© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 79/16 Assoziierungsabkommen EU-Ukraine Annäherung der tierschutzrechtlichen Vorschriften Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 2 Assoziierungsabkommen EU-Ukraine Annäherung der tierschutzrechtlichen Vorschriften Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 79/16 Abschluss der Arbeit: 9.6.2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Begriff der „Annäherung“ 4 2.1. Auslegung nach Sinn und Zweck 4 2.2. Vergleich mit anderen Abkommen 5 2.3. Bisherige Annäherung 6 3. Zeitraum der Annäherung 7 3.1. Anhaltspunkte aus dem Assoziierungsabkommen 7 3.2. Anhaltspunkte aus anderen Annäherungsprozessen 7 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 4 1. Fragestellung Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (im Folgenden: Assoziierungsabkommen)1 nähert die Ukraine ihre gesundheitspolizeilichen, pflanzenschutz- und tierschutzrechtlichen Vorschriften an die Vorschriften der EU an. Die nachfolgende Ausarbeitung untersucht, was unter dem Begriff „annähern“ zu verstehen ist und welcher Zeitrahmen für die Annäherung vorgesehen ist oder anhand der Erfahrungen mit anderen Abkommen zu erwarten ist. 2. Begriff der „Annäherung“ Das Assoziierungsabkommen selbst enthält keine Definition des Begriffs der Annäherung und konkretisiert ihn auch nicht näher. Anhang V zu Kapitel 4 des Assoziierungsabkommens, auf den Art. 64 des Assoziierungsabkommens verweist, gibt lediglich vor, dass die Ukraine eine umfassende Strategie (zur Umsetzung der Annäherung) übermittelt, enthält aber keine detaillierten Ausführungen zu einzelnen Annäherungsmaßnahmen. Die Bedeutung des Begriffs kann daher nur nach dem Sinn und Zweck der Regelung sowie durch eine vergleichende Betrachtung der Verwendung des Begriffs der „Annäherung“ in ähnlichem Zusammenhang geklärt werden. 2.1. Auslegung nach Sinn und Zweck Gemischte Assoziierungsabkommen fördern die Etablierung von Freihandelszonen, welche neben der Beseitigung von Zöllen und Quoten auch eine weitreichende Harmonisierung von rechtlichen Bestimmungen und Standards beinhalten.2 Langfristig wird eine politische als auch wirtschaftliche Integration verfolgt, jedoch ohne die Verknüpfung mit einer Beitrittsperspektive zur EU.3 Eine Annäherung der Ukraine an die Vorschriften der EU bedeutet demnach eine Übernahme rechtlicher Vorgaben und Wertungen des Unionsrechts in das nationale ukrainische Recht, ohne aber die Übernahme des europäischen Normbestands verbindlich vorzugeben. Ziel der Annäherung der gesundheitspolizeilichen, pflanzenschutz- und tierschutzrechtlichen Vorschriften ist gemäß Art. 59 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens eine Erleichterung des Handels mit Produkten, welche derartigen Vorschriften unterliegen und gleichzeitig der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen. Nach Art. 66 des Assoziierungsabkommens kann – zwecks Erleichterung des Handels – eine Gleichwertigkeit von (gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen) Maßnahmen der Vertragsparteien anerkannt 1 Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits, ABl. 2014, L 161/3, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2014:161:FULL&from=EN. 2 Vöneky/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 56. EL, Stand: April 2015, Art. 217 AEUV, Rn. 77. 3 Vöneky/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 56. EL, Stand: April 2015, Art. 217 AEUV, Rn. 5, 77. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 5 werden. Art. 66 Abs. 4 nimmt diesbezüglich auf die Annäherungsvorgabe des Art. 64 Bezug. Ziel der Annäherung ist mithin eine Anerkennung der Gleichwertigkeit von Maßnahmen oder Systemen .4 2.2. Vergleich mit anderen Abkommen Wie erste Schritte einer Annäherung aussehen könnten, zeigt ein Blick auf Umsetzungsakte der Republik Moldau im Rahmen des Assoziierungsabkommens der EU und ihrer Mitgliedsstaaten mit der Republik Moldau.5 Der Begriff der „Annäherung“ in gesundheitspolizeilichem, pflanzenschutz - und tierschutzrechtlichem Kontext findet sich nämlich in Art. 181 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens mit der Republik Moldau, ebenso wie in Art. 55 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens der EU mit Georgien.6 Beide Länder haben mit der Annäherung bereits begonnen. Aufgrund der individuellen Ausgestaltung der Abkommen und vereinbarten Umsetzungsmaßnahmen sind Vergleiche nur begrenzt möglich, dennoch sind die Maßnahmen Moldaus und Georgiens mögliche Umsetzungswege, welche die Ukraine in ihre Strategie aufnehmen könnte. Eine Annäherung der gesundheitspolizeilichen, pflanzenschutz- und tierschutzrechtlichen Vorschriften der Republik Moldau an Vorschriften der EU erfolgte zunächst – wie von Art. 181 Abs. 4 dieses Assoziierungsabkommens vorgesehen – durch die Vorlage einer Liste europäischer Vorschriften, an die eine Angleichung erfolgen sollte, um für eine Ware oder Warengruppe Gleichwertigkeit nach Art. 183 des Assoziierungsabkommens zu erreichen. Die Republik Moldau erstellte im Einklang mit ihren nationalen Verfahren eine solche Liste,7 die im Benehmen mit der Kommission im Juli 2015 endgültig fertiggestellt wurde. Diese Liste wird durch einen Beschluss des Unterausschusses Gesundheitspolizeiliche und Pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen dem Anhang XXIV des Assoziierungsabkommens beigefügt.8 Sie enthält unter anderem einen umfassenden Katalog zu europäischen Vorschriften zum Veterinärwesen. Auch Georgien ist gemäß Art. 4 dazu: Van der Loo, The EU-Ukraine Association Agreement and Deep and Comprehensive Free Trade Area: A New Legal Instrument for EU Integration Without Membership, 2016, S. 256 f. 5 Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits, ABl. 2014 L 260/4, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22014A0830(01)&qid=1464858237778&from=DE. 6 Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und Georgien andererseits, ABl. 2014 L 261/4, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22014A0830(02)&qid=1464858415024&from=DE. 7 Liste abrufbar im Anhang zu dem Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union in dem mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits eingesetzten Unterausschuss "Gesundheitspolizeiliche und Pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen" zu vertretenden Standpunkt, Ratsdokumentennummer: 8278/16. 8 Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union in dem mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits eingesetzten Unterausschuss "Gesundheitspolizeiliche und Pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen" zu vertretenden Standpunkt, Ratsdokumentennummer: 8278/16. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 6 55 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens der EU mit Georgien zur Vorlage einer entsprechenden Liste verpflichtet und verfolgt mithin eine vergleichbare Umsetzungsstrategie. 2.3. Bisherige Annäherung In dem Assoziierungsabkommen mit der Ukraine verpflichtet sich diese in Art. 64 Abs. 4 des Abkommens , eine Strategie für die Umsetzung des Kapitels vorzulegen. Die Umsetzung der Annäherung hängt demnach von den Vorschlägen der Ukraine ab. Die EU kann jedoch im SPS-Unterausschuss Annäherungsmaßnahmen spezifizieren, die für eine Gleichwertigkeit ukrainischer und europäischer Produkte erforderlich sind.9 Die Assoziierungsagenda der Ukraine aus 201310 beinhaltet die für den Zeitraum 2014 bis 2016 vereinbarten Prioritäten im Hinblick auf die Implementierung des Assoziierungsabkommens. Sie enthält keinen gesonderten Punkt zur Annäherung tierschutzrechtlicher Regelungen, sondern zählt vielmehr allgemein gehaltene Vorhaben in anderen Umsetzungsbereichen auf. Die Assoziierungsagenda aus 2015 kündigt gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahme an. Dazu zählen u. a. die Ausrichtung der Labore für Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Pflanzenschutz an den EU Vorgaben und die Einrichtung eines Frühwarnsystems für die Sicherheit in den Bereichen Lebensmittel, Tier- und Pflanzengesundheit.11 In dem Fortschrittsbericht der Kommission wurde zu der Annäherung im Hinblick auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen festgehalten: „In relation to sanitary and phytosanitary issues (SPS), some progress was made on harmonising Ukrainian food legislation with EU legislation, including the adoption in September of laws on food safety and animal identification and registration. Draft laws on official inspections of food and feed, and animal health and welfare, and on by-products of animal origin not intended for human consumption began the legislative process. The government adopted a resolution to create a single State Service for Food Safety and Consumers Protection (including responsibility for the Sanitary and Epi- 9 Van der Loo, The EU-Ukraine Association Agreement and Deep and Comprehensive Free Trade Area: A New Le-gal Instrument for EU Integration Without Membership, 2016, S. 257. 10 EU-Ukraine Association Agenda to prepare and facilitate the implementation of the Association Agreement, 24. Juni 2013, abrufbar unter http://eeas.europa.eu/ukraine/docs/eu_ukr_ass_agenda_24jun2013.pdf. 11 EU-Ukraine Association Agenda to prepare and facilitate the implementation of the Association Agreement, 16. März 2015, abrufbar unter http://eeas.europa.eu/ukraine/docs/st06978_15_en.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 7 demiological Service) in line with EU recommendations. However, several long-standing SPS barriers were not addressed, for instance the BSE-related restrictions of imports of beef and veal meat from the EU.”12 3. Zeitraum der Annäherung Der Zeitraum, in dem die Annäherung stattzufinden hat, lässt sich nur schwer eingrenzen. 3.1. Anhaltspunkte aus dem Assoziierungsabkommen In dem Assoziierungsabkommen selbst, auch in Anhang V, auf welchen Art. 64 Abs. 1 des Assoziierungsabkommen verweist, sind keine konkreten Vorgaben der Annäherung tierschutzrechtlicher Vorschriften in temporärer Hinsicht enthalten.13 In verschiedenen Dokumenten, die sich mit den Annäherungsmaßnahmen der Ukraine befassen, finden sich Hinweise auf Umsetzungsfristen für einzelne Maßnahmen und Vorhaben. So existiert beispielsweise ein Twinning Projekt zur Unterstützung der Ukraine im Erreichen der Zusagen im Bereich der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen. Das Projekt beinhaltet das Vorhaben „Improvement of Food Safety Control System in Ukraine”, welches seit März 2014 umgesetzt wird und voraussichtlich im Dezember 2016 enden wird.14 Aus diesen einzelnen Projekten lässt sich aber kein allgemeiner Zeitraum für die Annäherung ableiten. 3.2. Anhaltspunkte aus anderen Annäherungsprozessen Der Vergleich mit den Annäherungsprozessen anderer Länder gestaltet sich aufgrund der individuellen Situation der Staaten schwierig, nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Schwerpunktsetzung bei der Umsetzung. Das Europäische Parlament weist in einer Entschließung vom 21. Januar 2016 ausdrücklich unter F. 2. darauf hin, dass der Erfolg der Umsetzung der Assoziierungsabkommen „von zahlreichen Faktoren abhängig ist, wozu unter anderem ein stabiles politisches Umfeld, strategisches Denken, konkrete Reformansätze und die sinnvolle Verwendung der von 12 Joint Staff working document – Implementation of the European Neighborhood Policy in Ukraine Progress in 2014 and recommendations for actions, SWD(2015) 74 final, abrufbar unter http://eeas.europa .eu/enp/pdf/2015/ukraine-enp-report-2015_en.pdf; vgl. zu den Maßnahmen der Ukraine auch die ausführliche Darstellung in Kepych, Ukrainian Sanitary and Phytosanitary laws approximation to EU aquis under association agreement including agreement on deep and comprehensive free trade area (DCTFA), Agrárne právo EÚ 2014, S. 79 ff, abrufbar unter http://www.degruyter.com/dg/viewarticle.fullcontentlink:pdfeventlink /$002fj$002feual.2014.3.issue-2$002feual-2014-0011$002feual-2014-0011.pdf?t:ac=j$002feual.2014.3.issue- 2$002feual-2014-0011$002feual-2014-0011.xml. 13 Van der Loo, The EU-Ukraine Association Agreement and Deep and Comprehensive Free Trade Area: A New Legal Instrument for EU Integration Without Membership, 2016, S. 257. 14 Twinning project Fiche, Assistance with implementation of SPS (sanitary and phytosanitary measures) commitments under the EU-Ukraine Association Agreement, abrufbar unter http://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Twinning/twinning-project-fiche-assistance-with-implementation-ofsps -sanitary-and-phytosanitary-measures-commitments-under-the-eu-ukraine-asociation-agreement. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 79/16 Seite 8 der internationalen Gemeinschaft geleisteten finanziellen und technischen Unterstützung gehören (…).“15 Berichte bezüglich der Umsetzung anderer Assoziierungsabkommen enthalten zudem nur selten Ausführungen zu dem besonderen Bereich des Tierschutzrechts. Umsetzungsakte im Rahmen der Annäherung in der Republik Moldau sollen gemäß der oben erwähnten Liste schrittweise erfolgen . Hierbei werden individuelle Annäherungsfristen für die verschiedenen Vorschriften gesetzt, die zum Teil bereits mit Ablauf des Jahres 2015 endeten. Die letzte Frist endet mit dem Ablauf des Jahres 2019. Seit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Moldau am 27. Juni 2014 lässt sich damit ein Zeitraum von viereinhalb Jahren berechnen, sofern der Vorlageliste entsprechend gehandelt wird. – Fachbereich Europa – 15 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Januar 2016 zu den Assoziierungsabkommen sowie den vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine, (2015/3032(RSP)), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=- //EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0018+0+DOC+XML+V0//DE.