PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Deutscher Bundestag Ausarbeitung Handelsübereinkommen EU – Kolumbien/Peru Einzelfragen zum Inkrafttreten und zur vorläufigen Anwendung bei verweigerter Ratifikation in einem EU-Mitgliedstaat PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 2 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 Handelsübereinkommen EU – Kolumbien/Peru Einzelfragen zum Inkrafttreten und zur vorläufigen Anwendung bei verweigerter Ratifikation in einem EU-Mitgliedstaat Aktenzeichen: PE 6 – 3000 – 049/13 Abschluss der Arbeit: 24.04.2013 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Hausleitung Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 3 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 Inhaltsverzeichnis 1 . E i n l e i t u n g 4 2 . Zum Inkrafttreten des Handelsabkommens 4 2.1. Vertragsparteien des Handelsabkommens: Abschluss als gemischtes Abkommen 5 2.2. Folge des Abschlusses des Handelsabkommens als gemischtes Abkommen für sein Inkrafttreten 6 2.3. AuswirkungeneinesmöglichenNichtinkrafttretensdesdeutschen Ratifizierungsgesetzes auf das Inkrafttreten des Handelsabkommens 6 3 . Zur vorläufigen Anwendbarkei t 7 3.1. Regelung der vorläufigen Anwendung 8 3.2. Wirkung der vorläufigen Anwendung 8 3.3. Beendigung der vorläufigen Anwendung 9 3.4. Auswirkungeneinermöglicherweisenichterfolgenden mitgliedstaatlichen Ratifizierung auf die vorläufige Anwendbarkeit des Handelsabkommens 10 3.4.1. Vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens 10 3.4.2. Völkerrechtliche Folgen einer gescheiterten Ratifikation 10 3.4.3. Unionsrechtliche Folgen einer gescheiterten Ratifikation 10 4 . Z u s a m m e n f a s s u n g 12 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 4 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 1 . E i n l e i t u n g Nachdem der Rat die Kommission im Januar 2009 ermächtigt hatte, im Namen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ein multilaterales Handelsabkommen mit Peru und Kolumbien auszuhandeln, wurde nach Abschluss der Verhandlungen im März 2011 das Handelsübereinkommen paraphiert. Mit Beschluss des Rates vom 31. Mai 20121 wurde u.a. die Unterzeichnung des Handelsübereinkommens durch den Präsidenten des Rates im Namen der Union genehmigt und seine vorläufige Anwendbarkeit mit Ausnahme der Art. 2, 202 Abs. 1, 291 und 292 des Handelsabkommens nach Abschluss der dafür erforderlichen Verfahren erklärt. Das Abkommen wurde dann seitens der EU am 26. Juni 2012 in Brüssel unterzeichnet. Die EU-Mitgliedstaaten hatten vorab unterzeichnet. Das Europäische Parlamente (EP) hat dem Übereinkommen am 11. Dezember 2012 zugestimmt. Peru hat sein innerstaatliches Ratifizierungsverfahren am 8. Februar abgeschlossen, so dass es zwischen der EU und Peru seit dem 01. März 2013 vorläufig angewandt wird.2 Kolumbien plant den Abschluss seines internen Ratifizierungsverfahrens im Laufe des nächsten Monats.3 Gegenstand dieser Ausarbeitung sind Einzelfragen des Inkrafttretens (dazu unter 2.) und zur vorläufigen Anwendbarkeit (dazu unter 3.) dieses Abkommens. 2 . Zum Inkrafttreten des Handelsabkommens Das gemischte Handelsabkommen ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, durch den für die Vertragsparteien gegenseitige Rechte und Pflichten begründet werden. Die völkerrechtliche Bindungswirkung zwischen den Vertragsparteien (pacta sunt servanda, Art. 26 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge – WVK4) tritt aber grundsätzlich erst mit dem Inkrafttreten des Abkommens, also zu dem Zeitpunkt ein, der von den Vertragsparteien vereinbart wurde (vgl. 1 Beschluss des Rates vom 31. Mai 2012 zur Unterzeichnung – im Namen der Union – des Handelsübereinkommens zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits und über die vorläufige Anwendung diese Übereinkommens (2012/73/EU); online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:354:0001:0002:DE:PDF, zuletzt abgerufen am 23.04.2013. 2 Mitteilung über die vorläufige Anwendbarkeit zwischen der Europäischen Union und Peru des Handelsübereinkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits, ABl. L vom 28.02.2013, 56/1. Das Amtsblatt der Union ist online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/RECHreferencepub.do?ihmlang=de, zuletzt abgerufen am 23.04.2013. 3 Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 28.02.2013, IP/13/173, online abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-releaseIP-13-173de.htm, zuletzt abgerufen am 23.04.2013. Vgl. auch MEMO European Commission Memo „The EU's free trade agreements – where are we?“, online abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-releaseMEMO-13-282en.htm, zuletzt abgerufen am 23.04.2013. 4 BGBl. 1985 II S. 926. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 5 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 Art. 24 Abs. 1 WVK5). Eine Ausnahme davon bildet die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages gemäß Art. 25 WVK.6 2.1. Vertragsparteien des Handelsabkommens: Abschluss als gemischtes Abkommen Entscheidend ist damit zunächst, wer die Vertragsparteien des Abkommens sind. In Art. 6 des Abkommens wird der Begriff der Vertragspartei bestimmt. Danach „bezeichnet der Ausdruck Vertragspartei die Europäische Union oder ihre Mitgliedstaaten oder die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer sich aus dem [AEUV] ergebenden Zuständigkeiten (im Folgenden EU-Vertragspartei) oder jeden unterzeichnenden Andenstaat.“ Das Handelsabkommen wurde also nicht – wie zunächst erwogen7 – als in der ausschließlichen Kompetenz der EU liegendes, reines Handelsabkommen nach Art. 207 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) geschlossen, sondern als sogenanntes gemischtes Abkommen. Darunter versteht man völkerrechtliche Verträge, die die EU unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten auf der Grundlage sowohl von Unions- als auch von mitgliedstaatlichen Kompetenzen abschließt .8 Ein „gemischtes Abkommen“ muss obligatorisch dann geschlossen werden, wenn die Abkommensmaterie sowohl Zuständigkeitsbereiche der EU als auch Bereiche betrifft, die in die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen.9 Es gibt zwar auch Fälle von fakultativ gemischten Abkommen.10 Da das hiesige Abkommen jedenfalls mit Art. 2 (Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen), Art. 202 Abs. 1 (Verweis auf strafrechtliche Sanktionen) sowie Art. 291 und 291 (Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe) Regelungen für Bereiche enthält, die in die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen, ist vorliegend aber von einem obligatorischen gemischten Abkommen auszugehen. 5 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBL. 1985 II S. 926 (UNTS BD 1155, S. 331). 6 Dazu siehe unten 3. Zur vorläufigen Anwendbarkeit, S. 7. 7 Vgl. dazu die als Anlage beigefügte Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 85/10: Notwendigkeit der Ratifizierung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kolumbien und Peru von Dr. Kristin Rohleder vom 15. April 2010. 8 Vgl. Vranes, Gemischte Abkommen und die Zuständigkeit des EuGH – Grundlagen und neuere Entwicklungen in den Außenbeziehungen, Europarecht (EuR) 2009, S. 44 (44). 9 Bollrath, Die Vertragsschlusskompetenz der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gemeinsamen Handelspolitik, 2008, S. 63; Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2007, Art. 300 EGV, Rn. 30; Bungenberg, Going Global? The EU Common Commercial Policy after Lisbon, in: Herrmann/Terhechte (Hrsg.), European Yearbook of International Economic Law 2010, S. 123 (133). 10 Hierzu im Einzelnen: Bollrath, Die Vertragsschlusskompetenz der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gemeinsamen Handelspolitik, 2008, S. 63; Terhechte, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Auflage 2009, Art. 300 EGV, Rn. 12. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 6 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 2.2. Folge des Abschlusses des Handelsabkommens als gemischtes Abkommen für sein Inkrafttreten Dass vorliegende Handelsabkommen tritt gemäß seines Art. 330 Abs. 2 „zwischen der EU-Vertragspartei und jedem unterzeichnenden Andenstaat am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem die EU- Vertragspartei und der jeweilige unterzeichnende Andenstaat die letzte nach Abs. 1 vorgesehene Notifikation beim Verwahrer hinterlegt haben.“ In Art. 330 Abs. 1 des Handelsabkommens heißt es: „Jede Vertragspartei notifiziert allen anderen Vertragsparteien und dem Verwahrer nach Art. 332 schriftlich den Abschluss ihrer für das Inkrafttreten des Übereinkommens erforderlichen internen Verfahren.“ Aus Art. 330 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Handelsabkommens folgt also, dass dieses erst in Kraft tritt, wenn sowohl Kolumbien und Peru einerseits als auch die EU und ihre einzelnen Mitgliedstaaten andererseits ihre jeweiligen internen bzw. innerstaatlichen Genehmigungsverfahren (innerstaatliche Ratifikation) abgeschlossen und sich dies auch gegenseitig entsprechend Art. 330 des Handelsabkommens notifiziert (völkerrechtliche Ratifikation) haben. Für die EU ist das interne Genehmigungsverfahren für (reine) Handelsabkommen in Art. 207 Abs. 3 i.V.m. Art. 218 AEUV geregelt.11 Auch für als gemischte Abkommen geschlossene Handelsabkommen kommt seitens der EU das Verfahren nach Art. 207 i.V.m. Art. 218 AEUV zur Anwendung. Die Beschlüsse des Rates werden jedoch nicht mit qualifizierter Mehrheit sondern einstimmig gefasst.12 Zudem bedarf das Handelsabkommen als gemischtes Abkommen auch der innerstaatlichen Genehmigung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten nach dem jeweiligen nationalen Recht und damit regelmäßig der Beteiligung der nationalen Parlamente. Es handelt sich insofern rechtlich um eine Addition der Verfahren nach Art. 207 i.V.m. 218 AEUV und der nationalen Verfahren der einzelnen Mitgliedstaaten.13 2.3. Auswirkungen eines möglichen Nichtinkrafttretens des deutschen Ratifizierungsgesetzes auf das Inkrafttreten des Handelsabkommens Würde in Deutschland das innerstaatliche Ratifizierungsgesetz nicht zustande kommen und damit die innerstaatliche Ratifizierung des Handelsabkommens in Deutschland scheitern , hätte das entsprechend der Vorschrift des Art. 330 des Handelsabkommens zur Folge, dass das Abkommen in Gänze nicht in Kraft treten kann. 11 Vgl. dazu die als Anlage beigefügte Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 266/10: Verfahrensrechtliche Fragen zum Abschluss von Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten sowie zum Abschluss von „gemischten Abkommen“ von Dr. Kristin Rohleder vom 05.01.2011. 12 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EV, 4. Auflage 2011, Art. 218 EGV, Rn. 29. 13 Vedder, Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten: Kompetenzen, gemischte Abkommen, völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Wirkungen des Völkerrechts, EuR 2007, Beiheft 3, 57 (77). PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 7 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 Denn das Inkrafttreten des gesamten Abkommens hängt nach der Regelung in Art. 330 des Handelsabkommens von der Ratifikation durch „die EU-Vertragspartei“ ab. Gemäß Art. 6 des Handelsabkommens zählen zur EU-Vertragspartei auf der einen Seite die EU und ihre Mitgliedstaaten und auf der anderen Seite die EU oder ihre Mitgliedstaaten. Entsprechend bedarf es der Ratifikation durch die EU und durch jeden einzelnen Mitgliedstaat. Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass im Falle eines Abschlusses eines reinen Handelsabkommens nach Art. 207 AEUV eine innerstaatliche Ratifikation in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht erforderlich wäre. In einem solchen Fall bedürfte es nur der Ratifikation durch die EU. Die von der Union geschlossenen Übereinkünfte binden gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV die Organe der Union und die Mitgliedstaaten, so dass von der Union eingegangene Handelsabkommen ohne weiteren Transformationsakt zu „integrierenden Bestandteilen des Gemeinschaftsrechts “ werden.14 Die Wirkungen der reinen Handelsabkommen in der EU-Rechtsordnung ergeben sich also unmittelbar aus dem Unionsrecht. Als Bestandteil der Unionsrechtsordnung genießen reine Handelsabkommen Vorrang gegenüber mitgliedstaatlichem Recht. Diese Wirkungen haben auch jene Regelungen in gemischten Abkommen wie dem vorliegenden, die unter die EU- Zuständigkeiten fallen.15 Entscheidend ist jedoch, dass im Falle eines gemischten Abkommens neben der Ratifikation durch die EU zwingend auch die innerstaatliche Genehmigung in den einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich ist. Das Inkrafttreten des hier gegenständlichen Handelsabkommens hängt also von der Ratifikation durch alle Vertragsparteien, d.h. Kolumbien, Peru, die EU und jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat und nicht etwa nur von der Ratifikation durch eine gewisse Anzahl von Vertragsparteien ab. Insofern hätte die verweigerte Ratifikation durch einen EU-Mitgliedstaat zur Folge, dass das gesamte Abkommen inklusive der Vorschriften, die in EU-Kompetenz liegen, scheiterte.16 Das Handelsabkommen kann folglich nicht in Kraft treten, wenn es in einem Mitgliedstaat das innerstaatliche Genehmigungsverfahren nicht erfolgreich durchläuft. 3. Zur vorläufigen Anwendbarkeit Unabhängig von dem (zukünftigen) Inkrafttreten des Handelsabkommens nach Abschluss aller internen Ratifikationsverfahren hat der Rat am 31. Mai 201217 beschlossen, dass das Übereinkommen , ausgenommen die Regelungen des Art. 2, des Art. 202 Abs. 1 und der Art. 291 und 292 gemäß Art. 330 Abs. 3 des Handelsabkommens, von der Union vorläufig angewandt wird, bis die für seinen Abschluss erforderlichen Verfahren abgeschlossen sind. 14 EuGH. Rs. 181/73, Haegeman, Slg. 1974, 449 Rn. 2 ff.; EuGH, Rs. 12/86, Demirel, Slg. 1987, 3747 Rn. 7; EuGH, Rs. C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461 Rn. 8. 15 Weiß, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 49. EL 2012, Art. 207 AEUV, Rn 198 m.w.N. 16 Vedder, aaO, 78. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 8 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 17 Vgl. Fn. 1. PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 9 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 3.1. Regelung der vorläufigen Anwendung Gemäß Art. 25 Abs. 1 lit. a) WVK kann ein völkerrechtlicher Vertrag bereits vor seinem Inkrafttreten vorläufig angewandt werden, wenn das in dem Vertrag vorgesehen ist. Eine solche Regelung findet sich in Art. 330 Abs. 3 des Handelsabkommens. Dort heißt es: „Ungeachtet des Absatzes 2 können die Vertragsparteien dieses Übereinkommen ganz oder teilweise vorläufig anwenden. Jede Vertragspartei notifiziert dem Verwahrer und allen anderen Vertragsparteien den Abschluss der für die vorläufige Anwendung dieses Übereinkommens erforderlichen internen Verfahren. Die vorläufige Anwendung dieses Übereinkommens zwischen der EU-Vertragspartei und einem unterzeichnenden Andenstaat beginnt am ersten Tag des Monats, der auf den Tag folgt, an dem die EU-Vertragspartei und der betreffende unterzeichnende Andenstaat die letzte Notifikation beim Verwahrer hinterlegt haben.“ Insofern ist Voraussetzung für eine vorläufige Anwendung des Handelsabkommens zum einen der Abschluss der internen Genehmigungsverfahren für eine vorläufige Anwendbarkeit in Kolumbien und Peru sowie in der EU und zum anderen die gegenseitige Notifizierung derselben. Denkbar ist auch eine vorläufige Anwendbarkeit zwischen Peru bzw. Kolumbien und einem (einzelnen ) EU-Mitgliedstaat. Dann müsste in dem jeweiligen Mitgliedstaat ein entsprechendes internes Genehmigungsverfahren für eine vorläufige Anwendbarkeit durchgeführt werden. Für die vorläufige Anwendbarkeit des Handelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien bzw. Peru kommt es aber weder auf den Abschluss der unionsinternen und/oder mitgliedstaatlichen Ratifikationsverfahren hinsichtlich des Handelsabkommens insgesamt noch auf die Durchführung eines innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens hinsichtlich der vorläufigen Anwendung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten an. Die Anforderungen an das interne Genehmigungsverfahren für eine vorläufige Anwendbarkeit in der EU sind in Art. 218 Abs. 5 AEUV geregelt. Nach dieser Vorschrift erlässt der Rat auf Vorschlag des Verhandlungsführers (der Kommission) einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden. Eine Beteiligung des Europäischen Parlaments oder der mitgliedstaatlichen Parlamente ist nicht vorgesehen. Entsprechend enthält auch die Vorschrift des Art. 330 Abs. 3 des Handelsabkommens kein Erfordernis, die EU Mitgliedstaaten an einer Entscheidung über die vorläufige Anwendung des Handelsteils zu beteiligen. Der Ratsbeschluss zur vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens18 wurde entsprechend auf Art. 218 Abs. 5 AEUV gestützt. 3.2. Wirkung der vorläufigen Anwendung Durch den Beschluss der vorläufigen Anwendung und durch seine Notifizierung gegenüber Kolumbien und Peru, die diese Erklärung ebenfalls abzugeben haben, werden schon vor Inkrafttreten des Abkommens völkerrechtliche Rechte und Pflichten (Außenwirkung) für die EU und da- PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 10 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 mit indirekt für die EU-Mitgliedstaaten begründet.19 Durch die Vereinbarung der vorläufigen Anwendung werden die Vertragspartner schon vor dem Inkrafttreten des Abkommens zur Ausführung der Vertragsbestimmungen verpflichtet.20 Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten (Innenwirkung) bewirkt der Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung, dass jedenfalls die Regelungen aus dem Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Union schon vor Inkrafttreten des Abkommens als Teil des Unionsrechts dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts unterliegen. So wurden auch die in mitgliedstaatlicher Zuständigkeit liegenden Regelungen des Handelsabkommens in Art. 3 des Ratsbeschlusses 2012/735/EU ausdrücklich von der vorläufigen Anwendung ausgenommen. Im Verhältnis zu Peru werden die in Unionszuständigkeit liegenden Regelungen des Handelsabkommens seit dem 01. März 2013 vorläufig angewandt. In Kolumbien wird der Abschluss der innerstaatlichen Genehmigungsverfahren in den nächsten Wochen erwartet, so dass das Handelsabkommen dann auch im Verhältnis EU-Kolumbien vorläufig angewandt würde.21 3.3. Beendigung der vorläufigen Anwendung Die Anwendung des Abkommens bleibt insofern vorläufig, als dass sie dann endet, wenn das Vertragswerk nach erfolgreicher Ratifikation in Kraft tritt und somit die provisorische Bindung der Vertragsparteien in eine endgültige übergeleitet wird.22 Weiterhin wird die vorläufige Anwendung beendet, wenn die EU gemäß Art. 25 Abs. 2 WVK Kolumbien und Peru die Beendigung der Bindungswirkung bzw. die Absicht, nicht Vertragspartei zu werden (ausdrückliche Ratifikationsverweigerung23), notifiziert. In der Vergangenheit ist vereinzelt vertreten worden, dass die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages auch endet, wenn aus dem Zeitablauf auf eine Nichtratifikation geschlossen werden könne.24 Da vorliegend weder eine Ratifikationsfrist vereinbart wurde noch die Möglichkeit besteht, an Hand des Vertragstextes einen Zeitpunkt festzulegen, nach dem die Ratifizierung verspätet wäre, ist von einer unbeschränkten Fortdauer der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens bis zur ausdrücklichen Ratifikationsverweigerung durch die EU oder einen der amerikanischen Vertragspartner auszugehen. Damit tritt zwar während des Zeitraums der vorläufigen Anwendung eine inhaltlich vollständige aber noch keine endgültige völkerrechtliche Bindungswirkung im Hinblick auf die für vorläufig 19 Krieger, in Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, 2012, Art. 25, Rn. 29 m.w.N.; Schmalenbach, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 4. Auflage 2011, Art. 218 AEUV, Rn. 6. 20 Krenzler, Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge, Wuppertal 1963, S. 58 m.w.N.. 21 Vgl. oben 1. Einleitung, S. 4. 22 Krenzler, a.a.O., S. 81. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 a.E. des Ratsbeschlusses 2012/735/EU. 23 Krenzler, a.a.O., S. 81. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 11 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 18 Vgl. oben 1. 24 Krenzler, a.a.O., S. 88 unter Hinweis auf Fitzmaurice, UN Do. A/CN.4/01, Art. 41, 1. PE 6 – 3000 – 049/13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 12 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 anwendbar erklärten Vorschriften ein. Die Vertragsparteien müssen aber bei einer vorläufigen Vertragsanwendung vor Ratifikation jederzeit mit der Möglichkeit der Verweigerung der Ratifikation rechnen.25 Die vorläufige Anwendung des Abkommens endet jedoch erst mit der entsprechenden Notifikation einer gescheiterten Ratifikation. 3.4. Auswirkungen einer möglicherweise nicht erfolgenden mitgliedstaatlichen Ratifizierung auf die vorläufige Anwendbarkeit des Handelsabkommens 3.4.1. Vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens Auf der einen Seite entfaltet das Handelsabkommen durch die vorläufige Anwendung gemäß Art. 330 Abs. 3 des Abkommens schon vor seinem Inkrafttreten völkerrechtliche Bindungswirkung zwischen Peru (und aller Vorrausicht nach bald auch Kolumbien) einerseits sowie der EU andererseits (Außenwirkung). Auf der anderen Seite hat es durch den Ratsbeschluss Innenwirkung im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten insofern, als dass es als Teil des Europäischen Unionsrechts dem Anwendungsvorrang unterliegt. Zur Beantwortung der Frage nach den Folgen einer gescheiterten Ratifikation des Handelsabkommens für seine vorläufige Anwendung ist zwischen diesen beiden Wirkungen der vorläufigen Anwendung zu unterscheiden.26 3.4.2. Völkerrechtliche Folgen einer gescheiterten Ratifikation Völkerrechtlich bleibt die vorläufige Anwendung des Abkommens so lange unberührt, bis die Europäische Union gemäß Art. 25 Abs. 2 WVK den südamerikanischen Vertragsparteien ihre Absicht , nicht Vertragspartei des Assoziierungsabkommens zu werden, notifiziert. Das Schicksal der vorläufigen Anwendung des Handelsteils hängt damit entsprechend dem Sinn einer vorläufigen Anwendung völkervertraglicher Regelungen27 aus Sicht des Völkerrechts nicht von der Ratifikation und/oder dem Inkrafttreten des Abkommens selbst ab. Insofern hätte eine gescheiterte Ratifikation des Abkommens in einem Mitgliedstaat völkerrechtlich keine Auswirkungen auf seine vorläufige Anwendung. Das Abkommen bleibt vielmehr völkerrechtlich solange vorläufig anwendbar , bis entweder Kolumbien oder Peru oder die EU die vorläufige Anwendbarkeit einseitig durch entsprechende Notifikation beendet. 3.4.3. Unionsrechtliche Folgen einer gescheiterten Ratifikation Durch den Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung des Handelsabkommens wurden seine Regelungen zum Teil des Unionsrechts und nehmen insofern am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teil. Diese Wirkung bleibt solange bestehen, bis der Ratsbeschluss keine Wirkung mehr entfaltet. Allein eine gescheiterte Ratifikation in einem Mitgliedstaat hat insofern keine unionsrechtlichen Folgen für die vorläufige Anwendung des Handelsteils. 25 Krenzler, a.a.O., S. 75. 26 Zur Innen- und Außenwirkung völkerrechtlicher Verträge vgl. Kunig, in Vitzthum, Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 37ff.. 27 Krieger, a.a.O., Rn. 1. 18 Vgl. oben 1. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 13 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 Das Unionsrecht sieht jedoch keine Regelung für eine Aufhebung des Ratsbeschlusses nach Art. 218 Abs. 5 AEUV im Fall der gescheiterten Ratifikation eines vorläufig anwendbar erklärten völkerrechtlichen Vertrages vor. So gibt es keine Rechtspflicht, die vorläufige Anwendung des Abkommens im Falle des Scheiterns der Ratifikation zu beenden. Weder im Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung des Abkommens noch im AEUV finden sich Vorschriften über die Dauer der vorläufigen Geltung im Falle der gescheiterten Ratifikation. Art. 218 AEUV regelt in Abs. 5 lediglich die Genehmigung der vorläufigen Anwendung vor dem Inkrafttreten, nicht aber ihre Rücknahme. Soweit erkennbar hat es auch in der Vergangenheit noch nicht den Fall gegeben , dass die Ratifizierung eines vorläufig anwendbaren völkerrechtlichen Vertrages im Europäischen Parlament und/oder in einem Mitgliedstaat gescheitert ist. Es ist aber davon auszugehen, dass der Rat wiederum durch Beschluss entscheiden kann, die vorläufige Anwendung des Handelsteils zu beenden und dadurch seine Vorschriften wieder aus dem Unionsrecht zu „entfernen“. Gestützt wird diese Auffassung durch die Vorschrift des Art. 218 Abs. 9 1. Hs. AEUV, wonach der Rat befugt ist, die Aussetzung der Anwendung einer Übereinkunft zu beschließen. Wenn er die Aussetzung der Anwendung völkerrechtlicher Verträge beschließen kann, muss es ihm auch möglich sein, im Falle der gescheiterten Ratifikation die Beendigung der vorläufigen Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages zu beschließen. Jedenfalls aber handelt es sich bei einem Beschluss zur Aufhebung bzw. Änderungen des Ratsbeschlusses über die vorläufige Anwendung um einen actus contrarius28 zu dem Beschluss über die Genehmigung der vorläufigen Anwendung .Mangels einer abweichenden ausdrücklichen Regelung muss dieser actus contrarius unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften für den Erstbeschluss gefällt werden können. Insofern besteht – sofern politisch gewollt – rechtlich die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Handelsabkommens bei gescheiterter Ratifikation in einem Mitgliedstaat durch entsprechenden Ratsbeschluss zu beenden. Fraglich ist, ob es zusätzlich der Zustimmung des Europäischen Parlaments bedarf. Dafür spricht, dass es sich bei dem Beschluss über die Beendigung der vorläufigen Wirkung des Handelsabkommens um einen solchen im Sachzusammenhang zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft in Bereichen handelt, für die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt (für Maßnahmen der gemeinsamen Handelspolitik gilt gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ), so dass eine Zustimmung des Parlaments entsprechend Art. 207 Abs. 3 i.V.m. 218 Abs. 6 UAbs. 2 lit. a v) AEUV notwendig sein könnte. Andererseits konnte der Rat gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV ohne Beteiligung des Parlaments die vorläufige Anwendung des Handelsteils beschließen. Es liegt daher ebenso nahe, für einen entsprechenden Aufhebungs- bzw. Änderungsbeschluss keine Zustimmung des Europäischen Parlaments zu fordern. 28 Für die Kündigung eines völkerrechtlichen Vertrages als actus contrarius zum Vertragsschluss ist die analoge Anwendung von Art. 218 Abs. 6 AEUV anerkannt (Lorenzmeier, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 46. EL 2011, Art. 218, Rn. 59 mwN). Vgl. auch den Beschluss des Rates über die Auflösung des Kooperationsabkommens EWG – Jugoslawien vom 25.11.1991, ABL. 1991 L 325/23 und Zustimmung des EP vom 20.11.1991, ABl. 1991 C 326/82. Zur actus-contrarius-Doktrin im allgemeinen vgl. Bleckmann, Die actuscontrarius -Doktrin, JuS 1988, 174ff. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 14 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 049/13 4. Zusammenfassung Zusammenfassend sind die gestellten Fragen wie folgt zu beantworten: Wenn das deutsche Ratifizierungsgesetz nicht zustande käme, könnte das als gemischtes Abkommen geschlossene Handelsabkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Peru und Kolumbien andererseits nicht in Kraft treten, da gemäß Art. 330 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 6 des Handelsabkommens die Ratifikation durch jeden einzelnen Vertragspartner erforderlich ist. Eine fehlende Ratifizierung in einem Mitgliedstaat und das daraus folgende Nichtinkrafttreten des Handelsabkommens hat auf die vorläufige Anwendung des Handelsabkommens zwischen der EU und Peru bzw. Kolumbien keine direkten Auswirkungen. Vielmehr kann die vorläufige Anwendung nur durch entsprechende Notifikation seitens der EU gegenüber Peru bzw. Kolumbien (oder durch den Abschluss aller Ratifikationsverfahren und das Inkrafttreten des Abkommens) beendet werden. Unionsrechtlich bedarf es dafür jedenfalls eines weiteren Ratsbeschlusses. - Fachbereich Europa - Anlagen - Ausarbeitung „Verfahrensrechtliche Fragen zum Abschluss von Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten sowie zum Abschluss von „gemischten Abkommen““ (WD 11 – 3000 – 266/10), Stand: 5. Januar 2011 - Ausarbeitung „Notwendigkeit der Ratifizierung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kolumbien und Peru“ (WD 11 – 3000 – 85/10), Stand: 15. April 2010