© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 061/19 Georgien in der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union Einordnung, Stellung, Kooperationsfelder Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Multilaterale Kooperation mit den Staaten der Östlichen Partnerschaft 8 3. Die Beziehungen EU-Georgien unter dem Dach der Östlichen Partnerschaft 9 3.1. Hauptfelder der Zusammenarbeit EU-Georgien 10 3.2. Indikative Mittelzuweisung für die Zusammenarbeit 10 3.3. Bewertungen durch die EU 11 3.4. Bewertungen durch die Bundesregierung 12 3.5. Bewertungen durch den Deutschen Bundestag 12 3.6. Bewertungen durch den Eastern Partnership Index 13 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 4 1. Fragestellung und Vorbemerkung Der Fachbereich ist beauftragt worden, einen Überblick über die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union zu geben, der die bisherige Entwicklung, die involvierten Partnerstaaten und ihre Kooperationsformen erfasst. Darüber hinaus wird zur Stellung Georgiens in der Östlichen Partnerschaft um Darstellung der diesbezüglichen Positionen der Europäischen Union sowie der deutschen Bundesregierung gebeten. Schließlich wird der Fachbereich gebeten, die Felder der Zusammenarbeit mit Georgien im Rahmen der Östlichen Partnerschaft, die hierbei von Georgien eingegangenen Verpflichtungen und die zugrundeliegende Finanzierung darzulegen. 2. Die Östliche Partnerschaft als Dimension der Europäischen Nachbarschaftspolitik Die Östliche Partnerschaft (ÖP) ist eine gemeinsame Initiative der Europäischen Union (EU), ihrer Mitgliedstaaten und der sechs osteuropäischen Nachbarstaaten Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, der Republik Moldau sowie der Ukraine. Die ÖP gehört neben der sog. Südlichen Nachbarschaft1 zu den spezifischen Dimensionen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Die ÖP bildet das Dach sowohl für die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und den sechs Partnerstaaten, als auch für die multilateralen Beziehungen zwischen der EU und ihren 28 Mitgliedstaaten einerseits und diesen Ländern andererseits. Die ÖP ist wie die ENP insgesamt Teil der Außenpolitik der Union und von ihrer Erweiterungspolitik getrennt. 2.1. Zur Europäischen Nachbarschaftspolitik Die EU bietet gemäß den Bestimmungen aus Art. 8 des Vertrages über die Europäische Union (EUV)2 im Rahmen der ENP den insgesamt 16 erfassten Nachbarstaaten3 eine privilegierte Partnerschaft an, die darauf beruht, dass sich beide Seiten zu den Werten Demokratie und Menschenrechte , Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvolle Staatsführung sowie zu den Grundsätzen der Marktwirtschaft und der nachhaltigen und breitenwirksamen Entwicklung bekennen und diese fördern. Die ENP zielt auch darauf, einen Rahmen für größere Mobilität und mehr direkte persönliche Kontakte zu schaffen, insbesondere durch Abkommen über Visaerleichterungen und Rückübernahmeabkommen sowie durch Visaliberalisierung. Die 2004 ins Leben gerufene und in den Jahren 2011 und 2014 umfassend überarbeitete ENP ist auf eine verstärkte politische Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten ausgerichtet und soll dazu beitragen, eine vertiefte und tragfähige Demokratie, eine schrittweise wirtschaftliche Integration sowie eine verstärkte Partnerschaft mit den Gesellschaften zu fördern. Weiterhin soll sie die Umsetzung von Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, Assoziationsabkommen und anderen Abkommen sowie gemeinsam vereinbarten Aktionsplänen unterstützen. Zu den dezidierten Zielen der Unterstützung der EU für die Partnerstaaten der ENP gehören:4 1 Das ENP-Instrument der „Südlichen Nachbarschaft“ erfasst die Mittelmeeranrainer Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, die palästinensischen Autonomiegebiete, Syrien und Tunesien. 2 Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung 2016), ABl. C 202 vom 7. Juni 2016. 3 Vgl. Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 232/2014 vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschaftsinstruments (ENI-VO), ABl. L 77 vom 15. März 2014. 4 Vgl. Art. 2 Abs. 2 ENI-VO. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 5 die Förderung von Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Rechtsstaatlichkeit und des Grundsatzes der Gleichheit und zur Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung; der Aufbau einer vertieften und tragfähigen Demokratie, die Stärkung einer verantwortungsvollen Staatsführung, die Bekämpfung der Korruption, der Ausbau der institutionellen Kapazitäten auf allen Ebenen sowie die Entwicklung einer dynamischen Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner; eine schrittweise Integration in den Binnenmarkt der EU, ein besserer Marktzugang u. a. durch weitreichende und umfassende Freihandelszonen und eine engere sektorspezifische und sektorübergreifende Zusammenarbeit, u. a. durch eine Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften an den Besitzstand der EU und einschlägige internationale Standards; Schaffung der Voraussetzungen für eine bessere Organisation der legalen Einwanderung und Förderung effizient gesteuerter Mobilität; Förderung einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Entwicklung, Reduzierung von Armut und sozialer Ausgrenzung, Unterstützung des Aufbaus von Kapazitäten in Wissenschaft und Bildung, Förderung des internen wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts, der Entwicklung des ländlichen Raums, der öffentlichen Gesundheit sowie des Umweltschutzes; Förderung vertrauensbildender Maßnahmen, gutnachbarschaftlicher Beziehungen und Konfliktvermeidung bzw. -lösung; Stärkung der subregionalen und regionalen sowie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit . Zur Umsetzung dieser Ziele wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 232/2014 vom 11. März 2014 (ENI-VO)5 das sog. Europäische Nachbarschaftsinstrument (ENI) geschaffen, das gemäß Art. 17 ENI-VO mit einem Haushaltsvolumen von insgesamt 15,4 Mrd. Euro für den Finanzierungszeitraum 2014-2020 ausgestattet wurde. Es löste das 2007 eingerichtete Europäische Nachbarschaftsund Partnerschaftsinstrument (ENPI) ab und fokussierte die Nachbarschaftspolitik auf die Umsetzung der in Partnerschafts- und Kooperationsabkommen bzw. in Assoziierungsabkommen mit den Partnerstaaten vereinbarten gemeinsamen Ziele. Dabei ermöglicht es auch größere Differenzierungen zwischen den Partnerstaaten gemessen an deren Reformfortschritten im Sinne eines anreizbasierten Ansatzes. Hierzu wurde u. a. ein „Mehr für Mehr“-Instrument geschaffen, das mit bis zu 10 Prozent des ENI-Haushaltsvolumens Reformfortschritte der Partnerstaaten hin zu einer vertieften und tragfähigen Demokratie sowie die Umsetzung vereinbarter Reformziele honoriert. Die ENI-Finanzmittel werden den Partnerstaaten in erster Linie durch bilaterale Programme, darüber hinaus auch durch Mehrländer- sowie grenzüberschreitende Kooperationsprogramme zur Verfügung gestellt. Die bilateralen und regionalen Programme enthalten neben ihren fokussierten sektorspezifischen Maßnahmen auch querschnittlich angelegte Finanzlinien, die technische Hilfe, Kapazitätsaufbau und die Förderung der Zivilgesellschaft ermöglichen. 5 Vgl. Fn. 3. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 6 2.2. Die Östliche Partnerschaft Insbesondere mit Blick auf den Georgienkonflikt und dessen Auswirkungen auf die Stabilität in der Region forderte der Europäische Rat im September 2008 die Europäische Kommission auf, einen Vorschlag für eine ÖP auszuarbeiten, um die regionale Zusammenarbeit zu fördern und die Beziehungen der EU zu ihren östlichen Nachbarn auszubauen.6 Auf dem Prager Gründungsgipfel am 7. Mai 2009 wurde schließlich die ÖP mit dem Ziel eingerichtet , die Beziehungen der EU zu sechs der östlichen Anrainerstaaten der EU, Armenien, Aserbaidschan , Belarus, Georgien sowie Republik Moldau und Ukraine zu intensivieren.7 Mit der ÖP verfolgt die EU im Wesentlichen eine Beschleunigung des politischen Assoziierungsprozesses und der Vertiefung der wirtschaftlichen Integration zwischen der Union und diesen Nachbarstaaten . Umfang und Tiefe der Integration und Kooperation werden dabei vom Engagement des jeweiligen Partnerlandes bei der Annäherung an die Werte, Standards und Strukturen der EU sowie von den jeweils erreichten Fortschritten bestimmt. Die ÖP ist auf die Förderung der Demokratie und einer verantwortungsvollen Regierungsführung, auf die Stärkung der Energieversorgungssicherheit , auf die Förderung sektoraler Reformen, auf die Intensivierung direkter persönlicher Kontakte sowie auf die Unterstützung der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Partnerstaaten, auf die Verringerung sozioökonomischer Ungleichheiten und auf die Erhöhung der internen Stabilität der Staaten ausgerichtet. Zentrales Steuerungselement der ÖP ist der sog. ÖP-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU und der Partnerstaaten, an dem auch Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes teilnehmen. Diese im Zweijahresrhythmus stattfindenden Gipfeltreffen geben die politischen Leitlinien für die weitere Entwicklung der ÖP vor. Jährliche Treffen der Außenminister der EU und der Partnerländer im Rahmen von Tagungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" oder des Rates "Auswärtige Angelegenheiten " ergänzen diesen Prozess. Die Mittelausstattung für die regionalen und bilateralen Programme in der laufenden Finanzierungsperiode ist grundsätzlich für zwei Mehrjahreszeiträume (2014 bis 2017 sowie 2017 bis 2020) festgelegt worden (Art. 17 Abs. 3 ENI-VO). Das für die regionalen Programme der ÖP maßgebende aktuelle Programmierungsdokument8 weist folgende indikative Mittelzuweisungen aus: 2014-2017 418 bis 511 Mio. Euro 2017-2020 521 bis 637 Mio. Euro 6 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen zur außerordentlichen Tagung vom 1. September 2008, Ratsdok. 12594/2/08 REV 2. 7 Joint Declaration of the Prague Eastern Partnership Summit, 2009. 8 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) - Regional East Multiannual Indicative Programme - 2017-2020. Diesem Dokument liegt das Regional East Strategy Paper (2014- 2020) zugrunde. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 7 Für die bilateralen Programme sind den jeweils länderbezogenen einheitlichen Unterstützungsrahmen (Single Support Framework - SSF) gem. Art. 7 Abs. 2 ENI-VO folgende indikative Mittelzuweisungen zu entnehmen: Partnerland Indikative Mittelzuweisung 2014-2017 (in Mio. Euro) Indikative Mittelzuweisung 2017-2020 (in Mio. Euro) Armenien9 252 bis 308 144 bis 176 Aserbaidschan10 77 bis 94 42 bis 5111 Weißrussland12 71 bis 89 k. A. Georgien13 335 bis 410 371 bis 453 Republik Moldau14 335 bis 410 284 bis 348 Ukraine15 k. A. 433,8 bis 530,2.16 Beim fünften Gipfeltreffen der ÖP am 24. November 201717 in Brüssel wurde ein stärker fokussierter Ansatz beschlossen, mit dem spürbarere Ergebnisse in den auf dem Gipfel vom 22. Mai 201518 in Riga festgelegten vier Prioritäten – wirtschaftliche Entwicklung und Marktchancen; 9 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) - 2017-2020 - Single Support Framework for EU support to Armenia. 10 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) - 2014-2020 - Single Support Framework for EU support to Azerbaijan. 11 Für den Zeitraum 2018-2020. 12 Vgl. Europäische Kommission, Strategy Paper and Multiannual Indicative Programme for EU support to Belarus (2014-2017). 13 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) – 2017-2020 - Single Support Framework for EU support to Georgia. 14 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) – 2017-2020 - Single Support Framework for EU support to Moldova. 15 Vgl. Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) - 2017-2020 - Single Support Framework for EU support to Ukraine (2018-2020). 16 Für den Zeitraum 2018-2020. 17 Joint Declaration of the Eastern Partnership Summit 2017, Ratsdok. 14821/17. 18 Joint Declaration of the Eastern Partnership Summit 2015. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 8 Stärkung der Institutionen und verantwortungsvolle Regierungsführung; Vernetzung, Energieeffizienz , Umwelt und Klimawandel sowie Mobilität und direkte persönliche Kontakte – bis zum Jahr 2020, die „20 deliverables by 2020“19 erreicht werden sollen. 2.3. Bilaterale Kooperation der EU mit den Staaten der Östlichen Partnerschaft Auf bilateraler Ebene hat die Union mit Georgien,20 der Republik Moldau21 und der Ukraine22 bereits 2014 Assoziierungsabkommen geschlossen. Die Assoziierungsabkommen zielen auf eine stärkere politische Annäherung, die Intensivierung des politischen Dialogs und die Vertiefung der Zusammenarbeit in Justiz- und Sicherheitsfragen. Die Abkommen umfassen einen Reformplan , mit dem die Partnerländer näher an die EU herangeführt werden, indem ihre Gesetze und Normen an die der EU angepasst werden. Als Teil der Assoziierungsabkommen wurden mit den drei Staaten vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen geschlossen, durch die der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verbessert, mit denen Zölle, Kontingente und Handelshemmnisse abgebaut, solide rechtliche Rahmenbedingungen gewährleistet sowie Verfahren und Normen abgestimmt werden. Die Assoziierungs- und Freihandelsabkommen sind bereits in Kraft23 getreten. Ein Abkommen über eine umfassende und vertiefte Partnerschaft wurde mit Armenien im November 2017 am Rande des fünften Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft unterzeichnet; mit Aserbaidschan wird seit 2017 ein solches Abkommen verhandelt. Lediglich mit Weißrussland wurde noch kein Rahmenabkommen geschlossen. Im Rahmen des mit den ÖP-Staaten geführten sog. Dialogs über eine Visaliberalisierung wurden inzwischen Abkommen über Visaerleichterungen und Rückübernahmen mit Georgien (in Kraft seit 28. März 2017), der Republik Moldau (in Kraft seit 28. April 2014) und der Ukraine (in Kraft seit 11. Juni 2017) geschlossen.24 2.4. Multilaterale Kooperation mit den Staaten der Östlichen Partnerschaft In Bereichen, in denen typischerweise ein transnationaler Ansatz verfolgt wird, ergänzt die multilaterale Dimension der ÖP die bilaterale Zusammenarbeit der EU mit den sechs ÖP-Staaten. Dies betrifft bspw. Bereiche wie das Grenzmanagement, die Umwelt und den Klimawandel, das 19 Für einen kurzen Überblick vgl.: Europäische Kommission, Factsheet „20 deliverables by 2020“. Umfassendere Informationen enthalten die Gemeinsamen Mitteilungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 15. Dezember 2016 (SWD(2016) 467) sowie vom 9. Juni 2017 (SWD(2017) 300). 20 Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits, Abl. L 261/4 vom 30. August 2014. 21 Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits, Abl. L 260/4 vom 30. August 2014. 22 Assoziierungsabkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits, Abl. L 161/3 vom 29. Mai 2014. 23 Am 1. Juli 2016 für Georgien und die Republik Moldau; am 1. September 2017 für die Ukraine. 24 Für einen Überblick vgl. Europäische Kommission, GD Migration und Inneres, Visa liberalisation with Moldova, Ukraine and Georgia. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 9 Migrationsmanagement oder den Katastrophenschutz. Multilaterale Zusammenarbeit schafft darüber hinaus Raum und Möglichkeiten für den Erfahrungsaustausch und den Transfer erprobter Verfahren, wie z. B. im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Sie ermöglicht weiterhin die Vernetzung und regionale Zusammenarbeit von Akteuren aus den ÖP-Staaten untereinander sowie mit solchen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Für die multilaterale Kooperation stehen insgesamt vier thematische Plattformen zur Verfügung: 1. Die Stärkung von Institutionen und der verantwortungsvollen Staatsführung,25 2. Wirtschaftliche Entwicklung und Marktchancen,26 3. Interkonnektivität , Energieeffizienz, Umwelt und Klimawandel27 sowie 4. Mobilität und direkte persönliche Kontakte.28 3. Die Beziehungen EU-Georgien unter dem Dach der Östlichen Partnerschaft Die Beziehungen zwischen der EU und Georgien basieren auf dem im Juli 2016 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommen29 vom 27. Juni 2014 (AssozAbk), in das ein vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA) eingeschlossen ist. Das AssozAbk widerspiegelt die tiefgreifende gegenseitige Verpflichtung auf gemeinsame Werte und Interessen, namentlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, verantwortungsvolle Staatsführung sowie wirtschaftliche Weiterentwicklung und Nachhaltigkeit (Art. 2 Assoz Abk). Auf der Basis des AssozAbk und den daraus entwickelten Assoziierungsagenden für die Zeiträume 2014 bis 2016 sowie 2017 bis 2020 hat sich Georgien zu ambitionierten Reformen verpflichtet , die auf eine politische Annäherung an sowie wirtschaftliche Integration in die EU abzielen . So verpflichtet sich Georgien unter anderem zur Durchführung politischer Reformen zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, zur Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte , zur Korruptionsbekämpfung; darüber hinaus sind Maßnahmen zur Angleichung von Standards und der Verwaltungspraxis in den Sektoren Handel, Zoll, Steuern, Wettbewerbsrecht, Energiefragen sowie Umwelt- und Klimaschutz bestimmt. Weiterhin sieht das AssozAbk/DCFTA neben einer teils mit langen Übergangsfristen versehenen gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch Georgien vor. Gegenwärtig sind die Beziehungen von der Umsetzung der am 21. November 2018 zwischen der Europäischen Kommission und der Regierung Georgiens vereinbarten konkreten Reformschritte und Unterstützungsmaßnahmen gekennzeichnet. Diese betreffen die Bereiche Wirtschaft, Handel und Vernetzung, Bildung, Forschung, Innovation und Kultur sowie Justiz und Innere Sicherheit.30 25 Für Details vgl. Arbeitsprogramm 2018/19 der Platform 1. 26 Für Details vgl. Arbeitsprogramm 2018/19 der Platform 2. 27 Für Details vgl. Arbeitsprogramm 2018/19 der Platform 3. 28 Für Details vgl. Arbeitsprogramm 2018/19 der Platform 4. 29 Vgl. Fn. 20. 30 Für die Schwerpunkte der getroffenen Vereinbarungen vgl. Europäische Kommission, Factsheet Takeaway of the High Level Meeting 2018. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 10 3.1. Hauptfelder der Zusammenarbeit EU-Georgien Basierend auf den Prioritäten der ÖP erfasst die Zusammenarbeit der EU mit Georgien unter dem aktuellen Single Support Framework (SSF) 2017-202031 die folgenden Schwerpunktbereiche, für die konkrete Maßnahmenkomplexe vorgesehen sind: Wirtschaftliche Entwicklung und Marktchancen einschl. smartem, nachhaltigem und inklusivem Wirtschaftswachstum;32 Stärkung der Institutionen und verantwortungsvoller Staatsführung einschl. Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit;33 Vernetzung, Energieeffizienz, Umwelt und Klimawandel;34 Mobilität und persönliche Kontakte der Menschen einschl. der fortlaufenden Umsetzung der Verpflichtungen aus der Visaliberalisierung sowie Berufsausbildung und Fortbildung.35 Darüber hinaus werden Herausforderungen in querschnittlichen Themenbereichen wie Umweltschutz und Klimawandel, Geschlechtergleichstellung sowie Menschenrechte in allen oben genannten Schwerpunktbereichen berücksichtigt. Die Maßnahmenkomplexe des SSF, die sowohl die von der EU zu leistende Unterstützung als auch die von Georgien zu bewältigenden Aufgaben und Reformagenden ausweisen, werden durch jährliche Aktionsprogramme36 spezifiziert. 3.2. Indikative Mittelzuweisung für die Zusammenarbeit Für den Zeitraum 2017 bis 2020 umfasst die indikative Mittelzuweisung zwischen 371 und 453 Mio. Euro. Dem aktuellen SSF zufolge teilen sich dieses Mittel wie folgt auf die Schwerpunktbereiche sowie ergänzende Unterstützungsbereiche auf:37 31 Europäische Kommission, Programming of the European Neighbourhood Instrument (ENI) – 2017-2020 - Single Support Framework for EU support to Georgia (2017-2020). 32 Für das übergreifende Ziel, die spezifischen Zielstellungen sowie zu erwartenden Ergebnisse dieses Schwerpunktbereichs vgl. SSF Georgia (2017-2020), Fn. 31, S. 6 ff. 33 Für das übergreifende Ziel, die spezifischen Zielstellungen sowie zu erwartenden Ergebnisse dieses Schwerpunktbereichs vgl. SSF Georgia (2017-2020), Fn. 31, S. 8 ff. 34 Für das übergreifende Ziel, die spezifischen Zielstellungen sowie zu erwartenden Ergebnisse dieses Schwerpunktbereichs vgl. SSF Georgia (2017-2020), Fn. 31, S. 11 ff. 35 Für das übergreifende Ziel, die spezifischen Zielstellungen sowie zu erwartenden Ergebnisse dieses Schwerpunktbereichs vgl. SSF Georgia (2017-2020), Fn. 31, S. 13 ff. 36 Für das Jahr 2018 vgl. Europäische Kommission, Durchführungsentscheidung (C(2018) 8064) vom 28. November 2018 über das Jährliche Aktionsprogramm zugunsten Georgiens für 2018. 37 Vgl. SSF Georgia (2017-2020), Fn. 31, S. 6. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 11 Schwerpunktbereich indikative Mittelzuweisung (in Mio. Euro) Anteil an der Gesamtzuweisung (in Prozent) Wirtschaftliche Entwicklung und Marktchancen einschl. smartem, nachhaltigem und inklusivem Wirtschaftswachstum 148,4 bis 181,2 40 Stärkung der Institutionen und verantwortungsvoller Staatsführung einschl. Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit 74,2 bis 90,6 20 Vernetzung, Energieeffizienz, Umwelt und Klimawandel 55,65 bis 67,95 15 Mobilität und persönliche Kontakte der Menschen einschl. der fortlaufenden Umsetzung der Verpflichtungen aus der Visaliberalisierung sowie Berufsausbildung und Fortbildung 37,1 bis 45,3 10 Ergänzende Unterstützung für Kapazitäts-/Institutionenaufbau 18,55 bis 22,65 5 Ergänzende Unterstützung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft 18,55 bis 22,65 5 Ergänzende Unterstützung für strategische Kommunikation 18,55 bis 22,65 5 3.3. Bewertungen durch die EU In ihrem Umsetzungsbericht zur Assoziierung mit Georgien38 stellen die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik fest, dass beide Seiten ihre Beziehungen weiter intensivierten. Dabei habe das Land seine Position als Schlüsselpartner der EU in der Region weiter ausgebaut und dies mit seinen Reformanstrengungen und Bemühungen zur Vertiefung der bilateralen Beziehungen unterstrichen. Die Gesellschaft Georgiens zeige unverändert Zustimmung zum Prozess der politischen Annäherung und wirtschaftlichen Integration . In der Gesamtschau erfolge die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem AssozAbk innerhalb der vereinbarten Zeitlinien. Der Assoziationsrat EU-Georgien39 bewertete anlässlich seiner jüngsten Tagung am 5. März 2019 den Zustand der beiderseitigen Beziehungen als ausgezeichnet. Beide Seiten unterstrichen ihren 38 Europäische Kommission/Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik: Association Implementation Report on Georgia, 30. Januar 2019, SWD(2019) 16. 39 Der Assoziationsrat ist das höchste offizielle Gremium, das mit dem Assoziierungsabkommen EU-Georgien eingesetzt wurde. Er ist mit der Überwachung der Anwendung und Umsetzung des Assoziierungsabkommens betraut . Er setzt sich aus Mitgliedern des Rates der Europäischen Union und Mitgliedern der Europäischen Kommission einerseits und Mitgliedern der Regierung Georgiens andererseits zusammen (Art. 404-406 AAbk). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 12 unveränderten Willen, Georgiens politische Annäherung und wirtschaftliche Integration voranzutreiben und anerkannten Georgiens europäische Ausrichtung.40 Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, merkte hierzu an, dass Georgien große Fortschritte bei der Umsetzung des Assoziierungsabkommens gemacht habe. Dies schaffe die Grundlage für die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration des Landes. Die EU setze sich uneingeschränkt dafür ein, dass das Potenzial dieser Partnerschaft voll ausgeschöpft werde. Gleiches gelte auch für das Export- und Wachstumspotenzial, das die vertiefte und umfassende Freihandelszone biete.41 3.4. Bewertungen durch die Bundesregierung Anlässlich ihres Georgienbesuchs am 23. August 2018 in Tiflis bezeichnete die Bundeskanzlerin Georgien als sehr engen Partner, mit dem Deutschland über die EU auf einem Weg der intensiveren Zusammenarbeit sei.42 Das Auswärtige Amt stellt in seinen Länderinformationen zu Georgien u. a. folgendes fest: „Im Rahmen der Europäischen Union setzt sich Deutschland für eine Annäherung Georgiens und der Region insgesamt an Europa ein. Deutschland hat die Aufnahme von Georgien, Armenien und Aserbaidschan in die europäische Nachbarschaftspolitik sowie die EU-Entscheidung zur Schaffung einer Östlichen Partnerschaft aktiv unterstützt. Deutschland hat sich zusammen mit Frankreich (gemeinsamer Besuch von Bundesminister Steinmeier und dem französischen Außenminister Fabius Ende April 2014) für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Georgien stark gemacht. Die Bundesregierung fördert die Integration der Gesamtregion auch durch die deutsche Kaukasus-Initiative im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.“43 3.5. Bewertungen durch den Deutschen Bundestag In seinem Beschluss vom 10. Mai 2019 zum zehnjährigen Jubiläum der Östlichen Partnerschaft charakterisiert der Deutsche Bundestag Georgien als engagierten Partner der EU, der eine europäische Beitrittsperspektive anstrebe. Er begrüßt und unterstützt die dort eingeschlagenen Reformen und fordert dazu auf, diese weiter mit aller zur Verfügung stehenden Macht fortzusetzen und auszubauen. Zu dem umfangreichen Katalog der an die Bundesregierung gerichteten Aufforderungen gehört die Forderung, sich in der EU für eine verstärkte Zusammenarbeit bei der politischen und wirtschaftlichen Modernisierung der Länder der Östlichen Partnerschaft auf der Grundlage differenzierter Kooperationsangebote und des „Mehr für mehr“-Ansatzes einzusetzen, 40 Rat der EU, Pressemitteilung 166/19 vom 5. März 2019, Joint press statement following the 5th Association Council meeting between the EU and Georgia. 41 Rat der EU, Website zum Assoziationsrat EU-Georgien vom 5. März 2019. 42 Bundesregierung, Website „Enger mit Georgien zusammenarbeiten“ vom 25. August 2018. 43 Auswärtiges Amt, Website „Georgien: Beziehungen zu Deutschland“ vom 12. Februar 2019. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 061/19 Seite 13 um stabilere und nachhaltigere Nachbarschaftsbeziehungen auf der Grundlage der gemeinsamen Werte des Europarates zu schaffen.44 3.6. Bewertungen durch den Eastern Partnership Index Den Feststellungen des im Dezember 2018 vom Eastern Partnership Civil Society Forum publizierten Eastern Partnership Index45 zufolge verzeichnet Georgien, wie auch die übrigen Länder der Östlichen Partnerschaft, derzeit nur geringe Fortschritte bei der Erreichung vereinbarter Ziele und fällt hinsichtlich der Reformen sogar hinter Erreichtes zurück. Während einzig die Ukraine geringfügige Fortschritte erzielt habe, machten Georgien, Armenien und Moldawien Rückschritte. Der mit länderspezifischen Untersuchungen46 ausgestattete Bericht legt anhand seiner sog. Angleichungs -Indizes dar, dass sich die Staaten der Östlichen Partnerschaft im Bezugsjahr nur wenig den Normen und Standards der EU angenähert haben; dies gilt auch für die seit 2014 führenden ÖP-Staaten Georgien, die Ukraine und Moldawien. Für die weitere Indexkategorie der internationalen Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bürgern und Regierungen stellt der Bericht stabile Entwicklungen und moderate Fortschritte fest. Letztere werden insbesondere auf die Visaliberalisierungsabkommen mit Georgien, der Ukraine und der Republik Moldau zurückgeführt. Fachbereich Europa 44 Beschluss des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 2019 über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (BT-Drs. 19/9916) „Zehn Jahre Östliche Partnerschaft der Europäischen Union – Für eine intensive Zusammenarbeit auf dem Weg zu Wohlstand, Sicherheit und Demokratie“, BT-PlPr. 19/99, S. 11999A. 45 Mit dem Eastern Partnership Index werden die Fortschritte der sechs ÖP-Länder hinsichtlich zweier Kategorien untersucht: zum einen, inwiefern die Staaten nachhaltige demokratische Institutionen aufgebaut haben und zum anderen, wie hoch das Integrationsniveau zur EU, einschließlich Handel und Mobilität ist. Der Eastern Partnership Index wurde von einer Gruppe von mehr als 50 Experten der Zivilgesellschaft aus den Staaten der ÖP und der EU entwickelt. Die Initiative hierfür ging 2011 von der International Renaissance Foundation (Ukraine ) und den Open Society Foundations aus. Das Eastern Partnership Civil Society Forum übernahm die Projektleitung im Jahr 2014 und publizierte in der Folge den Index. Das Projekt wird inzwischen durch die EU finanziert . Vgl. Eastern Partnership Civil Society Forum: Eastern Partnership Index 2017, Dezember 2018, S. 15. 46 Die länderspezifische Untersuchung zu Georgien vgl. Eastern Partnership Civil Society Forum: Eastern Partnership Index 2017, Dezember 2018, S. 55 f.