Deutscher Bundestag Die Zentralasienstrategie der EU Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 77/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 2 Die Zentralasienstrategie der EU Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 77/11 Abschluss der Arbeit: 08.06.2011 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Strategie 4 2.1. Motive 4 2.2. Ziele 4 2.3. Instrumente 5 3. Umsetzung der Strategie 5 3.1. Politischer Dialog 6 3.2. Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit, Good Governance, Demokratisierung 6 3.3. Jugend und Bildung 6 3.4. Wirtschaftswachstum, Handel und Investitionen 7 3.5. Energie und Transport 7 3.6. Umwelt und Wasser 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung gibt einen Überblick über die Zentralasienstrategie der EU und stellt kurz die bisherige Umsetzung der Strategie auf EU-Ebene dar. Grundlage ist der aktuelle Fortschrittsbericht der EU-Kommission und des Rates der Europäischen Union zur Zentralasienstrategie . Die Initiativen der Bundesregierung im Rahmen der Zentralasienstrategie können der Dokumentation des Auswärtigen Amtes entnommen werden, die der Ausarbeitung als Anlage beigefügt ist. 2. Die Strategie 2.1. Motive Die Zentralasienstrategie der EU wurde vom Europäischen Rat auf seiner Sitzung am 21./22. Juni 2007 verabschiedet und soll der gewachsenen geostrategischen Bedeutung der zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan Rechnung tragen. Motive für eine engere Zusammenarbeit aus Sicht der EU sind dabei nicht nur die reichen Erdgas - und Ölvorkommen der Region, sondern auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie gegen die organisierte Kriminalität, insbesondere dem Menschen- und Drogenhandel . Die Ziele und Prioritäten der Strategie beschreibt das Regionalstrategiepapier (RSP) 2007-20131. Die Durchführungsmodalitäten wurden durch zwei Richtprogramme für die Zeiträume 2007- 20102 sowie 2011-20133 festgelegt, die wiederum in nationale Programme untergliedert sind, die die jeweiligen länderspezifischen Besonderheiten berücksichtigen sollen. Die EU verfolgt demnach drei prioritäre Ziele in der fünfjährigen Partnerschaft mit dieser Region: 2.2. Ziele Erstens soll die regionale Zusammenarbeit und die gutnachbarlichen Beziehungen gefördert werden . Zweitens möchte die EU im Rahmen bilateraler Hilfen zur Armutsminderung und zur Verbesserung der Lebensstandards in der Region entsprechend der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen beitragen. Drittens sollen eine verantwortungsvolle Staatsführung und Wirtschaftsreformen in den Staaten gefördert werden. Zur Erreichung dieser Ziele beabsichtigt die EU a) den Verkehrs- und Energiesektor der Region zu unterstützen und die Integration in den Weltmarkt durch den Ausbau von Verbindungen und der Intensivierung von Handelsbeziehungen zu fördern, b) das Umweltmanagement vor Ort zu verbessern, c) die Staaten bei der Grenzverwaltung und Migrationssteuerung sowie im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und bei Zollangelegenheiten zu unterstützen und d) Aus- 1 Nur in englischer Sprache verfügbar, online abrufbar unter http://www.eeas.europa.eu/central_asia/docs/2010_strategy_eu_centralasia_en.pdf [Stand 08.06.2011]. 2 Nur in englischer Sprache verfügbar, online abrufbar unter http://eeas.europa.eu/central_asia/rsp/nip_07_10_en.pdf [Stand 08.06.2011]. 3 Nur in englischer Sprache verfügbar, online abrufbar unter http://www.eeas.europa.eu/central_asia/docs/2010_ca_mtr_en.pdf [Stand 08.06.2011]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 5 tauschmaßnahmen im Bildungswesen und weitere gemeinsame wissenschaftliche Aktivitäten zu fördern. 2.3. Instrumente Die vertraglichen Grundlagen der bilateralen Beziehungen und der Maßnahmen im Rahmen der Strategie bilden die bestehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der EU und dem jeweiligen zentralasiatischen Staat4, wobei die Abkommen mit Tadschikistan und Turkmenistan erst nach Verabschiedung der Zentralasienstrategie zustande gekommen sind und somit gleichzeitig als erste Ergebnisse bzw. Erfolge der Strategie angesehen werden. Die finanziellen Hilfen der EU werden im wesentlichen über das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI)5, einschließlich seiner fünf thematischen Programme, das Instrument für Demokratie und Menschenrechte, das Instrument für nukleare Sicherheit, das Instrument für Stabilität und das Instrument für humanitäre Hilfe bereitgestellt. Das Richtprogramm für den Zeitraum 2007-2010 wurde über das DCI mit insgesamt 314 Millionen Euro ausgestattet . Für das Richtprogramm 2011-2013 sind 321 Millionen Euro vorgesehen. Die Hilfen der EU sollen flankiert werden durch Fördermittel der Europäischen Investitionsbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Weltbank. Der Franzose, Pierre Morel, wurde außerdem als EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien ernannt. 3. Umsetzung der Strategie Die beiden Richtprogramme der Zentralasienstrategie legen dar, welche Ergebnisse von den EU- Hilfen in den verschiedenen Schwerpunktbereichen erwartet werden. Die Implementierung der Strategie und die Zielerreichung werden alle zwei Jahre beginnend ab 2008 in einem gemeinsamen Fortschrittsbericht der EU-Kommission und des Rates zur Zentralasienstrategie evaluiert. Die Evaluation folgt gewissen Handlungsfeldern, die sich wiederum aus der Strategie und den Richtprogrammen ergeben. Der letzte Fortschrittsbericht vom 28. Juni 20106 kommt zu folgenden Ergebnissen: 4 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaten und der Republik Kasachstan, ABl. L 196 vom 28.7.1999, S. 3–45; Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Kirgisischen Republik über den Handel mit Textilwaren, ABl. L 123 vom 17.5.1994, S. 306–333; Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits, ABl. L 229 vom 31.8.1999, S. 1–52; Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Tadschikistan andererseits, ABl. L 350 vom 29.12.2009, S. 3–51; Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen zwischen der Europäischen Gemeinschaft , der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und Turkmenistan andererseits, ABl. L 80 vom 26.3.2011, S. 21–41. 5 Im Rahmen des DCI finanziert die Gemeinschaft Maßnahmen zur Förderung der geografisch ausgerichteten Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit , ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 41–71. 6 Nur in englischer Sprache verfügbar, online abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st11/st11402.en10.pdf#page=2 [Stand 08.06.2011]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 6 3.1. Politischer Dialog Der politische Dialog sei offen und vielversprechend und böte eine solide Basis für weitere Gespräche und Kooperationen. Als Beispiele werden die Ministertreffen zwischen der EU und den Staaten Zentralasiens im September 2008 und 2009 genannt, die sich mit Fragen der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität sowie zur Wirtschaftskrise und zu Sicherheitsaspekten befassten. Darüber hinaus fänden regelmäßig Besuche des EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien in der Region statt. 3.2. Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit, Good Governance, Demokratisierung Bezüglich der Menschenrechte sei die Situation trotz einzelner Fortschritte wie der Abschaffung der Todesstrafe in Usbekistan weiterhin enttäuschend. Es seien gleichwohl mit allen fünf Staaten regelmäßige Gespräche zur aktuellen Lage in der Region etabliert worden. Diese sollen sowohl auf der politischen als auch auf der Arbeitsebene weitergeführt und intensiviert werden. Es sei geplant, entsprechende Regionalkonferenzen abzuhalten. Außerdem beabsichtigt die EU weiterhin zivilgesellschaftliche Organisationen über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) finanziell zu unterstützen. Die „Rechtsstaat-Initiative“ (Rule-of-Law-Initiative) wurde im November 2008 unter der Führung Frankreichs und Deutschlands gestartet. Im Rahmen der Initiative wurde jeweils in Bischkek und Taschkent ein Seminar mit Experten aus Zentralasien und der EU zu den Themen Recht und Strafprozesse abgehalten. Ein weiteres Projekt wird derzeit vorbereitet. Im Bereich Demokratisierung seien verschiedene zivilgesellschaftliche Projekte unterstützt worden , die Verfassungsreformen und dabei insbesondere Reformen des Wahlrechts vorbereiten sollen . 3.3. Jugend und Bildung Die EU konzentriere sich hier besonders auf die Bereiche Hochschul- und Berufsausbildung. Die Staaten würden derzeit ihre tertiären Bildungssysteme stärker an den Bologna Prozess der EU ausrichten. Kasachstan ist dem Prozess bereits im März 2010 beigetreten. Durch die sogenannte „Aktion 2“ des Erasmus Mundus Programms würden jährlich 10 Millionen Euro für Studenten aus Zentralasien bereitgestellt, die an Austauschprogrammen teilnehmen möchten. Weitere 10 Millionen Euro hätten 2010 im Rahmen des Tempus Programms für Teilnehmer aus Zentralasien zur Verfügung gestanden. Tempus fördert die Modernisierung tertiärer Bildungssysteme in Partnerländern der EU. Letztlich sei auch die European Training Foundation (ETF)7 nunmehr in allen 5 zentralasiatischen Staaten aktiv und unterstütze die Staaten bei dem Ausbau und der Verbesserung ihrer beruflichen Ausbildungssysteme. Im Bereich Forschung hätten 34 Organisationen aus Zentralasien an 23 Projekten des 7. EU- Forschungsrahmenprogramms teilgenommen und dabei insgesamt EU-Fördermittel in Höhe von 1,7 Millionen Euro erhalten. 7 Die European Training Foundation (ETF)7 ist eine Agentur der EU. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 7 3.4. Wirtschaftswachstum, Handel und Investitionen Die EU stelle neben Russland einen der wichtigsten Handelspartner der Staaten Zentralasiens dar, wenngleich ein zunehmender Einfluss Chinas bemerkbar sei. Zentrales Anliegen der EU sei die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Die Förderung der KMU erfolge mittelbar über das Central Asia Invest (CAI) Programm, dass den Aufbau und die Entwicklung von Wirtschaftsintermediären (Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsverbänden etc.) unterstütze . In der ersten Phase des CAI-Programms wurden 2008 5,7 Millionen Euro an 11 Projekte in Zentralasien vergeben. Für die zweite Phase ab 2010 stehen 6,8 Millionen Euro zur Verfügung . Darüber hinaus unterstütze die EU die Bemühungen aller zentralasiatischen Staaten zur Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO). Derzeit ist nur Kirgisien Mitglied der WTO. 3.5. Energie und Transport In den Handlungsfeldern „Energie und Transport“ stünden die Staaten Zentralasiens über die Baku Initiative8 und das INOGATE Programm (Interstate Oil und Gas Transport to Europe)9 in enger Kooperation mit der EU. Herausragendes Projekt sei der Bau der Nabucco-Erdgas-Pipeline als südlicher Korridor der EU- Energieversorgung, an dem auch einige Staaten Zentralasiens beteiligt seien (Anm.: derzeit sind dies Kasachstan und Turkmenistan). Im Rahmen des TRACECA Programms10 (Transport Corridor Europe – Caucasus – Asia) werden darüber hinaus verschiedene Transport und Verkehrsprojekte in der gesamten Region durch die EU gefördert. Ein Schwerpunkt bildet dabei die maritime Transportroute durch das Kaspische Meer. Außerdem werden Reformen im Bereich des Luft- und Seeverkehrs insbesondere unter dem Aspekt der Sicherheit in allen zentralasiatischen Staaten mit Hilfe finanzieller und technischer Unterstützung der EU vorangetrieben. 3.6. Umwelt und Wasser Hier heben Rat und Kommission insbesondere die Bedeutung der EU Wasser Initiative (EU Water Initiative)11 für die Region Zentralasiens hervor. Im Rahmen der Initiative sollen politische Dialo- 8 Die Baku-Initiative ist ein 2004 ins Leben gerufener politischer Dialog zwischen der EU und den Staaten der Schwarzmeerregion , des Kaukasus und Zentralasiens (Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Iran, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien , Russland, Ukraine, Usbekistan, Tadschikistan, Türkei und Turkmenistan), der die Kooperation im Energiebereich zwischen den Partnern verbessern soll. Die Initiative beabsichtigt, in diesen Staaten funktionierende Märkte für Öl, Gas und Strom in Orientierung an den rechtlichen Strukturen des europäischen Energiemarktes zu schaffen. 9 Das INOGATE –Programm ist ein ursprünglich 1995 ins Leben gerufenes Kooperationsprogramm zwischen der EU und den Staaten Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan, der Ukraine und Usbekistan. Ziele des Programmes sind die Konvergenz der Energiemärkte, die Verbesserung der Energiesicherheit, die Förderung nachhaltiger Energieformen und die Gewinnung von Investoren für Energieprojekte von gemeinsamem und regionalem Interesse voranzutreiben. Dafür stehen technische und finanzielle Hilfen zur Verfügung. Das Programm wird im Rahmen des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI) betrieben. Vgl. auch INOGATE, online abrufbar unter http://www.inogate.org/ [Stand: 08.06.2011]. 10 Das TRACECA –Projekt wurde 1993 von der EU aufgelegt und stellt ein Verkehrs- und Kommunikationprogramm zur Entwicklung eines Transportkorridors zwischen Europa und Asien nach dem Vorbild der historischen Großen Seidenstraße dar. Vgl. auch TRACECA, online abrufbar unter http://www.traceca-org.org/en/traceca/ [Stand: 07.06.2011]. 11 Vgl. EU Water Initiative, online abrufbar unter http://www.euwi.net/about-euwi [Stand: 08.06.2011]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 77/11 Seite 8 ge zu den nationalen Wasserpolitiken der Staaten Zentralasiens initiiert werden, mit dem Ziel, dass Wassermanagement und die Wasser- und Abwasserversorgung in der Region zu verbessern. Vorrangig geht es um den institutionellen Rahmen und um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten . Kirgisien hat als erster Staat Zentralasiens einen entsprechenden Dialog mit der EU implementiert. Als ein weiteres wichtiges Projekt in diesem Zusammenhang wird das DIPECHO Programm (Disaster Preparedness ECHO)12 der Europäischen Kommission bezeichnet. Das Programm unterstütze durch finanzielle Hilfen Vorbereitungsmaßnahmen der lokalen Bevölkerung und Behörden , um im Falle von Naturkatastrophen effizient und effektiv handeln zu können und so die Folgen solcher Katastrophen zu verringern. 12 DIPECHO wurde 1996 vom Humanitarian Aid Department der Europäischen Kommission (ECHO) initiiert und soll im Rahmen von Entwicklungshilfe den Katastrophenschutz in benachteiligten Regionen fördern. Vgl. auch DIPECHO, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/echo/aid/dipecho_en.htm [Stand: 08.06.2011].