© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 051/20 Politische Parteien und Datenschutzrecht aus unionsrechtlicher Perspektive Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Politische Parteien und Datenschutzecht aus unionsrechtlicher Perspektive Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 051/20 Abschluss der Arbeit: 23.07.2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Politische Parteien im Unionsrecht 4 2.1. Primärrechtliche Ausgangslage 4 2.1.1. Art. 10 Abs. 4 EUV 5 2.1.2. Art. 12 GRC 5 2.2. Sekundärrecht – Die Parteienstatut-Verordnung 7 2.3. Begrenzter Anwendungsbereich des EU-Parteienrechts 7 2.4. Sonderstatus im Hinblick auf das Datenschutzrecht? 8 2.4.1. Art. 10a Parteienstatut-VO als Regelung zum Datenschutzrecht für europäische Parteien? 8 2.4.2. Erwägungsgrund Nr. 56 zur DS-GVO 9 2.5. Zwischenfazit 10 2.6. Geltung der DS-GVO für politische Parteien 10 2.7. Abschließende Bewertung 11 3. Unionsrechtliche Vorgaben an die rechtliche Eigenschaft der Datenschutzbehörden 12 3.1. Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit 12 3.2. Weitere Anforderungen 13 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 4 1. Fragestellung Politische Parteien sind als privatrechtlich organisierte Vereinigungen1 grundsätzlich verpflichtet , die Bestimmungen des europäischen und nationalen Datenschutzrechts einzuhalten. Die Verwaltung von Mitgliederdaten, die Nutzung dieser Daten durch Parteiorganisationen und viele weitere Verarbeitungssituationen müssen sich an den Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) messen lassen. Der Fachbereich Europa wurde beauftragt, verschiedene Fragen in diesem Zusammenhang zu beantworten . Gefragt war zunächst, wie das Verhältnis der für die Verarbeitung von Daten durch politische Parteien einschlägigen Vorschrift des Art. 9 DS-GVO zu Art. 21 Abs. 1 GG ist. Es wird untersucht, ob das Verbot der Verwendung von Daten mit politischem Meinungsinhalt einen Eingriff in die Mitwirkungsrechte der Parteien darstellt. Dabei ist zu klären, ob unter Umständen Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO, welcher ein Erlaubnistatbestand zur grundsätzlich untersagten Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten darstellt, vor dem Hintergrund des durch Art. 21 GG geschützten Status von Parteien bei der Auslegung dieser Vorschrift zu berücksichtigen ist. Abschließend werden die unionsrechtlichen Vorgaben für die rechtliche Eigenschaft der zuständigen nationalen Stelle erörtert, die zur Überprüfung der Einhaltung von Datenschutzvorgaben beauftragt werden soll. Vorab wird auf die Frage eingegangen, ob das Unionsrecht den politischen Parteien datenschutzrechtlich eine Sonderstellung einräumt. 2. Politische Parteien im Unionsrecht 2.1. Primärrechtliche Ausgangslage Politische Parteien sind im europäischen Primärrecht nur an wenigen Stellen erwähnt. Die europarechtliche Literatur schreibt ihnen als Funktion die Aggregation von Interessen, die politische Rückkopplung zwischen den Organen und Unionsbürgern und den Aufbau politischer Alternativen zur Konstituierung repräsentativer Demokratie als Herrschaft auf Zeit zu.2 Insgesamt hebt das europäische Primärrecht die besondere Stellung der politischen Parteien auf europäischer Ebene als Vermittler zwischen der gesellschaftlichen und der politischen Ebene in Art. 10 Abs. 4 EUV und Art. 12 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) hervor.3 In Art. 12 Abs. 1 GRC ist die Gründungs- und Betätigungsfreiheit politischer Parteien im Rahmen der Vereinigungsfreiheit unionsgrundrechtlich anerkannt. Inwieweit Art. 12 Abs. 2 GRC einen 1 Kunig, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, 3. Auflage 2005, § 40 Rn. 84. 2 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 10 EUV Rn. 14; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 10 EUV Rn. 112. 3 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, 2008, S. 176. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 5 eigene grundrechtliche Relevanz zukommt, ist weder in der Literatur noch durch die Rechtsprechung der Unionsgerichte abschließend geklärt. 2.1.1. Art. 10 Abs. 4 EUV In Art. 10 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) heißt es: „Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei.“ Daraus alleie ließe sich allerdings nicht ein etwaiges „Parteiengrundrecht“ ableiten. Vielmehr wird Art. 10 Abs. 4 EUV zunächst als institutionelle Garantie verstanden.4 Die primärrechtliche Anerkennung politischer Parteien auf europäischer Ebene erfolgte bereits in Art. 138a bzw. ab dem Vertrag von Nizza in Art. 191 Abs. 1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV). Dieser stellte fest, dass politische Parteien auf europäischer Ebene ein wichtiger Faktor der Integration der Union sind und dazu beitragen, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.5 Ähnlich der deutschen Regelung in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, welche besagt, dass Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, gilt diese Vorschrift als Anerkennung ihrer Notwendigkeit auf europäischer Ebene6 und als Zuweisung eines institutionellen Sonderstatus.7 Über diese generelle Aufgabenbestimmung hinaus entfaltet Art. 10 Abs. 4 EUV allerdings mangels detaillierter Regelungen (bspw. zu Spenden, innerer Organisation oder Mitgliedschaftsrechten) kaum eine rechtliche Wirkung.8 2.1.2. Art. 12 GRC In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist in Art. 12 Abs. 2 fast wortgleich erneut diese institutionelle Regelung zu finden. „(1) Jede Person hat das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und friedlich mit anderen zu versammeln und frei mit anderen zusammenzuschließen, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. 4 Morlok/Merten, Parteienrecht, S. 240; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 10 Rn. 56 5 Politische Parteien auf europäischer Ebene sind derzeit eher lose Dachorganisationen bzw. Zusammenschlüsse nationaler Parteien, beispielsweise die Sozialistische Partei Europas, die Europäische Volkspartei, die Europäischen Liberalen Demokraten und die Europäische Grüne Partei, vgl. Haltern, Europarecht, 3. Auflage 2017, Bd. I Rn. 723. 6 Umfassend dazu Tsatsos, EuGRZ 1994, S. 45-53. 7 Koch, in: Ipsen/Stüer, FS-Rengeling, 2008, S. 307. 8 Morlok, in: Vesting/Korioth, Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2014, S. 333 (346). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 6 (2) Politische Parteien auf der Ebene der Union tragen dazu bei, den politischen Willen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zum Ausdruck zu bringen.“ Größtenteils wird vertreten, dass zumindest Art. 12 Abs. 2 GRC gar keinen eigenständigen grundrechtlichen Kern für politische Parteien auf europäischer Ebene statuiere.9 Der Wortlaut der Vorschrift enthalte nicht das Wort „Recht“, ebenso sei der Schutz der politischen Parteien schon durch die Vereinigungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GRC gewährleistet.10 Teile der Literatur sind dennoch der Auffassung, dass durch den spezifischen Kontext, vor allem im Hinblick auf die systematische Stellung bei politischen Rechten wie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GRC, diese zunächst objektive Garantie subjektiviert wird und eine Gründungsund Betätigungsfreiheit politischer Parteien auf europäischer Ebene gewähre.11 Art. 12 Abs. 2 GRC hebt noch einmal wie Art. 10 Abs. 4 EUV die herausragende Bedeutung der politischen Parteien für die Demokratie der EU hervor, vor allem unter Berücksichtigung seiner systematischen Stellung zusammen mit der Vereinigungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GRC.12 Das eigentliche Grundrecht auf Bildung und Tätigwerden in politischen Vereinigungen, also auch für Parteien in den Mitgliedstaaten, ergibt sich aus der Vereinigungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GRC.13 In den sachlichen Schutzbereich fällt hier jeder Zusammenschluss von Personenmehrheiten zu einem gemeinsamen Zweck, der ein Mindestmaß an zeitlicher und organisatorischer Stabilität aufweist.14 Geschützt sind die Gründung einer neuen bzw. der Beitritt zu einer bereits bestehenden Vereinigung und darüber hinaus auch die Betätigung innerhalb ihrer Strukturen .15 Sowohl die natürlichen Personen, die sich in solchen Vereinigungen betätigen, als auch die Vereinigungen als juristische Personen selbst können sich auf Art. 12 Abs. 1 GRC berufen.16 9 Thiele, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 12 GRC Rn. 19; Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 12 GRC Rn. 15; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 12 GRC Rn. 9; eine Subjektivierung für die Zukunft aber nicht ausschließend Morlok, in: Vesting /Korioth, Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2014, S. 333 (344). 10 Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 12 GRC Rn. 9. 11 Kersten, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz (PartG) und Europäisches Parteienrecht, 2009, Art. 191 EGV Rn. 33; Schwartze, Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union, S. 117 ff. 12 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Rn. 5. 13 Mann/Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, 2. Auflage 2020, § 32 Rn. 17; Thiele, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 12 GRC Rn. 15; Bernsdorff, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Auflage 2019, Art. 12 Rn. 15. 14 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2017, Art. 12 GRC Rn. 14. 15 Pünder, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Auflage 2014, § 17 Rn. 40; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2017, Art. 12 GRC Rn. 17. 16 Augsberg, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 12 GRC Rn. 8; Thiele, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 12 GRC Rn. 16. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 7 Diese Vorgaben verpflichten nach Art. 51 GRC die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union; die Mitgliedstaaten nur dann, wenn sie Unionsrecht durchführen. Beeinträchtigungen der Vereinigungsfreiheit von politischen Parteien müssen nach den allgemeinen Regeln des Art. 52 Abs. 1 GRC zu rechtfertigen sein: Es bedarf somit einer gesetzlichen Grundlage und der Einhaltung der Schranken-Schranken, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit .17 2.2. Sekundärrecht – Die Parteienstatut-Verordnung Neben den beiden zentralen Vorschriften im Primärrecht enthält Art. 224 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einen Kompetenztitel für das Europäische Parlament und den Rat, Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene, insbesondere bezüglich ihrer Finanzierung, festzulegen. Im Jahr 2003 wurde die erste Verordnung (EG) Nr. 2004/200318 (Parteienstatut-VO) beschlossen, die nach zahlreichen zwischenzeitlichen Änderungen seit 2017 maßgeblich das europäische Parteienrecht regelt. Im Gegensatz zum Primärrecht, welches die Existenz von politischen Parteien schlichtweg voraussetzt , wird hier definiert, was als politische Partei auf europäischer Ebene in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Nach Art. 2 Nr. 1 Parteienstatut-VO sind das einerseits Vereinigungen von Bürgern, die politische Ziele verfolgen und nach der Rechtsordnung eines Mitgliedsstaats anerkannt sind, oder in Übereinstimmung mit dieser Rechtsordnung gegründet wurden . Andererseits kann es sich nach Art. 2 Nr. 2 auch um ein Bündnis politischer Parteien handeln in Gestalt einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen politischen Parteien und/oder Bürgern. Mit der aktuellen Fassung der Verordnung wurde bestimmt, dass Parteien auf europäischer Ebene nun bei Erfüllung verschiedener Voraussetzungen eine eigene europäische Rechtspersönlichkeit erlangen (Art. 12 Parteienstatut-VO). Diese entsteht ab dem Zeitpunkt, an dem die ebenfalls neu eingeführte Europäische Zulassungsbehörde die Partei nach den Vorgaben des Art. 9 Parteienstatut-VO zulässt und diese Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (Art. 15 Abs. 1 Parteienstatut-VO). 2.3. Begrenzter Anwendungsbereich des EU-Parteienrechts Im deutschen Verfassungsrecht gibt es in Art. 21 GG als zentralem Anknüpfungspunkt für Parteienrechte in Art. 21 Abs. 5 den Auftrag, einfachgesetzlich verbindliche Vorgaben für politischen 17 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Art. 52 GRC Rn. 19 ff. 18 Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung (ABl. Nr. L 297 S. 1). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 8 Parteien zu treffen. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit dem Parteiengesetz (PartG)19 nachgekommen und hat ein umfassendes Regelwerk geschaffen, welches insbesondere interne Organisation , Finanzierung und Pflichten festlegt. Im Gegensatz dazu können die sekundärrechtlichen Regelungen der Europäischen Union in der Parteienstatut-VO keine Wirkung für nationale Parteien entfalten. Art. 224 AEUV, auf den die Verordnung gestützt wird, entstand in Nachfolge zum ehemaligen Art. 191 Abs. 2 EGV. Der Anwendungsbereich dieser Norm wurde mit der sog. Erklärung Nr. 11 zum Vertrag von Nizza insoweit präzisiert, dass durch europäisches Sekundärrecht keine Hoheitsrechte übertragen werden sollten, die es der Europäischen Union erlauben, sich über die nationalen verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu politischen Parteien hinwegzusetzen.20 Es lässt sich somit zumindest festhalten , dass für Parteien auf europäischer Ebene die Vorgaben der Parteienstatut-VO gelten, auf Ebene der Mitgliedstaaten aber keine rechtlichen Bindungen von dieser ausgehen können – dort ist weiterhin das mitgliedstaatliche Recht maßgeblich.21 Die Europäische Union hat mithin keine Kompetenz zur Rechtssetzung im Hinblick auf politische Parteien in den Mitgliedstaaten. Die hier besprochenen Rechtsakte können nicht direkt auf deutsche Parteien angewendet werden, jedoch könnten sie dazu dienen, eine Tendenz des Unionsrechts , beispielsweise in Form gewisser Privilegierungen, zu erkennen. 2.4. Sonderstatus im Hinblick auf das Datenschutzrecht? 2.4.1. Art. 10a Parteienstatut-VO als Regelung zum Datenschutzrecht für europäische Parteien ? Art. 10a Parteienstatut-VO, welcher der Verordnung nachträglich hinzugefügt wurde,22 kann für die Ausgangsfragestellung als Argumentationshilfe herangezogen werden. Dieser befasst sich thematisch mit den Voraussetzungen an einen effektiven Datenschutz durch Parteien auf europäischer Ebene. Die Vorschrift lautet wie folgt: 19 BGBl. 1967 I 773, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.12.2015 BGBl. I 2563. 20 Die Erklärung Nr. 11 zum Vertrag von Nizza wurde zwar im Vertrag von Lissabon keine explizite Geltung verschafft , dennoch bezieht sich beispielsweise das Europäische Parlament in Erwägungsgrund Nr. 28 zu seiner Entscheidung vom 16.04.2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen auf diese Erklärung, KOM(2012) 0499 – C 7–0288/2012 – 2012/0237(COD)), Dok. EP A 7–0140/2013. 21 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 61. EL 2017, Art. 224 AEUV Rn. 6; Pünder , in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Auflage 2014, § 17 Rn. 45. 22 Eingefügt mit Wirkung vom 27.3.2019 durch VO (EU, Euratom) 2019/493 v. 25.3.2019 zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 im Hinblick auf ein Überprüfungsverfahren für im Zusammenhang mit Wahlen zum Europäischen Parlament begangene Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten (ABl. L 85I S. 7). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 9 „(1) Keine europäische politische Partei oder europäische politische Stiftung darf bewusst auf das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament Einfluss nehmen oder Einfluss zu nehmen versuchen, indem sie einen Verstoß von einer natürlichen oder juristischen Person gegen die geltenden Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten ausnutzt. (2) Wird die Behörde über eine Entscheidung einer nationalen Aufsichtsbehörde im Sinne von Artikel 4 Nummer 21 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates informiert, mit der festgestellt wird, dass eine natürliche oder juristische Person gegen geltende Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten verstoßen hat, und folgt aus dieser Entscheidung oder ist aus anderen Gründen davon auszugehen, dass der Verstoß mit politischen Tätigkeiten einer europäischen politischen Partei oder europäischen politischen Stiftung im Rahmen einer Wahl zum Europäischen Parlament zusammenhängt, befasst die Behörde den gemäß Artikel 11 der vorliegenden Verordnung eingerichteten Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten mit dieser Angelegenheit. Die Behörde kann erforderlichenfalls mit der betreffenden nationalen Aufsichtsbehörde zusammenarbeiten. (3)-(5) […]“ Diese Regelung wurde aus Sicht der Europäischen Kommission vor dem Hintergrund der datenschutzrechtlich relevanten Vorfälle um Facebook und Cambridge-Analytica im Hinblick auf die Europawahl 2019 notwendig. Ziel war es, die Einflussnahme auf Wahlergebnisse mittels gezielter Datenschutz-Verstöße durch politische Parteien effektiv bekämpfen zu können.23 Die Begründung der Änderungsverordnung zur Parteienstatut-VO geht davon aus, dass die grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Vorgaben auch für europäische politische Parteien gelten.24 Diesen wird datenschutzrechtlich, obwohl sie gemäß der primärrechtlichen Vorschriften einen hervorgehobenen Status im Unionsrecht haben, keine privilegierte Rechtsstellung bei Verstößen privater oder öffentlicher Stellen gegen die DS-GVO eingeräumt. Eine grundsätzliche Geltung der Datenschutzstandards für politische Parteien auf europäischer Ebene wird vorausgesetzt. 2.4.2. Erwägungsgrund Nr. 56 zur DS-GVO In den Erwägungsgründen zur DS-GVO findet sich ein Anhaltspunkt zu politischen Parteien, denen besondere Rechte zur Datenverarbeitung im Zusammenhang mit Wahlen gewährt werden. Erwägungsgrund Nr. 56 lautet: 23 Verordnung (EU, Euratom) 2019/493, Erwägungsgrund Nr. 3; spezifischer ist die Begründung des Vorschlags zur Änderung der ursprünglichen Parteienstatut-VO, COM(2018) 636 final - 2018/0328 (COD). 24 COM (2018), 636 final – 2018/0328 (COD) S. 3; dieser Ansicht schließt sich auch explizit der Europäische Wirtschafts - und Sozialausschuss in seiner Stellungnahme vom 12.12.2018 an (ABl. C 110 vom 22.03.2019, S. 72- 74). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 10 „Wenn es in einem Mitgliedstaat das Funktionieren des demokratischen Systems erfordert, dass die politischen Parteien im Zusammenhang mit Wahlen personenbezogene Daten über die politische Einstellung von Personen sammeln, kann die Verarbeitung derartiger Daten aus Gründen des öffentlichen Interesses zugelassen werden, sofern geeignete Garantien vorgesehen werden.“ Hier wird erneut der institutionelle Sonderstatus politischer Parteien deutlich. Diese dienen als Schnittstelle zwischen Staat und Gesellschaft der politischen Meinungsbildung, was auch die Mitwirkung bei demokratischen Wahlen angeht. Politische Parteien fungieren auf nationaler Ebene als „Wahlvorbereitungsorganisationen“.25 Deshalb soll bei geeigneten Garantien zum Schutz der personenbezogenen Daten die Möglichkeit bestehen, dass Parteien dieser Rolle beispielsweise mit Umfragen nachkommen können und sich ein politisches Meinungsbild verschaffen können. Aus dieser spezifischen Erwägung ergibt sich allerdings nur eine Wirkung für eine bestimmte Art von Datenverarbeitung. Auch bei dieser Art der Verarbeitung von personenbezogenen Daten müssten laut diesem Erwägungsgrund bestimmte Garantien eingehalten werden, welche einen hinreichenden Schutz für sensible Daten gewährleisten. Eine generelle datenschutzrechtliche Privilegierung mit Abweichungsmöglichkeit von Art. 6, 9 DS-GVO als Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Datenverarbeitung kann daraus noch nicht abgeleitet werden. 2.5. Zwischenfazit Das Unionsrecht gesteht den politischen Parteien auf europäischer Ebene eine besondere Stellung zu. Sie werden in Art. 10 Abs. 4 EUV als ein zentraler Baustein der europäischen Demokratie angesehen. Auch in Art. 12 GRC wird dieser besondere Schutz und die Relevanz für die politische Meinungsbildung hervorgehoben und die Bildung und freie Betätigung in Parteistrukturen grundrechtlich abgesichert. Mit der Parteienstatut-VO wurde ein verbindliches Regelwerk für diese Parteien geschaffen. Die Regelung der Parteienlandschaft in den Mitgliedstaaten unterliegt weiterhin dem nationalen Verfassungsrecht. Eine unionsrechtlich bedingte Privilegierung politischer Parteien im Datenschutzrecht lässt sich nach den bisherigen Untersuchungen nicht begründen. 2.6. Geltung der DS-GVO für politische Parteien Schließlich ist zu untersuchen, ob der institutionelle Sonderstatus politischer Parteien aus dem Verfassungs- und Unionsrecht bei der Anwendung der DS-GVO zu berücksichtigen ist. Gefragt war, ob Art. 9 Abs. 1 DS-GVO der durch das Verbot der Verwendung von Daten mit politischem Meinungsinhalt einen Eingriff in die Mitwirkungsrechte der Parteien darstellt, derart zu verstehen sei, dass Datenschutz auch gegen den demokratischen Willensbildungsprozess gerichtet sein könne (Frage 1.c) und ob Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO als Erlaubnistatbestand im Zweifel mit Blick auf Art. 21 Abs. 1 GG verfassungskonform ausgelegt werden müsse (Frage 2.b). 25 Mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Morlok, in: Dreier, GG, 3. Auflage 2015, Art. 21 Rn. 20. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 11 Grundsätzlich ist der Beantwortung dieser Fragen das Prinzip des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs voranzustellen: In ständiger Rechtsprechung stellt der EuGH klar, dass Rechtsakte der Europäischen Union dem nationalen Recht, auch dem Verfassungsrecht, vorgehen und letzteres im Kollisionsfall unangewendet bleibt.26 Das nationale Verfassungsrecht kann mithin wegen des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs weder Maßstab für Unionsrecht noch Bezugspunkt für dessen Auslegung sein. Eine verfassungskonforme Auslegung von Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO ist mithin nicht zulässig. Festzuhalten bleibt zudem, dass die europäischen Garantien für politische Parteien, ebenso wie die Parteienrechte aus Art. 21 GG, nicht uneingeschränkt gelten, sondern immer im Kontext mit kollidierenden Rechtspositionen gesehen werden müssen. Insbesondere Art. 8 GRC schützt die personenbezogenen Daten der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger und muss bei der Bestimmung des Umfangs von Parteienrechten berücksichtigt werden. Je nachdem, welche Daten betroffen sind und inwieweit diese für die demokratische Mitwirkung von Parteien relevant sind, muss entschieden werden, ob durch die Vorgaben der DS-GVO unter Umständen die Ausübung der Parteienrechte unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Datenschutzrecht ist nicht grundsätzlich gegen den Prozess der politischen Meinungsbildung gerichtet, sondern soll absichern, dass dabei der Schutz der personenbezogenen Daten sichergestellt wird, die, vor allem im parteipolitischen Kontext , besonders sensibel sein können. 2.7. Abschließende Bewertung Auch das Recht der Europäischen Union gewährt politischen Parteien, ähnlich wie Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, einen institutionellen Sonderstatus. Art. 10 Abs. 4 EUV bezeichnet ihre Existenz als Grundsatz der europäischen Demokratie. Die Gründung von Parteien und Ausübung von parteipolitischen Tätigkeiten ist von Art. 12 GRC geschützt. Dennoch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Abweichungen von Anforderungen an eine rechtmäßige Datenverarbeitung allein aufgrund der unionsrechtlichen Rechtsstellung von Parteien zulässig sind. In der Literatur lassen sich keine Hinweise für eine Privilegierung politischer Parteien hinsichtlich ihrer Verpflichtungen zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen finden. Im Einzelfall ist dann eventuell abzuwägen, ob Voraussetzungen der DS-GVO unrechtmäßige Beeinträchtigungen der Parteienrechte sein können. Dies hängt wie oben gesagt von der konkreten Situation, der Sensibilität der verarbeiteten Daten und der Relevanz für die politische Willensbildung durch die politischen Parteien ab. Eine pauschale Antwort lässt sich darauf nicht finden: dem Sonderstatus von Parteien kann nur im Rahmen einer Abwägung mit den anderen Rechtspositionen , hier besonders dem Datenschutz, Rechnung getragen werden. 26 EuGH, Urteil vom 05.02.1963, Rs. C-26/62 (Van Gend & Loos); EuGH, Urteil vom 15.07.1964, Rs. C-6/64 (Costa/E.N.E.L.; EuGH, Urteil vom 17.12.1970, Rs. C-11/70 (Internationale Handelsgesellschaft); detailliert zu den Wirkungen den Vorrangs Haltern, Europarecht, 3. Auflage 2017, Bd. II Rn. 1009 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 12 3. Unionsrechtliche Vorgaben an die rechtliche Eigenschaft der Datenschutzbehörden Die letzte Frage (Frage Nr. 6) zielt auf die unionsrechtlichen Vorgaben für die rechtliche Eigenschaft der zuständigen nationalen Stelle ab, welche zur Überprüfung der Einhaltung von Datenschutzvorgaben beauftragt werden soll. Sie steht nicht im Kontext von Parteienrechten und wird deshalb separat am Ende behandelt. Aufsichtsbehörden sind nach Art. 4 Nr. 21 DS-GVO die von einem Mitgliedstaat gemäß Art. 51 DS-GVO eingerichteten unabhängigen Stellen. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage sind somit die Art. 51 ff. DS-GVO. Nach Art. 52 Abs. 1 DS-GVO erfüllen diese ihre Aufgaben in „völliger Unabhängigkeit“. Wie dieser Begriff zu verstehen ist und welche weiteren Anforderungen an die mitgliedsstaatliche Verwaltungsorganisation gestellt werden, ist im Folgenden zu untersuchen. 3.1. Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit Die abstrakten Anforderungen an die behördliche Unabhängigkeit ergeben sich aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 AEUV, Art. 8 Abs. 3 GRC und Art. 51 Abs. 1 DS-GVO. Art. 52 DS-GVO gestaltet diese inhaltlich genauer aus, wobei kaum noch mitgliedsstaatliche Spielräume verbleiben.27 Das Grundverständnis von völliger Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH zur Datenschutzrichtlinie, insbesondere zur deutschen28 und österreichischen 29 Organisation der Datenschutzaufsicht. Der Ausdruck „in völliger Unabhängigkeit“ im Sinne des Art. 28 der damaligen Datenschutzrichtlinie sollte nach Auffassung des EuGH so zu verstehen sein, dass die zuständigen Kontrollstellen mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein müssen, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Jede äußere Einflussnahme, welche mittelbar oder unmittelbar die Entscheidungen steuert, soll unterbleiben.30 Es handelt sich dabei nicht nur um eine funktionelle, sondern um eine institutionelle Unabhängigkeit, die Rechts- und Fachaufsicht durch andere Stellen in der Verwaltungshierarchie verbietet.31 Diese Kriterien des EuGH sind in Art. 52 der DS-GVO als Nachfolgerin der Datenschutzrichtlinie umfassend kodifiziert. Sinn und Zweck dieser Unabhängigkeit ist es, einerseits das Interesse und Grundrecht der Unionsbürger auf einen effektiven Schutz personenbezogener Daten mit dem Ziel der Ermöglichung eines freien Verkehrs mit Daten in der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Die Aufsichtsbe- 27 Schneider, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 32. Edition Mai 2020, Art. 52 DS-GVO Rn. 1. 28 EuGH, Urteil vom 9.3.2010, Rs. C-518/07. 29 EuGH, Urteil vom 16.10.2012, Rs. C-614/10. 30 EuGH, Urteil vom 9.3.2010, Rs. C-518/07, insbesondere in den Rn. 19, 25, 30 und 50. 31 Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO Rn. 3; Ziebarth, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO, Rn. 26 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 13 hörden sind nur mit dieser Unabhängigkeit ausgestattet, die stets im Lichte dieses Zwecks betrachtet werden muss, um die erforderlichen Abwägungsentscheidungen ohne externe Einflussnahme vornehmen zu können.32 Mitglieder der Aufsichtsbehörden nehmen nach Art. 52 Abs. 2 DS-GVO keine äußeren Weisungen an und ersuchen solche auch nicht.33 Geschützt vor solchen Weisungen sind die in Art. 53 DS-GVO genannten Leitungspersonen der Aufsichtsbehörden; für Angestellte in den Aufsichtsbehörden gilt der speziellere Art. 52 Abs. 5 DS-GVO. Die Aufsichtsbehörden müssen mithin außerhalb der regulären Behördenstruktur stehen und sich lediglich vor den nationalen Parlamenten und Gerichten rechtfertigen. So wurden in Deutschland insbesondere die parlamentarischen Kontrollmechanismen in den Landesdatenschutzgesetzen nach den EuGH-Urteilen von 2010 und 2012 angepasst, um Konflikte mit dem Demokratieprinzip aufgrund der weitreichenden Unabhängigkeit dieser speziellen Verwaltungsbehörden zu vermeiden.34 3.2. Weitere Anforderungen Die Grundidee der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden kommt konkret in Unvereinbarkeitsregelungen (Art 52 Abs. 3 DS-GVO) und einer gewissen Personal- und Finanzautonomie (Art. 52 Abs. 4-6 DS-GVO) zum Ausdruck. Mit den Unvereinbarkeitsregelungen in Abs. 3 soll die Unparteilichkeit, Integrität und Vertraulichkeit der leitenden Personen gewährleistet werden.35 Die personelle und finanzielle Autonomie ist in Art. 52 Abs. 4-6 DS-GVO geregelt. Um den Aufgaben im Spannungsfeld zwischen Grundrechtsschutz und einheitlicher Rechtsanwendung im Binnenmarkt gerecht werden zu können, müssen die Aufsichtsbehörden in ausreichender Weise mit finanziellen und personellen Mitteln sowie der nötigen Infrastruktur zum Austausch mit den anderen mitgliedsstaatlichen Aufsichtsbehörden ausgestattet sein.36 Die DS-GVO hat mithin einen umfassenden Katalog an Voraussetzungen vorgegeben, den die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden erfüllen müssen, um als solche agieren zu können. Es kann 32 Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO Rn. 12. 33 Schneider, in: Wolff/Brink, BecklOK Datenschutzrecht, 32. Edition Mai 2020, Art. 52 DS-GVO Rn. 16; Ziebarth, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 52 Rn. 26. 34 Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO Rn. 6. 35 Schneider, in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 32. Edition Mai 2020, Art. 52 DS-GVO Rn. 22. Die meisten Datenschutzbeauftragten der Länder sind zusätzlich noch mit dem Schutz der Informationsfreiheit beauftragt . Da diese Aufgabe allerdings auch auf die Schaffung staatlicher Transparenz, nicht nur bezogen auf Daten natürlicher Personen, sondern Informationen generell umfasst, ergänzen sich diese beiden Ämter und sind nicht miteinander unvereinbar im Sinne der Norm - so zumindest die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG. 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO Rn. 8; Ziebarth, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 52 Rn. 34. 36 Vgl. Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 52 DS-GVO Rn. 9 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 051/20 Seite 14 somit nicht jede Stelle sein, die mittelbar oder unmittelbar staatliche Aufgaben wahrnimmt, sondern es muss eine Stelle - in föderalen Staaten wie der Bundesrepublik mehrere Stellen - sein, die in besonderem Maße unabhängig agieren kann. - Fachbereich Europa -