Deutscher Bundestag Möglichkeiten zur Abschaffung der Sommerzeit Handlungsoptionen des Bundestages und zeitlicher Rahmen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 55/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 2 Möglichkeiten zur Abschaffung der Sommerzeit Handlungsoptionen des Bundestages und zeitlicher Rahmen Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 55/11 Abschluss der Arbeit: 2. Mai 2011 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gegenwärtige Rechtslage 4 2. Handlungsoptionen des Bundestages zur Abschaffung der Sommerzeitregelung 5 2.1. Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages im Vorfeld bzw. zu Beginn des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens 5 2.2. Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages während des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens 7 3. Zeitrahmen für das Vorhaben der Abschaffung der Sommerzeitregelung 8 4. Frühere Bestrebungen zur Umgestaltung der Sommerzeitregelung 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 4 1. Gegenwärtige Rechtslage Die Sommerzeit wird im deutschen Recht durch die Sommerzeitverordnung1 (SoZV) näher bestimmt . Nach § 2 SoZV beginnt die Sommerzeit jeweils am letzten Sonntag im März um 2 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Sie endet jeweils am letzten Sonntag im Oktober um 3 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der SoZV erging nach § 3 Zeitgesetz (ZeitG) – nunmehr § 5 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG). Mit der SoZV wurden die Regelungen der Richtlinie 2000/84/EG2 (RL 2000/84/EG) in deutsches Recht umgesetzt. Nach Art. 1 der RL 2000/84/EG beginnt die Sommerzeit einheitlich in allen Mitgliedstaaten am letzten Sonntag im März um 1.00 Uhr morgens Weltzeit. Sie endet am letzten Sonntag im Oktober um dieselbe Zeit, Art. 3 RL 2000/84/EG. Als Sommerzeit wird in der Richtlinie diejenige Zeit des Jahres definiert, die gegenüber der Normalzeit um 60 Minuten vorgestellt wird. Die genauen Datumsangaben werden gemäß Art. 4 der Richtlinie jeweils für fünf Jahre im Voraus im Wege einer Mitteilung der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gegeben .3 Die Richtlinie 2000/84/EG gilt unbefristet und löste die achte Richtlinie (97/44/EG4) zur Regelung der Sommerzeit aus dem Jahre 1997 ab. Als Gründe für die Einführung einer unionsweiten Sommerzeitregelung werden in der Richtlinie die Bedeutung einer einheitlichen Sommerzeit in den Mitgliedstaaten für das Funktionieren des Binnenmarktes sowie der hohe Stellenwert einer stabilen und langfristigen Zeitplanung für die Sektoren Verkehr und Kommunikation betont. Die Kommission berichtete dem Europäischen Parlament (EP), dem Rat der Europäischen Union (Rat) und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss am 23. Juli 2007 in einer Mitteilung gem. Art. 5 RL 2000/84/EG von den Auswirkungen der Bestimmungen in allen von der Richtlinie betroffenen Sektoren.5 Die Kommission kommt darin zu dem Schluss, dass die Sommerzeitrege- 1 Verordnung über die Einführung der mitteleuropäischen Sommerzeit ab dem Jahr 2002 (Sommerzeitverordnung - SoZV), BGBl. I, S. 1591, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 3. Juli 2008, BGBl. I S. 1185, online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/sozv/gesamt.pdf (Stand: 2.5.11). 2 Richtlinie 2000/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Januar 2001 zur Regelung der Sommerzeit, ABl. L 31 vom 2.2.2001, S. 21–22, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:031:0021:0022:DE:PDF (Stand: 2.5.11). 3 Vgl. zuletzt die Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2000/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Regelung der Sommerzeit, 2011/C 83/06, ABl. L 31 vom 2.2.2001, S. 21, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2011:083:0006:0006:DE:PDF (Stand: 2.5.11). 4 Richtlinie 97/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Regelung der Sommerzeit vom 1. August 1997, ABl. L 206, S. 62, die Beginn und Ende der Sommerzeit einheitlich für alle Mitgliedstaaten für die Jahre 1998 – 2000 festlegte. 5 Siehe die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts - und Sozialausschuss gemäß Artikel 5 der Richtlinie Nr. 84/2000/EG zur Regelung der Sommerzeit, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 5 lung, wie sie in der RL 2000/84/EG eingeführt wurde, angemessen ist. Abgesehen von der Begünstigung unterschiedlichster Freizeitaktivitäten und der Erzielung geringfügiger Energieeinsparungen fielen die Auswirkungen der Sommerzeit kaum ins Gewicht. Kein Mitgliedstaat habe die Absicht geäußert, sie abzuschaffen oder die Bestimmungen der RL 2000/84/EG zu ändern. Wichtig sei jedoch, den Kalender aufeinander abzustimmen, um das wichtigste Ziel der Richtlinie – das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes – sicherzustellen.6 Der Bericht basiert auf Informationen, die die Mitgliedstaaten der Kommission bis zum 30. April 2007 übermittelt haben. 2. Handlungsoptionen des Bundestages zur Abschaffung der Sommerzeitregelung Die Sommerzeitregelegung, wie sie derzeit in Deutschland praktiziert wird, gründet auf den Regelungen der RL 2000/84/EG (s. o.). Das aufgrund der Richtlinie angepasste nationale Recht steht aufgrund der Bindungswirkung der Richtlinie gegenüber den Mitgliedstaaten nicht mehr zur freien Disposition des nationalen Gesetzgebers. Änderungen, die den Vorgaben der Richtlinie zuwiderliefen, verstießen gegen Unionsrecht und wären daher rechtlich nicht zulässig.7 Die Abschaffung der Sommerzeit nur durch die Umgestaltung des deutschen Rechtsrahmens wäre somit rechtswidrig. Eine Änderung bzw. Abschaffung der Sommerzeit in Deutschland wäre jedoch denkbar, wenn das Unionsrecht selbst, mithin die RL 2000/84/EG, entsprechend geändert oder aufgehoben würde . Um die Richtlinie zu ändern oder aufzuheben, müsste ein entsprechender Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie vorgelegt werden, die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verabschiedet wird. Im Folgenden wird erörtert, auf welche Weise der Bundestag auf den Ablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Einfluss nehmen kann. 2.1. Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages im Vorfeld bzw. zu Beginn des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Den Vorschlag für einen Legislativakt, wie etwa für eine Änderungsrichtlinie, unterbreitet in der Regel die Kommission aus eigener Initiative, Art. 294 Abs. 2 AEUV. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon kann ein Legislativakt nach dem neu eingeführten § 294 Abs. 15 AEUV KOM(2007)739, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0739:FIN:DE:PDF (Stand: 2.5.11). 6 KOM(2007) 739, S. 8 f. 7 Thiele, Europarecht, 7. Auflage 2010, S. 113. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 6 auch auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten8, auf Empfehlung der Europäischen Zentralbank oder auf Antrag des Gerichtshofs erlassen werden. Zu erwägen wäre zunächst ein Einwirken des Bundestages auf die Kommission oder auf die Bundesregierung, um den Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie auf den Weg zu bringen. Der Erfolg eines solchen Vorhabens erscheint jedoch ungewiss, da die Kommission grds. von den Mitgliedstaaten nicht rechtlich verbindlich zu einem Tätigwerden aufgefordert werden kann. Ebenso bestehen Zweifel, ob es gelänge, eine Gruppe von Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Vorhaben i. S. v. Art. 294 Abs. 15 AEUV anzuleiten. Sollte die Kommission nicht von sich aus Vorschläge für eine Änderung oder Aufhebung vorlegen , wäre weiter zu überlegen, ob in diesem Fall eine dahingehende Position über den Rat ins europäische Rechtsetzungsverfahren „transportiert“ werden könnte. Hierbei ist zu beachten, dass dem Rat im Grundsatz kein eigenes Initiativrecht für Unionsrechtsakte zusteht. Über Art. 241 AEUV hat der Rat allerdings eine, gegenüber Art. 225 AEUV für das EP, stärker ausgeprägte Möglichkeit, die Kommission zum Tätigwerden in seinem Sinne zu veranlassen. Art. 241 AEUV wird als Gegengewicht im institutionalisierten Gefüge zum nahezu ausschließlichen Initiativrecht der Kommission verstanden9. Nach dem Wortlaut des Art. 214 AEUV kann der Rat die Kommission auffordern, nach seiner Ansicht zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele geeignete Untersuchungen vorzunehmen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Eine Verpflichtung der Kommission zum Tätigwerden ist umstritten10. Dies dürfte allerdings eine eher theoretische Diskussion darstellen, da kaum zu bezweifeln ist, dass die Kommission einem entsprechenden, begründeten Ansinnen des Rates nur in – hier kaum relevanten – seltenen Ausnahmefällen nicht nachkommen wird. In aller Regel wäre also eine Einflussnahme über die Bundesregierung auf die Position des Rates eine denkbare Möglichkeit, um 8 Nach dem vom Generalsekretariat des Rates herausgegebenen „Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren “ vom Oktober 2010 (Leitfaden) müssen ein Viertel der Mitgliedstaaten einen Vorschlag für einen Legislativakt unterbreiten (S. 5). Der Leitfaden ist online abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/QC3109179DEC.pdf (Stand: 2.5.11). 9 Wichard in: Callies/ Ruffert, Kommentar zu EUV und EGV, 3. Auflage 2007, Art. 208 EG, Rn. 2. 10 Zum Teil wird darauf verwiesen, dass dies aus dem Grundsatz der Organtreue folge und die Vorschrift andernfalls ins Leere gehe, da der Rat unverbindliche Anregungen jeder Zeit auch ohne Regelung im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, jetzt AEUV) an die Kommission richten könne, vgl. Wichard in: Callies/ Ruffert, Kommentar zu EUV und EGV, Art. 208 EG, Rn. 3. Nach anderer Ansicht verpflichten Aufforderungen nach Art. 208 EGV (jetzt 241 AEUV) zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung, wobei hinsichtlich des „ob“ des Tätigwerdens der Kommission der Ermessensspielraum beschränkt sei. Bezüglich des „wie“ wird dann von einem sehr weiten Ermessensspielraum der Kommission ausgegangen. S. Hix, in: Schwarze, EU- Kommentar, Art. 208 EG, Rn. 7. Nach einer noch weiter gehenden Auffassung hat die Kommission nur die Pflicht, sich mit der Aufforderung des Rates auseinanderzusetzen und ggf. eine ablehnende Haltung zu begründen , s. Breier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 5. Auflage 2010, Art. 241 AEUV, Rn. 3. Ob eine Weigerung der Kommission mit der Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV angegriffen werden kann, wurde vom Gerichtshof (EuGH) noch nicht entschieden – bejahend Breier, ebenda, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 7 im geschilderten (höchst theoretischen) Fall die Einleitung eines Rechtsetzungsverfahrens zu erreichen.11 2.2. Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages während des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Auch bei der weiteren Durchführung eines Verfahrens zur Änderung der RL 2000/84/EG könnte der Bundestag seinen Standpunkt gegenüber der Bundesregierung geltend machen. Eine Mitwirkung nationaler Parlamente am europäischen Rechtssetzungsverfahren selbst ist formell nur indirekt möglich, da das Recht der EU-Verträge eine Beteiligung der Mitgliedstaaten über die sie repräsentierenden Regierungen im Rat vorsieht. Der Bundestag könnte daher lediglich versuchen, die Bundesregierung zu einer bestimmten Position im Rat zu bewegen, um die Richtlinie im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens abzuändern bzw. ganz abzuschaffen . Eine direkte Kommunikation zwischen Bundestag und EP oder zwischen Bundestag und Kommission ist beim ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nicht vorgesehen. Im Bundestag ist durch die Geschäftsordnung auf Ausschussebene – insbesondere im EU-Ausschuss – allerdings eine enge Zusammenarbeit mit Mitgliedern des EP institutionalisiert. Denkbar sind darüber hinaus ein Meinungsaustausch und ein Deutlichmachen von Standpunkten auf Ebene der Fraktionen oder individueller MdBs gegenüber Fraktionen bzw. Landesgruppen aus dem EP oder einzelnen MdEPs. Die Möglichkeiten des Bundestages, auf das Wirken der Bundesregierung im Zusammenhang mit EU-Rechtssetzungsakten Einfluss zu nehmen, sind in Art. 23 Abs. 3 Grundgesetz (GG) näher geregelt : „Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.“ Diese Regelung wird durch das „Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union“ (EUZBBG) dahingehend konkretisiert, dass der Bundestag frühzeitig über Vorhaben im Bereich der Europäischen Union unterrichtet wird und nach § 9 EUZBBG die Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhält, die die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen im Rat zugrunde legt, § 9 Abs. 2 EUZBBG. Sollte die Bunderegierung eine i. S. d. Art. 23 Abs. 3 GG vom Bundestag beschlossene Stellungnahme in einem ihrer wesentlichen Belange nicht im Rat durchsetzen können, ist sie verpflichtet, einen Parlamentsvorbehalt einzulegen, § 9 Abs. 4 EUZBBG. 11 Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages auf das Handeln der Bundesregierung im Rat bestimmen sich nach § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, näher dazu s. unten unter Punkt 2.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 8 3. Zeitrahmen für das Vorhaben der Abschaffung der Sommerzeitregelung Wie oben beschrieben ist eine Änderung bzw. Abschaffung der Sommerzeitregelung in Deutschland nur möglich, wenn auf Unionsebene die RL 2000/84/EG selbst entsprechend geändert oder ihre Wirksamkeit aufgehoben würde. Zu diesem Zweck bedarf es eines Vorschlags für eine Änderungsrichtlinie , die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV verabschiedet werden muss. Der Zeitrahmen, der für eine Abschaffung der Sommerzeitregelung anzusetzen ist, richtet sich daher im Wesentlichen nach der Durchführungsdauer des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens .12 Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren beginnt mit der Unterbreitung eines Legislativvorschlags und durchläuft bis zu dessen Verabschiedung oder Ablehnung maximal drei Phasen bzw. Lesungen.13 Eine zeitliche Höchstdauer für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist nicht festgelegt , da die erste Lesung unter Beteiligung des Rates und des EP ohne Bindung an zeitliche Fristen abgehalten wird. Anhaltspunkte für den zeitlichen Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens kann aber eine statistische Analyse der Kommission aus dem Jahr 2009 über die Entwicklung des Verfahrens der Mitentscheidung nach Art. 251 EGV (Kommissionsbericht) bieten .14 Das Verfahren der Mitentscheidung wurde mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zwar in „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“ umbenannt. Die Umstellung auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren erfolgte aber nahezu ohne Änderungen im Hinblick auf den Ablauf und die inhaltliche Ausgestaltung des Verfahrens. Die Erkenntnisse aus dem Kommissionsbericht lassen sich daher weitgehend auf das neue Verfahren übertragen. Ausweislich des Kommissionsberichts wird die überwältigende Mehrheit der Gesetzgebungsverfahren (in dem Gesamtzeitraum 2004-2009: 72 %; 2008: 84 %) bereits nach Ende der ersten Lesung zum Abschluss gebracht.16 12 In Ermangelung belastbarer Datensätze können leider keine Angaben zu dem zeitlichen Rahmen im Vorfeld des Legislativvorschlags gemacht werden. 13 Beteiligte Organe sind die Kommission, der Rat und das EP. In einigen Fällen werden im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auch der Ausschuss der Regionen und der Wirtschafts- und Sozialausschuss eingebunden . 14 The Co-decision Procedure (Art. 251 EGV), Analysis and statistics oft he 2004-2009 Legislature, August 2009, informelles Dokument der Kommission, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/codecision/statistics/docs/report_statistics_public_draft_en.pdf (Stand: 2.5.11). Neue Erhebungen zum Verfahren der Mitentscheidung bzw. dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren wurden bislang nicht veröffentlicht. 16 Im Vergleich: Verfahrensabschluss nach der zweiten Lesung: 23 %; Verfahrensabschluss nach der dritten Lesung : 5 % (Zeitraum 2004-2009). Nach Angaben der Verwaltung des EP vom 18. April 2011 ist mittlerweile von einer Abschlussquote von ca. 90 % nach der ersten Lesung auszugehen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 9 Die Verfahrensdauer stellt sich nach den Angaben des Kommissionsberichts wie folgt dar:17 Einigung in Zeitraum 2004-2009 Kürzestes und längstes Verfahren Erster Lesung 15, 2* 1,8 / 47,9 Zweiter Lesung 31,3 11,9 / 108,1 Dritter Lesung 43,7 28,8 / 159,4 * Angaben in Monaten 4. Frühere Bestrebungen zur Umgestaltung der Sommerzeitregelung Auf Unionsebene wurde im Juni 2002 eine Nichtigkeitsklage gemäß ex-Artikel 230 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV – nunmehr Art. 263 AEUV) der Association contre l'heure d'été gegen die RL 2000/84/EG erhoben. Die Klage hat das Gericht erster Instanz (EuG) im Juni 2002 als unzulässig abgewiesen18. Als Begründung für die ergangene Entscheidung führte das EuG aus, dass die Association contre l'heure d'été weder vorgetragen noch bewiesen hätte, dass die RL 2000/84/EG ihre Mitglieder wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch so wie Adressaten individualisiert. Die Association contre l'heure d'été habe daher für sich das in Art. 230 Abs. 4 EGV (jetzt Art. 263 Abs. 4 AEUV) aufgeführte Erfordernis der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit nicht hinreichend belegen können.19 Die Fraktion der FDP im Bundestag setzte sich in ihrem Antrag vom 21. März 200720 für die permanente Einführung der Sommerzeit ein. Dem Antrag zufolge sei weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht ein Nutzen durch einen halbjährigen Zeitwechsel erkennbar. Dem gegenüber stünde jedoch ein technischer und bürokratischer Mehraufwand durch das Umstellen der Uhren. Schließlich sei die permanente Einführung der Sommerzeit, anders als die Winterzeit, besser geeignet, den gegenwärtigen Lebens- und Arbeitsgewohnheiten der Menschen zu entsprechen .21 Der Antrag wurde am 13. Dezember 2007 auf der 133. Sitzung des Bundestages in der 16. Wahlperiode mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der 17 Tendenziell ist nach den Angaben der Kommission mit einem Anwachsen der Verfahrensdauer zu rechnen. 18 EuG-Urteil vom 29.6.2002, Rs. T-84/01 - Association contre l'heure d'été gegen Parlament und Rat, ABl. C 156. 19 Rs. T-84/01, Rn. 26. 20 BT-Drs. 16/4773. 21 BT-Drs. 16/4773, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 55/11 Seite 10 FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.22 - Fachbereich Europa - 22 BT-Plenarprotokoll 16/133, S. 14014C - 14014D.