Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die telekommunikationsspezifische Netzzugangsregulierung des Koaxialnetzes - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 11 - 3000 - 50/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die telekommunikationsspezifische Netzzugangsregulierung des Koaxialnetzes Ausarbeitung WD 11 - 3000 - 50/09 Abschluss der Arbeit: 21. April 2009 Fachbereich WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Gemeinschaftsrechtlicher Rechtsrahmen 4 2.1. Netzzugangsspezifische Regelungen der Richtlinien 5 2.2. Umsetzung in Deutschland 6 3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einer telekommunikationsspezifischen Regulierung des Zugangs zum Koaxialnetz 6 3.1. Marktdefinition 7 3.1.1. Märkteempfehlung der Kommission 7 3.1.2. Bindungswirkung der Märkteempfehlung 8 3.2. Marktanalyse 9 3.3. Vorgaben hinsichtlich des Koaxialnetzes 9 4. Gemeinschaftsrechtskonforme Handlungsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur 11 - 4 - 1. Einleitung Das Kabelfernsehen in Deutschland wird über ein Koaxialnetz übertragen. Dieses Netz eignet sich unter bestimmten Voraussetzungen auch für die telekommunikationsspezifische Nutzung, also für Internet und Telefonie. Hierzu muss es insbesondere rückkanalfähig sein, d. h. Daten sowohl zum als auch vom Empfänger transportieren können. Das Koaxialnetz für Kabelfernsehen wird technisch auch als hybride Fibre Coaxial Netz (HFC) bezeichnet. Entsprechend ausgebaute Kabelnetze können große Datenmengen transportieren und werden deshalb den Breitbandnetzen zugeordnet. Als solche werden – jedenfalls von der deutschen Bundesnetzagentur – jene Netze bezeichnet, die Datenmengen größer als 128 Kbit/s übertragen können.1 Die telekommunikationsspezifische Nutzung des Koaxialnetzes, über das vor allem das Kabelfernsehen übertragen wird, ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet, weil in breiten Teilen die Rückkanalfähigkeit fehlt, allein für das Kabelfernsehen ist diese nicht notwendig. Zunehmend mehr Kabelfernsehgesellschaften in Deutschland bieten über das Koaxialnetz jedoch auch Internet und Telefonie an. Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, inwieweit es gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Regulierung des Zugangs zum Koaxialnetz hinsichtlich der Nutzung im Bereich der Telekommunikation gibt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Markt für Endkunden, die Telekommunikationsdienste von unterschiedlichen Anbietern in Anspruch nehmen können, und dem sog. Vorleistungsmarkt, auf dem – dem Endkundenmarkt vorgelagert – der Zugang zum Koaxialnetz von den Netzinhabern an andere Diensteanbieter angeboten und nachgefragt wird. Im Folgenden wird es vor allem um den Vorleistungsmarkt gehen. 2. Gemeinschaftsrechtlicher Rechtsrahmen Die telekommunikationsspezifische Regulierung von Netzzugängen ist zu weiten Teilen durch Sekundärrecht gemeinschaftsrechtlich determiniert. In der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie )2 hat die Europäische Gemeinschaft (EG) Regelungen über die Bedingungen für einen wirksamen Wettbewerb im Telekommunikationssektor in der Phase des Übergangs von Monopolbetrieben zum vollständigen Wettbewerb geschaffen. Insbesondere 1 Mitteilung Nr. 66/2005, Veröffentlichung eines Entwurfs zur Marktdefinition und Marktanalyse im Bereich des Breitbandzugangs für Großkunden (Bitstrom-Zugang), Markt Nr. 12 der Märkte- Empfehlung der EU-Kommission, Stand 16.3.2005, Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (ABl. RegTP) 2005, S. 334 f. 2 ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33 ff., abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:108:0033:0050:DE:PDF. - 5 - vor dem Hintergrund der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien soll für alle Übertragungsnetze und -dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gelten. Diese Rahmenrichtlinie der EG wird durch mehrere Einzelrichtlinien ergänzt, die Genehmigungsrichtlinie,3 die die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste regelt, die Universaldienstrichtlinie4 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten und die Zugangsrichtlinie,5 die den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung regelt. Die Richtlinien sind sämtlich auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 95 EGV, die Binnenmarktkompetenz , gestützt. Diese Regelungen des sog. Telekommunikationspakets der EG regeln den Telekommunikationsbinnenmarkt in der EG umfassend.6 2.1. Netzzugangsspezifische Regelungen der Richtlinien In der Rahmenrichtlinie werden in Art. 2 Begriffsbestimmungen vorgegeben, die sich auch auf die Einzelrichtlinien beziehen. Gemäß Art. 2 Buchst. a fallen unter den Begriff „elektronisches Kommunikationsnetz“ „Übertragungssysteme und gegebenenfalls Vermittlungs - und Leitwegeeinrichtungen sowie anderweitig Ressourcen, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische oder andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen“, hierunter sind nach einer breit gefassten Aufzählung unter anderem ausdrücklich auch Kabelfernsehnetze zu fassen. Der Ansatz des Gemeinschaftsrechts zur Regulierung des Telekommunikationsmarktes ist „technologieneutral“, bezieht sich also auf alle Formen der Telekommunikationstechnologie gleichermaßen.7 3 Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste, ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 21 ff. 4 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten (Universaldienstrichtlinie ), ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51 ff. 5 Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung , ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7 ff., abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:108:0007:0020:DE:PDF . 6 Im November 2007 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der bestehenden Telekommunikationsrichtlinien (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und – dienste, KOM[2007] 697 vom 13.1.2007). Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation kohärenter gestaltet werden, um den Binnenmarkt für Telekommunikation zu vollenden. Neben der Forderung nach einer eigenständigen Europäischen Regulierungsbehörde sollen die Frequenzverwaltung effizienter gestaltet und die Regulierungsmaßnahmen nationaler Regulierungsbehörden angepasst werden. Auswirkungen auf die telekommunikationsspezifische Nutzung des Koaxialnetzes werden damit – soweit ersichtlich – nicht verbunden sein. 7 Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rdnr. 9. - 6 - Die Rahmenrichtlinie regelt, näher ausgeführt durch die Einzelrichtlinien, die Aufgaben nationaler Regulierungsbehörden. Hierzu zählt unter anderem die in der Zugangsrichtlinie geregelte Regulierung des Zugangs zu Telekommunikationsnetzen jedweder Art. Gemäß Art. 8 der Zugangsrichtlinie können die nationalen Regulierungsbehörden Betreiber von Netzeinrichtungen u. a. dazu verpflichten, Dritten Zugang zu den Netzen zu verschaffen, wenn der Netzbetreiber auf dem relevanten Markt eine beträchtliche Marktmacht innehat. Die Art. 14 ff. der Rahmenrichtlinie erläutern näher, wie der relevante Markt zu bestimmen ist.8 Hinsichtlich des Zugangs zu Netzen sieht die Zugangsrichtlinie unterschiedliche Maßnahmen zur Regulierung vor, die von den nationalen Regulierungsbehörden eingesetzt werden können. Art. 12 der Zugangsrichtlinie regelt, dass neben der konkreten Verpflichtung , Zugang zu Kommunikationsnetzen zu gewähren, auch weniger stark eingreifende Mittel gewählt werden können: Der Betreiber kann z. B. verpflichtet werden, mit dem Unternehmen, das Zugang zu einem Netz begehrt, nach Treu und Glauben zu verhandeln oder einen bereits gewährten Zugang nicht nachträglich zu verhindern. Ebenso können Nebenpflichten auferlegt werden, hierzu gehören Verpflichtungen zu Preiskontrolle und Kostenrechnung (Art. 13 der Zugangsrichtlinie), zu Transparenz, zu Gleichbehandlung und zu getrennter Buchführung (Art. 9 – 11 der Zugangsrichtlinie). 2.2. Umsetzung in Deutschland Im deutschen Recht wurden die Richtlinien im Telekommunikationsgesetz (TKG)9 aus dem Jahr 2004 umgesetzt, das wegen der vielfältigen Neuerungen des EG- Telekommunikationspakets das TKG aus dem Jahr 1996 ersetzte. Zuständige Regulierungsbehörde in Deutschland ist die Bundesnetzagentur. Gemäß § 21 TKG kann diese Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über eine beträchtliche Marktmacht verfügen, unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichten, anderen Unternehmen Zugang zu diesen Netzen zu gewähren. An der grundsätzlichen Vereinbarkeit des TKG mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bestehen keine Zweifel. 3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einer telekommunikationsspezifischen Regulierung des Zugangs zum Koaxialnetz Vor dem Hintergrund dieses Rechtsrahmens ist zu prüfen, ob eine Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur, die den Zugang zum Koaxialnetz zu telekommunikationsspezifischen Zwecken betrifft, gemeinschaftsrechtlich zulässig wäre. 8 Vgl. hierzu sogleich, unter 3.1. und 3.2. 9 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22. Juni 2004, BGBl. I, S. 1190 ff. - 7 - Eine Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur in diesem Bereich würde auf der Rechtsgrundlage des § 21 TKG ergehen. Voraussetzung für eine solche Regulierung ist, dass die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze auf einem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen. Der Begriff der beträchtlichen Marktmacht ist aus dem EG-Wettbewerbsrecht, das in Art. 82 EGV von der „beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt“ spricht, entlehnt.10 Nach den Vorgaben der Rahmenrichtlinie läuft die Prüfung, ob eine beträchtliche Marktmacht vorliegt, zweistufig ab: Zunächst erfolgt eine Marktdefinition, an die sich eine Marktanalyse zur konkreten Identifikation von eventuell marktbeherrschenden Unternehmen anschließt. 3.1. Marktdefinition Im Rahmen der Marktdefinition erfolgt zunächst eine klassische Marktabgrenzung in sachlicher und räumlicher Hinsicht. Für die Bestimmung des sachlichen Marktes kommt es auf die Austauschbarkeit des relevanten Produkts auf der Nachfrageseite und die entsprechende Möglichkeit des Anbieters, sein Angebot umzustellen (sog. Angebotsumstellungsflexibilität ) an. Dabei ist jeweils zu prüfen, wie sich das Nachfrage- oder Angebotsverhalten bei einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung für ein bestimmtes Produkt ändern würde, wenn die Preise anderer Produkte unverändert blieben (sog. hypothetischer Monopolistentest).11 Im Anschluss an die Marktabgrenzung wird geprüft, ob der so bestimmte Markt regulierungsbedürftig ist. Dies wird anhand von drei Kriterien festgestellt. Erstens ist zu prüfen , ob auf dem Markt beträchtliche und anhaltende Zugangshindernisse bestehen. Dabei kann es sich um strukturelle, rechtliche oder regulatorische Hindernisse handeln. Das zweite Kriterium sieht vor, dass nur diejenigen Märkte für eine Regulierung in Betracht kommen, die nicht zu einem wirksamen Wettbewerb tendieren. Das dritte Kriterium ist erfüllt, wenn dem betreffenden Marktversagen mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln allein nicht angemessen entgegengewirkt werden kann. Bei kumulativer Erfüllung dieser Kriterien kommt eine Vorabregulierung des Marktes in Betracht, weil dann ein Wettbewerbsdefizit vorliegt. 3.1.1. Märkteempfehlung der Kommission Die Kommission gibt zur Erleichterung und Vereinheitlichung der sog. Marktdefinition in den einzelnen Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie regelmäßig eine sog. Märkteempfehlung ab, die eine sachliche Marktabgren- 10 Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rdnr. 11. 11 Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rdnr. 93. - 8 - zung und die Festlegung der etwaigen Regulierungsbedürftigkeit der jeweiligen Märkte beinhaltet. Die zurzeit geltende Märkteempfehlung datiert vom 17. Dezember 2007.12 Darin werden die drei Kriterien für die Bestimmung der Regulierungsbedürftigkeit des Marktes noch einmal näher erläutert. Im Anhang der Märkteempfehlung finden sich einige Märkte, für die die Kommission eine Vorabregulierung in den Mitgliedstaaten empfiehlt. Hierzu gehören z. B. der Markt für den Zugang von Privat- und Geschäftskunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten, der Markt für die Anrufzustellung in einzelnen Mobilfunknetzen und der Markt für den Breitbandzugang für Großkunden.13 3.1.2. Bindungswirkung der Märkteempfehlung Ob die von der Kommission empfohlenen Märkte in der vorgeschlagenen Form in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Regulierung anstehen, ist von den nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen des ihnen zustehenden Spielraums zu beurteilen. Damit stellt sich die Frage, ob die EU-Mitgliedstaaten auch solche Märkte, die nicht in der Märkteempfehlung der Kommission enthalten sind, regulieren können. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die Märkteempfehlung verbindlich wäre. Bereits der Begriff „Empfehlung “ spricht gegen die Rechtsverbindlichkeit, gem. Art. 249 Abs. 5 EGV sind Empfehlungen und Stellungnahmen gerade nicht verbindlich.14 Auch regelt Art. 15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie und ihm folgend § 10 Abs. 2 S. 3 TKG, dass die konkrete Festlegung der regulierungsbedürftigen Märkte unter weitestgehender Berücksichtigung der Märkteempfehlung der Kommission geschieht. Diese Formulierung schränkt die Gestaltungsmacht der nationalen Regulierungsbehörden zwar ein,15 hebt sie jedoch nicht auf. Dort, wo sich Besonderheiten in den Mitgliedstaaten ergeben, können die nationalen Regulierungsbehörden einzelne Märkte weiter oder enger fassen oder sogar neue Märkte – nach den Vorgaben der nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts – für regulierungsbedürftig halten. Dies folgt auch aus Art. 15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie, der ausdrücklich regelt, dass von den nationalen Regulierungsbehörden auch Märkte definiert werden können, die von den Empfehlungen der Kommission abweichen. Entschei- 12 Empfehlung der Kommission vom 17. Dezember 2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, 2007/879/EG; ABl. L 344 vom 28.12.2007, S. 65, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:344:0065:0069:DE:PDF . 13 Der Begriff des Großkunden ist aus dem Englischen unglücklich übersetzt; gemeint ist der Vorleistungsmarkt , vgl. Mitteilung Nr. 66/2005, Veröffentlichung eines Entwurfs zur Marktdefinition und Marktanalyse im Bereich des Breitbandzugangs für Großkunden (Bitstrom-Zugang), Markt Nr. 12 der Märkte-Empfehlung der EU-Kommission, Stand 16.3.2005, ABl. RegTP 2005, S. 333, Fn. 2. 14 Heinen, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 2006, § 10 Rdnr. 69. 15 Schultz, Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 3. - 9 - dend für die konkrete Marktbestimmung z. B. durch die Bundesnetzagentur bleibt, dass die abstrakten Bedingungen für einen regulierungsbedürftigen Markt, die in der Märkteempfehlung der Kommission vorgegeben werden und auch in § 10 Abs. 2 S. 1 TKG aufgeführt sind, erfüllt sind.16 Soweit von den Empfehlungen der Kommission abgewichen wird, ist gem. Art. 7 der Rahmenrichtlinie ein Konsultations- und Konsolidierungsverfahren mit der Kommission durchzuführen, diese kann ernsthafte Zweifel an dem Entwurf des Mitgliedstaates äußern und sogar dazu auffordern, den Entwurf zurückzuziehen . 3.2. Marktanalyse In einem zweiten Schritt ist von den Mitgliedstaaten eine konkrete Analyse der jeweiligen nationalen Märkte vorzunehmen, um zu überprüfen, ob bestimmte Unternehmen auf dem definierten Markt eine beträchtliche Marktmacht haben. Nach § 11 Abs. 1 S. 3 TKG ist dies der Fall, wenn ein Unternehmen entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt. Dies wird – den Vorgaben von Art. 14 ff. der Rahmenrichtlinie entsprechend – gem. § 3 Nr. 4 i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 3 – 5 TKG nach den Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht17 bestimmt. Hierbei wird zu großen Teilen auf die Rechtsprechung des EuGH und des EuG zum allgemeinen Wettbewerbsrecht verwiesen .18 Hohe Marktanteile können Indiz für eine beträchtliche Marktmacht sein, sind jedoch kein zwingender Grund.19 3.3. Vorgaben hinsichtlich des Koaxialnetzes Hinsichtlich des Zugangs zu Netzen im Allgemeinen ist durch die Kommission in der zurzeit aktuellen Märkteempfehlung wie bereits in der vorausgegangenen Märkteempfehlung im Bereich der hier einschlägigen Vorleistungsmärkte der Breitbandzugang für Großkunden (sog. Bitstrom-Zugang) als regulierungsfähiger Markt identifiziert worden .20 Die Kommission hat Bitstrom-Zugang so definiert, „dass der etablierte Betreiber eine Hochgeschwindigkeitsverbindung zum Kunden herstellt und diese Verbindung dann Dritten zur Verfügung stellt, damit sie Hochgeschwindigkeitsdienste anbieten 16 Schultz, Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 26; Heinen, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 2006, § 10 Rdnr. 69. 17 Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste, ABl. C 165 vom 11.7.2002, S. 6 ff., abrufbar unter: http://europa.eu/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/c_165/c_16520020711de00060031.pdf . 18 Vgl. Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht, Rdnr. 72 ff. 19 Vgl. Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rdnr. 105. 20 Empfehlung 2003/311/EG, ABl. L 114 vom 8.5.2003, S. 45 ff. - 10 - können“.21 Dabei hat die Kommission nicht ausdrücklich erläutert, ob die Hochgeschwindigkeitsverbindungen zum Kunden auch mittels eines Koaxialnetzes hergestellt werden können. Die konkrete Marktanalyse in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU hat ergeben, dass der von der Kommission zur Regulierung empfohlene Markt unterschiedlich weit ausgelegt wird. Die Kommission hat in mehreren Konsultations- und Konsolidierungsverfahren gem. Art. 7 der Rahmenrichtlinie festgestellt, dass Koaxialnetze nur dann in den Vorleistungsmarkt für Breitbandzugang fallen, wenn bewiesen werden kann, dass Koaxialnetze tatsächlich Einrichtungen anbieten, die zu Bitstrom-Zugang äquivalent sind.22 Dies steht in Einklang mit der Tendenz, dass die technische Konvergenz im Telekommunikationsbereich dazu führt, dass ähnliche Leistungsangebote durch verschiedene Übertragungstechniken vermittelt werden können und insoweit trotz technischer Abweichungen eine Produktaustauschbarkeit besteht.23 In Deutschland hat die Bundesnetzagentur bei der Analyse des Vorleistungsmarktes für den Breitbandzugang im Jahr 2005 auch das Koaxialnetz in die Untersuchung einbezogen .24 Dabei haben drei Anschlussanbieter des Koaxialnetzes, namentlich die Tele Columbus AG & Co. KG, die ish Gmbh & Co. KG und die NetCologne GmbH, jeweils bekundet, dass ein Angebot von Breitbandzugängen für Großkunden auf dem Vorleistungsmarkt von ihnen nicht gemacht werde.25 Bei der sachlichen Marktabgrenzung teilt die Bundesnetzagentur den Markt für Bitstrom-Zugänge in zwei Bereiche: Den, der auf einem IP(Internet-Protocol)-Zugang basiert, und den, der auf einem ATM(Asynchronous-Transfer-Mode)-Zugang gründet. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der IP-Bitstrom-Zugang und der HFC-Breitbandzugang, also der Zugang über das Koaxialnetz, als Breitbandzugang auf einer alternativen Infrastruktur einen gemeinsamen Markt bilden. Zwar sei zwischen den beiden Angeboten keine Angebotsumstellungsflexibilität auf Anbieterseite gegeben, weil auf die Anbieter bei der Umstellung ihres Angebots zu hohe Investitionskosten zukämen und ein solches Vorgehen zudem lange Vorlaufzeiten hätte. Doch sowohl die Austauschbarkeit aus Nachfragersicht als auch eine hohe Übereinstimmung der Nachfragermerkmale (gleiche Kundengruppen, 21 Mitteilung der Kommission „Entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von elektronischen Telekommunikationsdiensten, einschließlich multimedialer Breitband- und schneller Internet-Dienste“, ABl. C 272 vom 23.9.2000, S. 55 f. 22 Schultz, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 71 mit weiteren Nachweisen. 23 Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rdnr. 93. 24 Mitteilung Nr. 66/2005, Veröffentlichung eines Entwurfs zur Marktdefinition und Marktanalyse im Bereich des Breitbandzugangs für Großkunden (Bitstrom-Zugang), Markt Nr. 12 der Märkte- Empfehlung der EU-Kommission, Stand 16.3.2005, ABl. RegTP 2005, S. 330. Diese Marktanalyse basiert auf einer früheren Märkteempfehlung der Kommission aus dem Jahr 2003 (Empfehlung 2003/311/EG), in der der Markt für den Breitbandzugang von Großkunden ebenfalls zur Regulierung empfohlen wurde. 25 ABl. RegTP 2005, S. 350 f. - 11 - gleiches Massenmarktsegment) sprächen für einen gemeinsamen Markt.26 Hinsichtlich der Endkundenmärkte in diesem Bereich bilden Kabelanschlüsse und ADSL- Anschlüsse27 nach Ansicht der Bundesnetzagentur ebenfalls einen gemeinsamen Markt.28 Damit unterfällt das Koaxialnetz in Deutschland grundsätzlich dem von der Kommission zur Regulierung empfohlenen Markt für den Breitbandzugang für Großkunden , der von der Kommission für regulierungsbedürftig gehalten wird. Diese Einordnung wird in der Literatur teilweise kritisiert.29 Die an diese Marktdefinition anknüpfende Marktanalyse der Bundesnetzagentur kommt für das hier interessierende Koaxialnetz zu dem Ergebnis, dass es auf dem Markt für IP- Bitstrom-Zugang mit Übergabe auf IP-Ebene an verschiedenen Übergabepunkten der Netzhierarchie einschließlich HFC-Breitbandzugang mit Übergabe auf IP-Ebene ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gibt: Die Deutsche Telekom AG.30 Im Rahmen dieses Marktes hat die Bundesnetzagentur gegen die Deutsche Telekom AG eine Regulierungsverfügung erlassen, die den Zugang auf dem Markt für IP-Bitstrom- Zugang regelt.31 Die Deutsche Telekom AG wurde verpflichtet, Vereinbarungen transparent zu gestalten und an den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit auszurichten und bestimmte Informationen offen zu legen. Eine Verpflichtung, Zugang zu ihrem Netz zu gewähren, wurde nicht erteilt. 4. Gemeinschaftsrechtskonforme Handlungsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur Soweit ersichtlich sind bislang noch keine Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Zugangs zum Koaxialnetz der einzelnen Kabelfernsehnetzbetreiber zu telekommunikationsspezifischen Zwecken in Deutschland ergangen. Von der Bundesnetzagentur im Hinblick auf Kabelnetzbetreiber erlassene Regulierungsverfügungen betreffen bislang allein den Zugang von Programmdienstleistern, die allerdings keine Telekommunikationsdienste anbieten.32 Da es sich hierbei allein um 26 ABl. RegTP 2005, S. 365 f. 27 ADSL steht für Asymmetric Digital Subscriber Line; eine leistungsfähigere Variante der DSL- Technologie. 28 ABl. RegTP 2005, S. 378 ff. 29 Schultz, Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 74. 30 ABl. RegTP 2005, S. 421; auch auf dem Markt für ATM-Bitstrom-Zugang verfügt die Deutsche Telekom AG über beträchtliche Marktmacht. 31 Regulierungsverfügung vom 7.3.2007, BK 4a-06-006/R. 32 Beschluss der Beschlusskammer 3 der Bundesnetzagentur, BK 3b-06-014/R vom 17.4.2007, aufgehoben durch Urteil des VG Köln vom 21.1.2009, Az. 21 K 2048/07. Zurzeit läuft die Konsultation zu einer neuen Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur, die die Kritik des VG Köln aufgreift. - 12 - medienrechtliche Regulierungen handelt, ist der Zugang zum Koaxialnetz zu telekommunikationsrechtlichen Zwecken nicht betroffen. Eine konkrete Regulierung des Zugangs zum Koaxialnetz für telekommunikationsspezifische Zwecke wäre nur dann denkbar, wenn die Bundesnetzagentur – abweichend von der dargestellten Märkteempfehlung der Kommission, die sich insgesamt auf den Breitbandzugang für Großkunden bezieht, – eigenständig einen deutlich engeren Markt, der sich auf den Zugang zum Koaxialnetz zu Zwecken der Telekommunikation beschränkt, definieren und dann analysieren würde. Dies ist zwar gemeinschaftsrechtlich möglich, sofern die Voraussetzungen, die die Rahmenrichtlinie an die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes stellt, erfüllt sind. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen, einen solchen Markt zu definieren, gegeben sind, wäre Gegenstand einer konkreten Prüfung der Bundesnetzagentur , deren Ergebnis von den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt . Auch angesichts des bisherigen Vorgehens der Bundesnetzagentur erscheint ein solches Vorgehen als unwahrscheinlich: Spätestens bei der bereits im Jahr 2005 erfolgten Prüfung, wie weit der Markt für den Breitbandzugang durch Großkunden reicht, hätte die Bundesnetzagentur theoretisch eine engere Marktabgrenzung vornehmen können . Dies hat sie unterlassen und einen einheitlichen Markt für das Koaxialnetz und bestimmte Bitstrom-Zugänge definiert. - Fachbereich Europa -