© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 069/20 Befugnisse der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde gegenüber den Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Befugnisse der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde gegenüber den Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 069/20 Abschluss der Arbeit: 22.07.2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Befugnisse der ESMA gemäß der sog. ESMA-Verordnung 4 2.1. Befugnisse der ESMA in Fällen der Verletzung von Unionsrecht 5 2.2. Befugnisse der ESMA für Maßnahmen im Krisenfall 5 2.3. Befugnisse der ESMA zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten in grenzübergreifenden Fällen 6 2.4. Befugnisse der ESMA zur Sammlung von Informationen 7 2.5. Peer Review Verfahren 7 3. Exkurs: Aktivitäten der ESMA anlässlich der aktuellen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Wirecard AG 9 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa ist um Darstellung gebeten worden, über welche Befugnisse (Untersuchungs -, Kontroll- und Weisungsrechte) die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority - ESMA) gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als nationale Aufsichtsbehörde verfügt. 2. Befugnisse der ESMA gemäß der sog. ESMA-Verordnung Die Aufgaben und Befugnisse der ESMA sind in der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 (ESMA-VO)1 niedergelegt. Gemäß Art. 1 Abs. 5 ESMA-VO verfolgt die ESMA das Ziel, das öffentliche Interesse zu schützen, indem sie für die Wirtschaft der Union, ihre Bürger und Unternehmen zur kurz-, mittel- und langfristigen Stabilität und Wirksamkeit des Finanzsystems beiträgt.2 Konkrete Aufgaben und Befugnisse der ESMA finden sich in den Regelungen der Art. 8 ff. ESMA-VO. Gemäß Art. 8 Abs. 2 ESMA-VO gehören zu den Befugnissen der ESMA gegenüber zuständigen Behörden3 insbesondere die Abgabe von Empfehlungen in besonderen Fällen gemäß Art. 17 Abs. 3 ESMA-VO (lit. d), der Erlass von an die zuständigen Behörden gerichteten Beschlüssen im Einzelfall in den in Art. 18 Abs. 3 ESMA-VO und Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO genannten besonderen Fällen (lit. e) sowie die Einholung von erforderlichen Informationen zu Finanzmarktteilnehmern gemäß Art. 35 ESMA-VO (lit. h).4 Weitere Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten der ESMA bestehen im Rahmen des sog. Peer Reviews gemäß Art. 30 ESMA-VO. 1 VERORDNUNG (EU) Nr. 1095/2010 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ) (ABl. L 331 vom 15. Dezember 2010, S. 84) (konsolidierte Fassung vom 1. Januar 2020). 2 Gemäß Art. 1 Abs. 5 lit. a) – g) ESMA-VO trägt die ESMA im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu Folgendem bei: Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts, insbesondere mittels einer soliden, wirksamen und kohärenten Regulierung und Überwachung; Gewährleistung der Integrität, Transparenz, Effizienz und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzmärkte; Ausbau der internationalen Koordinierung bei der Aufsicht; Verhinderung von Aufsichtsarbitrage und Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen; Gewährleistung, dass die Übernahme von Anlage- und anderen Risiken angemessen reguliert und beaufsichtigt wird; Verbesserung des Kunden- und Anlegerschutzes; Verbesserung der Angleichung der Aufsicht im gesamten Binnenmarkt. 3 Zum Begriff der „zuständigen Behörde“ vgl. die Definition in Art. 4 Nr. 3 ESMA-VO. 4 Darüber hinaus kommen der ESMA Befugnisse im Rahmen ihrer Koordinierungsfunktion gemäß Art. 31 ESMA- VO gegenüber den zuständigen Behörden zu, indem sie unter anderem erforderliche Maßnahmen ergreifen kann, um die Tätigkeiten der jeweils zuständigen Behörden zu koordinieren, wenn Entwicklungen eintreten, die das Funktionieren der Finanzmärkte gefährden könnten (Art. 31 Abs. 2 lit. e) ESMA-VO) bzw. um die Maßnahmen der jeweils zuständigen Behörden zur Erleichterung des Markteintritts von Akteuren oder Produkten, die auf technologischer Innovation beruhen, zu koordinieren (Art. 31 Abs. 2 lit. ea) ESMA-VO); vgl. hierzu v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage 2020, § 19 WpHG, Rn. 7. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 5 2.1. Befugnisse der ESMA in Fällen der Verletzung von Unionsrecht Art. 17 ESMA-VO bestimmt die Befugnisse der ESMA in Fällen der Verletzung von Unionsrecht.5 Gemäß Art. 17 Abs. 1 ESMA-VO nimmt die ESMA die in Art. 17 Abs. 2, 3 und 6 ESMA-VO genannten Befugnisse wahr, wenn eine zuständige Behörde die in Art. 1 Abs. 2 ESMA-VO genannten Rechtsakte nicht angewandt oder diese so angewandt hat, dass eine Verletzung des Unionsrechts , einschließlich der technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards, die nach den Art. 10 bis Art. 15 ESMA-VO festgelegt werden, vorzuliegen scheint. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass sie es versäumt hat sicherzustellen, dass ein Finanzmarktteilnehmer den in den genannten Rechtsakten festgelegten Anforderungen genügt. Art. 17 Abs. 2 ESMA-VO berechtigt die ESMA unter Einhaltung formaler Voraussetzungen zur Durchführung einer Untersuchung einer angeblichen Verletzung oder Nichtanwendung des Unionsrechts , wobei die ESMA insoweit ein konkretes Informationsersuchen direkt an die betroffene zuständige bzw. andere betroffene Behörden richten kann. Spätestens zwei Monate nach Beginn ihrer Untersuchung – und nach Abstimmung mit der betroffenen zuständigen Behörde gemäß Art. 17 Abs. 2a ESMA-VO – kann die ESMA eine Empfehlung an die betroffene zuständige Behörde richten, in der die Maßnahmen erläutert werden, die zur Einhaltung des Unionsrechts ergriffen werden müssen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Behörde innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang der Empfehlung über die Schritte, die sie unternommen hat oder zu unternehmen beabsichtigt, um die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten, Art. 17 Abs. 3 ESMA-VO.6 Im Anschluss an eine Empfehlung gemäß Art. 17 Abs. 3 ESMA-VO kann die ESMA gemäß den Vorgaben und Verfahrensweisen der Art. 17 Abs. 4 bis 7 ESMA-VO im Falle der fortgesetzten Nichteinhaltung des Unionsrechts der betroffenen zuständigen Behörde unter Vorliegen weiterer Voraussetzungen – insbesondere einer Stellungnahme der Europäische Kommission (Kommission ) – einen an ein Finanzinstitut gerichteten Beschluss im Einzelfall erlassen, der dieses zum Ergreifen der Maßnahmen verpflichtet, die zur Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen des Unionsrechts erforderlich sind, einschließlich der Einstellung jeder Tätigkeit.7 2.2. Befugnisse der ESMA für Maßnahmen im Krisenfall Art. 18 ESMA-VO enthält Befugnisse der ESMA für Maßnahmen im Krisenfall. Gemäß Art. 18 Abs. 1 ESMA-VO kann die ESMA im Fall von ungünstigen Entwicklungen, die das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität von Finanzmärkten oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union als Ganzes oder in Teilen ernsthaft gefährden könnten, sämtliche von den betreffenden zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden ergriffenen Maßnahmen aktiv erleichtern und diese, sofern dies als notwendig erachtet wird, koordinieren. Hierzu wird die ESMA über alle relevanten Entwicklungen in vollem Umfang unterrichtet und eingeladen, als Beobachterin an allen einschlägigen Zusammentreffen der betreffenden zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden teilzunehmen. 5 Siehe hierzu auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage 2020, § 19 WpHG, Rn. 6. 6 Das Verfahren zum Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 17 Abs. 3 ESMA-VO regelt Art. 39 ESMA-VO. 7 Vgl. hierzu auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage 2020, § 19 WpHG, Rn. 7. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 6 Der Rat kann in den Fällen des Art. 18 Abs. 1 ESMA-VO gemäß Art. 18 Abs. 2 ESMA-VO in Abstimmung mit der Kommission und dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) sowie gegebenenfalls den European Supervisory Authorithies (ESA) auf Ersuchen der ESMA, der Kommission oder des ESRB einen an die Behörde gerichteten Beschluss erlassen, in dem das Vorliegen einer Krisensituation im Sinne dieser Verordnung festgestellt wird. Soweit der Rat den vorgenannten Beschluss erlassen hat und außergewöhnliche Umstände vorliegen , die ein koordiniertes Vorgehen der zuständigen Behörden erfordern, um auf ungünstige Entwicklungen zu reagieren, die das geordnete Funktionieren und die Integrität von Finanzmärkten oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union als Ganzes oder in Teilen oder den Kunden - und Anlegerschutz ernsthaft gefährden könnten, kann die ESMA die zuständigen Behörden durch Erlass von Beschlüssen im Einzelfall dazu verpflichten, gemäß den in Art. 1 Abs. 2 ESMA- VO genannten Gesetzgebungsakten die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um auf solche Entwicklungen zu reagieren, indem sie sicherstellt, dass Finanzinstitute und zuständige Behörden die in den genannten Gesetzgebungsakten festgelegten Anforderungen erfüllen, Art. 18 Abs. 3 ESMA-VO.8 Im Anschluss an einen solchen Beschluss kann die ESMA gemäß Art. 18 Abs. 4 ESMA-VO für den Fall, dass eine zuständige Behörde diesem Beschluss nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommt, unter weiteren Voraussetzungen einen an den betreffenden Finanzmarktteilnehmer gerichteten Beschluss im Einzelfall erlassen, der diesen zum Ergreifen der Maßnahmen verpflichtet , die zur Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen der in Art. 1 Abs. 2 ESMA-VO genannten Rechtsvorschriften erforderlich sind, einschließlich der Einstellung jeder Tätigkeit. 2.3. Befugnisse der ESMA zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten in grenzübergreifenden Fällen Art. 19 ESMA-VO regelt die Befugnisse der ESMA zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen zuständigen Behörden in grenzübergreifenden Fällen.9 Gemäß Art. 19 Abs. 1 ESMA-VO kann die ESMA – ggf. auf Antrag oder von Amts wegen – in Fällen , die in den in Art. 1 Abs. 2 ESMA-VO genannten Gesetzgebungsakten der Union festgelegt sind, unbeschadet der Befugnisse nach Art. 17 ESMA den zuständigen Behörden bei Meinungsverschiedenheiten helfen, nach dem in den Art. 19 Abs. 2 - 4 ESMA-VO festgelegten Verfahren eine Einigung zu erzielen. Im Rahmen dieses Streitbeilegungsverfahrens kann die ESMA gemäß Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – insbesondere das Fehlen einer Einigung im Rahmen der Schlichtungsphase gemäß Art. 19 Abs. 2 ESMA-VO – einen Beschluss fassen, mit dem die zuständigen Behörden dazu verpflichtet werden, zur Beilegung der Angelegenheit bestimmte Maß- 8 Das Verfahren zum Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 18 Abs. 3 ESMA-VO regelt Art. 39 ESMA-VO. Art. 38 ESMA-VO enthält zudem Vorschriften, die gewährleisten sollen, dass kein nach Art. 18 Abs. 3 ESMA- VO erlassener Beschluss in die haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingreift. 9 Vgl. hierzu spiegelbildlich § 18 Abs. 7 WpHG, siehe v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar , 5. Auflage 2020, § 18 WpHG, Rn. 35. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 7 nahmen zu treffen oder von solchen abzusehen, und die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten .10 Der Beschluss der ESMA ist für die betroffenen zuständigen Behörden bindend. Die ESMA kann ferner gemäß Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO die zuständigen Behörden mit ihrem Beschluss auffordern, einen von ihnen gefassten Beschluss aufzuheben oder zu ändern oder die Befugnisse , die sie nach dem einschlägigen Unionsrecht haben, wahrzunehmen. Ferner kann die ESMA gemäß Art. 19 Abs. 4 ESMA-VO, wenn eine zuständige Behörde ihrem Beschluss gemäß Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO nicht nachkommt, unter weiteren Voraussetzungen einen an den betreffenden Finanzmarktteilnehmer gerichteten Beschluss im Einzelfall erlassen und ihn so dazu verpflichten, alle zur Einhaltung seiner Pflichten im Rahmen des Unionsrechts erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Einstellung jeder Tätigkeit. 2.4. Befugnisse der ESMA zur Sammlung von Informationen Art. 35 ESMA-VO eröffnet der ESMA Befugnisse gegenüber den zuständigen Behörden im Hinblick auf die Sammlung von Informationen. Gemäß Art. 35 Abs. 1 ESMA-VO11 stellen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der ESMA auf Verlangen alle Informationen zur Verfügung, die sie zur Wahrnehmung der ihr durch die ESMA-VO übertragenen Aufgaben benötigt, vorausgesetzt sie haben rechtmäßigen Zugang zu den einschlägigen Informationen und das Informationsgesuch ist angesichts der Art der betreffenden Aufgabe erforderlich. Gleichsam kann die ESMA verlangen, dass ihr diese Informationen in regelmäßigen Abständen und in vorgegebenen Formaten zur Verfügung gestellt werden. Für solche Gesuche werden – soweit möglich – gemeinsame Berichtsformate verwendet, Art. 35 Abs. 2 ESMA-VO. Stehen diese Informationen nicht zur Verfügung oder werden sie (von den zuständigen Behörden ) nicht rechtzeitig übermittelt, kann die ESMA ein gebührend gerechtfertigtes und mit Gründen versehenes Ersuchen um Informationen an andere Aufsichtsbehörden, an das für Finanzen zuständige Ministerium, an die nationale Zentralbank oder an das statistische Amt des betreffenden Mitgliedstaats (Art. 35 Abs. 5 ESMA-VO) bzw. direkt an die betreffenden Finanzmarktteilnehmer richten. (Art. 35 Abs. 6 ESMA-VO). 2.5. Peer-Review-Verfahren Gemäß Art. 30 Abs. 1 ESMA-VO unterzieht die ESMA alle oder einige Tätigkeiten der zuständigen Behörden regelmäßig einem Peer Review, um bei den Ergebnissen der Aufsicht eine größere Angleichung und Wirksamkeit zu erreichen. Hierzu erarbeitet die ESMA Methoden, die eine ob- 10 Das Verfahren zum Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO regelt Art. 39 ESMA-VO. Art. 38 ESMA-VO enthält zudem Vorschriften, die gewährleisten sollen, dass kein nach Art. 19 Abs. 3 ESMA- VO erlassener Beschluss in die haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingreift. Nach einer Ansicht in der Literatur folgt aus Erwägungsgrund 32 der ESMA-VO, dass die ESMA keinen Beschluss gemäß Art. 19 Abs. 3 ESMA-VO im Falle von Ermessensentscheidungen der nationalen Behörden fassen kann, siehe v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage 2020, § 18 WpHG, Rn. 35. 11 Vgl. hierzu spiegelbildlich § 19 Abs. 1 Wertpapierhandelsgesetz, vgl. hierzu auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage 2020, § 19 WpHG, Rn. 4 ff.. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 8 jektive Bewertung und einen objektiven Vergleich zwischen den analysierten zuständigen Behörden ermöglichen und berücksichtigt u. a. die ihr auf der Grundlage von Art. 35 ESMA-VO vorgelegten Informationen.12 Für die Zwecke des Peer Reviews setzt die ESMA gemäß Art. 30 Abs. 2 ESMA-VO Ad-hoc-Peer- Review-Ausschüsse ein, die aus Mitarbeitern der ESMA und Mitgliedern der zuständigen Behörden bestehen. Im Rahmen des Peer Reviews werden gemäß Art. 30 Abs. 3 ESMA-VO u. a. folgende Aspekte bewertet : „a) die Angemessenheit der Ausstattung, der Grad der Unabhängigkeit und die Regelungen hinsichtlich der Leitung der zuständigen Behörde mit besonderem Augenmerk auf der wirksamen Anwendung der in Art. 1 Abs. 2 [ESMA-VO] genannten Gesetzgebungsakte und der Fähigkeit, auf Marktentwicklungen zu reagieren; b) die Wirksamkeit und der Grad der Angleichung, der bei der Anwendung des Unionsrechts und bei den Aufsichtspraktiken, einschließlich der nach den Art. 10 bis 16 [ESMA-VO] angenommenen technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards, Leitlinien und Empfehlungen, erzielt wurde, sowie der Umfang, in dem mit den Aufsichtspraktiken die im Unionsrecht gesetzten Ziele erreicht werden; c) die Anwendung der von zuständigen Behörden entwickelten bewährten Praktiken, deren Übernahme für andere zuständige Behörden von Nutzen sein könnte; d) die Wirksamkeit und der Grad an Angleichung, die in Bezug auf die Durchsetzung der im Rahmen der Durchführung des Unionsrechts erlassenen Bestimmungen, wozu auch Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen gegen Personen, die für die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen verantwortlich sind, gehören, erreicht wurden.“ Im Anschluss an den Peer Review erstellt die ESMA gemäß Art. 30 Abs. 4 ESMA-VO in Zusammenarbeit mit dem Peer-Review-Ausschuss einen Bericht über die Ergebnisse des Peer Reviews, der vom Rat der Aufseher gemäß Art. 44 Abs. 4 ESMA-VO angenommen wird. In dem Bericht werden die infolge des Peer Review als angemessen, verhältnismäßig und notwendig erachteten Folgemaßnahmen angegeben und erläutert. Die ESMA legt gemäß Art. 30 Abs. 5 ESMA-VO der Kommission eine Stellungnahme vor, wenn sie auf der Grundlage des Ergebnisses des Peer Review oder sonstiger von der Behörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben erlangter Informationen die Auffassung vertritt, dass aus Sicht der Union eine weitere Harmonisierung der Unionsvorschriften für Finanzmarktteilnehmer oder zuständige Behörden erforderlich ist. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Peer-Review-Berichts erstellt die ESMA in Zusammenarbeit mit dem Peer-Review-Ausschuss einen Bericht über die Ergebnisse des Peer Reviews, der vom Rat der Aufseher gemäß Art. 44 Abs. 4 ESMA-VO angenommen wird, Art. 30 Abs. 6 ESMA- VO. Im Folgebericht wird u. a. bewertet, ob die Maßnahmen, die die dem Peer Review unterzogenen zuständigen Behörden auf die Folgemaßnahmen des Peer-Review-Berichts hin ergriffen haben , angemessen und wirksam sind. 12 Siehe hierzu ESMA Peer Review Methodology vom 28. Mai 2020 (ESMA42-111-4966). Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 9 Der Peer-Review-Ausschuss stellt gemäß Art. 30 Abs. 7 ESMA-VO nach Konsultation der dem Peer Review unterzogenen zuständigen Behörden die mit Gründen versehenen wichtigsten Ergebnisse des Peer Reviews fest. Die Ergebnisse des Peer Reviews und des Folgeberichts werden veröffentlicht. Weichen die mit Gründen versehenen wichtigsten Ergebnisse der Behörde von den vom Peer-Review-Ausschuss festgestellten Ergebnissen ab, übermittelt die ESMA die Ergebnisse des Peer-Review-Ausschusses auf vertraulicher Basis an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission. Ist eine dem Peer Review unterzogene zuständige Behörde der Auffassung , dass die Veröffentlichung der mit Gründen versehenen wichtigsten Ergebnisse der Behörde die Stabilität des Finanzsystems gefährden würde, kann sie die Angelegenheit an den Rat der Aufseher verweisen. Der Rat der Aufseher kann beschließen, die betreffenden Auszüge nicht zu veröffentlichen, Art. 30 Abs. 7 ESMA-VO. 3. Exkurs: Aktivitäten der ESMA anlässlich der aktuellen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Wirecard AG Nach Aufforderung durch die Kommission vom 25. Juni 2020 führt die ESMA gegenwärtig eine Überprüfung durch, ob es aufsichtsrechtliche Versäumnisse der BaFin sowie der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPFR) im Zusammenhang mit der Wirecard AG13 gegeben hat.14 Im Rahmen dieses sog. Peer-Review-Assessments15 sollen die Beachtung der ESMA-Leitlinien zur Überwachung von Finanzinformationen16 durch die BaFin und die DPFR, als zuständige Behörden der Überwachung und Durchsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2004/109/EG17, untersucht werden. Das Peer-Review-Assessment soll im Wege eines sog. Fast-Track-Verfahrens gemäß der ESMA Peer Review Methodology18 erfolgen und bis zum 30. Oktober 2020 abgeschlossen werden .19 13 Bereits in der Vergangenheit hatte die ESMA eine Stellungnahme zu von der BaFin gegenüber der Wirecard AG beabsichtigten Maßnahmen auf der Grundlage der VERORDNUNG (EU) Nr. 236/2012 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps erteilt (ABl. L 86 vom 24. März 2012, S. 1) (konsolidierte Fassung vom 17. September 2014) abgegeben , siehe OPINION OF THE EUROPEAN SECURITIES AND MARKETS AUTHORITY on a proposed emergency measure by BaFin under Section 1 of Chapter V of Regulation (EU) No 236/2012 (ESMA70-146-19). 14 Vgl. Pressemitteilung der ESMA vom 15. Juli 2020 „ESMA TO ASSESS GERMAN FINANCIAL REPORTING SYSTEM FOLLOWING WIRECARD COLLAPSE“ (ESMA71-99-1364). 15 Siehe hierzu im Folgenden unter Ziff. 2.5. 16 ESMA, Guidelines on enforcement of financial information vom 4. Februar 2020 (ESMA32-50-218). 17 RICHTLINIE 2004/109/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (ABl. L 390 vom 31. Dezember 2004, S. 38), konsolidierte Fassung vom 26. November 2013. 18 Siehe hierzu Section 5., ESMA Peer Review Methodology vom 28. Mai 2020 (ESMA42-111-4966). 19 Vgl. Pressemitteilung der ESMA vom 15. Juli 2020 „ESMA TO ASSESS GERMAN FINANCIAL REPORTING SYSTEM FOLLOWING WIRECARD COLLAPSE“ (ESMA71-99-1364). Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 069/20 Seite 10 Mit der genannten Ankündigung dieser Überprüfung aufsichtsrechtlicher Versäumnisse der BaFin vom 15. Juli 2020 veröffentlichte die ESMA einen Bericht über eine im Jahr 2017 durchgeführte Vor-Ort-Untersuchung in Deutschland im Rahmen eines Peer Reviews zur Einhaltung der Leitlinien 2, 5 und 6 der ESMA-Leitlinien zur Überwachung von Finanzinformationen.20 – Fachbereich Europa – 20 ESMA, PEER REVIEW ON GUIDELINES ON ENFORCEMENT OF FINANCIAL INFORMATION vom 18. Juli 2017 (ESMA42-111-4138) sowie PEER REVIEW ON GUIDELINES ON ENFORCEMENT OF FINANCIAL IN-FOR- MATION; ANNEX 4F: Onsite visit report – Germany (14-16 March, 2017) (ESMA42-111-4128).