© 2013 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 64 /13 Ausarbeitung Vollzeit-Präsident für die Eurogruppe Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen und Wahl aus den Reihen der nationalen Finanzminister der Euro-Staaten Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 2 PE 6 - 3000 - 64/13 Vollzeit-Präsident für die Eurogruppe Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen und Wahl aus den Reihen der nationalen Finanzminister der Euro-Staaten Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 64/13 Abschluss der Arbeit: 05.06.2013 Fachbereich: PE 6: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 3 PE 6 - 3000 - 64/13 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vereinbarkeit eines Vollzeit-Präsidenten mit den Verträgen? 4 3. Wahl des Vollzeit-Präsidenten aus dem Kreis der Finanzminister? 6 4. Ergebnis 7 Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 4 PE 6 - 3000 - 64/13 1 . E i n l e i t u n g Deutschland und Frankreich haben sich Ende letzter Woche darauf verständigt, die Führung der Euro-Gruppe einem Vollzeit-Präsidenten zu übertragen, der sich auf umfassendere Ressourcen stützen können soll. Zudem soll es regelmäßigere Gipfeltreffen der Eurozone geben und der Eurogipfel andere Minister der Eurozone als die Finanzminister (z.B. Arbeit- und Sozialminister, Forschungs- und Wirtschaftsminister) beauftragen können, um die Arbeiten zu spezifischen Themen der Eurozone voranzubringen.1 Gegenstand dieser Ausarbeitung ist zum einen die Frage, ob die Wahl eines Vollzeit-Präsidenten für die Eurogruppe mit geltendem europäischen Recht, insbesondere mit dem Protokoll Nr. 14 im Einklang steht (dazu unter 2.). Zum anderen wird geprüft, ob ein solcher Vollzeit-Präsident aus den Reihen der nationalen Finanzminister der Euro-Staaten gewählt werden muss (dazu unter 3.) 2 . Vereinbarkeit eines Vollzeit-Präsidenten mit den Verträgen? In Art. 137 AEUV2 ist geregelt, dass die Einzelheiten für die Tagungen der Minister der Mitgliedstaaten , deren Währung der Euro ist (im Folgenden Euro-Länder), im Protokoll betreffend die Euro-Gruppe festgelegt werden. Im entsprechenden Protokoll Nr. 143 heißt es in Art. 1, dass die Minister der Euroländer zu informellen Sitzungen zusammentreffen, die von den Vertretern der nationalen Finanzministerien und der Kommission vorbereitet werden. Gemäß Art. 2 Protokoll (Nr. 14) wählen die Minister der Euro-Länder mit einfacher Mehrheit einen Präsidenten für zweieinhalb Jahre. Dieses Protokoll ist gemäß Art. 51 EUV4 Bestandteil der Verträge, d.h. dass ihm als integraler Bestandteil5 des EUV und des AEUV der Rang von Primärrecht zukommt. Daraus folgt zum einen, dass Verstöße gegen Vorschriften aus dem Protokoll als Vertragsverletzungen i.S.v. Art. 258f. AEUV anzusehen wären, und zum anderen, dass Änderungen an dem Protokoll nur im Rahmen eines Vertragsänderungsverfahrens nach Art. 48 EUV vorgenommen werden können. Fraglich ist damit, ob für die Schaffung eines Vollzeit-Eurogruppen-Präsidenten eine Vertragsänderung notwendig ist, oder ob die geltenden Bestimmungen dies bereits ermöglichen. Weder dem Wortlaut von Art. 137 AEUV noch dem von Art. 1 und 2 des Protokolls Nr. 14 ist eine Aussage dazu zu entnehmen, ob der Vorsitzende der Euro-Gruppe sein Amt im Haupt- oder im Nebenamt ausführt. Es heißt lediglich, dass ein Präsident gewählt wird. Der Wortlaut der Vor- 1 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung Nummer 187/13 vom 30. Mai 2013, S. 10 (online abrufbar unter http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Anlagen/2013/05/2013-05-30-dt-frzerklaerung -deutsch.pdf?blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 05.06.2013). 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, ABl. C 326/47 vom 26. Oktober 2012. (Das Amtsblatt der EU ist online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/JOIndex.do?ihmlang=de, zuletzt abgerufen am 05.06.2013). 3 Protokoll (Nr. 14) betreffend die Euro-Gruppe, konsolidierte Fassung, ABl. C 326/283 vom 26. Oktober 2012. 4 Vertrag über die Europäische Union, konsolidierte Fassung, ABl. C 326/13 vom 26. Oktober 2012. 5 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 51 EUV, Rn. 3 m.w.N. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 5 PE 6 - 3000 - 64/13 schriften verbietet damit jedenfalls die Wahl eines Vollzeit-Präsidenten für die Euro-Gruppe nicht. Systematisch lässt sich aus dem Fehlen detaillierter Regelungen über die Art der Amtsausübung des Euro-Gruppen-Präsidenten möglicherweise schließen, dass nicht vorgesehen ist, dass dieses Amt in Vollzeit ausgeübt wird. Denn, hätten die Vertragsstaaten eine solche Regelung gewünscht, hätten sie eine entsprechende Vorschrift in die Verträge integrieren können. So zeigt etwa ein Blick auf Art. 15 Abs. 5 und Abs. 6 UAbs. 3 EUV, dass den Vertragsstaaten eine solche Regelung durchaus nicht fremd ist: Nach dieser Vorschrift darf der Präsident des Europäischen Rates kein einzelstaatliches Amt ausüben und nur einmal wiedergewählt werden. Im Hinblick auf das Amt des Präsidenten der Euro-Gruppe gibt es eine solche Regelung nicht. Auch ein Blick auf aktuelle Gesetzgebungsvorhaben zeigt, dass es durchaus denkbar ist, ausdrücklich zu regeln, auf welche Art das Amt des Präsidenten bzw. Vorsitzenden eines Gremiums ausgeführt werden soll: So ist etwa in dem aktuell diskutierten Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB6 zugleich mit der Vorschrift zur Schaffung des Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums (Art. 19 Abs. 2 Verordnungsvorschlag EZB) geregelt worden, dass der Vorsitzende sein Amt als Vollzeitbeschäftigter wahrnehmen wird. Aus dem Fehlen einer Regelung folgt aber nicht automatisch , dass ausgeschlossen wäre, dass der Euro-Gruppen-Präsident seine Aufgaben als Vollzeitbeschäftigter ausübt. Denn es lässt sich auch argumentieren, dass die Mitgliedstaaten sehr wohl die Möglichkeit gehabt hätten, ausdrücklich auszuschließen, dass das Amt des Euro-Gruppen- Präsidenten in Vollzeit ausgeübt wird. Dass sie das nicht getan haben zeigt, dieser Argumentation folgend, dass ein Vollzeit-Präsident möglich ist. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschriften zur Euro-Gruppe ergibt sich kein Verbot eines Vollzeit -Präsidenten. Mit Art. 137 AEUV i.V.m. Protokoll Nr. 14 wurde seinerzeit nachvollzogen, was die Euro-Gruppe bereits seit 2005 im Vorgriff auf entsprechende Regelungen im Verfassungsvertrag praktiziert hatte – nämlich die Wahl eines Vorsitzenden der Euro-Gruppe mit begrenzter Amtszeit, der unabhängig von dem jeweiligen Ratsvorsitzenden ist.7 Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages wurde die jetzige, dem Art. III-195 Verfassungsvertrag i.V.m. Protokoll Nr. 12 zum Verfassungsvertrag entsprechende Regelung in den Reformvertrag integriert. Sinn und Zweck der Regelung war es, die tatsächlich schon seit längerem bestehende Euro-Gruppe8 im Primärrecht zu verankern, ihr dadurch mehr Gewicht zu verleihen und mithin eine bessere Koordinierung zwischen den Euro-Ländern zu ermöglichen.9 Die Euro-Gruppe und ihr Präsident 6 Ratsdok.-Nr. 7776/1/13 REV 1. 7 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 137, Rn. 7 m.w.N. 8 Die Euro-Gruppe geht zurück auf den Europäischen Rat vom 12./13. Dezember 1997, auf welchem die Staatsund Regierungschef übereinkamen, dass sich die Minister der Euro-Mitgliedstaaten informell treffen können, um Angelegenheit zu diskutieren, die sich aus der gemeinsamen Verantwortung für die einheitliche Währung ergeben können. (Vgl. Entschließung des Europäischen Rates vom 13. Dezember 1997, ABl. C 35/1 vom 2. Februar 1998). 9 Häde, Die Wirtschaft- und Währungsunion im Vertrag von Lissabon, EuR 2009, 200, 216; Palm, in: Grabitz /Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 49 EL 2012, Art. 137, Rn. 4. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 6 PE 6 - 3000 - 64/13 wurden auf diese Weise zu einem institutionell verselbstständigten, formellen Gremium.10 Es blieb jedoch dabei, dass sich die Euro-Gruppe lediglich zu informellen Beratungen ohne Beschlusskompetenz trifft. Entscheidungen werden nach wie vor durch den ECOFIN-Rat getroffen.11 Auch wenn es bisherige Praxis ist, dass der Euro-Gruppen-Präsident zugleich weiterhin nationale Ämter ausübt12, ist ein solches Erfordernis angesichts des Sinn und Zwecks des Art. 137 AEUV i.V.m. Protokoll Nr. 14 nicht zwingend: Denn das Ziel der besseren Koordinierung innerhalb der Euro-Gruppe ließe sich mit einem Vollzeit-Präsidenten möglicherweise besser verfolgen, als nach der bisherigen Praxis. Im Ergebnis spricht viel dafür, dass das europäische Primärrecht der Schaffung eines Vollzeit- Euro-Gruppen-Präsidenten nicht entgegensteht. Um diese Idee in die Tat umzusetzen, bedarf es aber jedenfalls der Bereitstellung von Haushaltsmitteln, die über die für das Sekretariat der Eurogruppe /EWG, welches bislang dem Generaldirektor der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen bei der Europäischen Kommission unterstellt ist, hinausgehen. 3. Wahl des Vollzeit-Präsidenten aus dem Kreis der Finanzminister? Fraglich ist weiterhin, ob der Euro-Gruppen-Präsident zwingend aus dem Kreis nationalen Finanzminister zu wählen ist. Weder Art. 137 AEUV noch das Protokoll Nr. 14 treffen Festlegungen zu den Voraussetzungen, die der Präsident der Euro-Gruppe erfüllen oder zu dem Kreis von Personen, aus dem er stammen muss. Anders als nach der Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrages von Lissabon, nach der für die Auswahl der Person des Präsidenten des Europäischen Rates die Berücksichtigung der geografischen und demografischen Vielfalt im Hinblick auf die Ämter des Kommissionspräsidenten und des Hohen Vertreters ein wichtiges Kriterium ist13, gibt es für den Präsidenten der EuroGruppe keinerlei Vorgaben. So ist der Kreis der Personen, aus denen der Euro-Gruppen-Präsident zu bestimmen ist, nicht definiert.14 Da die Liste mit denkbaren Voraussetzungen für das Amt des Euro- Gruppen-Präsidenten denkbar offen und weit sein kann und es keinerlei Hinweise in den Vertragstexten auf für die Auswahl obligatorische Kriterien gibt, ist davon auszugehen, dass solche gerade nicht festgelegt werden sollten. Entsprechend muss der Präsident der Euro-Gruppe 10 Zur Geschichte der Euro-Gruppe vgl. Schwarzer, Zehn Jahre Governance der Eurozone: ökonomische Bilanz und institutionelle Dynamiken jenseits der Vertragsrevision, integration 2000, 17, 24ff. 11 Zum Ganzen siehe auch Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage 2010, Rn. 38ff. 12 Jean-Claude Juncker war neben seinem Amt als Euro-Gruppen-Präsident auch luxemburgischer Premierminister . Sein Amt als luxemburgischer Finanzminister hatte er im Jahre 2009 abgegeben. Der jetzige Euro-Gruppen- Präsident Dijsselbloem ist zugleich niederländischer Finanzminister. 13 ABl. C 115/338 vom 09. Mai 2008. 14 Anders etwa in Art. 19 Abs. 2 Verordnungsvorschlag EZB (Fn. 6). Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 7 PE 6 - 3000 - 64/13 nicht unbedingt ein Finanzminister der Euro-Länder sein.15 Dieses Ergebnis wird auch durch die Praxis der Euro-Gruppe bestätigt: So hat Jean-Claude Juncker sein Amt als luxemburgischer Finanzminister niedergelegt. Er war aber neben seiner Amtszeit als Euro-Gruppen-Präsident weiterhin luxemburgischer Premierminister.16 4. Ergebnis Das Protokoll Nr. 14 betreffend die Euro-Gruppe steht der Wahl eines hauptamtlichen Euro- Gruppen-Präsidenten nicht entgegen. Der Euro-Gruppen-Präsident wird von den Ministern der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, gewählt, muss aber nicht aus ihren Reihen stammen. - Fachbereich Europa - 15 So auch Herrmann, in: Siekmann, EWU Kommentar zur Europäischen Währungsunion, 2013, Art. 137, Rn. 14; Schwarzer, Zehn Jahre Governance der Eurozone: ökonomische Bilanz und institutionelle Dynamiken jenseits der Vertragsrevision, integration 2000, 17, 26. 16 Siehe Herrmann, in: Siekmann, EWU Kommentar zur Europäischen Währungsunion, 2013, Art. 137, Rn. 14.