von den auf Art. 78 8 Art. 7 ff. VO 604/2013 9 Vgl. KOM(2016) 270 endg., S. 18. 10 Vorschlag der Kommission vom 10. September 2015 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, KOM(2015) 450 endg., 11 Für einen Notfallmechanismus vgl. auch Art. 31 des Vorschlags der Kommission vom 3. Dezember 2008 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, KOM(2008) 820 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52008PC0820&qid=1464260020791&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 7 Abs. 3 AEUV gestützten Beschlüssen des Rates vom 14. und 22. September 2015 für einen Notumsiedlungsmechanismus .12 Auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 3 AEUV wurden in diesen Beschlüssen Maßnahmen vereinbart, die vorläufiger Art sein sollen und die u.a. vorsehen, dass die Zuständigkeit für die Bearbeitung bestimmter Asylanträge von Italien und Griechenland auf andere Mitgliedstaaten übergeht. Demgegenüber soll mit dem Vorschlag in KOM(2016) 270 endg. ein Verfahren eingeführt werden, nach dem in Krisensituationen für einen befristeten Zeitraum bestimmt wird, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig ist, die in einem in einer Krisensituation befindlichen Mitgliedstaat gestellt wurden. Der Beschluss (EU) 2015/1601 ist derzeit Gegenstand von zwei Nichtigkeitsklagen, in denen u.a. die Geeignetheit von Art. 79 Abs. 3 AEUV als Rechtsgrundlage bestritten wird, da nach Ansicht der Kläger die Voraussetzungen für seine Anwendbarkeit hinsichtlich der Vorläufigkeit der Maßnahmen sowie des Bestehens einer Notlage aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nicht vorliegen.13 2.2. Zuständigkeit der EU zur Regelung des in KOM(2016) 270 endg. vorgeschlagenen Umverteilungsmechanismus 2.2.1. Rechtsgrundlage Die EU ist nach Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV befugt, Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats festzulegen. Dies umfasst insbesondere Regelungen zur Ermittlung und Verteilung von Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der Ziele eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (Art. 78 Abs. 1 AEUV) und einer wirksamen Migrationssteuerung (Art. 79 AEUV) in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Bei der Verwirklichung dieser Ziele ist die Solidaritätsverpflichtung aus Art. 80 AEUV (vgl. auch vgl. auch Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 2 S. 2 EUV) zu berücksichtigen, die als Querschnittsklausel zwar keine konkreten Pflichten zum Erlass einer bestimmten Maßnahme impliziert , jedoch die Auslegung der Sachkompetenzen der Art. 77 bis 79 AEUV leitet, welche auch Maßnahmen zur Förderung von Solidarität und Lastenteilung umfassen.14 Über eine Änderung der Zuständigkeitsregeln oder des Überstellungsverfahrens entscheidet der EU-Gesetzgeber im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Hierbei besitzt er einen weiten Handlungs - und Ermessensspielraum. Die in Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV genannten Kriterien und Ver- 12 Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates vom 14. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland, ABl. L 239 vom 15.9.2015, S. 146, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015D1523&qid=1464283057100&from=DE; Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vom 22. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland, ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 80, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015D1601&qid=1464283169816&from=DE. 13 EuGH, Klage eingereicht am 2. Dezember 2015, Rs. C-643/15 (Slowakei/Rat); Klage eingereicht am 3. Dezember 2015, Rs. C-647/15 (Ungarn/Rat). 14 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 58. EL 2016, Art. 80 AEUV, Rn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 8 fahren sind nicht auf das bestehende Dublin-System beschränkt. Vielmehr kann der EU-Gesetzgeber im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems die Regelungen zur Koordinierung der mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten durch einen Mechanismus der Lastenteilung ergänzen oder insgesamt ein alternatives Zuständigkeitssystem einführen.15 2.2.2. Folgerungen Der von der Kommission vorgeschlagene Umverteilungsmechanismus bewirkt im Ergebnis, dass der Umsiedlungsmitgliedstaat für die Durchführung des Verfahrens auf Anerkennung von internationalem Schutz verantwortlich wird. Dementsprechend enthalten die Regelungen des Umverteilungsmechanismus einerseits situationsspezifische Kriterien zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der – abweichend von der Regel der Zuständigkeit des Erstankunftslandes16 – für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Andererseits enthält der Vorschlag spezifische Verfahren zur Überstellung der betroffenen Ausländer. Dieser Mechanismus entspricht in seinen potenziellen Wirkungen den Vertragszielen einer wirksamen Migrationssteuerung (Art. 79 AEUV) und erscheint a priori dazu geeignet, die praktische Wirksamkeit des gemeinsamen Asylsystems insbesondere in Krisensituationen abzusichern.17 Dagegen , den Mechanismus auf Art. 79 Abs. 2 lit. e) AEUV zu stützen, spricht auch nicht der Umstand , dass aus diesen Regelungen eine grundsätzliche Pflicht der Mitgliedstaaten, die nur im Rahmen von Art. 37 KOM(2016) 270 endg. suspendierbar ist, zur Aufnahme von Antragstellern folgt. Insoweit impliziert bereits die unionsvertragliche Grundlage eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz entsprechend den sekundärrechtlich auszugestaltenden Kriterien und Verfahren. 2.2.3. Ausübung der Kompetenzen Aus hiesiger Sicht sind schließlich auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der vorgeschlagene Solidaritätsmechanismus im Hinblick auf die Bestimmungen zur Umverteilung von Asylbewerbern an sich18 mit den Kompetenzausübungsregeln der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität unvereinbar wäre. 15 Vgl. dementsprechend die Regelungsalternativen in KOM(2016) 197 endg., S. 8 f. 16 Art. 15 KOM(2016) 270 endg. bzw. derzeit Art. 13 VO 604/2013. 17 Vgl. dementsprechend beispielsweise die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001L0055&qid=1464359896570&from=DE. 18 Zum Solidaritätsbeitrag siehe unten 3. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 9 Der Mechanismus ist grundsätzlich geeignet, die ordnungsgemäße Anwendung des Dublin-Systems in Krisenzeiten zu gewährleisten. Mit Blick darauf, dass seine konkrete Aktivierung nur unter strengen Bedingungen (Art. 34 KOM(2016) 270 endg.) möglich ist und einer Umverteilung auf der Grundlage eines differenzierten Verteilungsschlüssels erfolgt (Art. 35 f. KOM(2016) 270 endg.), scheint der Mechanismus nicht über das hinauszugehen, was unter Berücksichtigung der Solidaritätsverpflichtung aus Art. 80 AEUV für die Verwirklichung der vertraglichen Ziele eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (Art. 78 Abs. 1 AEUV) und einer wirksamen Migrationssteuerung (Art. 79 AEUV) erforderlich ist. Die unionsweiten Herausforderungen der Migration für das gemeinsame europäische Asylsystem lassen sich nicht durch Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten zufriedenstellend bewältigen. Die Grundsätze der Solidarität und der geteilten Verantwortung rechtfertigen daher mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 EUV ein Vorgehen auf EU-Ebene in diesem Bereich. 2.3. Zusammenfassung Aus hiesiger Sicht können jedenfalls die Bestimmungen des Solidaritätsmechanismus betreffend die Voraussetzungen und Verfahren zur Umverteilung von schutzsuchenden Drittstaatsangehörigen kompetenzgerecht auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützt werden. Es sind keine evidenten Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine Unvereinbarkeit der vorgeschlagenen Ausgestaltung mit den Kompetenzausübungsregeln des Unionsrechts schließen lassen. 3. Regelungen für einen Solidaritätsbeitrag 3.1. Neuregelung der VO 604/2013 3.1.1. Projektierte Regelungen für einen Solidaritätsbeitrag Der Kommissionsvorschlag sieht in Art. 37 KOM(2016) 270 endg. vor, dass ein Mitgliedstaat mitteilen kann, dass er vorübergehend für einen Zeitraum von jeweils zwölf Monaten nicht als Umsiedlungsmitgliedstaat an dem Umsiedlungsmechanismus teilnehmen möchte. In diesem Fall wird der Umverteilungsschlüssel des automatisierten Umverteilungssystems gemäß Art. 37 Abs. 2 KOM(2016) 270 endg. modifiziert. Gemäß Art. 37 Abs. 3 KOM(2016) 270 endg. soll dem betreffenden Mitgliedstaat nach Ablauf eines zwölfmonatigen Dispenses die Zahl der Asylbewerber mitgeteilt werden, für die er in dem Dispenszeitraum der zuständige Umsiedlungsmitgliedstaat gewesen wäre. Der betreffende Mitgliedstaat soll für jeden Asylbewerber, den er ohne Dispens hätte aufnehmen müssen, einen Solidaritätsbeitrag (solidarity contribution) in Höhe von EUR 250.000 entrichten. Dieser Solidaritätsbeitrag soll an den Mitgliedstaat gezahlt werden, der entsprechend der Modifikation des Umverteilungsmechanismus (Art. 37 Abs. 2 KOM(2016) 270 endg.) als zuständig bestimmt worden ist. Die Details dieses Dispensverfahrens sollen von der Kommission näher bestimmt (Art. 37 Abs. 4 KOM(2016) 270 endg.) und von der EASO überwacht werden (Art. 37 Abs. 5 KOM(2016) 270 endg.). Wie eingangs erwähnt liegen keine weiteren Informationen wie beispielsweise ein Commission Staff Working Document (SWD) zu dem Vorschlag in KOM2016) 270 endg. vor, in dem die Vorschläge der Kommission eingehender erläutert werden. Dementsprechend können sich die folgenden Ausführungen lediglich auf die knappen Ausführungen der Kommission in KOM2016) 270 endg. stützen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 10 3.1.2. Normativer Kontext Der Vorschlag in KOM(2016) 270 endg. für einen Solidaritätsbeitrag im Rahmen des Umverteilungsmechanismus lehnt sich an den ebenfalls auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützten, im September 2015 von der Kommission vorgelegten Vorschlag zur Einführung eines dauerhaften Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen an.20 Dieser sah in Art. 33b Abs. 2 (Verteilungsschlüssel ) besondere Vorschriften für den Fall vor, dass ein Mitgliedstaat vorübergehend nicht in der Lage ist, sich an der Umsiedlung von Antragstellern zu beteiligen. Danach konnte ein Mitgliedstaat bei außergewöhnlichen Umstände und unter Angabe hinreichender Gründe mitteilen, dass er vorübergehend nicht in der Lage ist, sich für einen Zeitraum von einem Jahr ganz oder teilweise an der Umsiedlung von Antragstellern zu beteiligen. Stattdessen sollte der betreffende Mitgliedstaat einen finanziellen Beitrag zum EU-Haushalt in Höhe von 0,002 % seines BIP leisten , der dazu verwendet wird, die von den anderen Mitgliedstaaten unternommenen Anstrengungen zur Bewältigung der Krisensituation und der aus der Nichtteilnahme des betreffenden Mitgliedstaats an der Umsiedlung resultierenden Folgen finanziell zu unterstützen. Im Falle einer teilweisen Beteiligung an der Umsiedlung sollte dieser Betrag anteilig gekürzt werden. Der Vorschlag in KOM(2016) 270 endg. ist abzugrenzen von den im September auf Grundlage von Art. 78 Abs. 3 AEUV vereinbarten Maßnahmen für eine Notumsiedlung.21 Hierin ist vorgesehen , dass jeder Umsiedlungsmitgliedstaat aus dem EU-Haushalt einen Pauschalbetrag von EUR 6.000 für jede nach diesem Beschluss (EU) 2015/1523 umgesiedelte Person erhält.22 3.2. Zuständigkeit der EU zur Regelung des in KOM(2016) 270 endg. vorgeschlagenen Solidaritätsbeitrags Der Vorschlag zur Einführung eines Solidaritätsbeitrags wird von der Kommission auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützt. Wie oben dargestellt23 ermächtigt diese Norm den Unionsgesetzgeber zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats. Hierbei ist die Solidaritätsverpflichtung aus Art. 80 AEUV (vgl. auch Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 2 S. 2 EUV) zu berücksichtigen, welche jedoch keine eigenständige Kompetenzgrundlage darstellt. 20 Vorschlag der Kommission vom 10. September 2015 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, KOM(2015) 450 endg., 21 Siehe oben 2.1.3. 22 Zu dem systematischen Unterschieden der Mechanismen vgl. Gauci, Leap Ahead or More of the Same? The European Commission’s Proposed Revisions to the Dublin System, in: EJIL: Talk! vom 20. Mai 2016, abrufbar unter http://www.ejiltalk.org/leap-ahead-or-more-of-the-same-the-european-commissions-proposed-revisions-to-thedublin -system/: „When the relocation system was agreed […] in 2015, a ‘carrot’ approach was used […]. In the new proposal, the ‘stick’ approach is applied instead […]” 23 Siehe oben 2.2.1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 11 Art. 37 KOM(2016) 270 endg. enthält in Absatz 2 Kriterien zur Zuständigkeitsbestimmung, wenn ein Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 nicht an dem Mechanismus teilnehmen möchte. Der in Absatz 3 vorgesehene Solidaritätsbeitrag ist nicht unmittelbar mit einer Zuständigkeitsbestimmung verbunden , sondern stellt sich prima facie als Annex zu der (Neu-)Bestimmung der Zuständigkeiten dar, der eine solidarische Lastenteilung intendiert. In dem Vorschlag der Kommission finden sich keine präzisierenden Erläuterungen zu den Erwägungen, die dem Vorschlag zugrunde liegen.24 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung zur Zahlung eines Solidaritätsbeitrags eine Regelung zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV darstellt. 3.2.1. Solidaritätsbeitrag als Zuständigkeitsbestimmung im Sinne von Art. 79 Abs. 2 lit. e) AEUV In teleologischer Auslegung dient Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV u.a. dem Zweck der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (Art. 78 Abs. 1 AEUV) und einer wirksamen Migrationssteuerung (Art. 79 AEUV) in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV). Bei der Verfolgung dieser Ziele gilt gemäß Art. 80 S. 1 AEUV der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht. Gemäß Art. 80 S. 2 AEUV sollen die auch auf Grundlage von Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV erlassenen Rechtsakte, „immer wenn dies erforderlich ist, entsprechende Maßnahmen für die Anwendung dieses Grundsatzes“ enthalten. Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung des weiten Handlungs- und Ermessensspielraums des EU-Gesetzgebers lässt sich Art. 37 KOM(2016) 270 endg. dahingehend auslegen, dass er – ausgehend von der grundsätzlichen Anwendung des solidarischen Umverteilungsmechanismus – eine Befreiungsmöglichkeit für Mitgliedstaaten schafft, damit sie gemäß ihrer rechtlichen und politischen Eigenverantwortung im gemeinsamen Asylsystem ihre entsprechenden politischen Präferenzen verwirklichen können. Dies entbindet die betreffenden Mitgliedstaaten jedoch nicht von ihrer Teilhabe am gemeinsamen europäischen Asylsystem, welches Maßnahmen zur Förderung von Solidarität und Lastenteilung umfasst. Vor diesem Hintergrund lässt sich der in Art. 37 Abs. 3 KOM(2016) 270 endg. vorgesehene Solidaritätsbeitrag als ein lastenteilendes Kriterium bei der Bestimmung der mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten bzw. einer ausgewogenen Verteilung von Schutzsuchenden auf die Mitgliedstaaten verstehen. 3.2.2. Solidaritätsbeitrag als Sanktionsmechanismus Ausgehend von der Systematik des Umverteilungsmechanismus ließe sich jedoch auch vertreten, dass dem Solidaritätsbeitrag seinem Telos nach primär ein abschreckender Sanktionscharakter zukommt, indem er die Nutzung der Dispensmöglichkeit – über das für eine solidarische Kom- 24 KOM(2016) 270 endg, S. 7: „As regards the introduction of a new corrective allocation mechanism, Regulation (EU) No 604/2013 does not provide, in its current form, for tools enabling sufficient responses to situations of disproportionate pressure on Member States’ asylum systems. The provisions on the corrective allocation mechanism that the proposal introduces seek to address this gap. These provisions do not go beyond what is necessary to achieve the objective of addressing the situation effectively.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 12 pensation erforderliche Maß hinaus – sanktioniert. So könnten bereits die Höhe des Pauschalbetrags 25 bzw. die daraus resultierende Höhe der potenziellen Zahlungsverpflichtung darauf abzielen , dass die Mitgliedstaaten von der Nutzung der Dispensmöglichkeit absehen. In dieser Auslegung käme dem in Art. 37 Abs. 3 KOM(2016) 270 endg. vorgesehenen Pauschalbetrag nicht nur eine solidarische Ausgleichsfunktion im Rahmen des gemeinsamen Asylsystems zu, sondern er besäße zugleich einen (präventiv wirkenden) Strafcharakter. Für diese Auslegung streitet die Erwägung, dass die vorgeschlagene Verpflichtung zur Zahlung eines Pauschalbetrags im Wesentlichen auf der temporären Nichtteilnahme des betreffenden Mitgliedstaats am projektierten Umverteilungsmechanismus beruht, ohne dass hierbei – im Gegensatz beispielsweise zum Vorschlag in KOM(2015) 450 endg. – die konkreten Umstände im betreffenden Mitgliedstaat Berücksichtigung finden.26 Beruhte der Zweck des Solidaritätsmechanismus alleine auf einer solidarischen Kompensation der Belastungen, die anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung durch die Aufnahme von Asylsuchenden entstehen, so läge die Regelung einer Zahlungspflicht nahe, die sich an den tatsächlichen Belastungen im jeweiligen Umsiedlungsmitgliedstaat orientiert.27 Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, dass die Regelung betreffend den Solidaritätsbeitrag auch unter Berücksichtigung von Art. 80 AEUV kompetenzgerecht auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützt werden könnte. Diese Bestimmung ermächtigt lediglich zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung der für Asylanträge zuständigen Mitgliedstaaten, nicht jedoch Sanktionsmaßnahmen. Zwar kann die Kommission die Umsetzung der Zuständigkeitsverteilungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten überwachen und eine Pflichtverletzung auch mit finanziellen Sanktionen ahnden lassen (Art. 258 ff. AEUV).29 Hiervon sind jedoch die Fälle abzugrenzen , in denen in einem Unionsrechtsakt unmittelbar Maßnahmen mit Sanktionscharakter für die Mitgliedstaaten geregelt werden. Die Regelungen über Zwangsmaßnahmen insbesondere in den Art. 126 Abs. 11 AEUV und Art. 260 AEUV lassen mit Blick auf den Grundsatz der begrenz- 25 Zur Rechtsnatur von Pauschalbeträgen im Rahmen von Art. 260 AEUV vgl. EuGH, Rs. C-121/07 (Kommission /Frankreich), Rn. 33; EuGH, Rs. C-369/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 145; EuGH, Rs. C-374/11 (Kommission /Irland), Rn. 48. 26 Vgl. EuGH, Rs. C-109/08 Kommission/Griechenland), Rn. 36; EuGH, Rs. C-121/07 (Kommission/Frankreich), Rn. 64; EuGH, Rs. C-184/11 (Kommission/Spanien), Rn. 59; EuGH, Rs. C-374/11 (Kommission/Irland), Rn. 51; EuGH, Rs. C-378/13 (Kommission/Griechenland), Rn. 72. 27 Zu möglichen finanziellen Belastungen vgl. beispielsweise http://de.statista.com/statistik/daten/studie /453565/umfrage/kosten-pro-fluechtling-und-monat-in-deutschland/, https://www.destatis.de/DE/Zahlen- Fakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialleistungen/Asylbewerberleistungen/Asylbewerberleistungen.html sowie http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/asylbewerber-kosten-bis-zu-10-milliarden-euro- 13758770.html. 29 Vgl. hierzu http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-is-new/eu-law-and-monitoring/index_en.htm. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 13 ten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV) darauf schließen, dass die Befugnis der EU zum Erlass von Regelungen mit Sanktionscharakter gegenüber den Mitgliedstaaten eine ausdrückliche Ermächtigung im Primärrecht erfordert. Eine solche ist in Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV – im Gegensatz beispielsweise zu Art. 126 Abs. 11 AEUV – jedoch nicht vorgesehen. Ausgehend von der Annahme, dass der Solidaritätsbeitrag primär Sanktionscharakter besitzt, lässt sich eine erweiternde Auslegung von Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV auch nicht auf die Querschnittsklausel des Art. 80 AEUV stützen, wonach Rechtsakte im Rahmen der Asylpolitik auch Maßnahmen finanzieller Art zur Förderung von Solidarität und Lastenteilung enthalten sollen. Die in Art. 80 AEUV genannten finanziellen Hilfen ermöglichen eine gerechte Aufteilung der Verantwortlichkeiten, wenn beispielsweise Finanzhilfen aus EU-Fonds30 vorrangig an besonders betroffene Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen ausgezahlt werden.31 Art. 80 AEUV begründet jedoch weder eine eigenständige Kompetenzgrundlage, noch folgen aus der Norm vertragsunmittelbare Rechte und Pflichten der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten, aus denen sich eine Sanktionspflicht herleiten ließe. 3.2.3. Ausübung der Kompetenzen Entsprechend den vorstehenden Erwägungen und vorbehaltlich einer konkreten Ausgestaltung des Solidaritätsbeitrags durch die Kommission (Art. 37 Abs. 4 KOM(2016) 270 endg.) ergeben sich auch Fragen, ob die Bestimmungen zum Solidaritätsbeitrag mit den unionsrechtlichen Kompetenzausübungsregeln , insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 4 EUV) bezüglich des Umfangs des Solidaritätsbeitrags, vereinbar sind. Die Kommission legt in ihrem Vorschlag keine konkreten Erwägungen betreffend die konkrete Ausgestaltung und die Berechnung der Höhe des Solidaritätsbeitrages dar.32 Bezüglich der Verhältnismäßigkeit ihres Vorschlags stellt die Kommission lediglich fest: „[The provisions on the corrective allocation mechanism] do not go beyond what is necessary to achieve the objective of addressing the situation effectively.“33 30 Siehe oben Fn. 4. 31 Hierbei ist ergänzend anzumerken, dass die jährlichen Mittel für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (Verordnung (EU) Nr. 516/2014) vom Europäischen Parlament und vom Rat in den Grenzen des mehrjährigen Finanzrahmens bewilligt werden. 32 Zur Erläuterung führt die Kommission in KOM(2016) 270 endg., S. 19 lediglich aus: „The Member State which temporarily does not take part in the corrective allocation must make a solidarity contribution of EUR 250,000 per applicant to the Member States that were determined as responsible for examining those applications. The Commission should adopt an implementing act, specifying the practical modalities for the implementation of the solidarity contribution mechanism.“ 33 KOM(2016) 270 endg., S. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 14 Gegen eine Vereinbarkeit des Vorschlags mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spricht der Umstand, dass der zu zahlende Betrag von EUR 250.000 nicht den jeweiligen Umständen sowohl im Umsiedlungsmitgliedstaat als auch in dem Staat, der von der Dispensmöglichkeit Gebrauch macht, angepasst wird. So wird der Solidaritätsbeitrag nicht in ein (angemessenes) Verhältnis zu den zu kompensierenden Lasten gesetzt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Solidaritätsbeitrag die aktuelle Zahlungsfähigkeit des Staates berücksichtigt, wie dies beispielsweise im Vorschlag vom 15. September 2015 (KOM(2015) 450 endg.) vorgesehen war, wonach der betreffende Mitgliedstaat einen finanziellen Beitrag in Höhe von 0,002 % seines BIP und mithin unter Berücksichtigung seiner individuellen Leistungsfähigkeit leisten sollte. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Festlegung eines Pauschalbetrags im Rahmen von Art. 260 Abs. 3 AEUV bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des Solidaritätsbeitrags mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.35 3.3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass aus hiesiger Sicht Zweifel daran bestehen, dass der Solidaritätsbeitrag – wie von der Kommission vorgesehen – auf Art. 78 Abs. 2 lit. e) gestützt werden kann und in der vorgeschlagenen Ausgestaltung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. 4. Regelungen zur Ausdehnung der operativen Befugnisse für EASO Abschließend geht die Ausarbeitung auf die Kompetenzen der EU zur Einführung des in KOM(2016) 271 endg.36 vorgesehenen Vorschlags zum Ausbau des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO)37 ein. 4.1. Regelungen des Vorschlags Der auf Art. 78 Abs. 1 und 2 AEUV gestützte Vorschlag der Kommission vom 4. Mai 2016 sieht vor, dass EASO in eine vollumfängliche EU-Asylagentur (European Union Agency for Asylum) umgewandelt werden und mit einem erheblich ausgeweiteten Mandat ausgestattet werden soll, damit EASO in stärkerem Umfang an der Umsetzung der gemeinsamen Asylpolitik mitwirken und eine stärkere operative Rolle einnehmen kann (vgl. Art. 2 KOM(2016) 271 endg.). 35 Vgl. EuGH, Rs. C-369/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 146; EuGH, Rs. C-610/10 (Kommission/Spanien), Rn. 131, 141; EuGH, Rs. C-279/11 (Kommission/Irland), Rn. 78 f. 36 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the European Union Agency for Asylum and repealing Regulation (EU) No 439/2010, KOM(2016) 271 endg. vom 4. Mai 2016, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0271&qid=1464450699957&from=DE. 37 Verordnung Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, ABl. L 132 v. 29.5.2010, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32010R0439&qid=1464363276666&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 15 Vor diesem Hintergrund soll das neue Mandat von EASO insbesondere die folgenden Aspekte umfassen: Maßnahmen zur Verbesserung der Kooperation und des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten und der Agentur (Kapitel 2 KOM(2016) 271 endg.), die Gewährleistung einer stärker harmonisierten Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz beispielsweise im Hinblick auf die Einstufung von Drittstaaten als sichere Drittstaaten oder als sichere Herkunftsdrittstaaten (Kapitel 3 KOM(2016) 271 endg.), die Entwicklung von operativen Standards und Leitlinien für die Umsetzung der EU-Asylvorschriften und Indikatoren für die Überwachung der Einhaltung sowie gegebenenfalls technische Hilfe für die Mitgliedstaaten (Kapitel 4 KOM(2016) 271 endg.),39 Maßnahmen zur Überwachung und Bewertung der Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylrechts (Kapitel 5 KOM(2016) 271 endg.) sowie eine umfassendere technische und operationelle Unterstützung der Mitgliedstaaten (Kapitel 6 KOM(2016) 271 endg.). 4.2. Regelungen zur operativen Unterstützung Fragen nach der Zuständigkeit der EU für die Fortentwicklung des EASO-Mandats stellen sich insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in Kapitel 6 KOM(2016) 271 endg., wonach die EU- Asylagentur – ähnlich wie die vorgeschlagene Europäische Grenz- und Küstenwache40 – eine verstärkte operative Rolle zukommen soll. Für den Fall, dass die Asyl- und Aufnahmesysteme eines Mitgliedstaats übermäßig betroffen werden , sieht der Vorschlag in Art. 22 die Befugnis für EASO vor, auf Anfrage des betreffenden Mitgliedstaats oder aus eigener Initiative Unterstützungsteams für Asylfragen aus einer Einsatzre- 39 Insoweit bleibt abzuwarten, wie dieser Aspekt mit der Ankündigung der Kommission in KOM(2016) 197, S. 12 vereinbar ist, „die derzeitige Anerkennungsrichtlinie durch eine Verordnung zu ersetzen, die einheitliche Vorschriften für die Verfahren und Rechte enthält, die internationalen Schutz genießenden Personen zu gewähren sind.“ 40 Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2015 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004, der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 und der Entscheidung 2005/267/EG des Rates KOM(2015) 671 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52015PC0671&qid=1464859578294&from=DE, vgl. hierzu die Mitteilung der Kommission vom 15. Dezember 2015 an das Europäische Parlament und den Rat, Ein Europäischer Grenz- und Küstenschutz und effektive Verwaltung von Europas Außengrenzen, KOM(2015) 673 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52015DC0673&qid=1464860121493&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 16 serve von Sachverständigen der Mitgliedstaaten sowie eigenen abgestellten Experten in den betreffenden Mitgliedstaat zu entsenden.41 Für den Fall, dass dieser die operationelle und technische Unterstützung durch EASO nicht anfragt bzw. ein entsprechendes Angebot nicht akzeptiert, keine der Situation angemessenen Maßnahmen ergreift und hierdurch letztlich das Funktionieren des gemeinsamen europäischen Asylsystems gefährdet, sieht Art. 22 KOM(2016) 271 endg. ein Verfahren vor, wonach EASO auf Grundlage eines Durchführungsrechtsaktes der Kommission ultima ratio auch ohne den Willen des betreffenden Mitgliedstaats Unterstützungsmaßnahmen ergreifen kann.42 4.2.1. Rechtsnatur der Unterstützungsmaßnahmen Der Vorschlag spricht von Maßnahmen zur Unterstützung des betreffenden Mitgliedstaats. Aus dem Vorschlag geht nicht eindeutig hervor, inwiefern sich diese Unterstützung ihrer Art und ihrem Umfang nach von einer Unterstützung auf Anfrage bzw. mit Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaats unterscheidet und beispielsweise ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine „Selbstvornahme “ ermöglichte. So sieht Art. 22 Abs. 6 KOM(2016) 271 endg. die Notwendigkeit einer Kooperation des betreffenden Mitgliedstaats vor, ohne zwischen den in Art. 22 Abs. 1 und 3 KOM(2016) 271 endg. genannten Einsatzbedingungen zu differenzieren. Zudem erfordert die Durchführung eines Unterstützungseinsatzes mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU), eine Ermächtigungsgrundlage für die in diesem Rahmen von EASO eingesetzten Beamten, damit diese befugt sind, Maßnahmen mit Wirkung für Dritte, wie beispielsweise im Rahmen von Asylverfahren , vorzunehmen. Die Vorgaben des Vorschlags sind hinsichtlich der Kompetenzgrundlagen der EASO-Teams zur operativen Durchführung von Asylverfahren nicht eindeutig. Die normative Ausgestaltung des Art. 22 KOM(2016) 271 endg. – insbesondere die Unterstützung auf Grundlage eines Durchführungsrechtsakts der Kommission ohne ausdrückliche Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaats sowie der Verweis auf die parallele Ausgestaltung der Unterstützungsbefugnisse in dem Vorschlag für eine europäische Grenz- und Küstenwache43 – spricht für ein Verständnis der Norm, wonach die Unterstützungsmaßnahmen von EASO an die Stelle der (nicht ausreichenden) Handlungen der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats treten sollen. 41 KOM(2016) 271 endg., S. 9: „The proposal sets out clearly the operational and technical measures that may be organised and coordinated by the Agency upon the request of Member States. These measures could include also the possibility for the Agency to facilitate the examination of applications for international protection that are under examination by the competent national authorities.“ 42 Art. 22 Abs. 3 KOM(2016) 271 endg.: „Where in the event of disproportionate pressure on the asylum or reception systems a Member State does not request the Agency for operational and technical assistance or does not accept an offer by the Agency for such assistance or does not take sufficient action to address that pressure, or where it does not comply with the Commission's recommendations referred to in Article 15(3), thereby rendering the asylum or reception systems ineffective to the extent of jeopardising the functioning of the CEAS, the Commission may adopt a decision by means of an implementing act, identifying one or more of the measures set out in Article 16(3) to be taken by the Agency to support the Member State concerned. That implementing act shall be adopted in accordance with the examination procedure referred to in Article 64.“ 43 Siehe oben Fn. 40. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 17 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit der EU, einen Unterstützungseinsatz von EASO auch ohne bzw. gegen den Willen eines Mitgliedstaats anzuordnen und durchzuführen. Eine derartige Verlagerung der bisher von den Mitgliedstaaten wahrgenommenen Aufgaben setzte voraus, dass die EU im Rahmen von Art. 78 AEUV nicht nur die Kompetenz besitzt , die materiellen Standards für die für das gemeinsame europäische Asylsystem festzulegen, sondern auch die Befugnis bzw. Verwaltungskompetenz besitzt, in eigener Zuständigkeit Asylverfahren durchzuführen. Dies ergibt sich daraus, dass aus der materiellen Regulierungszuständigkeit der EU für ein Sachgebiet – wie vorliegend auf dem Gebiet des Asylrechts –noch nicht ihre Kompetenz folgt, dieses auch durch eigene Dienststellen durchzuführen. Die Durchführung von EU-Recht in eigener Verwaltungszuständigkeit erfordert einen gegenüber der Normierungskompetenz für ein Sachgebiet als EU-Recht eigenständigen Kompetenztitel der EU. 4.2.2. Rechtsgrundlage 4.2.2.1. Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems Mit Art. 78 AEUV besteht primärrechtlich eine Rechtsgrundlage für die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems. Die grundsätzliche Ausrichtung der und wesentlichen Anforderungen an die Asylpolitik werden in Art. 78 Abs. 1 AEUV skizziert, und in Art. 78 Abs. 2 AEUV werden der EU – in geteilter Kompetenz mit den Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 lit. j) AEUV) – Gesetzeskompetenzen für Maßnahmen zur Schaffung eines europäischen Asylsystems im Wege der Rechtsharmonisierung – auch als Vollharmonisierung – eingeräumt.44 Das auf dieser Grundlage zu schaffende „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ umfasst im Wesentlichen einen unionsweit geltenden Asylstatus für Drittstaatsangehörige, einheitliche Regelungen für einen subsidiären Schutzstatus nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention, ein einheitliches Asylverfahren, einheitliche Aufnahmebedingungen sowie die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten.45 Das in den EU-Verträgen entworfene Asylsystem wird als Kooperations- und Auffangordnung46 beschrieben, das die mitgliedstaatlichen Teilbeiträge zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Flüchtlingsschutzes zu einem europäischen Gesamtkonzept zusammenfasst. Hierdurch wird allerdings nicht die Zuständigkeit für die Asylpolitik insgesamt auf die EU übertragen, sondern lediglich die Zuständigkeit für eine (Voll-)Harmonisierung des Asylrechts der Mitgliedstaaten.47 44 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 43. Erg.Lfg. März 2011, Art. 78 Rn. 22; Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 100; Bast, Aufenthaltsrecht und Migrationssteuerung, 2011, S. 156; Hofmann, in: Merli (Hrsg.), Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Osterweiterung der Europäischen Union, 2001, S. 163; Chibanguza, Die Kompetenzen nach dem Vertrag von Lissabon, 2011, S. 225; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 313 f.; Schieber, Komplementärer Schutz, 2012, S. 313. 45 Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 3. Aufl. 2014, S. 29. 46 Huber, VVDStRL 60 (2001), S. 194 (209 ff.); Pernice, in: Bauer u.a. (Hrsg.), Ius Publicum im Umbruch, 2000, S. 25 (45 f.). 47 Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 300. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 18 Vor diesem Hintergrund ist im Bereich des Asylrechts hinsichtlich der Verlagerung der entsprechenden Zuständigkeiten von den Mitgliedstaaten auf die EU zwischen der Qualifikationskompetenz und der Verwaltungszuständigkeit zu unterscheiden. 4.2.2.2. Kompetenz der EU zur eigenständigen Durchführung von Asylverfahren Der Umfang europäischer Zuständigkeiten ist für jeden Sachbereich gesondert festzustellen.48 Die Befugnis, Asylverfahren innerhalb der EU durch Verwaltungsbehörden der EU ausführen zu dürfen , könnte sich aus Art. 78 Abs. 2 lit. d) AEUV, Art. 114 AEUV oder aus der allgemeinen Durchführungsermächtigung in Art. 291 Abs. 2 AEUV ergeben. 4.2.2.2.1. Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV Nach Art. 78 Abs. 2 lit. d) AEUV umfassen die Gesetzgebungskompetenzen der EU im Bereich der Asylpolitik auch „gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus“. Art. 78 lit. d) AEUV ist – anders als der Vorläuferregelung in der Fassung des Vertrages zu Nizza – keine Beschränkung auf den Erlass von Mindestnormen zu Asylverfahren zu entnehmen. So sieht beispielsweise die auf Grundlage von Art. 78 lit. d) AEUV erlassene Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes49 sieht entsprechend dieser nur eingeschränkten Ermächtigung zur Normierung von Asylverfahren die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes vor. Art. 78 Abs. 2 lit. d) AEUV ermächtigt die EU zudem nur zu Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem, die gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus umfassen, setzt mithin die Durchführung von Asylverfahren durch die Mitgliedstaaten voraus und schließt ein alleiniges Asylverfahren der EU aus. Auf Art. 78 Abs. 2 lit. d) AEUV ließe sich die Kompetenz zur Durchführung des Asylrechts durch Dienststellen der EU mithin nicht stützen. 4.2.2.2.2. Art. 114 AEUV Es dürfte auch wenig dafür sprechen, die Befugnis zur Verlagerung der Zuständigkeit zur Prüfung und Entscheidung über Asylanträge auf die EU aus Art. 114 AEUV ableiten zu wollen, da diese Norm voraussetzt, dass ein Regelungsvorhaben der Verwirklichung der Ziele des Art. 26 AEUV, d.h. der Errichtung und Funktion des Binnenmarkts dient.50 Der EuGH hatte zur Frage der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verdeutlicht, dass ein Rechtsakt nur dann auf Art. 114 AEUV gestützt werden kann, 48 Thym, Migrationsverwaltungsrecht, S. 100; Weber, Das Europäische Flüchtlings- und Migrationsrecht im Lichte des EU-Verfassungsentwurfs, in: Pache (Hrsg.), Die Europäische Union, 2005, S. 59 (74 ff.). 49 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 60, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013L0032&from=DE. 50 Vgl. hierzu Leible/Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 114 AEUV, Rn. 38 ff. u.a. mit Verweis auf EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat); EuGH Rs. C-301/06 (Irland/Parlament und Rat), Rn. 58 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 19 wenn dieser explizit dazu dient, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern.51 Der dementsprechend erforderliche Binnenmarktbezug ist im Rahmen der Reform von EASO nicht ersichtlich. 4.2.2.2.3. Art. 291 Abs. 2 AEUV Art. 291 Abs. 2 AEUV erlaubt zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen bei der Durchführung verbindlicher Rechtakte der EU zwar die Durchführung von Unionsrechtsakten durch die Kommission oder – unter engen Voraussetzungen – in Ausnahmefällen auch durch den Rat. Soweit aus dieser Ermächtigungsnorm sich Kompetenzen der EU zur Durchführung europäischen Rechts ableiten lassen, obläge die Durchführungszuständigkeit vorrangig bei der Kommission. Mit entsprechender Festlegung der Durchführungsbefugnisse könnte dann auch der Europäische Auswärtige Dienst mit der Aufgabenwahrnehmung innerhalb der EU befasst werden. Nach den Grundsätzen der systematischen Auslegung dürften allerdings die besseren Gründe dafür sprechen, dass Art. 291 Abs. 2 AEUV als Auffangnorm der EU keine über Art. 78 Abs. 2 lit. d) AEUV hinausgehende Befugnisse verleiht, das Asylrecht in eigener Verantwortung zu vollziehen. Art. 291 Abs. 1 AEUV sowie Art. 4 Abs. 2 EUV, wonach die EU die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet, so wie sie in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt, gehen vom Regelfall der Durchführung von EU-Recht durch die Mitgliedstaaten aus.52 4.2.2.2.4. Zusammenfassung Art. 78 Abs. 2 AEUV ermächtigt den Unionsgesetzgeber, Regelungen und Verfahren zur Ausgestaltung des gemeinsamen europäischen Asylsystems festzulegen, setzt dabei jedoch den Vollzug des Asylrechts durch die Mitgliedstaaten voraus. Ebenso stellt der Solidaritätsgrundsatz des Art. 80 AEUV, der als Auslegungsmaßstab zur Bestimmung der sachlichen Reichweite der in Art. 77 bis 79 AEUV normierten Kompetenzen dient53, auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Asyl- und Einwanderungspolitik ab. Auch das Protokoll Nr. 24 zum Lissabonner Vertrag über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union geht davon aus, dass Asylanträge von den Mitgliedstaaten und nicht einer Einrichtung der EU berücksichtigt oder bearbeitet werden. 51 EuGH, Rs. C-270/12, Urt. v. 22.01.2014, Rn. 13 52 Britz, Verbundstrukturen in der Mehrebenenverwaltung, Die Verwaltung – Beiheft 8 (2009), S. 71 (97); Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im Europäischen Verwaltungs- und Wirtschaftsraum, 2012, S. 105, 143; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 316; Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon- Vertrags, DÖV 2010, S. 453 (461 f.), Michel, Die neue Europäische Bankenaufsichtsbehörde, DÖV 2011, S. 728 (730), Schütze, From Rome to Lisbon: “Executive Federalism” in the (New) European Union, CMLRev 47 (2010), S. 1385 (1400 f.); Schwarze, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: Appel/Hermes/Hillgruber (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – Festschrift für Rainer Wahl, 2011, S. 837 (838 f.); Schmidt-Aßmann, Perspektiven der Europäisierung des Verwaltungsrechts, Die Verwaltung – Beiheft 10 (2010), S. 263 (264). 53 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. EL. März 2014, Art. 80 Rn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 20 Vor diesem Hintergrund sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass der EU unionsvertraglich eine weitgehende Gesetzgebungskompetenz gewährt wird, während Behördenorganisation, Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz jedoch in nationaler Zuständigkeit verbleiben.54 Mithin ließe sich eine Durchführung von Asylverfahren und ein „Selbsteintrittsrecht“ von EU-Behörden, wie dies in Art. 22 KOM(2016)271 endg. vorgesehen ist, nicht auf die Kompetenzen aus Art. 78 Abs. 1 und 2 AEUV stützen. 4.2.2.3. Kompetenzen zur Anordnung einer Unterstützung gegen den Willen des betreffenden Mitgliedstaats Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Art. 78 Abs. 1 und 2 AEUV die EU zur Anordnung eines Unterstützungseinsatzes gegen den Willen eines Mitgliedstaats in dessen Hoheitsgebiet ermächtigt . Angesichts des weiten Wortlauts des Art. 78 AEUV55 erscheint es möglich, dass die Union mit der Ermächtigung, alle Maßnahmen zu erlassen, die für die Ausgestaltung des gemeinsamen europäischen Asylsystems erforderlich sind, die Kompetenz erhalten hat, in Ausnahmefällen auch gegen den Willen der betroffenen Mitgliedstaaten einen Einsatz anzuordnen. Fraglich ist aber, ob eine solche Ermächtigung mit der Systematik des AEUV im Titel zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Einklang stünde.56 Nach Art. 72 AEUV berührt dieser Titel nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. In der Literatur wird Art. 72 AEUV als Kompetenzbegrenzung der Union verstanden.57 Aufgrund des Art. 72 AEUV wird in der Literatur angenommen, dass der Union im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts keine exekutiven Befugnisse zustehen.58 Fraglich ist, ob die Anordnung eines Einsatzes mittels eines Durchführungsbeschlusses der Kommission als eine exekutive Maßnahme der Union qualifiziert oder noch in den Bereich der Unionskompetenzen zur Ausgestaltung des gemeinsamen europäischen Asylsystems fällt. Wie oben unter 4.2.2.2. dargestellt, enthält Art. 78 AEUV keine ausdrückliche Ermächtigung der EU zu operativen Verwaltungs- oder Eingriffsbefugnissen. Insbesondere die systematische Auslegung spricht gegen ein Verständnis von Art. 78 AEUV als Ermächtigungsgrundlage der Union für ein selbständiges, operatives Asylverfahren. Es gibt keine Hinweise auf einen politischen Willen 54 von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 483 ff.; Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 99, 106 55 Neumann, Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, 2014, S. 51 f. 56 Art. 77 AEUV steht in Titel V des AEUV mit der Überschrift „Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. 57 Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 72 AEUV, Rn. 3; Rossie, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 72 AEUV, Rn. 5. 58 Rossie, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 72 AEUV, Rn. 5; Breitenmoser/Weyeneth, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 72 AEUV, Rn. 12. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 81/16 Seite 21 der Mitgliedstaaten, die Union durch Art. 78 AEUV zur Errichtung eines europäischen Asylverfahrenssystems mit operativen Befugnissen zu ermächtigen.59 Auch die Systematik des europäischen Primärrechts spricht gegen eine entsprechende Kompetenz der EU aus Art. 78 AEUV. Mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 EUV statuiert Art. 72 AEUV eine vorrangige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit .60 Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Schengen-Raum durch Kontrollen ihrer Außengrenzen zuständig. Die operative polizeiliche Tätigkeit ist ein Vorrecht der Mitgliedstaaten.61 Dieser Systematik des Primärrechts würde eine operative Zuständigkeit der EU widersprechen, wie sie in Art. 22 Abs. 3 KOM(2016) 271 endg. vorgesehen ist. 4.2.3. Zusammenfassung Aus hiesiger Sicht sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass die EU auf Grundlage von Art. 78 AEUV ohne entsprechende Kooperationen der Mitgliedstaaten nicht zur unmittelbaren Durchführung von Unterstützungseinsätzen befugt ist, wie sie in Art. 22 KOM(2016) 271 endg. vorgesehen sind. - Fachbereich Europa - 59 Vgl. Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 58. Auflage 2016, Art. 78 Rn. 1 ff. 60 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 57, August 2015, Art. 77 AEUV, Rn. 37. 61 Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 349; Breitenmoser/Weyeneth, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 72 AEUV, Rn. 12.