© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 79/18 Verbilligte oder kostenfreie Abgabe bundeseigener Grundstücke an Länder, Kommunen sowie gemeinnützige und gemeinwohlorientierte Träger zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Lichte des EU- Beihilferechts Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 2 Verbilligte oder kostenfreie Abgabe bundeseigener Grundstücke an Länder, Kommunen sowie gemeinnützige und gemeinwohlorientierte Träger zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Licht des EU-Beihilferechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 79/18 Abschluss der Arbeit: 2. August 2018 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Beihilferelevanz von Grundstücktransfers im Verhältnis von Bund einerseits und Länder, Kommunen usw. andererseits 5 2.1. Unternehmenseigenschaft von Ländern, Kommunen usw. bei Grundstückstransfers mit dem Bund 5 2.1.1. Unternehmensbegriff 5 2.1.2. Länder und Kommunen 6 2.1.3. Weitere (erst-)erwerbsberechtigte Rechtspersonen 8 2.1.4. Zum Kreis der Zweiterwerber 8 2.2. Beihilferelevanz von Grundstückstauschgeschäften 9 3. Beihilferechtliche Implikationen im Verhältnis von Ländern, Kommunen usw. einerseits und (Wohnbau-) Unternehmen andererseits. 9 3.1. Allgemein zum DAWI-Beschluss 10 3.2. Möglichkeit eines größeren Umfangs der Verbilligung bzw. einer kostenlose Abgabe von Grundstücken 10 3.2.1. Nach DAWI-Beschluss 10 3.2.2. Andere Rechtfertigungsmöglichkeiten 12 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich wurde um die Beantwortung mehrerer Fragen ersucht, die die verbilligte oder kostenfreie Abgabe bundeseigener Grundstücke an Länder, Kommunen sowie andere erwerbsberechtigte Rechtspersonen zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus und ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht betreffen. Gefragt wurde ferner nach der beihilferechtlichen Relevanz von Grundstückstauschgeschäften zwischen dem Bund und den eben genannten Rechtspersonen. Hinsichtlich der grundlegenden materiellen und verfahrensrechtlichen Aspekte des Beihilferechts sowie seiner generellen Anwendung auf die zweckgebundene Veräußerung von Grundstücken durch die öffentliche Hand unter Marktwert auf Grundlage eines Haushaltsvermerks1 und der sog. Verbilligungsrichtlinie2 wird auf die Ausarbeitung des Fachbereichs vom Oktober 2016 „Verbilligte Veräußerung von Konversionsgrundstücken und EU-Beihilferecht“ verwiesen,3 die diesem Gutachten als Anlage beigefügt ist. Im Folgenden wird lediglich den dort nicht erörterten Fragen nachgegangen. Diese ergeben sich vorliegend aus dem zweiaktigen Geschehen, welches dieser verbilligten Abgaben bundeseigener Grundstücke zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus in der Regel zugrunde liegt: Die betreffenden Grundstücke werden nämlich zunächst zwischen Bund und Ländern oder Kommunen etc. (Ersterwerber) transferiert und erst anschließend von den letztgenannten etwa an (Wohnbau-)Unternehmen (weiter-)übertragen (Zweiterwerber), die dann eine Bebauung der Grundstücke u. a. mit Sozialwohnungen vornehmen und diese ggf. auch bewirtschaften.4 In diesem Zusammenhang soll zunächst geklärt werden, ob bereits der erste Transfer von Grundstücken beihilferechtliche Relevanz aufweist (2.).5 Eine solche Beihilferelevanz dürfte beim zweiten Transfer dagegen unzweifelhaft vorliegen und es wird diesbezüglich gefragt, unter welchen 1 Es handelt sich hierbei um den Haushaltsvermerk 60.3 des jeweiligen Haushaltsgesetzes zu Epl. 60, Kap. 6004, Titel 121 01, erstmals ausgebracht im Haushaltsgesetz 2015. Zur Fassung im Haushaltsgesetz 2018 siehe BT- Drs. 19/1700, S. 3066 f. 2 Richtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zur verbilligten Abgabe von Grundstücken (VerbR), mit Stand vom 6. April 2017, online abrufbar unter https://www.bundesimmobilien.de/7948394/erstzugriff -und-verbilligung (letztmaliger Abruf am 02.08.18). Diese Version der Verbilligungsrichtlinie beruht noch auf der Fassung des Haushaltsvermerks des Haushaltsgesetzes 2017 (vgl. Fn. 1). 3 PE 6 – 3000 – 126/16 vom 10. Oktober 2016 – Anlage. Im Folgenden als „Gutachten 2016“ bezeichnet. 4 Vgl. hierzu auch die neue Fassung des Haushaltsvermerks 60.3 (Fn. 1): Danach ist eine „Weiterveräußerung eines verbilligt erworbenen Grundstücks an private Dritte […] bei Fortbestand und Weitergabe der gewährten Verbilligung zu gleichen Bedingungen möglich, soweit sich die Kommune/Gebietskörperschaft des Dritten zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bzw. des Verbilligungszwecks bedient.“ Siehe zur öffentlichen Aufgabe/öffentlichen Zweck unten unter 2.1.2., S. 6 ff. 5 Nach telefonischen Auskünften aus dem BMWi wird davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall sei. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 5 Voraussetzungen die Übertragung von Grundstücken an (Wohnbau-)Unternehmen unionsrechtskonform erfolgen kann (3). In der Praxis stützt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) den Vorgang auf den sog. DAWI-Beschluss6.7 2. Beihilferelevanz von Grundstücktransfers im Verhältnis von Bund einerseits und Länder, Kommunen usw. andererseits Grundsätzlich erfüllt eine unter dem Marktwert erfolgende Abgabe von Grundstücken durch die öffentliche Hand an Dritte den Tatbestand der Beihilfe gemäß des Art. 107 Abs. 1 AEUV, wenn es sich bei diesen Dritten um Unternehmen im Sinne des Beihilferechts handelt.8 Im vorliegenden Kontext stellt sich die Frage, ob auch Länder und Kommunen als Unternehmen anzusehen sind, wenn der Bund Grundstücke an sie überträgt (2.1.). Wäre dies zu verneinen, würde die Übertragung in diesem Verhältnis nicht dem Beihilfetatbestand unterfallen. Diese Frage stellt sich zwar auch im Falle eines Grundstückstauschs. Dort könnte der Beihilfetatbestand jedoch auch aus einem weiteren Grund unter Umständen nicht einschlägig sein (2.2.). 2.1. Unternehmenseigenschaft von Ländern, Kommunen usw. bei Grundstückstransfers mit dem Bund Zunächst sind die Voraussetzungen und Bedingungen des Unternehmensbegriffs darzustellen (2.1.1.), bevor im Anschluss eine Anwendung auf den vorliegenden Fall erörtert wird. Hierbei wird zwischen Ländern und Kommunen als staatlichen Hoheitsträgern einerseits (2.1.2.) und anderen (erst-)erwerbsberechtigten Rechtspersonen differenziert (2.1.3.). Hiervon zu unterscheiden sind die Rechtspersonen, denen die Grundstücke in Folge der anschließenden zweiten Übertragung zukommen können (Zweiterwerber) und die die Bebauung mit Sozialwohnungen vornehmen und ggf. auch für deren Bewirtschaftung zuständig sind (2.1.4.). 2.1.1. Unternehmensbegriff Unternehmen im Sinne des Beihilfe- bzw. europäischen Wettbewerbsrechts ist nach ständiger Rechtsprechung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer 6 Beschluss 2012/21/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, ABl.EU 2012 Nr. L 7/3, online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012D0021&qid=1475593888880&from=DE (letztmaliger Abruf am 02.08.18) 7 Dies ergab eine telefonische Nachfrage bei der BImA. Siehe dazu auch schon Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2.3.2., S. 12 ff. 8 Siehe Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2., S. 9 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 6 Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.9 Sowohl der Status der Einheit als Teil der staatlichen Verwaltung, als auch die (Nicht-)Verfolgung eines Erwerbszwecks spielen hierbei keine Rolle.10 Entscheidend ist die Tätigkeit. Übt die betreffende Einheit sowohl wirtschaftliche als auch nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten aus, so ist sie (nur) im Hinblick auf erstere als Unternehmen zu betrachten. Unter wirtschaftlicher Tätigkeit ist jede Tätigkeit zu verstehen, die im Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf einem Markt besteht.11 Handelt der Staat oder die öffentliche Stelle hingegen in „ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt“, so liegt keine wirtschaftliche Tätigkeit vor und Art. 107 Abs. 1 AEUV findet keine Anwendung.12 Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffende Tätigkeit Teil der wesentlichen Aufgaben des Staates ist oder sie ihrem Wesen, ihrem Ziel und den für sie geltenden Vorschriften nach mit diesen Aufgaben verbunden ist.13 Beispielhaft genannt werden etwa Armee- oder Polizeitätigkeiten, Flugsicherung und Flugverkehrskontrolle , aber auch die Erschließung und Revitalisierung öffentlichen Geländes durch öffentliche Stellen.14 Für die Verbindung von wirtschaftlicher Tätigkeit und Ausübung hoheitlicher Befugnisse gilt, dass erstere zu einer Qualifizierung als Unternehmen führen, wenn sie von der letztgenannten losgelöst werden kann.15 Sind beide hingegen untrennbar miteinander verbunden, so ist auch die wirtschaftliche Tätigkeit als Ausübung von Hoheitsbefugnissen anzusehen und eine Unternehmenseigenschaft scheidet aus.16 2.1.2. Länder und Kommunen Betrachtet man die Situation von Ländern und Kommunen im Lichte der eben beschriebenen Voraussetzungen und Bedingungen, so kommt es entscheidend darauf an, wie die grundstücksbezogene Tätigkeit der betreffenden Rechtspersonen, an die bundeseigenen Immobilien transferiert werden, zu bewerten ist. Da diese Grundstücke anschließend von ihnen an (Wohnbau-)Unternehmen entgeltlich oder auch unentgeltlich übertragen werden (sollen), könnte darin insoweit eine 9 Vgl. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (im Folgenden: Beihilfemitteilung), Tz. 7, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Die Beihilfemitteilung ist online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016XC0719(05)&from=DE (letztmaliger Abruf unter 02.08.18) 10 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 8 u. 9, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung 11 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 12, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 12 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 17, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 13 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 17, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 14 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 17, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 15 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 18, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 16 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 9), Tz. 17, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 7 wirtschaftliche Tätigkeit gesehen werden, als hierdurch Immobilien dem Grundstücksmarkt zugeführt werden. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Tätigkeit von Ländern und Kommunen nicht von anderen Rechtspersonen, die Grundstücke veräußern, so dass die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nahe liegt. Fraglich ist, ob sich eine andere Bewertung daraus ergibt, dass Länder und Kommunen die Grundstücke verbilligt und zweckgebunden übertragen, indem die betreffenden (Wohnbau-)Unternehmen verpflichtet werden, auf diesen Grundstücken (zumindest auch) Sozialwohnungen zu errichten und ggf. auch zu bewirtschaften. Dies setzt zunächst voraus, dass Länder und Kommunen im Hinblick auf diese Verpflichtung „in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt“ handeln. Da sich die Sicherstellung von Wohnraum für sozial Bedürftige als öffentliche Aufgabe im Sinne der Daseinsvorsorge ansehen lässt, dürften ihr Länder und insbesondere Kommunen in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt nachkommen.17 Einen entsprechenden Passus enthält im Übrigen auch die neue Fassung des einschlägigen Haushaltsvermerks.18 Sodann dürften die wirtschaftlichen Aspekte der Tätigkeit in Gestalt der Veräußerung der Immobilien nicht von der öffentlichen Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus losgelöst werden können bzw. beide müssten untrennbar miteinander verbunden sein. Dies ist jedoch fraglich, da Länder und Kommunen auch andere Möglichkeiten haben, um den Bau von Sozialwohnungen sicherzustellen als über den verbilligten und zweckverbundenen Verkauf von ehemals bundeseigenen Grundstücken unter Marktpreisen. Nach telefonischen Auskünften aus dem BMWi wird die Unternehmenseigenschaft von Ländern und Kommunen in diesen Fällen gleichwohl verneint, wenn auch mit einem anderen Ansatz. Es wird darauf verwiesen, dass es sich bei der Übertragung von Grundstücken im Verhältnis von Bund einerseits und Länder und Kommunen andererseits lediglich um einen „innerstaatlichen Vermögenstransfer“ handele, der als solcher keine Beihilferelevanz aufweise. Dieser Argumentation liegt weniger der tätigkeitsbezogene Blickwinkel zugrunde, der sich aus Rechtsprechung und Kommissionspraxis ergibt, als vielmehr eine Gesamtbetrachtung des zweiaktigen Geschehens, das nach Haushaltsvermerk und Verbilligungsrichtlinie vorgesehen ist. Für dieses ist aus beihilferechtlicher Sicht kennzeichnend, dass die Begünstigung in Gestalt der verbilligten oder gar kostenlosen Abgabe nicht den Ländern oder Kommunen zugutekommt und sich somit nicht bei der ersten Übertragung der betreffenden Grundstücke, sondern erst als Konsequenz der zweiten Übertragung bei den (Wohnbau-)Unternehmen auswirkt. Erst bei diesem Transfer „verwirklicht“ sich die Begünstigung auf dem Grundstücksmarkt. Vor diesem Hintergrund erscheint der Verweis auf das Vorliegen eines innerstaatlichen Vermögenstransfers bei der Übertragung bundeseigener Grundstücke zwischen Bund und Länder bzw. Kommunen schlüssig und die Verneinung seiner Beihilferelevanz auf der Stufe gut vertretbar. Dies setzt allerdings voraus , dass die durch den Bund gewährte Verbilligung der Grundstücke von den Ländern und 17 Siehe etwa § 2 Abs. 2 Kommunalverfassung Brandenburg, online abrufbar unter https://bravors.brandenburg .de/gesetze/bbgkverf#2 (letztmaliger Abruf am 02.08.18). 18 Vgl. Haushaltsvermerks 60.3 (Fn. 1): Danach ist die Veräußerung bundeseigener Grundstücke u. a. zulässig, „wenn der Grundstückserwerb unmittelbar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient, zu der die Kommune /Gebietskörperschaft gesetzlich verpflichtet ist oder die sie auf Grundlage der jeweiligen Kommunalverfassung /Gemeindeordnung des Landes wahrnimmt.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 8 Kommunen in vollem Umfang weitergereicht wird. Wäre dies nicht der Fall, würde dem Ansatz der Gesamtbetrachtung das entscheidende Argument genommen. Dessen ungeachtet ist darauf hinzuweisen, dass die Gesamtbetrachtung von der ansonsten üblichen Vorgehensweise nach Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu Beurteilung der Unternehmenseigenschaft abweicht. Urteile der Unionsgerichte oder Entscheidungen der Kommission liegen hierzu – soweit bekannt – bisher nicht vor, so dass eine abschließende Beurteilung zur Beilhilferelevanz der hier einschlägigen Übertragung bundeseigener Grundstücke an Länder und Kommunen an dieser Stelle nicht vorgenommen werden kann. 2.1.3. Weitere (erst-)erwerbsberechtigte Rechtspersonen Eine Abgabe bundeseigener Grundstücke kann nach dem Haushaltsvermerk und der Verbilligungsrichtlinie nicht nur an Länder und Kommunen erfolgen, sondern unmittelbar auch an privatrechtliche Gesellschaften/Unternehmen, Stiftungen und Anstalten, an denen die Gebietskörperschaft mehrheitlich beteiligt ist.19 Ob auch in diesen Fällen eine Unternehmenseigenschaft bzw. die Beihilferelevanz verneint werden kann, hängt zunächst davon ab, ob auch diese Rechtspersonen die Grundstücke samt Verbilligung an (Wohnbau-)Unternehmen weiterreichen. Ist das nicht der Fall, etwa weil die Gesellschaft oder das Unternehmen die Bebauung selbst vornimmt, dürfte bereits in diesem Verhältnis eine Unternehmenseigenschaft anzunehmen sein und damit im Ergebnis eine Beihilferelevanz bestehen. Erfolgt hingegen eine weitere Übertragung – wie seitens der Länder und Kommunen – so würde die Gesamtbetrachtung wohl auch hier gegen eine Unternehmenseigenschaft bzw. Beihilferelevanz sprechen, wenn die Verbilligung in Gänze weitergereicht wird. Denn auch in diesen Fällen würde sich die Begünstigung erst bei der nachfolgenden Übertragungsebene auswirken. Problematisch wäre hingegen eine tätigkeitsbezogene Beurteilung der Unternehmenseigenschaft, da insbesondere privatrechtliche Gesellschaften/Unternehmen ungeachtet einer mehrheitlichen Beteiligung von Ländern und Kommunen allenfalls bei Betrauung o. ä. als Träger öffentlicher Gewalt auftreten, im Übrigen aber – insbesondere im Fall kommerziellen Wohnungsbaus – wirtschaftliche Tätigkeiten erbringen. Entscheidend wäre hierbei jedoch der jeweilige Einzelfall, so dass eine abstrakte Bestimmung an dieser Stelle nicht möglich ist. Darüber hinaus gilt auch hier der oben geäußerte Vorbehalt, wonach nicht feststeht, ob insbesondere die Gesamtbetrachtung zu unionsrechtlich zutreffenden Schlussfolgerungen führt.20 2.1.4. Zum Kreis der Zweiterwerber Über den Kreis der Zweiterwerber enthält die Verbilligungsrichtlinie in ihrer derzeitigen Fassung keine Vorgaben. Der neuen Fassung des Haushaltsvermerks lässt sich allerdings entnehmen, dass 19 Vgl. Haushaltsvermerk (Fn. 1) bzw. VerbR (Fn. 2), Pkt. II. 4. C) iVm. II. 2. (Fn. 2). 20 Siehe oben 2.1.2., S. 6 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 9 dieser Kreis keinen Beschränkungen unterliegt. Denn danach ist die Weiterveräußerung allgemein an „private Dritte“ möglich.21 Vorausgesetzt wird lediglich, dass dies bei „Fortbestand und Weitergabe der gewährten Verbilligung […] möglich [ist], soweit sich die Kommune/Gebietskörperschaft des Dritten zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bzw. des Verbilligungszwecks bedient .“22 2.2. Beihilferelevanz von Grundstückstauschgeschäften Kommt es nicht zu einer einseitigen Übertragung verbilligter Grundstücke vom Bund an Dritte, sondern zu einem gegenseitigen Tausch von Grundstücken, so hängt die Beihilferelevanz des Tauschgeschäfts – ungeachtet der Unternehmenseigenschaft – von den jeweiligen Grundstückswerten ab. Entsprechen sich diese, so fehlt es an einer Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV, da das Grundstück des Landes oder der Kommune eine angemessene Gegenleistung für das Bundesgrundstück darstellt.23 Der Beihilfetatbestand wäre dann aus diesem Grund nicht erfüllt , ohne dass es auf die Unternehmenseigenschaft von Land oder Kommune ankäme. Ist der Wert des bundeseigenen Grundstücks hingegen höher als der des ländereigenen oder kommunalen Grundstücks, dann ist weiterhin von einer Begünstigung auszugehen und es stellen sich die oben aufgeworfenen Fragen nach der Unternehmenseigenschaft von Ländern und Kommunen bzw. anderen erwerbsberechtigten Rechtspersonen.24 3. Beihilferechtliche Implikationen im Verhältnis von Ländern, Kommunen usw. einerseits und (Wohnbau-)Unternehmen andererseits. Im Verhältnis zwischen Ländern oder Kommunen usw. einerseits und (Wohnbau-)Unternehmen anderseits bestehen an der Beihilferelevanz der (Weiter-)Übertragung verbilligter Bundesgrundstücke keine Zweifel.25 Es stellt sich allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen dies beihilferechtlich zulässig ist. Wie oben und im Gutachten 2016 ausgeführt, wird dieser Vorgang auf den sog. DAWI-Beschluss26 gestützt (3.1.).27 Vom Auftraggeber wird in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die Verbilligung bundeseigener Grundstücke nicht in größerem Umfang als bisher erfolgen könnte oder ob nicht sogar eine kostenlose Abgabe möglich wäre (3.2.). 21 Haushaltsvermerk (Fn. 1). 22 Haushaltsvermerk (Fn. 1). 23 Siehe Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2.3, S. 10 f. 24 Siehe oben unter 2.1., S. 5 ff. 25 Vgl. Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2., S. 9 ff. 26 Vgl. oben Fn. 6. 27 Siehe oben unter 1., S. 4 f. bzw. Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2.3.2., S. 12 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 10 3.1. Allgemein zum DAWI-Beschluss Werden die Vorgaben des DAWI-Beschlusses eingehalten, so ist nach Art. 3 DAWI-Beschluss von einer Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Beihilferecht auszugehen und es greift eine Befreiung von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV. Ein vor der Grundstücksübertragung durchzuführendes (ex-ante) Beihilfeverfahren wird hierdurch vermieden,28 es erfolgt lediglich eine (stichprobenartige) nachträgliche Kontrolle. Dies stellt in verfahrensrechtlicher Hinsicht insoweit einen praktischen Vorteil dar, als eben nicht jeder Einzelfall einer Grundstücksveräußerung einer individuellen und zeitlich aufwendigen Kommissionsprüfung unterzogen werden muss. Die eigentliche Anwendung des DAWI-Beschlusses, etwa hinsichtlich der Betrauung mit der Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus (vgl. Art. 4 DAWI-Beschluss) erfolgt dabei nicht durch den Bund, sondern (erst) durch die Länder bzw. Kommunen, wenn diese die betreffenden Grundstücke an (Wohnbau-)Unternehmen übertragen. Dies ist insoweit konsequent, als die Beihilferelevanz der Grundstücksübertragung auf der ersten Ebene mit guten Gründen verneint wird. Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen des DAWI-Beschlusses wird im Übrigen auf die Ausführungen im Gutachten 2016 verwiesen.29 3.2. Möglichkeit eines größeren Umfangs der Verbilligung bzw. einer kostenlose Abgabe von Grundstücken Nach der geltenden Verbilligungsrichtlinie beträgt die Höhe des Kaufpreisabschlags für die verbilligte Abgabe bundeseigener Grundstücke für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Geschosswohnungsbau mit mindestens acht Einheiten 25.000 € pro neu geschaffene Wohneinheit; pro Kaufvertrag ist die Verbilligung auf 80% des (regulären) Kaufpreises begrenzt.30 Eine kostenlose Abgabe ist nicht vorgesehen. In beihilferechtlicher Hinsicht ist eine solche pauschale Festsetzung der Verbilligung bzw. ein Ausschluss der kostenlosen Abgabe von Grundstücken nicht zwingend. Dies gilt für den DAWI- Beschluss (3.2.1.), aber auch generell im Lichte des Beihilferechts (3.2.2.). 3.2.1. Nach DAWI-Beschluss Der Kaufpreisabschlag nach der Verbilligungsrichtlinie wird im Lichte des DAWI-Beschlusses als Ausgleichsleistung im Sinne des Art. 5 DAWI-Beschlusses für die Errichtung und ggf. Bewirtschaftung der Sozialwohnungen verstanden. Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsleistung enthält Art. 5 Abs. 1 DAWI-Beschluss die Vorgabe, wonach diese „unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns nicht über das hinausgehen 28 Siehe zu den beihilferechtlichen Verfahrensoptionen Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 2.2., S. 5 ff. 29 Vgl. Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 3.2.3.2., S. 12 ff. 30 VerbR (Fn. 2), Pkt. II. 8. c). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 11 [darf], was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Nettokosten abzudecken.“ Die Nettokosten werden in Art. 5 Abs. 2 S. 1 DAWI-Beschluss definiert als Differenz zwischen den Kosten für die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einerseits, hier dem sozialen Wohnungsbau und ggf. Bewirtschaftung der Wohnungen, und den Einnahmen andererseits, die der Erbringer – hier etwa die (Wohnbau-)Unternehmen – mit der Dienstleistung generiert,. Weitere Vorgaben zu beiden Positionen finden sich in Art. 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 DAWI-Beschluss. Vorgaben zum „angemessenen Gewinn“, den die Ausgleichsleistung umfassen darf, enthält Art. 5 Abs. 5 bis 8 DAWI-Beschluss. Die Höhe der Verbilligung und damit auch der beihilferechtlich zulässigen Ausgleichsleistung hängt danach von den Kosten des jeweiligen Projekts (v. a. Errichtung und Bewirtschaftung) einerseits und den daraus generierten Einnahmen (wie insbesondere Miete) anderseits ab und lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Vor diesem Hintergrund kann die pauschale Festsetzung von 25.000 € pro Wohneinheit im Einzelfall sowohl zu niedrig als auch zu hoch bemessen sein. Eine kostenlose Abgabe von Grundstücken ist jedenfalls dem Grunde nach ebenfalls nicht ausgeschlossen , soweit die darin zum Ausdruck kommende Ausgleichsleistung den Anforderungen des Art. 5 DAWI-Beschluss entspricht. Hinzuweisen ist darauf, dass nur eine zu hohe Ausgleichsleistung beihilferechtlich problematisch ist. Lediglich für diesen Fall sieht der DAWI-Beschluss in seinem Art. 5 Abs. 10 eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, „das betreffende Unternehmen [aufzufordern], eine etwaige Überkompensation zurückzuerstatten“. Nach Auskünften der BIma umfasst die Förderung von Projekten des sozialen Wohnungsbaus, die auf bundeseigenen Grundstücken umgesetzt werden (können), in der Regel nicht nur Kaufpreisabschläge nach der Verbilligungsrichtlinie, sondern auch weitere Maßnahmen der Länder und ggf. auch der Kommunen. Hierdurch stellt sich zum einen das Problem der Kumulation von Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Damit einher geht u. U. auch die Anwendung unterschiedlicher Beihilfeinstrumente, da der DAWI-Beschluss selbst nicht auf die Kumulation verschiedener Beihilfemaßnahmen ausgelegt ist bzw. die Vorgaben zur Ausgleichsleistung und den zu berücksichtigenden Einnahmen in Art. 5 DAWI-Beschluss den Fall einer aus anderen Quellen stammenden Beihilfe nicht erfassen. Ferner wird von Seiten der BIma zum anderen auf die praktischen bzw. verwaltungstechnischen Anforderungen hingewiesen, die sich aus der Anwendung des DAWI-Beschlusses in Fällen von Kaufpreisabschlägen nach der Verbilligungsrichtlinie ergeben. In der Regel würden die letztbegünstigten (Wohnbau-)Unternehmen nicht nur Sozialwohnungen errichten, sondern zugleich auch kommerzielle Wohnangebote schaffen. Hierbei handelt es sich dann zwar nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, so dass der DAWI-Beschluss hierauf keine Anwendung findet. Für die Kombination beider Dienstleistungen schreibt Art. 5 Abs. 9 DAWI-Beschluss jedoch vor, dass die betreffenden Unternehmen in ihren „Buchführung die Kosten und Einnahmen in Verbindung mit der Erbringung der betreffenden Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse von allen anderen Tätigkeiten getrennt aus[zuweisen haben]; außerdem ist anzugeben, nach welchen Parametern die Zuordnung der Kosten und Einnahmen erfolgt. Als Kosten, die nicht der Erbringung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zugerechnet werden können, gelten alle unmittelbaren Kosten, ein angemessener Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/18 Seite 12 Beitrag zu den Gemeinkosten und eine angemessene Kapitalrendite. Für diese Kosten darf kein Ausgleich gewährt werden.“ Insbesondere diese Vorgaben würden in der Praxis zu erhöhten verwaltungstechnischen Anforderungen führen, die die Attraktivität eines Erwerbs von Grundstücken nach der Verbilligungsrichtlinie schmälerten. 3.2.2. Andere Rechtfertigungsmöglichkeiten Der DAWI-Beschluss und die in ihm enthaltenen Vorgaben stellen nicht die einzige Möglichkeit dar, um eine verbilligte Abgabe bundeseigener Grundstücke beihilferechtskonform durchzuführen . Es ist den Mitgliedstaaten unbenommen, Beihilfemaßnahmen auch unmittelbar auf die gängigen primärrechtlichen Ausnahmetatbestände der Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV oder hier vor allem des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu stützen, soweit sie die sekundärrechtlichen Konkretisierungen dieser Tatbestände als nicht ausreichend oder als nicht passend erachten. Es bestünde dann auch die Möglichkeit, größere Verbilligungen oder gar eine kostenlose Abgabe von Grundstücken vorzusehen . Ob und inwieweit dies beihilferechtlich zulässig wäre, hinge dann von der Kommission ab, die derartige Maßnahmen nach mitgliedstaatlicher Notifizierung im Sinne des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV einer vorherigen Prüfung gemäß Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV unterziehen würde.31 Bei der dann notwendigen Anwendung der Ausnahmetatbestände der Art. 107 Abs. 3 AEUV oder hier vor allem des Art. 106 Abs. 2 AEUV kommt der Kommission ein weites Ermessen zu. – Fachbereich Europa – 31 Vgl. hierzu Gutachten 2016 (Fn. 3), Pkt. 2.2.1, S. 4 ff.