Deutscher Bundestag Strafrechtliche Immunitätsregeln im Vergleich Europäische Zentralbank, Europäischer Stabilitätsmechanismus, Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Internationaler Währungsfonds Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 55/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 2 Strafrechtliche Immunitätsregeln im Vergleich Europäische Zentralbank, Europäischer Stabilitätsmechanismus, Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Internationaler Währungsfonds Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 55/12 Abschluss der Arbeit: 21. März 2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Europäische Zentralbank 4 2.1. Organisation 4 2.2. Immunitätsregelungen 4 3. Europäischer Stabilitätsmechanismus 6 3.1. Organisation 6 3.2. Immunitätsregelungen 6 3.2.1. Vermögensbezogene Regelungen 6 3.2.2. Personenbezogene Ausarbeitung 6 4. Europäische Finanzstabilisierungsfazilität 7 4.1. Organisation 7 4.2. Immunitätsregelungen 7 5. Internationaler Währungsfonds 7 5.1. Organisation 7 5.2. Immunitätsregelungen im IWF-Übereinkommen 8 5.2.1. Vermögensbezogene Regelungen 8 5.2.2. Personenbezogene Regelungen 8 5.3. Das Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen 8 5.3.1. Vermögensbezogene Regelungen 8 5.3.2. Personenbezogene Regelungen 9 6. Vergleich 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 4 1. Einleitung Die folgende Ausarbeitung erläutert die strafrechtlichen Immunitätsregelungen bei der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und stellt sie vergleichsweise gegenüber. 2. Europäische Zentralbank 2.1. Organisation Die Beschlussorgane der EZB sind das Direktorium, der EZB-Rat und der Erweiterte Rat. Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten der EZB und vier weiteren Mitgliedern . Die Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der Zentralbanken der dem Euro- Währungsgebiet angehörenden Mitgliedsstaaten bilden den EZB-Rat. Der Erweiterte Rat setzt sich aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der Zentralbanken aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) zusammen. 2.2. Immunitätsregelungen Immunitätsregelungen für die EZB ergeben sich über Verweise in Art. 343 Satz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 39 des Protokolls über die Satzung des europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank1 aus dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union2 (im Folgenden: Vorrechteprotokoll , ProtVB). Gemäß Art. 22 ProtVB finden die Regelungen über Vorrechte und Befreiungen ausdrücklich auf die Europäische Zentralbank, die Mitglieder ihrer Beschlussorgane, ihr Personal und die Vertreter der Mitgliedstaaten, die an ihren Arbeiten teilnehmen, Anwendung . Nach dem Vorrechteprotokoll (Art. 11 lit. a) genießen Beamte und sonstige Bedienstete der EU Immunität bzgl. der in amtlicher Eigenschaft vorgenommen Handlungen, und zwar auch über ihre Amtszeit hinaus. Dies bedeutet, dass sie von der Gerichtsbarkeit bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommen Handlungen befreit sind, wobei Haftungsfälle dieser Personengruppe gegenüber der EU und bei Streitsachen zwischen ihnen und der Union vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ausgenommen sind. Des Weiteren dürfen gemäß Art. 1 ProtVB Räumlichkeiten und Gebäude der Union nicht durchsucht , beschlagnahmt, eingezogen oder enteignet werden. Ebenso sind nach Art. 2 ProtVB Archi- 1 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB, ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 230 - 250, online abrufbar unter: http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/de_statute_from_c_11520080509de02010328.pdf (letzter Abruf: 14.3.2012). 2 Protokoll (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union, ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 266 - 272, online abrufbar unter: http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/de_protocol_7_from_c_11520080509de02010328.pdf (letzter Abruf: 14.3.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 5 ve unverletzlich. Art. 2 Absatz 1 des Abkommens über den Sitz der Europäischen Zentralbank3 konkretisiert die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten und Gebäude der EZB dahingehend, dass „im Auftrag der Verwaltung, der Justiz, des Militärs oder der Polizei auftretende Regierungsbeamte oder hoheitlich handelnde Personen die Räumlichkeiten der EZB nur mit Zustimmung des Präsidenten und nur zu den diesem genehmigten Bedingungen betreten“ dürfen. Art. 3 des Abkommens normiert, dass die Unverletzlichkeit der Archive insbesondere für Akten, Schreiben, Dokumente, Manuskripte, Fotografien, Film- und Tonaufzeichnungen, Rechnerprogramme und Magnetbänder oder Disketten, die sich im Eigentum oder Besitz der EZB befinden, und für alle darin enthaltenen Informationen gilt. Für Direktoriumsmitglieder der EZB4 gelten gemäß Art. 19 des Abkommens über den Sitz der Europäischen Zentralbank besondere diplomatische Vorrechte und Befreiungen. Nach Art. 19 Abs. 1 des Abkommens findet das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen5 Anwendung. Die Mitglieder genießen hierdurch umfassende, nicht nur auf die in amtlicher Eigenschaft vorgenommene Handlung bezogene Immunität (Art. 29 Wiener Übereinkommen), insbesondere in strafrechtlicher Hinsicht (Art. 31 Wiener Übereinkommen). Ein Direktoriumsmitglied darf nicht festgenommen oder in Haft irgendwelcher Art genommen werden. Er genießt Immunität vor der Strafgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland. Die Privatwohnungen der Direktoriumsmitglieder sind unverletzlich (Art. 30 Wiener Übereinkommen ). Weiterhin erhalten im Haushalt des Direktoriumsmitglieds lebende Personen die Rechte, die Familienangehörige der bei der Bundesregierung akkreditierten Diplomaten erhalten (Art. 37 Abs. 1 Wiener Übereinkommen i.V.m. Art. 19 Abs. 2 des Abkommens über den Sitz der Europäischen Zentralbank). Artikel 8 des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 3. Juni 20046 sieht jedoch auch die Möglichkeit der Aufhebung der Immunität bei Vermögensdelikten zu Lasten der EU vor: „Ersuchen innerstaatlicher Polizei- oder Justizbehörden um Aufhebung der gerichtlichen Immunität eines Beschäftigten der EZB oder eines Mitglieds des Direktoriums, des EZB-Rates oder des Erweiterten Rates in möglichen Fällen von Betrug, Korruption oder anderen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften werden dem Direktor des Amtes zur Stellungnahme vorgelegt. 3 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank, BGBl. II 1998, S. 2996 - 2999, online abrufbar unter: http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/de_headquarters_agreement_f_published.pdf (letzter Abruf: 20.3.2012). 4 Derzeit: Mario Draghi (Präsident), Vítor Constâncio (Vizepräsident), Jörg Asmussen, Benoît Cœuré, José Manuel González-Páramo und Peter Praet. 5 Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen vom 6. August 1964, BGBl. 1964 II, S. 957 ff., online abrufbar unter: http://www.datenbanken.justiz.nrw.de/ir_htm/frame_wued_18-04-1961.htm (letzter Abruf: 20.3.2012). 6 Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 3. Juni 2004 über die Bedingungen und Modalitäten der Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung in der Europäischen Zentralbank zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Änderung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, ABl. L 230 vom 30.6.2004, S. 56 - 60, online abrufbar unter: http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/l_23020040630de00560060.pdf (letzter Abruf: 20.3.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 6 Der Präsident oder der Vizepräsident der EZB entscheidet über die Immunität von Beschäftigten der EZB, und der EZB-Rat entscheidet über die Immunität von Mitgliedern des Direktoriums, des EZB-Rates oder des Erweiterten Rates.“7 3. Europäischer Stabilitätsmechanismus 3.1. Organisation Organisatorisch gliedert sich der ESM nach dem Vertrag über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus8 (im Folgenden: ESM-Vertrag) in einen Gouverneursrat, ein Direktorium und einen Geschäftsführenden Direktor (Art. 4 Abs. 1 ESM-Vertrag). Weitere Bedienstete sind vorgesehen (Art. 4 Abs. 1 ESM-Vertrag). Für Beschlüsse sind der Gouverneursrat oder das Direktorium zuständig (Art. 4 Abs. 2 ESM-Vertrag). Jedes ESM-Mitglied ernennt ein Mitglied des Gouverneursrats , zwingend den jeweiligen Finanzminister, sowie dessen Stellvertreter (Art. 5 Abs. 1 ESM-Vertrag). Aus einem Personenkreis mit „großem Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen“ wird von jedem Mitglied des Gouverneursrats ein Mitglied und sein Stellvertreter für das Direktorium bestimmt (Art. 6 Abs. 1 ESM-Vertrag). Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat ernannt (Art. 7 Abs. 1 ESM-Vertrag). 3.2. Immunitätsregelungen 3.2.1. Vermögensbezogene Regelungen Gemäß Art. 32 Abs. 3 des ESM-Vertrags genießen der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung sowie seine Vermögenswerte Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art, es sei denn, der ESM verzichtet für ein Gerichtsverfahren oder in einer Vertragsklausel ausdrücklich hierauf. Nach Art. 32 Abs. 4 ESM-Vertrag besteht auch Immunität des Eigentums, der Mittelausstattung und der Vermögenswerte hinsichtlich Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Einziehungen, Enteignungen und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen. Art. 32 Abs. 5 und 6 ESM-Vertrag normieren die Unverletzlichkeit der Geschäftsräume und der Archive und sämtlicher Unterlagen im Eigentum oder Besitz des ESM. 3.2.2. Personenbezogene Ausarbeitung Jede Person im Dienste des ESM erhält nach Art. 35 Abs. 1 ESM-Vertrag Immunität vor der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Nach Art. 35 Abs. 3 ESM-Vertrag kann der Geschäftsführende Direktor die Immunität eines jeden Bediensteten des ESM mit Ausnahme seiner eigenen aufheben. Dem Gouverneursrat wird gemäß 7 Hervorhebung durch Verfasser. 8 Vertrag über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), Ausschussdrucksache 17(21)0922, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 7 Art. 35 Abs. 2 ESM-Vertrag das Recht eingeräumt, dem Vorsitzenden des Gouverneursrates, den Mitgliedern des Gouverneursrates und deren Stellvertretern, den Mitgliedern des Direktoriums und deren Stellvertretern sowie dem Geschäftsführenden Direktor die Immunität mit qualifizierter Mehrheit (Art. 5 Abs. 7 lit. k ESM-Vertrag) zu entziehen. 4. Europäische Finanzstabilisierungsfazilität 4.1. Organisation Bei der EFSF handelt es sich um eine privatrechtliche Gesellschaft der Mitgliedstaaten des Euro- Währungsgebiets nach Luxemburger Recht. Leitungsorgan ist ein Direktorium, welches aus jeweils einem Vertreter pro Gesellschafter-Staat besteht. 4.2. Immunitätsregelungen Der EFSF-Rahmenvertrag9 enthält in Art. 15 Abs. 3 eine Regelung zur Immunität. Demnach verzichten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes und die EFSF als Parteien des Vertrags10 unwiderruflich und unbedingt auf alle Immunität, und zwar vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an bis in die Zukunft. In sachlicher Hinsicht bezieht sich der Immunitätsverzicht auf das Vermögen der Parteien sowie ihre Einnahmen. Der Immunitätsverzicht umfasst speziell Gerichtsverfahren bezüglich des EFSF-Rahmenvertrages. Ausdrücklich genannt ist der Verzicht der Parteien auf ihre Immunität hinsichtlich Pfändung, Festnahme, Haft und einstweiligen Verfügungen vor einem Urteil sowie die Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Parteien, ihr Vermögen oder ihre Einnahmen nach einem Urteil. 5. Internationaler Währungsfonds 5.1. Organisation Der IWF verfügt über drei Organe (Art. 12 Abschnitt 1 IWF-Übereinkommen11): 1) Gouverneursrat , 2) Exekutivdirektorium und 3) Geschäftsführender Direktor. Die Organisationsstruktur des IWF ist insofern vergleichbar mit derjenigen des ESM. 9 EFSF-Rahmenvertrag (in der ab dem Wirksamwerden der Änderung geltenden Fassung), Ausschussdrucksache 17(21)0682, Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union, inoffizielle Arbeitsübersetzung. 10 S. Vorbemerkung (B) des EFSF-Rahmenvertrages. 11 Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, BGBl. 1952 II, S. 638; Änderungen und Ergänzungen von 1968: BGBl. 1968 II, S. 1227; von 1978 II, S. 16; BGBl. 1978 II, S. 838. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 8 5.2. Immunitätsregelungen im IWF-Übereinkommen 5.2.1. Vermögensbezogene Regelungen Gemäß Art. IX Abschnitt 3 IWF-Übereinkommen besteht Immunität gegenüber jeder Gerichtsbarkeit für den Fonds als solchen und dessen Vermögenswerte, unabhängig davon, wo und in wessen Besitz diese Vermögenswerte sich befinden. Diese Immunitätsregelung greift jedoch nur ein, soweit nicht im Einzelfall oder aufgrund von vertraglichen Bestimmungen ausdrücklich auf die Immunität verzichtet wird. Art. IX Abschnitt 4 IWF-Übereinkommen stellt klar, dass die Vermögenswerte des Fonds Immunität gegenüber Durchsuchung, Beschlagnahme, Enteignung und Einziehung und jeglicher weiterer Form des Zugriffs durch Gesetzgebungs- oder Regierungsmaßnahmen genießen. Art. IX Abschnitt 5 IWF-Übereinkommen normiert die Unverletzlichkeit der Archive des Fonds. 5.2.2. Personenbezogene Regelungen Art. IX Abschnitt 8 IWF-Übereinkommen regelt die Immunitäten und Vorrechte der Amtsträger und Angestellten wie folgt: Alle Gouverneure, Exekutivdirektoren, Stellvertreter, Mitglieder von Ausschüssen, nach Art. XII Abschnitt 3 lit. j IWF-Übereinkommen ernannten Vertreter12, Berater der Vorgenannten und Angestellten des Fonds genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, sofern nicht der Fonds diese Immunität aufhebt. 5.3. Das Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen Über das IWF-Übereinkommen hinaus werden Immunitäten über das Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen13 (im Folgenden: UN- Abkommen) gewährt. Gemäß Art. 1 § 1 Abs. ii lit. e UN-Abkommen wird der IWF von den Regelungen des Abkommens als Sonderorganisation erfasst. 5.3.1. Vermögensbezogene Regelungen Nach Art. III § 4 des UN-Abkommens sind der IWF, dessen Vermögenswerte und Guthaben von der Gerichtsbarkeit befreit, sofern nicht ausdrücklich darauf verzichtet wird. Ein Immunitätsverzicht erstreckt sich jedoch nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen (Art. III § 4 Satz 2 UN- Abkommen). Weiterhin sind nach Art. III §§ 5 und 6 des UN-Abkommens die Räumlichkeiten und Archive unverletzlich. Vermögen und Guthaben der Sonderorganisationen, gleichviel wo und in wessen Besitz sie sich befinden, sind der Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, 12 Art. XII Abschnitt 3 lit. j lautet: „Der Gouverneursrat erläßt Vorschriften, wonach ein Mitglied, das gemäß (b) nicht ermächtigt ist, einen Direktor zu ernennen, einen Vertreter zu den Sitzungen der Direktoren entsenden kann, wenn ein von dem Mitglied gestellter Antrag oder eine dieses Mitglied besonders betreffende Angelegenheit behandelt wird.“ 13 Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, BGBl. 1954 II, S. 640-659. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 9 Enteignung und jeder sonstigen Form eines verwaltungsmäßigen, gerichtlichen oder gesetzlichen Eingriffs entzogen (Art. II § 5 Satz 2 UN-Abkommen). 5.3.2. Personenbezogene Regelungen Die von einer Sonderorganisation bestimmten Beamte sind nach Art. VI § 19 lit. a des UN- Abkommens im Rahmen ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommen Handlungen von der Gerichtsbarkeit befreit, einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen. Darüber hinaus normiert Art. VI § 21 des UN-Abkommens, dass über diese Immunität hinaus dem „Leiter jeder Sonderorganisation sowie jeder in seinem Namen während seiner Abwesenheit tätige Beamte für sich selbst und seinen Ehegatten und seine minderjährigen Kinder die Vorrechte , Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die nach dem Völkerrecht diplomatischen Vertretern gewährt werden.“ 14 Hierzu zählen die bereits erläuterten Rechte aus dem Wiener Übereinkommen.15 Allerdings sollen den Beamten die Vorrechte und Befreiungen nach Art. VI § 22 UN-Abkommen nur im Interesse der Sonderorganisation zustehen. Die Sonderorganisation wird gleichzeitig verpflichtet, die Immunität im gegenteiligen Fall aufzuheben. In Art. V i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 5 des UN-Abkommens werden auch den Vertretern der Mitglieder des IWF, Ersatzmännern, Beratern, technischen Sachverständigen und Delegationssekretären auf den von einer Organisation einberufenen Tagungen während der Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit und auf den Reisen nach oder von dem Tagungsort weitere Vorrechte und Befreiungen eingeräumt. Hierzu zählen nach Art. V § 13 lit. a und b UN-Abkommen: „a) Befreiung von Verhaftung oder Festnahme und von der Beschlagnahme ihres persönlichen Gepäcks und in bezug auf Handlungen, die sie in amtlicher Eigenschaft vorgenommen haben (einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen), Befreiung von jeder Gerichtsbarkeit; b) Unverletzlichkeit aller Papiere und Schriftstücke;“ Diese Befreiungen gelten in Bezug auf mündliche und schriftliche Äußerungen und Handlungen, die sie in Ausübung ihres Amtes vornehmen auch über die Amtszeit hinaus (Art. V § 14 UN- Abkommen). Die Rechte werden nicht zum persönlichen Vorteil gewährt, sondern um eine unabhängige Ausübung der Tätigkeiten sicherzustellen (Art. V § 16 UN-Abkommen). Hier besteht wieder die Pflicht der Mitglieder des IWF Immunitäten ihrer Vertreter im IWF aufzuheben, wenn der Zweck, den sie verfolgt, nicht gefährdet wird und so „der Gerechtigkeit Genüge geschieht“ (Art. V § 16 UN-Abkommen). Zu beachten ist, dass die Regelungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen ausschließlich die Vertragsstaaten binden. Die Vertragsstaaten des UN-Abkommens können sich von den Vertragsstaaten des IWF-Übereinkommens unterscheiden. 14 Hervorhebung durch Verfasser. 15 Siehe Ziffer 2.2, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/12 Seite 10 6. Vergleich Während die Regelungen für die EZB, den IWF sowie den ESM grundsätzlich Immunität garantieren , statuiert der EFSF-Rahmenvertrag einen weitreichenden Immunitätsverzicht der Vertragsparteien . Der Rahmenvertrag für die privatrechtliche EFSF enthält anders als die Regelungen der EZB, des IWF und des ESM keine Regelung zur personenbezogenen Immunität. In vermögensbezogener Hinsicht weisen die Immunitätsregelungen des ESM, der EZB und des IWF Gemeinsamkeiten auf. Alle Regelwerke statuieren die Unverletzlichkeit der Archive wie auch die der Räumlichkeiten der jeweiligen Organisation. In personaler Hinsicht genießt jede Person im Dienste von ESM, EZB und IWF Immunität hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft ausgeführten Handlungen. Bei der EZB und dem IWF werden im Vergleich zum ESM weiter differenzierende Regelungen getroffen. Bei der EZB und dem IWF sind Beamte und sonstige Bedienstete von der Gerichtsbarkeit bezüglich amtlicher Handlungen ausgenommen. Direktoriumsmitglieder der EZB erhalten laut dem Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen eine umfassendere, nicht an in amtlicher Eigenschaft ausgeführte Handlungen anknüpfende Immunität, insbesondere vor strafrechtlicher Verfolgung, welche auch den privaten Bereich umfasst. Dem Leiter des IWF, seinen Ehegatten sowie seinen minderjährigen Kindern kommen – genauso wie den Direktoriumsmitgliedern der EZB – nach dem UN-Abkommen die Regelungen des Wiener Abkommens zugute. Sowohl bei der EZB, dem ESM als auch dem IWF ist die Aufhebung der Immunität unter bestimmten Umständen möglich. Der IWF sieht sogar die Verpflichtung der Aufhebung vor, wenn somit „der Gerechtigkeit Genüge geschieht“ und der Zweck, den die Immunität verfolgt, nicht gefährdet wird.