PE 6 - 3000 - 065/19 (13. August 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Im Zusammenhang mit mehreren Fragen zur irischen Rechtslage in Bezug auf Erstattung von Steuern, Gebühren und personenbezogenen Zuschlägen im Personenluftverkehr bei Nichtantritt, Stornierung oder Annullierung einer Flugreise wurde der Fachbereich um eine beihilferechtliche Bewertung für den Fall ersucht, dass das irische Recht keine Rückerstattung von Steuern und Gebühren vorsieht. Gefragt wurde, ob der Umstand, dass Flugunternehmen, die im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Flugtickets fälligen Steuern und Gebühren einbehalten und diese bei Nichtantritt, Stornierung etc. nicht an die betreffende Person zurückerstatten müssen, nicht zu einer (verbotenen und nicht notifizierten) staatlichen Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV führt. Der Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung ) hat über eine entsprechende EZPWD-Anfrage1 von der irische Parlamentsverwaltung die Information erhalten, dass Irland neben den einschlägigen, unmittelbar anwendbaren EU- Vorschriften kein nationales Recht erlassen habe, insbesondere existierten keine Vorschriften zur Erstattung gezahlter zusätzlicher Kosten im Falle des Nichtantritts einer Reise.2 Geht man auf dieser Grundlage davon aus, dass die in Irland tätigen Flugunternehmen von Gesetzes wegen nicht verpflichtet sind, beim Erwerb von Flugtickets eingenommene Steuern und Gebühren in entsprechenden Fällen zu erstatten, so dürfte dies keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. 1 EZPWD steht für „Europäisches Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation“. Siehe hierzu die Angaben auf der Intranetseite des Bundestages. 2 Vgl. Sachstand „Fluggastrecht in Irland“, WD 7 – 3000 - 113/19 v. 6. August 2019, S. 4. Siehe S. 5 zum einschlägigen Unionsrecht. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Fehlende Pflicht zur Rückerstattung von Flugsteuern- und Gebühren im Lichte des EU-Beihilferecht Kurzinformation Fehlende Pflicht zur Rückerstattung von Flugsteuern- und Gebühren im Lichte des EU- Beihilferecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 Zwar mag der Einbehalt der Steuern und Gebühren, die im Fall einer angetretenen Reise an den Staat bzw. sonstigen Steuergläubiger abzuführen gewesen wären, eine „wirtschaftliche Vergünstigung [sein], die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte“, und damit ein Vorteil im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.3 Es handelt sich hierbei aber nicht um einen Vorteil, der unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt wird. Weder verzichtet der Staat – wie insbesondere bei beihilferelevanten Steuerermäßigungen – in diesem Fall auf Einnahmen,4 die ihm sonst zustehen, noch ist dieser Vorteil für die Flugunternehmen aus anderen Gründen auf staatliche Mittel zurück zu führen. Wird eine Flugreise nicht angetreten, so dürfte es in der Regel an einer Steuer- oder Gebührenschuld fehlen. Der Staat oder ein sonstiger Steuergläubiger hat in diesem Fall somit auch keinen Anspruch auf diese Steuern. Soweit durch das Flugunternehmen diese an die betreffende Person nicht erstattet werden, entstehen dem Staat oder dem sonstigen Steuergläubiger keine Einnahmeverluste , die als Fallgruppe staatlicher Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anerkannt sind.5 Zwar können auch Mittel, die nicht staatlicher Herkunft sind, sondern – wie hier – von Privaten aufgebracht wurden, unter bestimmten Umständen als staatliche angesehen werden.6 Ein Beispiel für diese Konstellation stellt die staatlich normierte Umwälzung von Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien zwischen Endverbrauchern und Energieerzeugern dar, ohne dass staatliche Haushalte und staatliche Institutionen daran beteiligt sind.7 Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben. Weder handelt es sich bei den gezahlten, aber nicht fällig gewordenen Steuern und Gebühren um parafiskalische Abgaben, die Privaten vom Staat zur Zahlung an Unternehmen auferlegt werden.8 Noch stehen im vorliegenden Fall die nicht geschuldete Steuern und Gebühren in irgendeiner anderen Weise ständig unter staatlicher 3 Siehe zum Begriff des Vorteils mit entsprechenden Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH die Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (im Folgenden: Beihilfemitteilung), Rn. 66 und folgende. In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 4 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 3), Rn. 51 zum Einnahmeverzicht als Fall der Staatlichkeit der Mittel. 5 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 3), Rn. 51, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 6 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 3), Rn. 57 ff. 7 Siehe hierzu etwa Frenz/Wimmers, Erneuerbare Energien-Förderungsmodelle und Beihilfenproblematik, GewArch, Beilage WiVerw Nr. 01/2014, S. 30 ff. (42 ff.). Zum EEG 2012 siehe EuGH, Urt. v. 28.3.2019, Rs. C- 405/16 P (Deutschland/Kommission). 8 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 3), Rn. 58; siehe hierzu aus der neusten Rechtsprechung EuGH, Urt. v. 28.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission), Rn. 67 ff. Kurzinformation Fehlende Pflicht zur Rückerstattung von Flugsteuern- und Gebühren im Lichte des EU- Beihilferecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 Kontrolle und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung, um auf diese Weise als staatliche Mittel angesehen werden zu können.9 Im Übrigen liegt nach neuester Rechtsprechung die Vermutung nahe, dass auch diese Fallgruppe, zumindest mittelbar, zu einer Belastung des Staatshaushalts (etwa durch eine Zuschusspflicht) führen muss,10 die vorliegend mangels Steuer- bzw. Gebührenschuld nicht ersichtlich ist. Vor diesem Hintergrund kann der Umstand, dass das irische Recht eine gesetzliche Verpflichtung zur Rückerstattung von Steuern und Gebühren bei Nichtantritt einer Flugreise nicht vorsieht, auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und der Kommissionspraxis nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV für Flugunternehmen angesehen werden. Es obliegt somit der (privatrechtlichen) Verantwortung des Einzelnen, die Rückerstattung von nicht geschuldeten Steuern und Gebühren gegenüber dem Flugunternehmen einzufordern. – Fachbereich Europa – 9 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 28.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission), Rn. 57 ff. Vgl. ferner bereits die insoweit nicht mehr aktuelle Beihilfemitteilung (Fn. 3), Rn. 57 ff. Siehe zu den durch das zitierte Urteil angehobenen Anforderungen an diese Fallgruppe staatlicher Mittel Frenz, Grundfragen des Beihilferecht nach dem EEG-Urteil des EuGH vom 28.3.2019, EuR 2019, S. 400 (402 ff.). 10 Siehe insoweit EuGH, Urt. v. 28.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission), Rn. 60, 84. Siehe hierzu auch Frenz (Fn. 9), EuR 2019, S. 400 (409 f.).