© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 46/15 Unionsrechtliche Anforderungen an einen Beitritt der EU zum Europarat Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 2 Unionsrechtliche Anforderungen an einen Beitritt der EU zum Europarat Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 46/15 Abschluss der Arbeit: 16. April 2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Das gegenwärtige Verhältnis von EU und Europarat 4 3. Der Beitritt der EU zum Europarat aus Sicht des Unionsrechts 5 3.1. Zweckdienliche Zusammenarbeit, Art. 220 AEUV 6 3.2. Anforderungen aus Art. 216 AEUV 7 3.2.1. Funktion des Art. 216 AEUV 7 3.2.2. Ausdrückliche Vertragsschlusskompetenz, Art. 216 Abs. 1 Alt. 1 AEUV 8 3.2.3. Implizite Vertragsschlusskompetenzen, Art. 216 Abs. 1 Alt. 2, 3 und 4 AEUV 8 3.2.4. Implizite Vertragsschlusskompetenz der EU zum Beitritt zum Europarat 9 3.2.4.1. Erforderlich zur Verwirklichung der Unionsziele (2. Alt.) 9 3.2.4.1.1. Bestimmung des Anwendungsbereich von Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV 9 3.2.4.1.2. Anwendung auf Unionsziele 10 3.2.4.2. Gefahr der Beeinträchtigung des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche Vertragsschlüsse oder Änderungen des Anwendungsbereichs des Unionsrechts (4. Alt.) 11 3.2.4.2.1. Bestimmung des Anwendungsbereich von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV 11 3.2.4.2.2. Folgerungen 12 3.3. Zusammenfassung 13 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung setzt sich mit der Frage auseinander, ob und unter welchen Bedingungen ein Beitritt der Europäischen Union (EU) zum Europarat durch Ratifikation der Satzung des Europarates 1 im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 216 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) möglich ist. Hierbei geht die Ausarbeitung insbesondere darauf ein, welche Bedeutung hierbei Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV zukommt. 2. Das gegenwärtige Verhältnis von EU und Europarat Europarat und EU sind traditionell eng miteinander verbunden, und beide Organisationen gewähren sich gegenseitig weitreichende Teilnahme- und Informationsrechte.2 Die derzeitigen organisationsrechtlichen Beziehungen beruhen auf einer Vereinbarung von 1987,3 die infolge des Vertrags von Maastricht durch Briefwechsel vom 5. November 1996 ergänzt4 und 2007 durch ein Memorandum of Understanding (MoU)5 inhaltlich neu ausgerichtet und durch Aufträge zum weiteren Ausbau der Beziehungen ergänzt worden ist. Das MoU geht zurück auf den sog. Juncker-Bericht über das Verhältnis der beiden internationalen Organisationen aus dem Jahr 2006, in dem der damalige luxemburgische Premierminister eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen unterbreitet und u.a. Beitritt der damaligen EG zum Europarat vorgeschlagen hat.6 Die Vereinbarungen aus den Jahren 1987 und 1996 erlauben eine Teilnahme der Kommission an den Treffen der Staats- und Regierungschefs, den Sitzungen des Ministerkomitees, den Konferenzen der Fachminister und den Arbeitsgruppen zur Erarbeitung von Konventionsentwürfen. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit der Teilnahme von Vertretern des Europarates an Sitzungen der Kommission festgeschrieben. Zwischen beiden Organisationen finden ein Informations- und 1 Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949, BGBl. 1950 I S. 263, abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty /ger/Treaties/Html/001.htm. 2 Vgl. hierzu im Überblick Europarat, The Council of Europe's Relations with the European Union, abrufbar unter http://www.coe.int/t/der/eu_EN.asp sowie http://www.eeas.europa.eu/delegations/council_europe/eu_council _europe/index_en.htm und Uerpmann-Wittzack, Europarat, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), EnzEuR Bd. 1, 2014, § 25, Rn. 71 ff. 3 Agreement between the Council of Europe and the European Community vom 16. Juni 1987, in: Europarat, Compendium of texts governing the relations between the Council of Europe and the European Union, 2001, abrufbar unter http://www.coe.int/t/der/docs/MoU_compendium_en.pdf sowie der Briefwechsel vom 16. Juni 1987 zwischen dem Europarat und der Europäischen Gemeinschaft über eine Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit, 87/476/EWG, ABl. L 273/35, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:21987A0926(01)&from=DE. 4 Für die Gemeinschaft wurde u.a. ihr berechtigtes Interesse anerkannt, „to be involved as fully as possible in the work of Strasbourg in order to achieve effective operational co-operation“. 5 Memorandum of Understanding between the Council of Europe and the EU vom 10. Mai 2007, abrufbar unter http://www.coe.int/t/der/docs/MoU_EN.pdf, vgl. hierzu Kloth, Die Zusammenarbeit zwischen Europäischer Union und Europarat, EuR Beih. 2/2012, S. 155 ff. 6 Council of Europe - European Union: "A sole ambition for the European continent" - Report by Jean-Claude Juncker, 2006, abrufbar unter http://www.coe.int/t/der/docs/RapJuncker_E.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 5 Dokumentaustausch sowie eine enge Abstimmung in inhaltlichen Fragen statt.7 Durch das MoU von 2007 wurde die Zusammenarbeit auch auf der Ebene der einzelnen Organe verstärkt, indem beispielsweise das Verhältnis zwischen dem Europäischen Parlament und der Parlamentarischen Versammlung eine neue Grundlage erhalten hat.8 Zudem sollen beide Seiten ihre Zusammenarbeit bei rechtsstaatlichen Fragen einschließlich der Korruptionsbekämpfung ausbauen, um die Kohärenz zwischen dem EU-Recht und den Übereinkommen des Europarates sicherzustellen. Unter dem Punkt „Interinstitutional cooperation“ (Interinstitutionelle Zusammenarbeit) der Vereinbarung heißt es zudem, dass der Europarat und die EU ihre Zusammenarbeit im Rahmen bestehender Teilabkommen fortsetzen werden. Aus Sicht des Unionsrechts ergibt sich eine institutionelle Verknüpfung zudem aus Art. 220 AEUV. Danach betreibt die EU jede zweckdienliche Zusammenarbeit mit dem Europarat.9 Zudem wird eine institutionelle Verknüpfung auch durch den in Art. 6 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) i.V.m. Art. 59 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vorgesehenen Beitritt der EU zur EMRK ermöglicht , der jedoch ausdrücklich nicht auf einen Beitritt der EU auch zum Europarat abzielt.10 Die enge Verbindung ergibt sich ferner auch aus dem Umstand, dass alle EU-Mitgliedstaaten zugleich Mitglieder des Europarates und der EMRK sind und jedenfalls seit 1990 die vorherige Mitgliedschaft im Europarat als Voraussetzung für einen EU-Beitritt angesehen wird. 3. Der Beitritt der EU zum Europarat aus Sicht des Unionsrechts Der Beitritt der EU zum Europarat erfordert eine von den Völkerrechtssubjekten eingegangene bindende Beitrittsverpflichtung. Ein Beitritt der EU zum Europarat setzt dafür einerseits voraus, dass die EU in der Unionsrechtsordnung die entsprechende Vertragsschlusskompetenz besitzt. Anderseits muss ein Beitritt auch im Rahmen der Rechtsordnung der Organisation möglich sein, der die EU beitreten möchte. Insofern ist vorab anzumerken, dass die notwendigen Voraussetzungen für einen Beitritt der EU aus Sicht des Europarates nicht gegeben sind, da ein Beitritt gemäß Art. 4 der Satzung des Europarates gegenwärtig nur Staaten möglich ist.11 Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Frage nach dem Bestehen einer unionsrechtsinternen Vertragsschlusskompetenz der EU für ihren Beitritt zum Europarat. 7 Vgl. hierzu zuletzt Europarat, Committee of Ministers, 124th Session of the Committee of Ministers, 5-6 Mai 2014: Co-operation with the European Union – Summary report, abrufbar unter http://www.coe.int/t/der/docs/EU/Cooperation_with%20theEU_EN.pdf. 8 MoU vom 23. Mai 2007, Ziffer 46 ff. 9 Eingehend zum gegenwärtigen Verhältnis von EU und Europarat vgl. Streinz, Fraternal Twins: The European Union and the Council of Europe, in: de Waele/Kuipers, The European Union´s Emerging International Identity, 2013, S. 110 ff. 10 Skouris, Aspekte des Beitritts der Europäischen Union zur Europäischen Konvention für Menschenrechte, in Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, 2011, S. 208 ff.; Obwexer, Der Beitritt der EU zur EMRK: Rechtsgrundlagen, Rechtsfragen und Rechtsfolgen, EuR 2012, 115 ff. 11 Vgl. hierzu Mader, Beitritt der EU zum Europarat?, AöR Bd. 49 (2011), S. 435 (461 ff.). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 6 3.1. Zweckdienliche Zusammenarbeit, Art. 220 AEUV Zunächst könnte sich eine Vertragsschlusskompetenz der EU für einen Beitritt zum Europarat aus Art. 220 Abs. 1 AEUV ergeben. Danach sollen die Beziehungen der Union zu den Organen der Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen, zum Europarat, zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von einer zweckdienlichen Zusammenarbeit bestimmt werden. Die Durchführung dieser Aufgabe obliegt gemäß Art. 220 Abs. 2 AEUV dem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission. Art. 220 Abs. 1 AEUV enthält damit eine spezifische Aufgabenzuweisung an die EU, bei der der Kommission kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich des „ob“ der Beziehungsunterhaltung zu den in Art. 220 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV genannten Institutionen zukommt. Der Begriff der zweckdienlichen Zusammenarbeit verweist darauf, dass den ermächtigten Unionsorganen hinsichtlich der Entscheidung über den Inhalt und die Ausgestaltung („Wie“) der Beziehungen zur den genannten Institutionen ein Ermessen zukommt. Die Beurteilung der Zweckdienlichkeit erfährt eine Konkretisierung durch Sinn und Zweck des Art. 220 AEUV und seiner systematischen Stellung. Aus dem Gebot der völkerrechtsfreundlichen Integration in Anerkennung der normativen Verpflichtung zur institutionellen internationalen Kooperation lässt sich schließen,12 dass der Begriff der zweckdienlichen Zusammenarbeit des Art. 220 AEUV auf ein System der Interaktion zwischen einer internationalen Organisation und der Union, nicht aber auf deren Beitritt ausgerichtet ist.13 Danach kann die EU beispielsweise den „Status eines vollberechtigten Teilnehmers“ auf der Grundlage von Art. 220 AEUV anstreben oder zusätzliche völkerrechtliche Beziehungen beispielsweise durch Verwaltungsabkommen eingehen .14 Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer darauf aufbauenden Vollmitgliedschaft, wie sie beispielsweise in Art. 6 Abs. 2 EUV für die EMRK vorgesehen ist. Insofern ist die Zuständigkeit für eine zweckdienliche Zusammenarbeit von einer Vertragsschlusskompetenz abzugrenzen . Der „Status eines vollberechtigten Teilnehmers“ verweist gewöhnlich auf Situationen, in denen die EU zwar nicht Vollmitglied einer Organisation ist, jedoch mit Ausnahme des Stimmrechts über ähnliche Rechte verfügt wie die betreffenden Mitglieder. Eine Vollmitgliedschaft erfordert demgegenüber den Abschluss eines Abkommens im Verfahren des Art. 218 AEUV unter maßgeblicher Beteiligung des Rates, die in Art. 220 AEUV nicht vorgesehen ist. 12 Zum Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit vgl. Tietje, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, 40. Aufl. 2009, Vor. Art. 302-304 EGV, Rn. 1 ff. 13 Zum Begriff der zweckdienlichen Zusammenarbeit vgl. EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Rn. 15 für die Beziehungen der Union zu den Organen der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Vgl. auch die Schlussanträge von GA Bot vom 19. März 2013 zu EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Rn. 76 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-130/10 (Parlament/Rat); vgl. hierzu auch Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 220 AEUV, Rn. 6 ff.; Grabenwarter, Rechtliche Rahmenbedingungen des Verhältnisses zwischen EU und Europarat aus der Perspektive des Europarates und die Rolle der Mitgliedstaaten, ZaöRV 2014, 419 (427 ff.). 14 Vgl. hierzu Tietje, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, 40. Aufl. 2009, Art. 302 EGV, Rn. 15 f. sowie Odendahl, in: von Arnauld, Europäische Außenbeziehungen, EnzEuR, 2014, Bd. 10, § 5, Rn. 63 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 7 Die Differenzierung zwischen einer zweckdienlichen Zusammenarbeit und einer Vertragsschlusskompetenz verdeutlicht auch der Umstand, dass die Auswahl der zutreffenden Kompetenzgrundlage , auf der der Abschluss der Unionsübereinkunft basiert, für die unionsrechtliche Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses nach Art. 218 Abs. 6 AEUV von entscheidender Bedeutung ist. Dies beruht darauf, dass die unionsrechtlich von Art. 216 Abs. 2 AEUV angeordnete Bindungswirkung völkerrechtlicher Verträge der Union für die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten nur gilt, wenn die Übereinkunft mit den primärrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist und insbesondere die Kompetenznormen und die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind.15 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, aus Art. 220 AEUV auf eine Vertragsschlusskompetenz der EU für einen Beitritt zum Europarat zu schließen. 3.2. Anforderungen aus Art. 216 AEUV Die EU könnte ihren Beitritt zum Europarat auf eine Vertragsschlusskompetenz gemäß Art. 216 Abs. 1 AEUV stützen. 3.2.1. Funktion des Art. 216 AEUV Die Vertragsschlusskompetenzen des Art. 216 AEUV betreffen allein die Frage, ob die Union als Verband einen völkerrechtlichen Vertrag schließen kann. Das ist nach Art. 216 Abs. 1 AEUV der Fall, wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Primärrecht vorgesehen ist (1. Alt.), im Rahmen der Politik der Union zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich (2. Alt.) oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist (3. Alt.) oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte (4. Alt.). An die Kompetenzzuweisung in Art. 216 AEUV schließt sich die Frage an, ob die Mitgliedstaaten im jeweiligen Politikbereich eigene völkervertragliche Verpflichtungen eingehen dürfen. Dies ergibt sich aus der Qualifikation der Vertragsschlusskompetenz als ausschließliche oder geteilte Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 AEUV. Danach sind die Außenzuständigkeiten der EU dann ausschließlicher Natur, wenn der Abschluss einer internationalen Übereinkunft „in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist, wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte.“ Während somit Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 bis 4 AEUV die impliziten Außenkompetenzen der EU festschreibt , betrifft Art. 3 Abs. 2 AEUV die Frage, wann eine implizite Außenkompetenz der EU ausschließlicher Natur ist. Vor dem Hintergrund der Fragestellung beschränken sich die folgenden Ausführungen darauf, ob sich Art. 216 AEUV eine (implizite) Vertragsschlusskompetenz der EU für ihren Beitritt zum Europarat entnehmen lässt. 15 Vgl. EuGH, Rs. C-327/91 (Frankreich/Kommission), Rn. 25; EuGH, Gutachten 2/00 (Cartagena),Rn. 5 f.; EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi I), Rn. 42; EuGH, Gutachten 1/08 (Naturkautschuk), Rn. 110. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 8 3.2.2. Ausdrückliche Vertragsschlusskompetenz, Art. 216 Abs. 1 Alt. 1 AEUV Zunächst kommt die explizite Vertragsschlusskompetenz gemäß Art. 216 Abs. 1 Alt. 1 AEUV in Betracht. Das setzt voraus, dass der Union eine entsprechende Kompetenz im Primärrecht ausdrücklich zugewiesen wird. Insoweit besteht in Art. 6 Abs. 3 EUV zwar eine ausdrückliche Kompetenz zum Beitritt zur EMRK. Diese ist jedoch zugleich auf das spezielle Abkommen beschränkt und erfasst nicht den Beitritt zum Europarat.16 3.2.3. Implizite Vertragsschlusskompetenzen, Art. 216 Abs. 1 Alt. 2, 3 und 4 AEUV Die EU könnte ihre Kompetenz für einen Beitritt zum Europarat auf die impliziten Vertragsschlusskompetenzen des Art. 216 AEUV stützen. Diese beruhen auf einer Kodifizierung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), mit der dieser im Hinblick auf die Rechtspersönlichkeit der damaligen Europäischen Gemeinschaft sowie auf die Loyalitätspflicht eine (implizite) Außenkompetenz der damaligen EWG festgestellt hat und die auch nach dem Reformvertrag von Lissabon für die Auslegung von Art. 216 AEUV heranzuziehen ist.17 Der EuGH hat zunächst festgestellt, dass eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zum Abschluss internationaler Übereinkünfte „auch aus anderen Vertragsbestimmungen und aus in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane fließen“18 kann, da nur die Union dazu in der Lage ist, im Bereich des geltenden Sekundärrechts völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten mit Wirkung für die gesamte Unionsrechtsordnung zu übernehmen und zu erfüllen. Aus einer Gesamtschau der Bestimmungen folge, „dass die Mitgliedstaaten außerhalb des Rahmens der Gemeinschaftsorgane keine Verpflichtungen eingehen können, welche Gemeinschaftsrechtsnormen , die zur Verwirklichung der Vertragsziele ergangen sind, beeinträchtigen oder in ihrer Tragweite ändern können.“19 Der EuGH hat diese implizite Vertragsschlusskompetenz dahingehend weiter präzisiert, dass „die Tragweite der gemeinsamen Rechtsnormen“ auch beeinträchtigt werden könne, wenn das Abkommen „ein Gebiet erfasse, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen erfasst ist.“20 Zudem kann eine Zuständigkeit der Union zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge auch dann bestehen, wenn der völkerrechtliche Vertrag der Erreichung eines Ziels dient, für welches die Union im Innenverhältnis die Zuständigkeit besitzt.21 Dies ist einschränkend jedoch nur dann der Fall, wenn „die interne Zuständigkeit wirksam nur zugleich mit 16 Vgl. Streinz/Michl, in Streinz, EUV/AEUV, 2012, Art. 6 EUV, Rn. 7 ff. 17 EuGH, Rs. C-114/12 (Kommission/Rat), Rn. 66 f.; vgl. hierzu die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 27. Juni 2013 zu EuGH, Rs. C-137/12 (Kommission/Rat), Rn. 111 f. sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 3. April 2014 zu EuGH, Rs. C-114/12 (Kommission/Rat), Rn. 96, 106 ff. 18 EuGH, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263, Rn. 15/19. 19 EuGH, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263, Rn. 20/22. 20 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 25; EuGH, Rs. C-476/98 (Kommission/Deutschland), Rn. 107 f. 21 EuGH, verb. Rs. 3, 4 und 6/76 (Kramer), Rn. 30/33; EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds), Slg. 1977, 741 ff.; vgl. hierzu Vedder, Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten: Kompetenzen, gemischte Abkommen , völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Wirkungen des Völkerrechts, EuR Beiheft 3/2007, S. 57 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 9 der Außenkompetenz ausgeübt werden kann […], der Abschluss der völkerrechtlichen Vereinbarung somit erforderlich ist, um die Ziele des Vertrages zu verwirklichen, die sich durch die Aufstellung autonomer Regeln nicht erreichen lassen.“22 3.2.4. Implizite Vertragsschlusskompetenz der EU zum Beitritt zum Europarat Da der Beitritt der EU zum Europarat nicht in einem verbindlichen Rechtsakt der Union im Sinne des Art. 216 Abs. 1 Alt. 3 AEUV vorgesehen ist, könnte sich eine entsprechende Kompetenz vorliegend nur auf die Alternativen 2 und 4 stützen lassen. 3.2.4.1. Erforderlich zur Verwirklichung der Unionsziele (2. Alt.) Gemäß Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV kann die Union eine Übereinkunft schließen, wenn der Abschluss einer solchen im Rahmen der Politik der Union zur Verwirklichung eines in den Verträgen festgesetzten Zieles erforderlich ist. 3.2.4.1.1. Bestimmung des Anwendungsbereich von Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Union in diesem Kontext eine Vertragsschlusskompetenz nur dann erlangen, wenn sie einen internen Rechtsakt anlässlich des Abschlusses eines völkerrechtlichen Vertrages erlassen hat.23 Im Sinne einer Parallelität von Innen- und Außenkompetenz muss demnach eine Rechtsetzungskompetenz der Union bestehen.24 Unterschiede zwischen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und dem Wortlaut des Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV bestehen insofern, dass das Kriterium der Erforderlichkeit eines völkerrechtlichen Vertragsschlusses in der Rechtsprechung nur die Voraussetzung dafür ist, dass die Vertragsschlusskompetenz ausschließlich ist,25 während die Formulierung des Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV – auch in seiner Ähnlichkeit zum Wortlaut des Art. 352 AEUV – darauf schließen lässt, dass die Handlungskompetenz im Außenverhältnis bereits dann entsteht, wenn sie im Außenverhältnis nötig und zur Zielerreichung erforderlich ist.26 Insoweit stellt sich die Frage, wie dieses Kriterium der Erforderlichkeit auszulegen ist. In weiter Auslegung könnte die Erforderlichkeit bereits dann vorliegen, wenn die Außenkompetenz zwar nicht unerlässlich ist, um ein Vertragsziel zu erreichen, jedoch zumindest dienlich und förderlich . In enger Auslegung wäre die Erforderlichkeit hingegen nur dann gegeben, wenn es unmöglich ist, das Vertragsziel ausschließlich durch interne Maßnahmen zu erreichen, so dass eine Vertragsschlusskompetenz jedenfalls dann vorliegt, wenn diese unabdingbar ist, um das Vertragsziel zu erreichen. Schließlich könnte sich die Erforderlichkeit einer impliziten Außenkompetenz aus 22 EuGH, Rs. C-476/98 (Kommission/Deutschland), Rn. 83; EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano), Rn. 89, 115. 23 Vgl. EuGH, verb. Rs. 3, 4 und 6/76 (Kramer), Rn. 30/33; EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds), Rn. 4. 24 EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano), Rn. 114. 25 EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano), Rn. 115. 26 Vgl. Lorz/Meuers, in: von Arnauld, Europäische Außenbeziehungen, EnzEuR, 2014, Bd. 10, § 2, Rn. 126. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 10 ihrer engen Verbindung zu einer ausdrücklichen Innenkompetenz ergeben. Als Ergänzung zu einer solchen Innenkompetenz wäre danach zu fragen, ob die Innenkompetenz ausreicht, um ein Vertragsziel optimal zu erreichen, oder ob dazu eine ergänzende Außenkompetenz notwendig ist.27 Vor diesem Hintergrund spricht insbesondere der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gegen die Annahme einer Parallelität von Außenkompetenz und Unionzielen und für die Bindung der Außenkompetenz an eine der Union primärrechtlich zugewiesene Binnenkompetenz.28 Dies verdeutlich in verfahrensrechtlicher Hinsicht der Umstand, dass im Rahmen des Vertragsschlussverfahrens nach Art. 218 AEUV für den Genehmigungsbeschluss im Rat regelmäßig eine qualifizierte Mehrheit ausreicht, während Art. 352 AEUV, der das Tätigwerden der Union ebenfalls an die Zielerreichung koppelt, Einstimmigkeit erfordert.29 3.2.4.1.2. Anwendung auf Unionsziele Wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung einer weiten Auslegung des Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV folgt und eine Vertragsschlusskompetenz der EU bereits dann vorliegt, wenn diese unabdingbar ist, um das Vertragsziel zu erreichen, so stellt sich die Frage nach dem Vorliegen entsprechender Vertragsziele für einen Beitritt der EU zum Europarat. Der Wortlaut des Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV verweist zunächst auf Art. 3 EUV, der ausdrücklich die Ziele der Union benennt, wobei vorliegend insbesondere das Ziel aus Art. 3 Abs. 5 in Betracht kommt. Jedoch stellen die Ziele des Art. 3 EUV zwar einen Bezugspunkt zur Festlegung der Reichweite der Vertragsschlusskompetenzen sowie ein Tatbestandsmerkmal dar. Sie reichen aber auch in Verbindung mit Art. 216 Abs. 1 Var. 2 AEUV allein nicht aus, um eine Vertragsschlusskompetenz zu begründen.30 Dies beruht darauf, dass die Zielbestimmungen des Art. 3 EUV den Aufgabenrahmen der Union abstrakt abstecken, ohne konkrete Aufgaben vorzugeben oder gar eine Kompetenz zu begründen. Mit Blick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gemäß Art. 5 Abs. 2 EUV besteht im Unionsrecht jedoch eine Trennung von Aufgaben- und Befugnisnormen, so dass die Ziele und damit auch die Vertragsschlusskompetenz aus den jeweils spezifischen Normen der einzelnen Vertragspolitiken abzuleiten sind.31 Darüber hinaus ließe sich vertreten, dass Art. 220 AEUV eine Zielbestimmung im Sinne des Art. 216 Abs. 1 Alt. 2 AEUV ist und eine entsprechende Vertragsschlusskompetenz für die Verwirklichung des konkreten Ziels erforderlich ist. Insofern ergibt sich jedoch bereits aus dem Anwendungsbereich von Art. 220 AEUV, dass die Norm lediglich auf eine zweckdienliche Zusammenarbeit angelegt ist, die sich auch durch einen Teilnehmerstatus und nicht alleine durch eine 27 EuGH, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263, Rn. 20/22. 28 So auch Mögele, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 216 AEUV, Rn. 31; Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert , EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 216 AEUV, Rn. 12. 29 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 216 AEUV, Rn. 12. 30 Kotzur, DÖV 2005, 314; Vedder, EuR Beiheft 3/2007, 57, 61, 64. 31 Vgl. EuGH, verb. Rs. 3/76, 4/76 und 6/76 (Kramer), Rn. 21 ff.; Nettesheim, in: von Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 389 (415). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 11 Mitgliedschaft verwirklichen lässt. Zudem verdeutlicht der qualitative Unterschied zwischen dem Beitrittsziel in Art. 6 Abs. 2 EUV einerseits und dem Kooperationsziel in Art. 220 AEUV andererseits , dass sich das Kooperationsziel gerade nur durch eine Mitgliedschaft verwirklichen lässt. 3.2.4.2. Gefahr der Beeinträchtigung des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche Vertragsschlüsse oder Änderungen des Anwendungsbereichs des Unionsrechts (4. Alt.) Eine Vertragsschlusskompetenz der EU für einen Beitritt zum Europarat könnte sich schließlich aus Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV ergeben. Danach kann die Union eine Übereinkunft schließen, wenn der Abschluss eines mitgliedstaatlichen Abkommens gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte. Hierbei kommt der Variante der Änderung des Anwendungsbereichs insofern keine eigenständige Bedeutung zu, dass in der Gefahr der Änderung des Anwendungsbereiches eine Norm immer zugleich auch die Gefahr der Beeinträchtigung einer Norm liegt.32 3.2.4.2.1. Bestimmung des Anwendungsbereich von Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV Der Wortlaut des Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV knüpft an die Rechtsprechung des EuGH zu der Frage an, ob eine implizite Zuständigkeit als ausschließliche im Sinne des Art. 3 Abs. 2 3. Alt. AEUV zu qualifizieren ist. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung die Frage nach der Natur und Abgrenzung der Kompetenzen regelmäßig nicht isoliert von der vorgelagerten und strikt davon zu trennenden Frage nach der Existenz einer Vertragsschlusskompetenz für die Union behandelt .33 Jedoch lässt der im Wesentlichen übereinstimmende Wortlaut beider Vorschriften den Schluss zu, dass sich die entsprechenden Feststellungen des EuGH zu Art. 3 Abs. 2 AEUV auch auf Art. 216 Abs. 1 AEUV übertragen lassen.34 Danach bestimmt sich das Vorliegen einer Gefahr der Beeinträchtigung von bestehendem Sekundärrecht danach, in welchem Umfang eine bestimmte Materie von Rechtsnormen der Union erfasst ist. Dies ergibt sie sich aus der Prüfung des konkreten Inhalts und den Entwicklungsperspektiven dieser Normen.35 Das entscheidende Kriterium ist dabei die Eröffnung des Anwendungsbereiches einer unionsrechtlichen Norm: Eine Beeinträchtigungsgefahr ist vor allem gegeben , wenn der Gegenstand des völkerrechtlichen Vertrages in einen Bereich fällt, der bereits weitgehend von Rechtsnormen der Union erfasst ist. 36 Die Gefahr einer Beeinträchtigung kann 32 Vgl. Vöneky/Beylage-Haarmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. EL 2014, Art. 216, S. 15. 33 Dashwood, Mixity, in: Hillion/Koutrakos (Hrsg.) Mixed Agreements Revisited, 2010, S. 351, 360; Holdgaard, External Relations Law, 2008, S. 54. 34 Vgl. Nowak/Masuhr, „EU only“: Die ausschließlichen impliziten Außenkompetenzen der Europäischen Union, EuR 2015, S. 189 (199 f.). 35 EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano), Rn. 126. 36 EuGH, Gutachten 2/92 (OECD), Rn. 22; EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 25 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 12 hierbei auch bereits dann vorliegen, wenn kein Widerspruch zwischen den einzugehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Unionsvorschrift besteht, da es auch bei Bestehen einer zunächst übereinstimmenden Regelung nach einer Fortentwicklung des Unionsrechts zu einer Pflichtenkollision kommen kann.37 Liegt eine solche Beeinträchtigung vor, so besitzt die Union eine entsprechende Vertragsschlusskompetenz , die mit Blick auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 AEUV auch immer zugleich eine ausschließliche ist. Dies beruht auf der Annahme, dass in einem unionsrechtlich geregelten Bereich nur die Union vertragliche Verpflichtungen gegenüber Dritten übernehmen und erfüllen kann; zugleich sollen die Mitgliedstaaten daran gehindert werden, Normen des geltenden Unionsrechts durch die Übernahme abweichender völkerrechtlicher Verpflichtungen zu beeinträchtigen oder in ihrer Tragweite zu verändern.38 Dies hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten im Bereich einer Sachmaterie keine eigenen Abkommen abschließen dürfen, sofern das Primärrecht den betreffenden Bereich nicht als eine parallele Vertragsschlusskompetenz (Art. 4 Abs. 3 AEUV) bestimmt. 3.2.4.2.2. Folgerungen Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH könnte sich eine implizite Außenzuständigkeit für den Beitritt der EU zum Europarat somit daraus ergeben, dass das Abkommen des Europarates einen Bereich betrifft, der weitgehend von internen Rechtsakten der EU erfasst ist. Insoweit ist im Hinblick auf eine Außenkompetenz der EU für einen Beitritt der EU zum Europarat zwischen der am 5. Mai 1949 unterzeichneten Satzung des Europarats, die Bezugspunkt eines Beitrittsgesuchs der EU wäre, auf der einen Seite und den in der Folgezeit im institutionellen Rahmen des Europarats vorbereiteten und ausgehandelten europäischen Übereinkommen wie beispielsweise der EMRK zu unterscheiden. Sowohl die Satzung als auch die europäischen Übereinkommen sind für die Mitglieder des Europarates verbindlich, sofern sie vom jeweiligen Mitgliedstaat ratifiziert worden sind. Der umfassende Aufgabenbereich des Europarates gemäß Art. 1 der Europarat-Satzung, der sich auf nahezu alle Politikbereiche mit Ausnahme der Verteidigung bezieht,39 betrifft angesichts seiner Weite in vielerlei Hinsicht Politikbereiche, die im Sinne des Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV weitgehend von Rechtsnormen der Union erfasst werden. Jedoch beschränken sich die Verpflichtungen aus der Satzung auf die allgemeinen Ziel und Aufgaben sowie den institutionellen Rahmen des Europarats. Demgegenüber betreffen erst die im Rahmen des Europarates vorbereiteten und ausgehandelten Übereinkommen konkrete Politikbereiche. Nur diese können potenziell in Konflikt mit bestehendem Unionsrecht treten, was durch sog. Entkopplungsklauseln verhindert 37 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO), Rn. 25 f. 38 EuGH, Rs. C-476/98 (Open Skies), Rn. 103 ff.; EuGH, Rs. C-45/07 (Kommission/Griechenland), Rn. 15 ff.; 39 Vgl. Mader, Beitritt der EU zum Europarat?, AöR Bd. 49 (2011), S. 435 (449 ff.); Uerpmann-Wittzack, Europarat, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), EnzEuR Bd. 1, 2014, § 25, Rn. 38 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 46/15 Seite 13 werden soll.40 Die Europäischen Übereinkommen stellen jedoch keine Akte des Europarates dar. Sie verdanken ihre Existenz allein der Zustimmung derjenigen Staaten, die Vertragsparteien werden und die ihren Bindungswillen unter anderem durch Zeichnung und Ratifikation ausdrücken. Vor diesem Hintergrund erscheint es bereits in materieller Hinsicht ausgeschlossen, dass es dadurch zu einer das Unionsrecht potenziell beeinträchtigenden Pflichtenkollision im Sinne des Art. 216 Abs. 1 Alt. 4 AEUV kommen kann, dass nur die EU-Mitgliedstaaten und nicht auch die EU Vertragsparteien des Europarates sind. Zudem ist insoweit auch Art. 351 Abs. 1 AEUV zu berücksichtigen , wonach die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, durch die Unionsverträge nicht berührt werden und zudem auch keine Unvereinbarkeiten im Sinne des Art. 351 Abs. 2 AEUV ersichtlich sind.41 3.3. Zusammenfassung Aus Sicht des Unionsrechts ergibt sich die Rechtsgrundlage für einen Beitritt der EU zum Europarat und mithin die entsprechende Vertragsschlusskompetenz der EU grundsätzlich aus Art. 216 Abs. 1 AEUV; für das Verfahren findet Art. 218 AEUV Anwendung. Art. 220 AEUV betrifft demgegenüber nur das Kooperationsverhältnis der EU mit internationalen Organisationen, ohne dass sich hieraus jedoch unionsrechtliche Zuständigkeiten für einen Beitritt der EU zu einer internationalen Organisation ergeben.42 Jedoch erforderte eine entsprechende Außenkompetenz im Rahmen von Art. 216 Abs. 1 AEUV eine entsprechende unionsrechtliche Regelung. Aus hiesiger Sicht ergibt sich alleine aus den impliziten Vertragsschlusskompetenzen des Art. 216 Abs. 1 AEUV keine Vertragsschlussbefugnis der EU für einen Beitritt zum Europarat. - Fachbereich Europa - 40 Vgl. hierzu Grabenwarter, Rechtliche Rahmenbedingungen des Verhältnisses zwischen EU und Europarat aus der Perspektive des Europarates und die Rolle der Mitgliedstaaten, ZaöRV 2014, 419 (434 f.). 41 Vgl. hierzu eingehend Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 351 AEUV, Rn. 2 ff. 42 Vgl. hierzu Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2012, Art. 220 AEUV, Rn. 1.