© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 43/15 Fragen zu einem unionsrechtlichen Import- und Handelsverbot von mit Frackingmethoden geförderten fossilen Energieträgern Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 2 Fragen zu einem unionsrechtlichen Import- und Handelsverbot von mit Frackingmethoden geförderten fossilen Energieträgern Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 43/15 Abschluss der Arbeit: 29. Mai 2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 1.1. Begriff des Import- und Handelsverbots 4 1.2. Konkretisierung der Fragestellung 4 2. Unionsrechtliche Anforderungen an ein Import- und Handelsverbot für Deutschland 5 2.1. Anwendbarkeit der Grundfreiheiten 5 2.1.1. Verordnung (EU) 2015/478 6 2.1.2. Folgerungen 7 2.2. Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit 7 2.3. Eingriff 7 2.4. Rechtfertigung 8 2.4.1. Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV 8 2.4.2. Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls 9 2.4.2.1. Umweltschutz als zwingendes Erfordernis 9 2.4.2.2. Gesundheitsschutz als zwingendes Erfordernis 11 2.4.3. Verhältnismäßigkeit 12 2.5. Zusammenfassung 13 3. Unionsrechtliche Prämissen für ein nationales Importverbot für Waren mit Ursprung in Drittländern 13 3.1. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten – die gemeinsame Handelspolitik der EU 13 3.2. Sekundärrechtliche Regelungen – Verordnung (EU) 2015/478 13 3.2.1. Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/478 14 3.2.2. Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 Verordnung (EU) 2015/478 15 3.2.3. Rechtfertigung von Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 Verordnung (EU) 2015/478 15 3.3. Zusammenfassung 15 4. Unionsrechtliche Anforderungen an ein Import- und Handelsverbot für die EU 16 4.1. Instrumente der gemeinsamen Handelspolitik 16 4.2. Sekundärrechtliche Vorgaben 16 4.3. Sonstige handelspolitische Maßnahmen 17 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung setzt sich mit der Frage auseinander, ob ein generelles Import- und Handelsverbot von fossilen Energieträgern, die durch Frackingmethoden gewonnener worden sind (im Folgenden : Frackingprodukte), mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Hintergrund der Fragestellung bilden die Forderungen der sog. Korbacher Resolution, in der verschiedene Bürgerinitiativen ein solches Verbot fordern.1 1.1. Begriff des Import- und Handelsverbots Für die folgenden Ausführungen wird der Begriff des Import- und Handelsverbots für Frackingprodukte dahingehend verstanden, dass er sich auf ein umfassendes Verkehrsverbot bezieht, welches in unterschiedsloser Weise die Einfuhr und den Absatz von solchen Produkten untersagt. Hierbei ist zwischen der Einfuhr von Waren aus Drittländern in die Union und dem Inverkehrbringen solcher Produkte zu differenzieren, wobei das Inverkehrbringen eine nach der Einfuhr liegende Phase ist. Eine aus einem Drittland stammende Ware, die die Voraussetzungen des Art. 29 AEUV erfüllt, gilt als im einfuhr- und zollrechtlich freien Verkehr befindlich.2 Sie ist deshalb gemäß Art. 23 Abs. 2 AEUV bezüglich der Abschaffung der Zölle und der Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten den aus diesen stammenden Waren gleichgestellt. Ebenso wie eine rechtmäßig in der Union hergestellte Ware nicht allein aus diesem Grund in den Verkehr gebracht werden kann, beinhaltet die rechtmäßige Einfuhr einer Ware nicht, dass sie automatisch auf dem Markt zugelassen ist. Soweit es keine unionsrechtliche Regelung gibt, die die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen der betreffenden Waren regelt, kann sich der Mitgliedstaat, in dem sie in den einfuhr- und zollrechtlich freien Verkehr verbracht worden sind, ihrem Inverkehrbringen widersetzen, wenn sie die hierfür nach nationalem Recht geltenden Voraussetzungen nicht erfüllen. 1.2. Konkretisierung der Fragestellung Vor diesem Hintergrund kommt für die potenzielle Ausgestaltung eines solchen Import- und Handelsverbotes zunächst eine nationale Regelung für Frackingprodukte in Betracht, die aus EU- Mitgliedstaaten stammen oder die aus Drittstaaten stammen, aber sich gemäß Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden (hierzu 2.). Darüber hinaus ist ein Import - und Handelsverbot für Frackingprodukte aus Drittländer auf nationaler (hierzu 3.) oder auf EU-Ebene (hierzu 4.) denkbar. Hierbei beziehen sich die Ausführungen lediglich auf Importe aus 1 Abrufbar unter https://www.resolution-korbach.org/files/korbacher-resolution/pdf/Petitions-Text.pdf. 2 Vgl. hierzu im Überblick http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Energy_production _and_imports/de sowie https://ec.europa.eu/energy/en/topics/imports-and-secure-supplies/secure-gassupplies . Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 5 WTO-Staaten.3 Zudem bleiben Regelungen betreffend die bi- oder multilateralen Handelsverträge der Mitgliedstaaten oder der EU außer Betracht. 2. Unionsrechtliche Anforderungen an ein Import- und Handelsverbot für Deutschland Die erste mögliche Variante für ein generelles Import- und Handelsverbot von Frackingprodukten besteht in einem entsprechenden nationalen Verbot für Deutschland. Für diese Fallgestaltung wird – ausgehend von den unterschiedlichen nationalen Vorschriften betreffend die Schiefergasexploration und -förderung4 – im Folgenden davon ausgegangen, dass keine unionsweit einheitlichen Regelungen für den Import von bzw. den Handel mit Frackingprodukten bestehen und dementsprechend weiterhin Frackingprodukte von anderen Mitgliedstaaten entsprechend ihren nationalen Vorschriften importiert und gehandelt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein rein nationales Import- und Handelsverbot mit den europäischen Grundfreiheiten und insbesondere dem Verbot von Einfuhrbeschränkungen und von Maßnahmen gleicher Wirkung vereinbar wäre. 2.1. Anwendbarkeit der Grundfreiheiten Die Prüfung eines absoluten Import- und Handelsverbots von Frackingprodukten in Deutschland am Maßstab der europäischen Grundfreiheiten setzt zunächst deren Anwendbarkeit voraus. Insofern hat der EuGH wiederholt festgestellt, dass eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht des Primärrechts zu beurteilen ist.5 Während im Hinblick auf ein Handelsverbot insbesondere von mittels Fracking gewonnener Gase keine spezifischen Unionsregelungen ersichtlich sind,6 könnte jedenfalls einem Importverbot für die Bundesrepublik 3 Für Importe aus Nicht-WTO-Länder vgl. die Verordnung (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83, ABl. L 067/89, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:01994R0519-20090806&qid=1432890447625&from=DE. 4 Vgl. hierzu die Mitteilung der Kommission vom 22. Januar 2014 an den Rat und das Europäische Parlament über die Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen (z. B. Schiefergas) durch Hochvolumen-Hydrofracking in der EU, KOM(2014) 23 endg., S. 8 ff., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014DC0023R(01)&qid=1432633971246&from=DE, die Empfehlung 2014/70/EU der Kommission vom 22. Januar 2014 mit Mindestgrundsätzen für die Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen (z. B. Schiefergas) durch Hochvolumen-Hydrofracking, ABl. L 39/72, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014H0070&from=DE sowie die . Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. November 2012 zu den Umweltauswirkungen von Tätigkeiten zur Gewinnung von Schiefergas und Schieferöl (2011/2308(INI)), P7_TA(2012)0443, abrufbar unter http://www.europarl .europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2012-0443+0+DOC+PDF+V0//DE. 5 Vgl. EuGH, Rs. C-309/02 (Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz), Rn. 53. 6 Vgl. aber beispielsweise für Kraftstoffe die Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates, ABl. L 350/85 sowie hierzu die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 21. Mai 2015 zu EuGH, Rs. C-251/14 (György Balázs/Nemzeti Adó u.a.). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 6 Deutschland entgegenstehen, dass die u.a. auf Art. 207 Abs. 2 AEUV gestützte Verordnung (EU) 2015/4787 (im Folgenden: VO (EU) 2015/478) allgemeine Regelungen für Importe aus WTO-Ländern in die EU trifft. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob mit der VO (EU) 2015/478 eine Harmonisierung vorgenommen wurde, die geeignet ist, die Prüfung der Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 34 AEUV auszuschließen. 2.1.1. Verordnung (EU) 2015/478 Der Anwendungsbereich der VO (EU) 2015/478 umfasst gemäß Art. 1 die gemeinsamen Einfuhrregelung in der EU für die Einfuhr von Waren mit Ursprung in einem Drittland und grenzt den Anwendungsbereich der Verordnung in Bezug auf die von ihr erfassten Waren als auch auf die betroffenen Drittstaaten ab. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 legt den Grundsatz der Einfuhrfreiheit fest, d.h. die Verordnung beruht auf dem Grundsatz der Liberalisierung der Einfuhren im Sinne eines Verzichts auf mengenmäßige Beschränkungen. Dieser Grundsatz der Einfuhrfreiheit gilt sowohl für einzelstaatliche als auch für gemeinschaftliche Beschränkungen. Dies spiegelt die Aufgaben der Einfuhrregelungen wider, einerseits die von den WTO-Abkommen vorgeschriebene Liberalisierung der Einfuhren zu fördern und andererseits eine EU-weit gemeinsame, d.h. vergemeinschaftete Außenhandelspolitik zu entwickeln.8 Vor dem Hintergrund, dass der in der VO (EU) 2015/478 sekundärrechtlich geregelte Grundsatz der Einfuhrfreiheit einerseits Ausdruck der in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallenden gemeinsamen Handelspolitik gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e, 207 AEUV ist9 und ein generelles Importverbot grundsätzlich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Einfuhrfreiheit bedeutet,10 ließe sich folgern, dass die Verordnung darauf abzielt, die Importvoraussetzungen umfassend zu harmonisieren . Diese Annahme wird gestützt durch die Regelungen in Kapitel V der Verordnung, der in Ausnahmefällen die Möglichkeit eröffnet, gemeinsame Schutzmaßnahmen einzuführen. Darüber hinaus ermöglicht auch Art. 24 VO (EU) 2015/478 den Erlass oder die Anwendung einzelstaatlicher Maßnahmen, die den Import bestimmter Produkte verbieten oder beschränken. Diese Maßnahmen müssen jedoch gemäß den in Art. 24 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 abschließend aufgeführten Gründen gerechtfertigt sein,11 so dass diesbezüglich von einer abschließenden Harmonisierung für Importregelungen der Mitgliedstaaten und der Union im Anwendungsbereich der Verordnung ausgegangen werden kann. 7 Verordnung (EU) 2015/478 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 über eine gemeinsame Einfuhrregelung, ABl. L 83/16, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0478&qid=1432801534417&from=DE; zur Vorgängerregelung vgl. die Verordnung (EG) Nr. 260/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die gemeinsame Einfuhrregelung, ABl. L 84/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R0260-20140220&qid=1432729391110&from=DE. 8 Vgl. EuGH, Rs. C-296/00 (Carbone), Rn. 30; Hahn, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 207 AEUV, Rn. 132 ff. 9 Siehe hierzu unten 3.1. 10 Vgl. EuGH, Rs. C-124/95 (Centro-Com), Rn. 41 f. 11 Siehe hierzu unten 3.2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 7 2.1.2. Folgerungen Angesichts der Bestimmungen über die gemeinsame Handelspolitik gemäß Art. 207 AEUV und die Regelungen betreffend Importverbote im Anwendungsbereich der VO (EU) 2015/478 ist vorliegend davon auszugehen, dass ein mitgliedstaatliches Importverbot primär an den Maßstäben der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht des Primärrechts zu beurteilen ist. Die europäischen Grundfreiheiten sind demnach lediglich für solche nationalen Maßnahmen maßgeblicher Prüfungsmaßstab, bei denen sich Frackingprodukte in der EU im freien Verkehr befinden und zwischen den EU-Mitgliedstaaten gehandelt werden. 2.2. Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit Unter der Prämisse, dass die Grundfreiheiten vorliegend als Maßstab zur Anwendung kommen, könnte ein Handelsverbot und ein sich daraus ergebendes Importverbot für Frackingprodukte insbesondere gegen die Warenverkehrsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten als ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts verstoßen, das seinen Ausdruck in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot findet.12 In sachlicher Hinsicht müsste es sich hierfür bei den Frackingprodukten um eine Ware im Sinne des Art. 28 Abs. 2 AEUV handeln, d.h. um eine körperliche Sache, die einen Handelswert hat und Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann,13 was bei Energieträgern wie Öl oder Gas der Fall ist.14 Entsprechend seiner Zielrichtung, den Binnenmarkt zu schützen, ist Art. 34 AEUV nach Art. 28 Abs. 2 und 29 AEUV auf Waren aus den Mitgliedstaaten sowie aus Drittstaaten anwendbar , die sich in den Mitgliedstaaten in freiem Verkehr befinden.15 Demgegenüber gelten für den Import von Waren aus Drittstaaten die Regeln über die Gemeinsame Handelspolitik.16 2.3. Eingriff Vorliegend kommt ein Verstoß gegen das Verbot der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 34 AEUV) in Betracht. Auch Beschränkungen für Waren, die aus Drittstaaten stammen, sich aber in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, werden nach Art. 28 Abs. 2 AEUV vom Verbot des Art. 34 AEUV erfasst. Art. 34 AEUV, der Maßnah- 12 Vgl. EuGH, Rs. C-192/01 (Kommission/Dänemark), Rn. 38. 13 EuGH, Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien), Rn. 23 ff. 14 EuGH, Rs. C-398/98 (Kommission/Griechenland), Rn. 68 ff.; EuGH, Rs. C-173/05 (Kommission/Italien), Rn. 39. 15 EuGH, Rs. C-131/93 (Deutschland/Kommission), Rn. 10; für die Differenzierung zwischen der rechtmäßigen Einfuhr einer Ware und ihrer Zulassung auf dem Binnenmarkt vgl. EuGH, Rs. C-296/00 (Carbone), Rn. 31 ff. 16 Siehe hierzu unten 3.1. und 4.1. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 8 men mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten verbietet, auf alle nationalen Maßnahmen anwendbar, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.17 Ein Einfuhrverbot ist grundsätzlich eine mengenmäßige Beschränkung, da sie eine Reduzierung der Einfuhr auf null bedeutet.18 Ergibt sich das Einfuhrverbot aus einem generellen Verbot des Inverkehrbringens, ist es als eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung zu qualifizieren, da nicht an die Herkunft der Ware anknüpft wird.19 Eine diskriminierende Wirkung zulasten ausländischer Waren ist für die Erfassung durch Art. 34 AEUV nicht erforderlich , da Art. 34 AEUV ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält.20 Ein Handelsverbot und ein sich daraus ergebendes Importverbot für Frackingprodukte verletzt somit grundsätzlich Art. 34 AEUV. 2.4. Rechtfertigung Ein Verstoß gegen das Verbot des Art. 34 AEUV kann zunächst durch Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden (hierzu 2.4.1.). Da es sich bei einem Handelsverbot für Frackingprodukte um eine Maßnahme handelt, die unterschiedslos auf in- und ausländische Waren anwendbar ist, können ebenfalls die in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten zwingenden Erfordernisse des Gemeinwohls als Rechtfertigung herangezogen werden (hierzu 2.4.2.).21 Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss in beiden Fällen die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (hierzu 2.4.3.).22 2.4.1. Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV Gemäß Art. 36 AEUV steht die Warenverkehrsfreiheit solchen Einfuhrverboten nicht entgegen, die zum Schutz bestimmter Rechtsgüter gerechtfertigt sind. Mit Blick auf ein Einfuhrverbot von Frackingprodukten kommen vorliegend insbesondere der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen sowie von Tieren und Pflanzen in Betracht. 17 EuGH, Rs. 8/74 (Dassonville), Rn. 5. 18 EuGH, Rs. C-34/79 (Henn and Darby), Rn. 12. 19 Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 28 EGV, Rn. 33. 20 Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 34 AEUV, Rn. 39 f. 21 EuGH, Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rn. 78; EuGH, Rs. C-36/02 (Omega), Rn. 35 ff. 22 EuGH, Rs. C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 54. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 9 Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Gesundheit und des Lebens von Menschen ist es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen , in welchem Umfang sie entsprechenden Schutz gewähren.23 Die drohende Gesundheitsgefahr oder – im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip beim Bestehen einer wissenschaftlichen Unsicherheit – das entsprechende Risiko muss durch die Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder auf europäische oder internationale Schutzstandards nachgewiesen werden.24 Zudem muss die Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von der im Handelsverkehr befindlichen Ware ausgehen bzw. durch sie verursacht werden.25 Dies wäre bei einem Einfuhrverbot von Frackingprodukten - soweit ersichtlich - nicht der Fall, wenn sich ein Frackingprodukt in seiner spezifischen Wareneigenschaft nicht von in konventionellen Verfahren gewonnenen Ölen und Gasen unterscheidet. Dementsprechend erscheint nicht die Verhinderung einer Gesundheitsschädigung durch die Ware als Ziel der Maßnahme, sondern gegebenenfalls einer Gesundheitsschädigungen bei der Produktion im Herkunftsland entgegen zu wirken. 2.4.2. Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls Die in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten zwingenden Erfordernisse des Gemeinwohls können ebenfalls einen Verstoß gegen das Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen rechtfertigen, wenn die Maßnahme, wie im vorliegend unterstellten Fall, unterschiedslos auf in- und ausländische Waren anwendbar ist. 2.4.2.1. Umweltschutz als zwingendes Erfordernis Nationale Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, können zunächst durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt sein.26 Dieser Charakter als zwingendes Erfordernis kann sich zunächst auf Art. 11 AEUV stützen, welcher die Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der 23 Vgl. EuGH, Rs. C-141/07 (Kommission/Deutschland), Rn. 46. 24 Vgl. EuGH, Rs. C-473/98 (Toolex Alpha), Rn. 40 ff.; EuGH, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Rn. 46 ff. sowie zum Grad der Substantiierungspflicht Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 34-36 AEUV, Rn. 199. Zu entsprechenden Erwägungen für die Wirkungen der Frackingverfahren vgl. http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/gutachten_fracking _2012.pdf, die Studie der GD Klimapolitik v. 30. Juli 2012, "Climate impact of potential shale gas production in the EU", abrufbar unter http://ec.europa.eu/clima/policies/eccp/docs/120815_final_report_en.pdf, die Studie der Generaldirektion (GD) Umwelt v. 10. August 2012, "Support to the identification of potential risks for the environment and human health arising from hydrocarbons operations involving hydraulic fracturing in Europe ", abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/integration/energy/pdf/fracking%20study.pdf, sowie die Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle 2012, "Unconventional Gas: Potential Energy Market Impacts in the European Union", abrufbar unter https://ec.europa.eu/jrc/sites/default/files/reqno_jrc70481_unconventional _gas_potential_energy_market_impacts_in_the_european_union.pdf. 25 EuGH, Rs. C-17/93 (Van der Veldt), Rn. 17 f. 26 EuGH, Rs. C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 57 mwN. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 10 Unionspolitiken und -maßnahmen fordert.27 Zudem strebt die Union nach Art. 191 Abs. 1 Spiegelstrich 1 AEUV die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität an und geht dabei entsprechend Art. 36 AEUV von einem hohen Schutzniveau aus (Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 und Art. 114 Abs. 3 AEUV). Schließlich verlangt auch 37 GRCh ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität. Hieraus folgt jedoch kein genereller Vorrang des Umweltschutzes vor dem Grundsatz des freien Warenverkehrs. Der Umweltschutz dient entsprechend Art. 191 Abs. 12. Spiegelstrich AEUV letztlich auch dem Gesundheitsschutz, so dass der Schutz der menschlichen Gesundheit zu den Zielen der Umweltpolitik der Union gehört.28 Die Abgrenzung zwischen Gesundheits- und Umweltschutz richtet sich nach der Unmittelbarkeit des Gefährdung: Art. 36 AEUV erfasst unmittelbare Gesundheitsgefahren, während das zwingende Erfordernis des Umweltschutzes abstrakte Gefahren für die Gesundheit erfasst, die mit einer Verschlechterung der Umwelt einhergehen. Um Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen muss – entsprechend einer Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV – grundsätzlich eine echte Gefahr für die Umwelt bestehen, und zur Begründung ist auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen.29 Nach dem aus Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 AEUV folgendem Vorsorgeprinzips schließen diesbezügliche Unsicherheiten Präventivmaßnahmen nicht aus. Vorliegend könnte ein Import- und Handelsverbot dadurch dem Umweltschutz dienen, dass es den potenziell mit den Fracking-Fördermethoden einhergehenden Gefahren für die Umwelt entgegenwirkt .30 Gemäß der geltenden EU-Rahmenregelung ist es dabei Sache der Mitgliedstaaten, durch geeignete Umweltverträglichkeitsprüfungen, Zulassungs- und Genehmigungsverfahren sowie durch Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass das Erschließen bzw. Nutzen von Energiequellen durch hydraulisches Fracking nach den Anforderungen des geltenden Rechtsrahmens der EU – insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften für den Schutz von Oberflächengewässern und des Grundwassers,31 für Umweltverträglichkeitsprüfungen,32 für 27 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Rn. 120. 28 EuGH, Rs. C-343/09 (Afton Chemical), Rn. 32; EuGH, Rs. C-77/09 (Gowan Comércio Internacional e Serviços), Rn. 71. 29 EuGH, Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien), Rn. 31. 30 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. November 2012 zu den Umweltauswirkungen von Tätigkeiten zur Gewinnung von Schiefergas und Schieferöl (2011/2308(INI)), P7_TA(2012)0443, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2012- 0443+0+DOC+PDF+V0//DE. 31 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327/1 und Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung, ABl. L 372/19. 32 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26/1. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 11 die Abfallbewirtschaftung33 oder im Hinblick auf Treibhausgasemissionen34 – erfolgt. Jedoch ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen zum Gesundheitsschutz anzumerken, dass ein Import- und Handelsverbot für bereits geförderte Frackingprodukte in ihrer Eigenschaft als Handelswaren betrifft und nicht ihre Förderung. Insofern bedürfte es eines Nachweises, dass die mit der Förderung potenziell einhergehenden Umweltgefahren auf das Handelsprodukt „fortwirken“ und von den durch Frackingmethoden gewonnenen Produkten eine spezifische Gefährdung für die Umwelt einhergeht, die sie von vergleichbaren, jedoch konventionell geförderten Produkten unterscheidet.35 Vor diesem Hintergrund erscheinen zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes als Regelungsziele eines Import- und Handelsverbots nicht zwingend darauf schließen zu lassen, dass solche Verbote grundsätzlich geeignet sind, etwaige Behinderungen des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen . 2.4.2.2. Gesundheitsschutz als zwingendes Erfordernis Darüber hinaus kommt auch der Gesundheitsschutz als zwingendes Erfordernis in Betracht. Im Unterschied zu dem in Art. 36 AEUV normierten Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen erfasst der Gesundheitsschutz als zwingendes Erfordernis insbesondere solche Maßnahmen , die nur mittelbar dem Schutz jener Rechtsgüter dienen.36 Die Ziele des Umweltschutzes und des Gesundheitsschutzes sind eng miteinander verbunden, insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der Umweltverschmutzung, mit der die Gesundheitsgefahren begrenzt werden sollen, die mit der Verschlechterung der Umwelt verbunden sind. So- 33 Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG, ABl. L 102/15. 34 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. L 275/32. 35 Für das von diesen Erwägungen abzugrenzende Ziel der Förderung von biologischen Kraftstoffen vgl. beispielsweise die Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Spezifikationen für Otto-, Diesel- und Gasölkraftstoffe und die Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates im Hinblick auf die Spezifikationen für von Binnenschiffen gebrauchte Kraftstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 93/12/EWG, ABl. L 140/88, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009L0030- 20090605&qid=1432812074401&from=DE. 36 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 34-36 AEUV, Rn. 200. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 12 mit ist das Ziel des Gesundheitsschutzes grundsätzlich bereits vom Ziel des Umweltschutzes umfasst .37 Da vor diesem Hintergrund die Erwägungen bezüglich des Gesundheitsschutzes nicht getrennt von den Argumenten zu prüfen sind, die sich auf den Umweltschutz beziehen,38 wird hinsichtlich der potenziellen Rechtfertigung eines Import- und Handelsverbotes auf die vorstehenden Ausführungen zum Umweltschutz verwiesen. 2.4.3. Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme, die gegen das Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung (Art. 34 AEUV) verstößt und grundsätzlich im Rahmen von Art. 36 AEUV oder durch einen zwingenden Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, muss außerdem verhältnismäßig sein.39 Ein Importverbot kann demnach – insbesondere durch zwingende Gründe des Umweltschutzes – dann gerechtfertigt sein, sofern es geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was dazu erforderlich ist.40 Eine beschränkende Maßnahme kann nur dann als geeignet angesehen werden, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.41 Ausgehend von der Annahme, dass ein Import- und Handelsverbot von Frackingprodukten das Ziel verfolgt, den von der Fördermethode potenziell ausgehenden Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit vorzubeugen, dürfte eine Rechtfertigung der mit dem Verbot einhergehenden Beschränkung jedenfalls ein Verbot entsprechender Fördermethoden in Deutschland voraussetzen, um dem Anliegen gerecht zu werden , das verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Ausgehend von der Annahme, dass die Verfolgung des grundsätzlich legitimen Ziels, potenziellen Gefahren für die Umwelt durch die spezifischen Fördermethoden des Frackings vorzubeugen, in erster Linie im Stadium der Förderung wirksam verfolgt werden kann, dürften sich zudem Schwierigkeiten daraus ergeben, den konkrete Nachweis der Herkunft der Frackingprodukte zu erbringen, wenn diese Produkte aufgrund ihrer konventionell geförderten Produkten entsprechenden chemischen Natur in der EU in den Verkehr gebracht werden.42 Im Übrigen steht die Geeignetheit und Erforderlichkeit eines nationalen Import- und Handelsverbots in Abhängigkeit von dem mit der Regelung verfolgten Ziel. Mangels konkreter Angaben 37 EuGH, C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 56. 38 EuGH, C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 56. 39 EuGH, C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 54. 40 Vgl. EuGH, Rs. C-389/96 (Aher-Waggon), Rn. 19 f.; EuGH, Rs. C-110/05 (Kommission/Italien), Rn. 59; EuGH, Rs. C-524/07 (Kommission/Österreich), Rn. 57. 41 EuGH, Rs. C-169/07 (Hartlauer), Rn. 55; EuGH, verb. Rs. C-171/07 und C-172/07, Slg. 2009 (Apothekerkammer des Saarlandes u. a.), Rn. 42; EuGH, Rs. C-137/09 (Josemans), Rn. 70. 42 Vgl. dementsprechend EuGH, Rs. C-573/12 (Ålands vindkraft), Rn. 87 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 13 hierzu kann aus hiesiger Sicht keine weitergehende Einschätzung zur Verhältnismäßigkeit eines solchen Verbots vorgenommen werden. 2.5. Zusammenfassung Auf ein nationales Import- und Handelsverbot von Frackingprodukten aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder von solchen Produkten, die sich gemäß Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, finden grundsätzlich die europäischen Grundfreiheiten Anwendung . Ein solches Verbot beeinträchtigt den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit, kann jedoch grundsätzlich im Rahmen des Art. 36 AEUV oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Hierbei kommen insbesondere die Gründe des Gesundheits- und Umweltschutzes in Betracht. In diesem Rahmen streitet jedoch der Umstand gegen die Rechtfertigung Import- und Handelsverbots, dass die legitimen Ziele des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in erster Linie wirksam im Stadium der Förderung wirksam verfolgt werden können. Für ein gerechtfertigtes und verhältnismäßiges Verbot durch einen Mitgliedstaat dürfte der Nachweis zu erbringen sein, dass von den Frackingprodukten selbst eine spezifische Gefahr ausgeht. 3. Unionsrechtliche Prämissen für ein nationales Importverbot für Waren mit Ursprung in Drittländern Ein nationales Importverbot mit einem daraus resultierenden Handelsverbot könnte sich auch auf Frackingprodukte aus Drittstaaten beziehen. Dies setzt zunächst voraus, dass die Mitgliedstaaten hierfür im Rahmen der europäischen Rechtsordnung entsprechende Zuständigkeiten besitzen und diese unionsrechtskonform wahrnehmen. 3.1. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten – die gemeinsame Handelspolitik der EU Gemäß Art. 207 Abs. 1 AEUV wird die gemeinsame Handelspolitik der Union nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet. Dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, für den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen betreffen, für die Handelsaspekte des geistigen Eigentums, die ausländischen Direktinvestitionen, die Vereinheitlichung von Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik sowie für handelspolitische Schutzmaßnahmen. Die Ausgestaltung der gemeinsamen Handelspolitik soll darüber hinaus im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union erfolgen. Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV weist der Union die ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik zu. Es kann daher grundsätzlich nur die EU in diesem Politikbereich verbindliche Rechtsakte erlassen. Die Rolle der Mitgliedstaaten beschränkt sich auf die Anwendung dieser Rechtsakte, es sei denn, sie wurden ausdrücklich dazu ermächtigt, bestimmte Rechtsakte selbst zu erlassen. Einfuhrbeschränkungen bzw. -verbote für Waren aus Drittstaaten betreffen jedoch den Kernbereich der gemeinsamen Handelspolitik. Sie sind daher auf Unionsebene zu regeln. 3.2. Sekundärrechtliche Regelungen – Verordnung (EU) 2015/478 Gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV erlassen das Europäische Parlament (EP) und der Rat Maßnahmen durch Verordnungen nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, um die gemeinsame Handelspolitik umzusetzen. EP und Rat haben von dieser Befugnis umfangreich Gebrauch gemacht Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 14 und bereits verschiedene Regelungen unter anderem zur Einfuhr von Waren aus Drittstaaten erlassen .43 Im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik der EU könnten sich entsprechende Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten für den Erlass eines mitgliedstaatspezifischen Importverbots von Frackingprodukten insbesondere aus der VO (EU) 2015/478 über eine gemeinsame Einfuhrregelung ergeben. 3.2.1. Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/478 Grundsätzlich werden alle Waren mit Ausnahme von Textilwaren sowie Waren aus den in der Verordnung (EG) 625/200944 aufgeführten Ländern von der VO (EU) 2015/478 erfasst. Auch in der gemeinsamen Handelspolitik der Union gilt der Warenbegriff des Art. 28 AEUV, d.h. Waren in diesem Sinne sind Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und Gegenstand von rechtmäßigen Handelsgeschäften sein können.45 Der Begriff der Einfuhr bezeichnet die Verbringung in das Gebiet der EU mit Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr. Da die VO (EU) 2015/478 nur für die Einfuhren der Waren mit Ursprung aus Drittländern46 gilt, ist entscheidend, ob die Ware ihren Ursprung in einem Drittland hat oder nicht. Die VO (EU) 2015/478 beruht auf dem Grundsatz der Liberalisierung der Einfuhren im Sinne eines Verzichts auf mengenmäßige Beschränkungen; der Grundsatz der Einfuhrfreiheit gilt sowohl für einzelstaatliche als auch für gemeinschaftliche Beschränkungen.47 Zwar soll mit der Verordnung keine Ausdehnung des Binnenmarktes auf Drittländer erreicht werden,48 jedoch würde jedenfalls ein generelles Importverbot dem Verbot einer mengenmäßigen Beschränkung gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 unterfallen. In diesem Rahmen umfasst die Einfuhrfreiheit lediglich die Einfuhr, nicht aber auch das Inverkehrbringen von Waren in der EU.49 Dieser Befund entspricht der Zielsetzung der Verordnung, die Disziplinen des Art. XIX (Notstandsmaßnahmen bei der Einfuhr bestimmter Waren) GATT50 und des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen (im 43 Arnold/Meindl, in Dauses [Hrsg.], EU-Wirtschaftsrecht, 34. Ergänzungslieferung 2013, Außenhandelsrecht, Grundregeln, Rn 34 f. 44 Verordnung (EG) Nr. 625/2009 des Rates vom 7. Juli 2009 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern, ABl. L 185/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R0625&qid=1432825354157&from=DE. 45 Vgl. EuGH, Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien), Rn. 23 ff. 46 Mit Ausnahme der in der Verordnung (EG) 625/2009 aufgeführten Länder. 47 Vgl. hierzu eingehend Bungenberg, in: v. Arnauld, EnzEuR, Bd. 10, Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 12, Rn. 21 ff. 48 Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zu EuGH, Rs. C-124/95 (Centro-Com), Rn. 63. 49 EuGH, Rs. C-296/00 (Carbone), Rn. 30. 50 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen vom 15. April 1994, ABl. L 336/11 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 15 Folgenden: WTO-ÜS)51 umzusetzen.52 Da Art. XIX GATT und das WTO-ÜS eine Ausnahme von Art. XI GATT darstellen, welcher sich gegen Verbote und Beschränkungen bei der Aus- und Einfuhr sowie gegen mengenmäßige Beschränkungen und andere Maßnahmen richtet, bietet Art. XI GATT insoweit einen wichtigen Anhaltspunkt für die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2015/478.53 3.2.2. Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 Verordnung (EU) 2015/478 Die Einfuhrfreiheit gilt nicht ohne Einschränkungen. Unter bestimmten Umständen können sowohl die Union54 als auch die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, welche die Einfuhr von Waren aus Drittstaaten einschränken. Wie oben dargelegt ist die gemeinsame Handelspolitik eine ausschließliche Zuständigkeit der Union, und die Mitgliedstaaten sind ohne Ermächtigungsgrundlage nicht befugt, handelspolitische Maßnahmen zu ergreifen. Neben den – vorliegend nicht einschlägigen – primärrechtlichen Ermächtigungen der Art. 346, 347 AEUV kommt vorliegend insbesondere die Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 in Betracht, welche den Erlass oder die Anwendung einzelstaatlicher Maßnahmen erlaubt, die den Import bestimmter Produkte verbieten oder beschränken. Zu diesen Gründen zählen jedoch keine wirtschaftlichen, so dass es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt ist, einzelstaatliche wirtschaftliche Schutzmaßnahmen zu erlassen – sofern die Kommission nicht regionale Schutzmaßnahmen gemäß Art. 17 VO (EU) 2015/478 genehmigt hat. 3.2.3. Rechtfertigung von Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 Verordnung (EU) 2015/478 Diese Maßnahmen müssen jedoch gemäß den in Art. 24 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 abschließend aufgeführten Gründen gerechtfertigt sein. Die in Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a aufgelisteten Gründe, die vorliegend für die Rechtfertigung eines einzelstaatlichen Importverbots in Betracht kommen, entsprechen im Wesentlichen den Gründen zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 36 AEUV sowie den in Art. XX GATT genannten allgemeinen Ausnahmen.55 Mit Blick auf die Frage nach der Unionsrechtskonformität eines nationalen Importverbots und der gebotenen autonomen Auslegung des Unionsrechts bleiben die oben genannten Erwägungen zur Rechtfertigung einer solchen Importbeschränkung maßgeblich. 3.3. Zusammenfassung Mit Blick oben dargestellten Zielsetzungen eines Importverbotes und vor dem Hintergrund der Annahme, dass die potenzielle Gefährlichkeit für eines der in Art. 24 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 51 Übereinkommen über Schutzmaßnahmen vom 15. April 1994, ABl. L 336/84. 52 Vgl. 4. Erwägungsgrund Verordnung (EU) 2015/478. 53 Vgl. dementsprechend EuGH, Rs. C-70/94 (Werner), Rn. 22. 54 Siehe hierzu unten 4. 55 Vgl. hierzu Boysen, in: v. Arnauld, EnzEuR, Bd. 10, Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 9, Rn. 84 f. mit Verweis auf EuGH, Rs. C-296/00 (Carbonne), Rn. 34. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 16 genannten Rechtsgüter nicht unmittelbar von dem Frackingprodukt, sondern vielmehr von den spezifischen Fördermethoden ausgeht, erscheint aus hiesiger Sicht die Rechtfertigung eines nationalen Importverbotes auch im Kontext der VO (EU) 2015/478 fraglich. 4. Unionsrechtliche Anforderungen an ein Import- und Handelsverbot für die EU Schließlich könnte eine Alternative für ein generelles Import- und Handelsverbot von Frackingprodukten in einem entsprechenden Verbot auf EU-Ebene bestehen. Unionsrechtliche Einfuhrbeschränkungen bzw. -verbote für Frackingprodukte könnten dabei insbesondere im Rahmen eines Einfuhrregimes für Waren aus Drittstaaten festlegt werden. Im Folgenden werden die unionsrechtlichen Möglichkeiten für derartige Einfuhrbeschränkungen bzw. -verbote dargestellt, wobei jedoch völkerrechtliche Vorgaben sowie die Wirkungen von bi- und multilateralen Handelsvereinbarungen 56 außer Betracht bleiben. 4.1. Instrumente der gemeinsamen Handelspolitik Die Instrumente zur Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik der EU lassen sich in zwei Kategorien unterteilen, zum einen in sog. autonome, d. h. einseitig von der Union ergriffene Maßnahmen , zum anderen in solche, die auf Verhandlungswege mit Drittstaaten vereinbart werden (bilaterale oder multilaterale Abkommen). Hiervon werden insbesondere solche Maßnahmen erfasst , die den Handelsverkehr mit Drittstaaten offen und spezifisch regeln sowie solche Maßnahmen , deren Hauptzweck in der Beeinflussung der Handelsströme oder des Handelsvolumens liegt. Dementsprechend sind grundsätzlich auch Einfuhrbeschränkungen bzw. -verbote für Waren aus Drittstaaten mögliche Instrumente der gemeinsamen Handelspolitik. 4.2. Sekundärrechtliche Vorgaben Die im Rahmen der VO (EU) 2015/478 gewährte Einfuhrfreiheit bleibt auch durch Maßnahmen der Union zum Schutz von höherrangigen Rechtsgütern einschränkbar.57 56 Zu den Verhandlungen für ein Handels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika (Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)) vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/september/tradoc_151788.pdf sowie http://power-shift.de/wordpress /wp-content/uploads/2014/03/Kurzstudie-Fracking-TTIP-CEO_PowerShift_FoE-Europe-et-al-3-2014.pdf. 57 Vgl. auch Voland, Schütze deinen Nächsten wie dich selbst!? – Die Vereinbarkeit von Exportverboten mit dem Welthandelsrecht, EuZW 2008, S. 70 ff.; Maczynski, Schadensersatzansprüche gegen die EG basierend auf völkerrechtswidrigem Sekundärrecht, EuZW 2006, S. 459 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 17 Zunächst verweist Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2015/478 auf die Möglichkeit, wirtschaftliche Schutzmaßnahmen nach Kapitel V der VO zu ergreifen.58 Die Vorschriften betreffend diese Schutzmaßnahmen wurden unter Berücksichtigung des Art. XIX GATT und des WTO-ÜSM erlassen.59 Abgesehen von den – mit Blick auf die Zielsetzung eines Importverbots für Frackingprodukte vorliegend nicht einschlägigen – handelspolitischen Schutzmaßnahmen verfügt die Union über weitere Möglichkeiten, Maßnahmen zu erlassen, die eine Beschränkungen der Einfuhren bewirken können. Damit ist festzustellen, dass sich der Grundsatz des Art. 1 VO (EU) 2015/478 vor allem an die Mitgliedstaaten richtet und dass die VO (EU) 2015/478 hauptsächlich darauf abzielt, das gemeinschaftliche Verfahren und die Bedingungen für den Erlass von Überwachungs- und Schutzmaßnahmen festzulegen. Gemäß Art. 22 und 24 VO (EU) 2015/478 steht die VO zudem der Erfüllung von internationalen Verpflichtungen oder der Wahrnehmung von den internationalen Rechten der Gemeinschaft nicht entgegen. 4.3. Sonstige handelspolitische Maßnahmen Unabhängig von den Handlungsoptionen der VO (EU) 2015/478 können das Europäische Parlament und der Rat als europäischer Gesetzgeber gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV Maßnahmen beschließen , mit denen der Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik bestimmt wird. Auf dieser Grundlage kann der europäische Gesetzgeber Ausnahmen von der grundsätzlich unbeschränkten Einfuhr bestimmen. In Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der europäischen Außenpolitik gemäß Art. 21 EUV, wonach die Union beispielsweise zur Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beiträgt, hat der Unionsgesetzgeber bereits verschiedene Einfuhrregime u.a. zum Schutz der Umwelt und zum Schutz von Menschenrechten errichtet.60 Hierbei ist jedoch die Verpflichtung der Union aus dem GATT zu beachten. Zwar zählen die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Normen, die für die Unionsrechtskonformität von Handlungen der Unionsorgane maßgeblich sind.61 Je- 58 Vgl. hierzu ergänzend die Verfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3286/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln, ABl. 349/71, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:01994R3286-20140220&qid=1432888746298&from=DE. 59 Vgl. Erwägungsgründe 3 bis 5 der VO (EG) 2015/478. 60 Vgl. hierzu im Überblick Hahn, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 207 AEUV, Rn. 133 ff.; Bungenberg , in: v. Arnauld, EnzEuR, Bd. 10, Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 12, Rn. 37 ff. 61 EuGH, Rs. C-306/13 (LVP), Rn. 41 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 43/15 Seite 18 doch sind die Regeln der WTO und des GATT mit dem Beitritt der Union integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung und auch vom Unionsgesetzgeber beim Erlass von handelsbeschränkenden Maßnahmen gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV zu beachten.62 Vor diesem Hintergrund ist Art. XI GATT zu beachten, wonach eine Vertragspartei außer Zölle, Abgaben und sonstigen Belastungen bei der Einfuhr einer Ware aus dem Gebiet einer anderen Vertragspartei Verbote oder Beschränkungen in Form von Kontingenten, Einfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen weder erlassen noch beibehalten darf.63 Zum Erlass von wirtschaftlichen Schutzmaßnahmen sehen die Art. XI und XIX GATT die Ausnahmen von dem Grundsatz der Einfuhrfreiheit vor. Vorbehaltlich einer diskriminierungsfreien Ausgestaltung erlaubt zudem Art. XX GATT Ausnahmen insbesondere zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen.64 Ebenso wie bei einem auf Art. 24 VO (EU) 2015/478 gestützten Importverbot muss die Maßnahme notwendig sein, um das Schutzziel zu erreichen. - Fachbereich Europa - 62 Im Überblick hierzu vgl. Hahn, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 207 AEUV, Rn. 160 ff.; 63 Zur Bindung der EU an die Regelungen des GATT vgl. EuGH, Rs. C-377/02 (Léon Van Parys), Rn. 39 ff.; EuGH, verb. Rs. C-401/12 P u.a. (Vereniging Milieudefensie u.a.), Rn. 52 ff. 64 Vgl. allgemein hierzu Epiney, Welthandel und Umwelt – Ein Beitrag zur Dogmatik der Art. III, IX, XX GATT, DVBl. 2000, S. 77 ff.; Tietje, Die völkerrechtliche Kooperationspflicht im Spannungsverhältnis Welthandel/Umweltschutz und ihre Bedeutung für die europäische Umweltblume, EuR 2000, S. 285 ff.; für Regelungen betreffend sog. Domestically Prohibited Goods vgl. Bender, Unilaterale Exportverbote von Domestically Prohibited Goods zum Umwelt- oder Gesundheitsschutz im Ausland und ihre Rechtmäßigkeit nach dem GATT, Ein Beitrag zur Dogmatik der Art. XI und XX GATT, ZaöRV 2003, S. 1007 (1017 ff.); sowie im Kontext des WTO-Agreements on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures vgl. Eggers: Die Entscheidung des WTO Appellate Body im Hormonfall - Doch ein Recht auf Vorsorge?, EuZW 1998, 147.