© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 079/20 Einzelfragen zu den unionsrechtlichen Vorgaben für den innerstaatlichen Rechtsschutz im Bereich des Zugangs zu Beschäftigung Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Einzelfragen zu den unionsrechtlichen Vorgaben für den innerstaatlichen Rechtsschutz im Bereich des Zugangs zu Beschäftigung Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 079/20 Abschluss der Arbeit: 16. Oktober 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beantwortung der Fragen 4 2.1. Unionsrechtliche Vorgaben für den Zugang zu Beschäftigung 5 2.1.1. Materielle Vorgaben 5 2.1.1.1. Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit 5 2.1.1.2. Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts 5 2.1.2. Vorgaben für den innerstaatlichen Rechtsschutz 6 2.1.2.1. Der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten 6 2.1.2.2. Sekundärrechtliche Vorgaben für die Geltendmachung von Ansprüchen auf dem Gerichtsweg 6 2.1.3. Eingeschränkte Vorgaben hinsichtlich der Rechtsfolge eines Verstoßes 7 2.2. Beurteilung der Vereinbarkeit einzelstaatlicher Vorschriften mit diesen Vorgaben 8 2.2.1. Zum „Fehlen“ einer Konkurrentenklage 9 2.2.2. Zu ad-personam-Berufungen 9 3. Zusammenfassung 10 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 4 1. Einleitung Der Fachbereich ist um Auskunft ersucht worden, ob das „Fehlen“ von Klagemöglichkeiten seitens der unterlegenen Bewerber in universitären Berufungsverfahren in Österreich mit Unionsrecht vereinbar ist. Zudem wird gefragt, ob „ad-personam-Berufungen“ an österreichischen Universitäten mit Unionsrecht vereinbar sind. Der Fragesteller verweist in seinem Auskunftsersuchen auf einen Fachaufsatz, wonach den unterlegenen Bewerbern in universitären Berufungsverfahren laut Rechtsprechung österreichischer Gerichte keine Konkurrentenklage eröffnet sei.1 In der darin in Bezug genommenen Rechtsprechung ging es konkret um Klagen unterlegener Bewerber auf „Feststellung der Nichtigkeit“ der mit den erfolgreichen Bewerbern geschlossenen Arbeitsverträge.2 In dem Aufsatz wird in diesem Zusammenhang auch auf österreichische Rechtsvorschriften verwiesen, nach denen es den Universitäten ermöglicht werde, einmalig innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Anzahl von Stellen festzulegen, die den bereits an der betreffenden Universität tätigen Dozentinnen und Dozenten vorbehalten werden und universitätsintern auszuschreiben sind. Den Autoren zufolge können diese Vorschriften so interpretiert werden, dass der Rektor der Universität Stellen im Hinblick auf die Förderung einer konkreten einzelnen Person ausschreiben kann.3 Die Autoren des Aufsatzes sehen darin ein Hindernis für die Verwirklichung der „Freizügigkeit der Hochschullehrer in der EU“ und verweisen hierfür auf diverse Unionsbestimmungen, insbesondere denen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und aus Gründen des Geschlechts. 2. Beantwortung der Fragen Vorab ist klarzustellen, dass die vorliegende Ausarbeitung keine abschließende Beurteilung der Vereinbarkeit der einschlägigen österreichischen Vorschriften mit Unionsrecht leisten kann, da es hierfür auf die Kenntnis des österreichischen Rechts auch im Umfeld zu den konkreten aufgeworfenen Aspekten in Bezug auf die Rechtsstellung und Rechtsschutzes unterlegener Bewerber ankäme. Auch die Beurteilung von Einzelfällen ist nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Der Fokus der vorliegenden Ausarbeitung liegt darauf, den allgemeinen unionsrechtlichen Rahmen mit Blick auf den Zugang zu Beschäftigung sowie die einschlägigen Rechtsschutzvorgaben aufzuzeigen (siehe unter 2.1.) und auf dieser Grundlage die kritischen Punkte für eine Beurteilung der Vereinbarkeit derartiger einzelstaatlicher Vorschriften mit dem Unionsrecht zu identifizieren (siehe unter 2.2.). 1 Gornig/Piva, Freizügigkeit der Hochschullehrer in der EU, EuZW 2020, 469; siehe auch Gornig/Piva, Universitäre Berufungsverfahren - eine rechtliche Kritik, Gastkommentar in Wiener Zeitung vom 28.5.2020, abrufbar unter: https://www.wienerzeitung.at/themen/recht/recht/2062280-Universitaere-Berufungsverfahren-eine-rechtliche -Kritik.html (letztmaliger Abruf am: 16.10.2020). 2 Gornig/Piva, Freizügigkeit der Hochschullehrer in der EU, EuZW 2020, 469 (471), siehe die Rechtsprechungsnachweise in dortiger Fn. 8. 3 Gornig/Piva, Freizügigkeit der Hochschullehrer in der EU, EuZW 2020, 469 (471). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 5 2.1. Unionsrechtliche Vorgaben für den Zugang zu Beschäftigung 2.1.1. Materielle Vorgaben 2.1.1.1. Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit Eine auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten ist gemäß Art. 45 Abs. 2 AEUV u.a. „in Bezug auf Beschäftigung“ verboten. Dieses Verbot erfasst unmittelbare wie mittelbare Formen der Diskriminierung.4 Eine sekundärrechtliche Ausprägung dieses Verbots findet sich in Art. 3 der Verordnung 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union:5 „Artikel 3 (1) Die folgenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedstaats finden im Rahmen dieser Verordnung keine Anwendung: a) Vorschriften, die das Stellenangebot und das Arbeitsgesuch, den Zugang zur Beschäftigung und deren Ausübung durch Ausländer einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten; oder b) Vorschriften, die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, dass Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden.“ 2.1.1.2. Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts Im primären Unionsrecht ist der Grundsatz der Entgeltgleichheit gemäß Art. 157 Abs. 1 AEUV von grundlegender Bedeutung. Hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung ergibt sich ein Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/54/EG6: „Artikel 14 Diskriminierungsverbot 4 Näher zum Verbot mittelbarer Diskriminierungen, siehe Kocher, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar , 1. Aufl. 2017, Art. 45 AEUV, Rn. 96 ff., 104 ff. 5 Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union. 6 Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen . Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 6 (1) Im öffentlichen und privaten Sektor einschließlich öffentlicher Stellen darf es in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben: a) die Bedingungen — einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen — für den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position einschließlich des beruflichen Aufstiegs; […]“ 2.1.2. Vorgaben für den innerstaatlichen Rechtsschutz 2.1.2.1. Der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Die innerstaatliche Durchsetzung unionsrechtlich garantierter Rechte erfolgt nach Maßgabe des mitgliedstaatlichen Rechts, soweit das Unionsrecht diesbezüglich keine besonderen Bestimmungen enthält. Nach diesem sog. Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ist „die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens für Klagen, […], Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten“7. Voraussetzung ist jedoch , dass die innerstaatlichen Verfahrensmodalitäten „nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)“8. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV verpflichtet die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu, ein wirksames Rechtsschutzsystem in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu gewährleisten. Außerdem gewährt Art. 47 Grundrechtecharta (GRC) jeder Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Dies gilt auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht (Art. 51 Abs. 1 GRC). 2.1.2.2. Sekundärrechtliche Vorgaben für die Geltendmachung von Ansprüchen auf dem Gerichtsweg Aus dem Sekundärrecht folgt eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass alle berechtigten Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend machen können . 7 EuGH, Rs. 33/76, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral, Rn. 5. 8 EuGH, Rs. C-411/17, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, Rn. 171. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 7 Mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit folgt diese Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2014/54/EU9: „Artikel 3 Rechtsschutz (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zur Durchsetzung der mit Artikel 45 AEUV und mit den Artikeln 1 bis 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 gewährten Rechte, allen Arbeitnehmern der Union und ihren Familienangehörigen, die sich durch eine — vergangene oder gegenwärtige — ungerechtfertigte Einschränkung und Behinderungen ihres Rechts auf Freizügigkeit oder durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche — nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Behörden, einschließlich, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten , in Schlichtungsverfahren — auf dem Gerichtsweg geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Einschränkung und Behinderung oder Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“ (Unterstreichung hinzugefügt) Mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts folgt diese Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 2006/54/EG: „Artikel 17 Rechtsschutz (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie gegebenenfalls nach Inanspruchnahme anderer zuständiger Behörden oder, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, nach einem Schlichtungsverfahren auf dem Gerichtsweg geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“ (Unterstreichung hinzugefügt) 2.1.3. Eingeschränkte Vorgaben hinsichtlich der Rechtsfolge eines Verstoßes Wenngleich aus den vorstehenden Bestimmungen klar hervorgeht, dass Ansprüche aus einer Rechtsverletzung auf dem Gerichtsweg geltend gemacht werden können müssen, enthält das einschlägige Sekundärrecht nur eingeschränkte Vorgaben dazu, welche konkreten Ansprüche ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beim Zugang zu Beschäftigung auslöst, für die somit die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung innerstaatlich vorzusehen ist. Aus der Richtlinie 2006/54/EG ergibt sich zunächst eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, „um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden — je nach den Rechtsvorschriften 9 Richtlinie 2014/54/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 8 der Mitgliedstaaten — tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss“ (Art. 18). Ferner schreibt die Richtlinie 2006/54/EG den Mitgliedstaaten allgemein vor, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen (Art. 25) vorzusehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwar für bestimmte Bereiche des Gleichbehandlungsrechts ein sog. Anspruch auf Angleichung „nach oben“ anerkannt, wonach der benachteiligten Person im Ergebnis dieselbe Vergünstigung zu gewähren ist. Hiernach kann etwa bei diskriminierenden Entgelten der Angehörige des benachteiligten Geschlechts für die Vergangenheit eine entsprechende Angleichung verlangen.10 Dieses Ergebnis ergibt sich bei einem diskriminierenden Ausschluss EU-ausländischer Staatsangehöriger von sozialen oder steuerlichen Vergünstigung bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 Verordnung 492/2011.11 Allerdings hat der EuGH auch deutlich gemacht, dass dies insbesondere nicht auf Fälle betreffend den Zugang zu Beschäftigung zu übertragen ist. In dem Urteil Raccanelli hat der EuGH festgestellt , dass weder die in den Verträgen garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit noch die Vorschriften in der heutigen Verordnung 492/2011 den Mitgliedstaaten „eine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vorschreibt, sondern ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen belässt, die zur Verwirklichung des Ziels der jeweiligen Bestimmungen geeignet sind“.12 Dementsprechend hatte der EuGH bereits im Urteil Colson und Kamann für die frühere Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG (heute Richtlinie 2006/54/EG) festgestellt, dass diese den Mitgliedstaaten keine bestimmte Sanktion etwa in Form einer Verpflichtung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber vorschreibt.13 Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist somit davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der innerstaatlichen Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Fällen betreffend den Zugang zu Beschäftigung folgen, ein Umsetzungsspielraum zukommt, der lediglich dahingehend begrenzt ist, als die fraglichen innerstaatlichen Vorschriften wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Ausdrücklich ergibt sich diese Begrenzung aus Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG, dürfte aber allgemein wohl auch aus dem unionsrechtlichen Gebot einer effektiven Verwirklichung sekundärrechtlicher Ziele abzuleiten sein.14 2.2. Beurteilung der Vereinbarkeit einzelstaatlicher Vorschriften mit diesen Vorgaben Aufgrund der vorstehenden Ausführungen zu den unionsrechtlichen Vorgaben für den Zugang zu Beschäftigung ist allgemein festzuhalten, dass allen berechtigten Personen, die sich durch die 10 Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 7 AGG, Rn. 8. 11 Siehe auch Allgaier, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, Art. 45 AEUV, Rn. 46, dort mit weiteren Nachweisen. 12 EuGH, Rs. C‑94/07, Raccanelli, Rn. 50. 13 EuGH, Rs. 14/83, Colson und Kamann, Rn. 18 f. 14 Vgl. EuGH, Rs. C-460/06, Paquay, Rn. 43 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 9 Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – konkret des Diskriminierungsverbots aus Gründen des Geschlechts sowie der Staatsangehörigkeit – in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend machen können müssen. Die einschlägigen Unionsbestimmungen enthalten jedoch nur eingeschränkte Vorgaben dazu, welche konkreten Ansprüche ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beim Zugang zu Beschäftigung auslöst, für die somit das Gebot gerichtlichen Rechtsschutzes gilt. Abgesehen von sekundärrechtlichen Vorgaben für Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der innerstaatlichen Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Fällen betreffend den Zugang zu Beschäftigung folgen, ein Umsetzungsspielraum zukommt . Dieser Spielraum ist insoweit begrenzt ist, als die fraglichen innerstaatlichen Vorschriften wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Hiervon ausgehend erscheint eine abschließende Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden einzelstaatlichen Vorschriften in Bezug auf das Fehlen einer Konkurrentenklage (hierzu unter 2.2.1.) und sog. „ad-personam-Berufungen“ (hierzu unter 2.2.2.) an dieser Stelle nicht möglich . 2.2.1. Zum „Fehlen“ einer Konkurrentenklage Mit Blick auf das im Auftragsersuchen an den Fachbereich angesprochene „Fehlen“ einer Konkurrentenklage in Österreich ist zunächst festzustellen, dass die einschlägigen Unionsbestimmungen in Fällen möglicher Diskriminierungen beim Zugang zu Beschäftigung abgesehen von Ansprüchen auf Schadenersatz oder Entschädigung keine bestimmten Ansprüche oder Sanktionen etwa in Form von Klagemöglichkeiten auf „Feststellung der Nichtigkeit“ der mit den erfolgreichen Bewerbern geschlossenen Arbeitsverträge vorsehen. Es ist daher grundsätzlich nicht möglich, das Fehlen bestimmter Klagemöglichkeiten als solches als unvereinbar mit dem Unionsrecht anzusehen. Allenfalls wäre zu prüfen, welche sonstigen Ansprüche unterlegenen Bewerbern in universitären Berufungsverfahren nach österreichischem Recht zustehen und ob diese in ihrer Gesamtheit den sekundärrechtlichen Anforderungen einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion genügen. Hierzu enthält der im Auftrag in Bezug genommene Aufsatz lediglich den Hinweis, dass aus einer Verletzung des „Bundesgleichbehandlungsgesetzes […] eventuell Schadensersatzansprüche erwachsen könnten“.15 Eine weitergehende Untersuchung des österreichischen Rechts kann im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung nicht geleistet werden, so dass eine abschließende Beurteilung der in Rede stehenden österreichischen Regelungen vorliegend nicht möglich ist. 2.2.2. Zu ad-personam-Berufungen Vorab ist darauf hinzuweisen, dass dem Fachbereich nicht bekannt ist, inwieweit österreichische Universitäten von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine bestimmte Anzahl von Stellen festzu- 15 Gornig/Piva, Freizügigkeit der Hochschullehrer in der EU, EuZW 2020, 469 (472). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 10 legen, um sie den bereits an der betreffenden Universität tätigen Dozentinnen und Dozenten vorzubehalten und universitätsintern auszuschreiben. Dies gilt auch für den in dem erwähnten Aufsatz behaupteten Rückgriff auf dieses Verfahren zur Ausschreibung von Stellen im Hinblick auf die Förderung konkreter Einzelpersonen. Allgemein ist festzuhalten, dass ein in einem universitären Berufungsverfahren unterlegener Bewerber , der sich in seinem Recht auf Gleichbehandlung für verletzt hält, seine Ansprüche nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen (siehe unter 2.1.3.) auf dem Gerichtsweg geltend machen können muss. Die konkreten Umstände eines universitären Berufungsverfahrens können – etwa mit Blick auf eine universitätsinterne oder ad personam Ausschreibung – Hinweise auf das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit liefern. Sofern etwa bei einer universitätsinternen Ausschreibungen festzustellen wäre, dass innerhalb der Gruppe der bereits an der betreffenden Universität tätigen Dozentinnen und Dozenten überwiegend Angehörige eines Geschlechts oder überwiegend österreichische Staatsangehörige sind, könnte darin ein Umstand zu sehen sein, der das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts vermuten lässt (gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 19 Richtlinie 2006/54/EG) bzw. der das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen des Staatsangehörigkeit aufgrund der typischen EU-Ausländerbetroffenheit nahelegt.16 In diesen Fällen müsste der bzw. die Beklagte darlegen, dass die Anwendung dieses Verfahrens durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist. Da es hierfür jedoch auf die jeweiligen Umstände an den betreffenden Universitäten sowie die Begründung im Einzelfall ankommt, kann die Rechtmäßigkeit der Anwendung solcher Verfahren im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung nicht pauschal beurteilt werden. 3. Zusammenfassung Beim Zugang zu Beschäftigung ist eine Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts oder aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Maßgabe der einschlägigen Unionsbestimmungen verboten . Ferner sind die Mitgliedstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass alle berechtigten Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend machen können. Es bestehen jedoch unionsrechtlich nur eingeschränkte Vorgaben dazu, welche konkreten Ansprüche ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beim Zugang zu Beschäftigung auslöst, für die somit das Gebot gerichtlichen Rechtsschutzes gilt. Abgesehen von sekundärrechtlichen Vorgaben für Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der innerstaatlichen Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der 16 Näher zum Verbot mittelbarer Diskriminierungen, siehe Kocher, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar , 1. Aufl. 2017, Art. 45 AEUV, Rn. 104 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 079/20 Seite 11 Staatsangehörigkeit und des Geschlechts in Fällen betreffend den Zugang zu Beschäftigung folgen , ein Umsetzungsspielraum zukommt. Dieser Spielraum ist insoweit begrenzt ist, als die fraglichen innerstaatlichen Vorschriften wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Hiervon ausgehend ist es grundsätzlich nicht möglich, das Fehlen bestimmter Klagemöglichkeiten – wie einer Konkurrentenklage unterlegener Bewerber auf „Feststellung der Nichtigkeit“ der mit den erfolgreichen Bewerbern geschlossenen Arbeitsverträge – als solches als unvereinbar mit dem Unionsrecht anzusehen. Die konkreten Umstände eines universitären Berufungsverfahrens können – etwa mit Blick auf eine universitätsinterne oder ad personam Ausschreibung – Hinweise auf das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit liefern, was im Einzelfall zu prüfen wäre. Fachbereich Europa