© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 65/15 Kommunale Kultur-Eigenbetriebe und EU-Beihilfenrecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 2 Kommunale Kultur-Eigenbetriebe und EU-Beihilfenrecht Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 65/15 Abschluss der Arbeit: 25.06.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund und Fragestellung 4 2. Beihilfen im Kulturbereich 4 3. Begünstigteneigenschaft 6 3.1. Einheit im Sinne des Unternehmensbegriffs 7 3.1.1. Situation vor Fusionierung 8 3.1.2. Situation nach Fusionierung 9 3.2. Wirtschaftliche Tätigkeit der Kultur-Eigenbetriebe 9 4. Ergebnis 10 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 4 1. Hintergrund und Fragestellung Der Fachbereich wird um die Beantwortung mehrerer Fragen im Zusammenhang von EU-Beihilfenrecht und der Förderung von städtischen Kultureinrichtungen ersucht. Ausgangspunkt der Anfrage ist die Fusionierung dreier Kultur-Eigenbetriebe einer städtischen Gemeinde. Nach Angaben des Auftraggebers erhalten diese aus dem städtischen Haushalt jeweils getrennt Betriebszuschüsse in Höhe von insgesamt 64 Mio. €. Die einzelnen Zuwendungen unterfallen hinsichtlich ihrer Höhe jeweils der sog. Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung für Beihilfen1 (im Folgenden : AGVO). Diese findet Anwendung und befreit von der Pflicht zur vorherigen Notifizierung sowie Durchführung eines Beihilfeverfahrens, soweit Betriebszuschüsse im Kulturbereich nach in Art. 4 Abs. 1 Buchst. z) AGVO ein Volumen von 50 Mio. € nicht überschreiten. Nach der Fusionierung der drei Kultur-Eigenbetriebe würden zwar Einsparungen erzielt, die Gesamtsumme der dann an die fusionierte Einrichtung ausgekehrten Betriebszuschüsse würde jedoch über 50 Mio. € liegen. Vor diesem Hintergrund werden dem Fachbereich folgende Fragen gestellt: 1. Werden die von der Stadt an die Eigenbetriebe ausgereichten Zuschüsse im Falle einer Fusion zu einer verbotenen Beihilfe, wenn sie in der Summe den Betrag in der Höhe von 50 Mio. € übersteigen? 2. Falls ja: Gibt es eine Möglichkeit, dies zu verhindern? (Hintergrund: Das Verbot höherer Beihilfen würde hier durch Fusion zu erzielende Synergieeffekte verhindern, weil durch die Fusion zwar gespart wird, nicht aber 14 Mio. €.) 3. Oder muss/kann man die Betriebe hier bereits heute als unternehmerische Einheit i.S.d. AGVO betrachten? 4. Gibt es Erfahrungen in anderen deutschen Großstädten? Soweit bekannt, werden an viele Mehrspartenhäuser höhere Beihilfen ausgereicht. Werden diese nun wieder in die einzelnen Sparten zerlegt? 2. Beihilfen im Kulturbereich Bevor auf die einzelnen Fragen eingegangen wird, ist kurz der unionsrechtliche Regelungshintergrund zu schildern. Die Beihilferelevanz staatlicher Kulturförderung ergibt sich bereits aus dem Primärrecht. Art. 107 Abs. 3 Buchst. d) des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sieht vor, dass Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes mit dem 1 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0651&qid=1417702206558&from=DE – letztmalig abgerufen am 15.02.16). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 5 Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Union nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft . Die Anwendung dieser Vorschrift setzt auf erster Stufe allerdings voraus, dass die jeweilige Kulturförderung die Merkmale einer staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt. Bei staatlichen Zuwendungen an (öffentliche) Kultureinrichtungen wird das jedoch in der Regel angenommen, nur in seltenen Fällen lehnt die Kommission etwa aufgrund des nur lokalen oder regionalen Charakters die Beihilfemerkmale der Wettbewerbsverfälschung und der Handelsbeeinträchtigung ab.2 Der Rechtsprechungsbefund zum Bereich Beihilfe und Kulturförderung ist – insbesondere im Vergleich mit anderen Beihilfebereichen – sehr überschaubar.3 Rechtliche Anhaltspunkte bietet daher vor allem die Kommissionspraxis. In der einschlägigen Datenbank der dafür zuständigen Generaldirektion (GD) Wettbewerb finden sich für Deutschland seit dem Jahr 2000 lediglich 38 Fälle, von denen mit Ausnahme zweier Entscheidungen alle die hier nicht weiter relevante Filmförderung betreffen.4 Die zwei übrigen Beschlüsse haben hingegen die Förderung anderer Kulturprodukte zum Gegenstand. Bei den jeweils Begünstigten handelte es sich allerdings in beiden Fällen um rechtlich selbständige und von der beihilfegewährenden Stelle unabhängige Einrichtungen .5 Diese geringe Anzahl von Fällen mag auch ein Grund dafür sein, dass es für die Kulturförderung außerhalb der Filmförderung keine Leitlinien oder andere unverbindliche Instrumente gibt, in 2 Vgl. zum Beihilfetatbestand hinsichtlich der Kulturförderung, Kliemann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015 (im Folgenden: von der Groeben/Schwarze/Hatje), Art. 107 AEUV, Rn. 801 f., mit Nachweisen aus der Kommissionspraxis. Siehe ferner Kamann/Gey/Kreuzer, Europäische Beihilfekontrolle im Kultursektor – Ein Leitfaden anhand der Entscheidungspraxis der Kommission zur Prüfung öffentlicher Kulturförderung, KommJur 2009, S. 132 ff. 3 Vgl. die Angaben bei M.Schröder, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich (Hrsg.), Europäisches Beihilferecht, 2013 (im Folgenden: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilferecht), Art. 107 Abs. 3 AEUV, vor Rn. 2076. 4 Siehe Datenbank der GD Wettbewerb unter http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/index.cfm?clear=1&policy _area_id=3 (letztmaliger Abruf 15.02.16): Suchmaske „State Aid Advanced Search“, Eingabe „Germany“ in der Rubrik „Member State“ und Eingabe „Culture“ in der Rubrik „Primary Objective (Main)“. 5 Vgl. Kommission, Beschluss N164/2010 (Leipziger Reit- und Rennverein Scheibenholz); Beschluss N158/2010 (Fußballmuseum Dortmund). Beide Beschlüsse sind über die oben in Fn. 4 angegebene Datenbank unter Angabe der Beschlussnummer abrufbar. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 6 denen die Kommission ihre Rechtsansichten zur Behandlung entsprechender Beihilfen verschriftlicht hat.6 Die Aufnahme der Kulturförderung in das System der Freistellungsverordnungen erfolgte hingegen erstmals mit der im Juni letzten Jahres neu verabschiedeten AGVO (Art. 53 ff.), die zum 1. Juli 2014 in Kraft trat. Die darauf beruhende Praxis beläuft sich somit zum jetzigen Zeitpunkt auf ein knappes Jahr. Da das System der Freistellung auf einer nachgelagerten Kontrolle der Kommission beruht, bestehen zum jetzigen Zeitpunkt zudem kaum allgemein zugänglichen Informationen über die Anwendung der AGVO auf bisher freigestellte Beihilfen.7 Nach Auskünften des BMWi wird die in der AGVO vorgesehene Beihilfe-Webseite mit Einzelinformationen zu den unter die Verordnung fallenden Beihilfen erst 2016 eingerichtet, so dass zur Zeit auch keine öffentlichen Informationen über die seit Juli 2014 gewährten Beihilfen im Kulturbereich vorliegen. Nähere Angaben hierzu können allenfalls – soweit überhaupt – bei den zuständigen Landesministerien bzw. auf kommunaler Ebene vorliegen. Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Übergangsbestimmung in Art. 58 Abs. 1 AGVO hingewiesen , wonach die AGVO auch für die vor ihrem Inkrafttreten gewährten Einzelbeihilfen gilt, sofern diese alle Voraussetzungen der Verordnung erfüllen.8 3. Begünstigteneigenschaft Um die gestellten Fragen zu beantworten, bedarf es der Klärung, welche Einheit(en) zum jetzigen Zeitpunkt einerseits und nach Fusionierung der drei Kultur-Eigenbetriebe der betreffenden Stadt andererseits als Begünstigte(r) der Zuwendungen anzusehen ist bzw. sind. Dabei wird unterstellt, dass die übrigen Beihilfemerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV jeweils vorliegen, d.h. die Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt eine Begünstigung aus staatlichen Mitteln darstellen, vorbehaltlich der Begünstigteneigenschaft eine Selektivität gegeben ist und eine Wettbewerbsverfälschung sowie Handelsbeeinträchtigung anzunehmen sind. Soweit alle drei Kultur-Eigenbetriebe bereits jetzt oder jedenfalls nach der Fusionierung gemeinsam als ein Unternehmen im Sinne des AGVO anzusehen sind und die Gesamtzuwendungen in Gestalt von Betriebsbeihilfen mehr als 50 Mio. € ausmachen, liegt eine Überschreitung der Anwendungsgrenze des Art. 4 Abs. 1 Buchst. z) AGVO vor. Dies würde gemäß Art. 3 AGVO eine Freistellung von der vorherigen Notifizierung und Genehmigung durch die Kommission nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV entfallen lassen. Ausnahmen von der Nichtanwendung der AGVO oder eine Rechtfertigungen der Überschreitung der Anmeldegrenzen sieht die AGVO nämlich 6 Siehe insoweit die Mitteilung der Kommission über staatliche Beihilfen für Filme und andere audiovisuelle Werke, ABl.EU 2013 Nr. C 332/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013XC1115(01)&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Siehe im Übrigen zum Bestand der Kommissionsakte im Beihilfebereich die Zusammenstellung auf den Seiten der GD Wettbewerb unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/compilation/index_de.html (Stand vom 15.02.16). 7 Siehe zu einer Ausnahme in Bezug auf Sport- und Freizeitinfrastruktur, Kommission, Beschluss SA.33045 (Kristall Bäder AG), Rn. 50 ff. (Maßgeblichkeit der AGVO beruhte hier auf einer rückwirkenden Anwendung, siehe dazu sogleich im Fließtext). Abrufbar über die oben in Fn. 4 angegebene Datenbank unter Angabe der Beschlussnummer . 8 Ausgenommen sind die Anforderungen an Veröffentlichung und Information in Art. 9 AGVO. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 7 nicht vor. In einem solchen Fall bleibt nur die Notifizierung der städtischen Förderung bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV und die Durchführung eines regulären Beihilfeprüfverfahrens , um eine (formale) Unionsrechtswidrigkeit und ggf. eine Rückforderung bereits ausgekehrter Mittel zu vermeiden.9 Entscheidend für die Einordnung als Beihilfebegünstigter ist die Unternehmenseigenschaft des Empfängers einer staatlichen Begünstigung. Maßgeblich ist insoweit der unionsrechtliche Unternehmensbegriff . Nach ständiger Rechtsprechung der Unionsgerichte ist ein Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.10 Der EuGH verfolgt damit einen funktionalen Ansatz – der Begriffsinhalt bestimmt sich also nicht nach institutionellen oder organisatorischen Kriterien, sondern, weil es um die Kontrolle wettbewerblich relevanter Verhaltensweisen geht, nach der Tätigkeit der betreffenden Einheit.11 Im vorliegenden Fall ist vor allem zu klären, wer einerseits zum jetzigen Zeitpunkt und andererseits nach Fusionierung als Einheit im Sinne des Unternehmensbegriffs anzusehen ist (siehe unter 3.1.). Der Erörterung bedarf ferner, ob die Tätigkeit der Einheit(en) eine wirtschaftliche darstellt (siehe unter 3.2.). 3.1. Einheit im Sinne des Unternehmensbegriffs Wie sich aus der obigen Definition ergibt, kommt es hinsichtlich der Unternehmenseigenschaft nicht auf die Rechtsform oder Art der Finanzierung an. Insbesondere ist anerkannt, dass auch öffentliche Unternehmen solche im Sinne des unionsrechtlichen Unternehmensbegriffs sind (vgl. Art. 106 Abs. 1 AEUV). Fraglich ist allerdings, wie in diesem Zusammenhang Eigenbetriebe eines kommunalen Rechtsträger zu betrachten sind. Nach den jeweiligen landesrechtlichen Rechtsgrundlagen sind Eigenbetriebe rechtlich unselbständige, d.h. nicht mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete unternehmerische Einheiten des jeweiligen kommunalen Verwaltungsträgers, die aber in der Regel als gesondertes Vermögen geführt werden bzw. einer gesonderten Rechnungslegung unterliegen.12 Sie sind 9 Das Unterlassen einer nach Art. 108 Abs. 3 AEUV gebotenen Notfizierung führt zunächst nur zur formellen Rechtswidrigkeit einer bereits gewährten Beihilfe. Eine endgültige Rückforderung kommt dagegen nur in Betracht , wenn die Beihilfe nicht – etwa nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. d) AEUV – als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann. 10 Ständige Rspr. seit EuGH, Rs. C-41/90 (Höfner und Elser), Slg. 1991, I-1979, Rn. 21. Vgl. Bungenberg, Birnstiel /Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilferecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 28. 11 Schroeder/Schuhmacher/Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 101 AEUV (53. Ergänzungslieferung 2014), Rn. 51. 12 Siehe etwa § 95a Gemeindeordnung Sachsen oder §§ 91, Abs. 2 Nr. 1, 93 Kommunalverfassung Brandenburg. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 8 einzurichten, wenn Art und Umfang der Tätigkeit eine selbständige Wirtschaftsführung rechtfertigen .13 Der rechtlichen Unselbständigkeit eines Eigenbetriebs steht somit eine gewisse Verselbständigung im Hinblick auf Organisation und Aufgabenwahrnehmung gegenüber.14 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass auch unselbständigen Teilen von Verwaltungsträgern die Eigenschaft öffentlicher Unternehmen zukommen kann.15 Die Kommission hat auf dieser Grundlage in einer Entscheidung den Schluss gezogen, dass ein kommunaler Eigenbetrieb bei Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten die Unternehmenseigenschaft begründen kann, allerdings im Hinblick auf die ihn tragende Gemeinde und diese entsprechend als (potentielle) Beihilfebegünstigte angesehen.16 Im konkreten Fall bestand allerdings keine Notwendigkeit, zwischen mehreren wirtschaftlich tätigen Eigenbetrieben des Rechtsträgers zu unterscheiden. 3.1.1. Situation vor Fusionierung Unklar bleibt daher, ob die Kommission in der besagten Entscheidung generell so zu verstehen ist, dass aufgrund der Abhängigkeit des Eigenbetriebs von dem kommunalen Träger immer der kommunale Träger bzw. beide zusammen als Beihilfeempfänger anzusehen ist bzw. sind und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der Rechtsträger zugleich die Zuwendung verantwortet und seine Haushaltsbelastung die Staatlichkeit der Mittel nach Art. 107 Abs. 1 AEUV begründet.17 In einem solchen Fall wären die drei Kultur-Eigenbetriebe bereits vor Fusionierung als ein „Gemeindeunternehmen “ anzusehen und die Anwendungsgrenze der AGVO überschritten. Die AGVO selbst enthält zu dieser Frage keine ausdrückliche Regelung. Anders verhält es sich hingegen im Fall der sog. De-minimis-Verordnung18, nach der staatliche Begünstigungen bis zu einer bestimmten Höhe nicht als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 De-minimis-VO). Für die Zwecke dieses Rechtsaktes werden Unternehmen, die miteinander auf unterschiedliche Art verbunden sind (etwa durch Stimmrechtsmehrheit oder durch andere Arten der Ausübung eines beherrschenden Einflusses, vgl. Art. 2 Abs. 2 De-minimis -VO), als ein einziges Unternehmen angesehen. Würde diese Regelung im Bereich der AGVO Anwendung finden, dann wären die drei Kultur-Eigenbetriebe, die von Rechtswegen unter dem 13 Siehe bspw. § 95a Abs. 1 S. 1 Gemeindeordnung Sachsen. 14 Vgl. Bungenberg, Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilferecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 40. 15 EuGH, Urt. v. 16.06.1987, Rs. 118/85 (Kommission/Italien), Rn. 9 ff. 16 Kommission, Beschluss C3/2004 (Regionale Wirtschaftsstruktur), Rn. 28. Abrufbar über die oben in Fn. 4 angegebene Datenbank unter Angabe der Beschlussnummer. 17 Vgl. dazu Arhold, in: Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) - Band 3: Beihilfen- und Vergaberecht, 2011 (im Folgenden: MüKo), Art. 107 AEUV, Rn. 310. 18 Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Art. 107 und 108 AEUV auf De-minimis-Beihilfen, ABl.EU 2013 Nr. L 352/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R1407&qid=1417597248357&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 9 beherrschenden Einfluss des kommunalen Rechtsträgers stehen, und die Gemeinde bzw. nur die Gemeinde als „ein Unternehmen“ anzusehen. Ob die Anwendung dieses in der De-minimis-Verordnung geregelten Ansatzes auch für die AGVO in Betracht kommt, kann nicht abschließend beantwortet werden. Die fehlende Regelung in der AGVO, obgleich diese zeitlich nach der De-minimis-Verordnung erlassen wurde, spricht jedenfalls gegen eine entsprechende Regelungslücke. Für eine entsprechende Anwendung lässt sich hingegen anführen, dass dieser Ansatz eine Umgehung der De-minimis-Schwelle sicherstellen soll und dieses Motiv auch im Hinblick auf die Anwendungsgrenze der AGVO eine Daseinsberechtigung aufweist. Für eine gesonderte Betrachtung des jeweiligen Kultur-Eigenbetriebs als eigenständige Einheit im Sinne des unionsrechtlichen Unternehmensbegriffs streitet, dass derartige Handlungsformen durchaus über eine gewisse Autonomie verfügen, da ihr Zweck auf eine „selbständige Wirtschaftsführung “ gerichtet ist.19 Eine stete Gleichsetzung mit dem kommunalen Rechtsträger, dessen Aufgaben in der Regel öffentlich-rechtlicher und damit hoheitlicher Natur sind, erscheint vor diesem Hintergrund als zu pauschal. Mangels einschlägiger Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu einem Fall wie dem hier vorliegenden kann nicht abschließend festgestellt werden, ob die drei Kultur-Eigenbetriebe bereits vor Fusionierung als ein Unternehmen (des kommunalen Träges) oder als drei getrennte Einheiten im Sinne des unionsrechtlichen Unternehmensbegriffs anzusehen sind. 3.1.2. Situation nach Fusionierung Nach einer Fusionierung würde der kommunale Rechtsträger entsprechend nur noch über einen Kultur-Eigenbetrieb verfügen. Im Lichte der obigen Argumentation sowie der zitierten Kommissionsentscheidung wäre dann erst recht von nur einer Einheit und somit einem Unternehmen auszugehen . Hiergegen könnte allenfalls eingewandt werden, dass dieses ggf. drei unterschiedliche Dienstleistungen im Kulturbereich anbietet und insoweit eine getrennte Betrachtung geboten ist. Ob dies angesichts der organisatorischen Zusammenfassung durchgreifen kann, erscheint indes fraglich, da damit auch die vorher in gewissen Umfang bestehende Autonomie in Sachen Organisation und (wirtschaftliche) Aufgabenerfüllung beseitigt wird. 3.2. Wirtschaftliche Tätigkeit der Kultur-Eigenbetriebe Über die Tätigkeit der drei Kultur-Eigenbetriebe liegen keine Informationen vor. In der Kommissionspraxis werden kulturelle Einrichtungen wie kommunale Kulturzentren, Museen, öffentliche Büchereien sowie Theater grundsätzlich als wirtschaftlich tätige Einheiten betrachtet. Denn sie erbringen eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen zumeist gegen Entgelt und konkurrieren hierbei in der Regel mit privaten bzw. anderen öffentlichen Kultureinrichtungen.20 Von dem wirtschaftlichen Tätigwerden wird mangels gegenteiliger Angaben auch hinsichtlich der drei Kultur- 19 Siehe insbesondere § 95a Abs. 1 und 2 Gemeindeordnung Sachsen; § 93 Abs. 1 Kommunalverfassung Brandenburg . 20 Vgl. Arhold, in: MüKo, Art. 107 AEUV, Rn. 323. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 65/15 Seite 10 Eigenbetriebe ausgegangen. Somit wäre in jedem Fall diese Voraussetzung des Unternehmensbegriffs erfüllt. 4. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass die Frage des Begünstigten einer Beihilfe im Hinblick auf Eigenbetriebe eines kommunalen Verwaltungsträgers mit Rechtsunsicherheiten behaftet ist. Dies gilt insbesondere für eine Konstellation, wie sie der Ausarbeitung zugrunde liegt, in der es um die beihilferechtliche Beurteilung von Zuwendungen einer städtischen Gemeinde an drei verschiedene Kultur-Eigenbetriebe geht. Im Hinblick auf den Zeitpunkt nach Fusionierung der drei Eigenbetriebe spricht sehr viel dafür, nur noch ein begünstigtes Unternehmen in Sinne des EU-Beihilfenrechts anzunehmen und von einer Überschreitung der Anwendungsgrenze der AGVO auszugehen. Informationen über vergleichbare Förderkonstellationen und -praktiken in anderen deutschen Großstädten liegen dem Verfasser nicht vor.21 Insoweit wird an die zuständigen Ministerien in den Ländern bzw. an die mit solchen Fragen befassten Verwaltungseinheiten der betreffenden Städte verwiesen. - Fachbereich Europa - 21 Bei Kliemann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 107 AEUV, Rn. 801, findet sich der Hinweis, wonach es gerade bei der Kulturförderung auf lokaler Ebene manchmal schwer zu vermitteln sei, dass EU-Beihilfenrecht beachtet werden müsse.