© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 40/16 Offshore-Pipeline in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Ergänzung des Gutachtens zu Nord Stream 2 Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 2 Offshore-Pipeline in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Ergänzung des Gutachtens zu Nord Stream 2 Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 40/16 Abschluss der Arbeit: 13.4.2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Verlauf der geplanten Pipeline Nord Stream 2 4 3. Die ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandsockel 5 3.1. Vorgaben für die AWZ aus dem SRÜ 5 3.2. Vorgaben für den Festlandsockel aus dem SRÜ 6 3.3. Verhältnis von AWZ und Festlandsockel 6 4. Anwendbarkeit von Unionsrecht 7 4.1. Prüfungsaufbau 7 4.2. Souveräne Rechte der Küstenstaaten 7 4.3. Bindung an das Unionsrechts 9 4.3.1. Rechtsprechung des EuGH 9 4.3.2. Rede des Kommissars für die Energieunion 11 5. Rechtliche Vorgaben und Genehmigungen im Zusammenhang mit Nord Stream 13 5.1. Deutsche Genehmigung im Bereich der AWZ bzw. des Festlandsockels 13 5.2. Deutsche Genehmigung im Bereich des Küstenmeeres 14 6. Fazit 15 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 4 1. Fragestellung Die nachfolgende Ausarbeitung befasst sich mit dem möglichen Ausbau der Offshore-Pipeline Nord Stream (Nord Stream 2). Das Projekt Nord Stream 2 steht erst am Anfang seiner Planungsphase . Es ist zudem nicht nur politisch, sondern auch rechtlich unter verschiedenen Gesichtspunkten umstritten, so dass nicht sicher gesagt werden kann, ob und wenn ja, in welcher Form es tatsächlich realisiert wird. Es ist daher im Folgenden keine abschließende Bewertung der einzelnen Fragestellungen möglich. In der vorangegangenen Ausarbeitung zu Nord Stream 2 steht: „Stimmen in der Literatur zufolge, sind die Mitgliedstaaten zur Anwendung des Unionsrechts berechtigt und verpflichtet, wenn sie über ihr Hoheitsgebiet hinaus in bestimmten Gebieten, wie etwa im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone, souveräne Rechte ausüben und der Union diesbezüglich eine Regelungsbefugnis zusteht.“ 1 Diese Aussage wird im Folgenden näher erörtert. Dabei steht das Regulierungsregime von Pipelines in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. auf dem Festlandsockel von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) im Mittelpunkt. Es wird die Frage geprüft, ob die geplante Pipeline Nord Stream 2 durch die AWZ von Mitgliedstaaten verlaufen soll (2). Das völkerrechtliche Regime von AWZ und Festlandsockel wird dargestellt (3), auf dessen Grundlage geklärt wird, inwieweit die Mitgliedstaaten in ihren AWZ bzw. in Bezug auf den Festlandsockel souveräne Rechte ausüben können (4.2.). Daran anschließend wird untersucht, ob der Union diesbezüglich Regelungsbefugnisse zustehen (4.3.). In beiden Fälle liegt ein besonderes Augenmerk auf der Frage, ob nationales bzw. europäisches Energierecht gilt und durchgesetzt werden kann. Abschließend werden die Genehmigungsverfahren dargestellt, die im Rahmen des Vorgängerprojektes , des Baus der Pipeline Nord Stream, erforderlich gewesen sind (5.). 2. Verlauf der geplanten Pipeline Nord Stream 2 Es ist noch keine Route für die geplante Pipeline Nord Stream 2 festgelegt, insofern kann nicht abschließend festgestellt werden, durch die AWZ welcher Mitgliedstaaten der EU die Pipeline verlaufen wird. Das Vorgängerprojekt Nord Stream verläuft durch die Hoheitsgewässer und/oder ausschließlichen Wirtschaftszonen von fünf Ländern: Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland.2 Eine Übersicht zu möglichen Routenverläufe der Pipeline Nord Stream 2 findet sich auf der Internetseite zu Nord Stream 2.3 1 Nord Stream 2 – Vorgaben des europäischen Energierechts, PE 6 - 3000 - 27/16. 2 https://www.nord-stream.com/de/das-projekt/genehmigungen/; Langlet, Transboundary transit pipelines: reflections on the balancing of rights and interests in light of the Nord Stream project, ICLQ 2014, S. 977 (979). 3 http://www.nord-stream2.com/de/unser-projekt/die-pipeline/. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 5 3. Die ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandsockel Grundsätzlich ist der Geltungsbereich des Unionsrechts auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beschränkt.4 Die ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandsockel gehören nicht zum Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten.5 Die AWZ ist ein Raum, in dem der Küstenstaat befugt ist, einzelne und funktional begrenzte souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse auszuüben, in der gleichzeitig aber auch andere Staaten agieren dürfen.6 Der Küstenstaat hat auch im Bereich des Festlandsockels keine umfassende Hoheitsmacht, der Festlandsockel ist ein sog. Funktionshoheitsraum, ähnlich der AWZ.7 Die völkerrechtlichen Vorgaben zu der AWZ wie auch zu dem Festlandsockel finden sich in dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ).8 3.1. Vorgaben für die AWZ aus dem SRÜ Nach Art. 56 Abs. 1 SRÜ hat der Küstenstaat in der AWZ souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer, des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie hinsichtlich anderer Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung , Hoheitsbefugnisse in Bezug auf die Errichtung und Nutzung von künstlichen Inseln, Anlagen und Bauwerken, die wissenschaftliche Meeresforschung, den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt und andere in dem SRÜ vorgesehene Rechte und Pflichten. Nach Art. 58 Abs. 1 SRÜ genießen alle Staaten, nicht nur der jeweilige Küstenstaat, in einer AWZ die in Art. 87 SRÜ genannten Freiheiten der Schifffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen sowie andere völkerrechtlich zulässige Nutzungen des Meeres , insbesondere im Rahmen des Einsatzes von Schiffen und Luftfahrzeugen sowie des Betriebs unterseeischer Kabel und Rohrleitungen, vorbehaltlich der diesbezüglichen Bestimmungen des SRÜ. Gemäß Art. 56 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 3 SRÜ berücksichtigen die Staaten bei der Ausübung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten in der AWZ die Rechte und Pflichten des Küstenstaats bzw. der anderen Staaten. Es müssen mithin sowohl der jeweilige Küstenstaat als auch die 4 Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 45, Stand: August 2011, Art. 355 AEUV, Rn. 6; Herrnfeld , in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 53 EUV, Rn. 3. 5 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 52 EUV, Rn. 5. 6 Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, EL 76, Stand: Mai 2015, Umweltvölkerrecht, Rn. 122. 7 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 98. 8 Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen und Übereinkommen zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens, ABl. 1998, L 179/3, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:1998:179:0003:0134:DE:PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 6 anderen Staaten in der AWZ die wechselseitigen Rechte und Pflichten gebührend berücksichtigen .9 Gemäß den Vorgaben des Seerechtsübereinkommens hat der Küstenstaat in der AWZ Regelungsbefugnisse und Rechte in Bezug auf die Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der AWZ, die Errichtung von Anlagen, die Meeresforschung sowie den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt. Er hat nach der Aufzählung des Art. 56 Abs. 1 SRÜ aber keine Hoheitsmacht in der AWZ im Bereich des Energierechts. 3.2. Vorgaben für den Festlandsockel aus dem SRÜ Vergleichbare Vorgaben wie für den Bereich der AWZ gelten für den sog. Festlandsockel. Gemäß Art. 76 Abs. 1 SRÜ ist der Festlandsockel der jenseits des Küstenmeers gelegene Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen (verkürzt dargestellt). Nach Art. 77 Abs. 1 SRÜ übt der Küstenstaat über den Festlandsockel souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus. Gemäß Art. 79 Abs. 1 SRÜ haben alle Staaten das Recht, auf dem Festlandsockel unterseeische Kabel und Rohrleitungen zu legen. Das Recht aus Art. 79 Abs. 1 SRÜ umfasst neben der Verlegung auch den Betrieb der Kabel und Rohrleitungen.10 Der Küstenstaat darf nach Art. 79 Abs. 2 SRÜ das Legen oder die Unterhaltung dieser Kabel oder Rohrleitungen nicht behindern, vorbehaltlich seines Rechts, angemessene Maßnahmen zur Erforschung des Festlandsockels, zur Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen und zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Rohrleitungen zu ergreifen. Gemäß Art. 79 Abs. 3 SRÜ bedarf die Festlegung der Trasse für das Legen solcher Rohrleitungen auf dem Festlandsockel der Zustimmung des Küstenstaats. Zu beachten ist, dass nicht die Verlegung von Rohrleitungen an sich, sondern die Festlegung des Verlaufs der Zustimmung des Küstenstaates bedarf.11 3.3. Verhältnis von AWZ und Festlandsockel Das AWZ- und das Festlandsockelregime gelangen grundsätzlich parallel zur Anwendung, die Vorgaben bezüglich der AWZ und des Festlandsockels überlagern und ergänzen sich, soweit sich aus dem SRÜ nicht etwas anderes ergibt.12 Der Literatur zufolge unterliegen Offshore-Pipelines in der AWZ dem Festlandsockelrecht, da es keine schwimmenden Rohrleitungen gibt und der 9 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 97. 10 Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 130. 11 Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 154. 12 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 102. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 7 AWZ-Meeresgrund und -untergrund mit dem Festlandsockel in der Regel identisch ist.13 Der Küstenstaat ist mithin nach Art. 79 Abs. 2 und 3 SRÜ befugt, in der AWZ bzw. in Bezug auf den Festlandsockel die Verlegung von Offshore-Pipelines zu regeln, sofern dies dem Schutz der Meeresumwelt dient oder in anderen, vom Küstenstaat gemäß dem SRÜ zu regelnden Bereichen von Relevanz ist. 4. Anwendbarkeit von Unionsrecht 4.1. Prüfungsaufbau Wie in der vorangegangenen Ausarbeitung zu Nord Stream 2 festgehalten, sind die Mitgliedstaaten zur Anwendung des Unionsrechts berechtigt und verpflichtet, wenn sie über ihr Hoheitsgebiet hinaus in bestimmten Gebieten, wie etwa im Bereich der AWZ und des Festlandsockels, souveräne Rechte ausüben und der Union diesbezüglich eine Regelungsbefugnis zusteht.14 Bei der Ausübung dieser Rechte sind die Mitgliedstaaten dann an Unionsrecht gebunden. Es ist mithin eine zweifache Prüfung erforderlich. Erstens muss mithin festgestellt werden, inwiefern dem Küstenstaat nach dem SRÜ in der AWZ bzw. in Bezug auf den Festlandsockel Hoheitsrechte zustehen und zweitens, inwiefern dieser fragliche Hoheitsbereich durch das Unionsrecht geprägt ist. 4.2. Souveräne Rechte der Küstenstaaten Grundsätzlich verfügt ein Küstenstaat aufgrund der Vorgaben des SRÜ in der AWZ bzw. hinsichtlich des Festlandsockels über einzelne, funktional begrenzte Rechte.15 Es gilt daher nicht die vollständige nationale Rechtsordnung des Küstenstaates in der AWZ, stattdessen kann der Küstenstaat in einzelnen, von Art. 56 Abs. 1, Art. 77 Abs. 1 und Art. 79 SRÜ vorgegebenen Bereichen Hoheitsrechte ausüben. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Küstenstaat in der AWZ nach Art. 56 SRÜ Rechte in Bezug auf Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der AWZ sowie der Errichtung von Anlagen, der Meeresforschung sowie Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt. Vergleichbares gilt für den Festlandsockel, bezüglich dessen der Küstenstaat nach Art. 77 Abs. 1 SRÜ souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen ausübt. Die Literatur kommt aufgrund der Vorgaben des SRÜ zu dem Ergebnis, dass der Küstenstaat grundsätzlich keine Hoheitsbefugnisse über Rohrleitungen in seiner AWZ bzw. auf seinem Fest- 13 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 98; Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 131. 14 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 52 EUV, Rn. 5; Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim , Das Recht der EU, EL 45, Stand: August 2011, Art. 355 AEUV, Rn. 7; Hofstötter, in: von der Groeben /Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 52 AEUV, Rn. 3. 15 Proelß, Völkerrechtliche Rahmenbedingungen der Anwendung naturschutzrechtlicher Instrumente in der AWZ, ZUR 2010, S. 359. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 8 landsockel ausübt. Hoheitsbefugnisse stehen nach Art. 79 Abs. 1 SRÜ den sog. verlegenden Staaten zu.16 Verlegender Staat ist der Staat, der die Rohrleitung entweder selbst verlegt oder unter dessen Personalhoheit das Unternehmen steht, welches die Rohrleitung verlegt bzw. betreibt.17 Diese Hoheitsbefugnisse der verlegenden Staaten sind aber nicht ausschließlich, sie sind durch die in Art. 79 Abs. 2 und 3 SRÜ normierten Rechte und Pflichten des Küstenstaates, auf dessen Festlandsockel die Rohrleitung liegt, begrenzt.18 Nach Art. 79 Abs. 2 SRÜ darf der Küstenstaat das Legen oder die Unterhaltung von Kabeln oder Rohrleitungen nicht behindern, vorbehaltlich seines Rechts, angemessene Maßnahmen zur Erforschung des Festlandsockels, zur Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen und zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Rohrleitungen zu ergreifen. Der Küstenstaat kann mithin die Verlegung von Rohrleitungen aufgrund von umweltrechtlichen Bedenken oder entgegenstehenden Errichtungsvorhaben regulieren.19 Er hat allerdings nach dem SRÜ nicht das Recht, aus energiepolitischen Erwägungen Hoheitsmacht auszuüben. Gemäß Art. 79 Abs. 3 SRÜ bedarf die Festlegung der Trasse für das Legen von Rohrleitungen auf dem Festlandsockel der Zustimmung des Küstenstaates. Aufgrund der grundsätzlichen Freiheit zur Verlegung von Rohrleitungen erscheint es systemgerecht, dass die Gründe, aus denen ein Küstenstaat die Festlegung der Tasse verweigern oder beschränken darf, durch die in Art. 79 Abs. 2 SRÜ benannten Rechte und Regelungsbefugnisse des Küstenstaates bezüglich des Festlandsockels beschränkt sind (Erforschung des Festlandsockels, Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen und Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Rohrleitungen ). Eine Verweigerung der Genehmigung ist nach Ansicht der Literatur insbesondere aus den folgenden Gründen zulässig: „Die geplante Trasse birgt die Gefahr einer Beschädigung der Rohrleitung und damit eine Gefahr für die Meeresumwelt; die geplante Trasse beeinträchtigt Meeresnutzungen des Küstenstaates (insbesondere Ausbeutungsinteressen, Art. 77 SRÜ) und anderer Staaten (Schifffahrt) übermäßig; die geplante Trasse verletzt das Rücksichtnahmegebot des 16 Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 136. 17 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 128. 18 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 197; Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 136. 19 Vgl. zu derartigen Konstellationen: Proelß, Das Regime der ausschließlichen Wirtschaftszone im Wandel der Zeit: Rechtsstatus und Ansätze zur Lösung von Schutz-/Nutzungskonflikten, EurUP 2012, S. 280 (282); Kim, Ostseepipeline „Nord Stream“ – ein meeresumweltrechtliches Problem?, NuR 2009, S. 170 (174). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 9 Art. 79 Abs. 5 SRÜ für bereits vorhandene Kabel und Rohrleitungen.“20 Andere Aspekte, wie Sicherheitserwägungen oder energiepolitische Beweggründe, dürfen Stimmen in der Literatur zufolge hingegen nicht in die Genehmigungsentscheidung des Küstenstaates einfließen.21 4.3. Bindung an das Unionsrechts Die Frage, in welchem Umfang die Mitgliedstaaten in Bezug auf Offshore-Pipelines an Unionsrecht gebunden sind, ist umstritten. 4.3.1. Rechtsprechung des EuGH Die Frage nach den Hoheitsrechten der Küstenstaaten in den AWZ bzw. auf dem Festlandsockel wird durch das SRÜ bestimmt. Die Bedeutung der Vorgaben des SRÜ für die Anwendung des Unionsrechts in der AWZ bzw. im Bereich des Festlandsockels wird in verschiedenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) deutlich. Der EuGH bejaht in seinen Entscheidungen eine Anwendbarkeit des Unionsrechts, sofern die Mitgliedstaaten in der AWZ bzw. auf dem Festlandsockel Rechte gemäß dem SRÜ ausüben. In der Rechtssache Salemnik22 hat der EuGH über die Anwendbarkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1408/7123 im Bereich des Festlandsockels entschieden. Es ging um die Frage, ob es mit dem Unionsrecht und insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vereinbar sei, wenn ein Arbeitnehmer , der auf einer festen Einrichtung auf dem an einen Mitgliedstaat angrenzenden Festlandsockel beruflich tätig ist, in diesem Mitgliedstaat nur deshalb nicht pflichtversichert ist, weil er nicht in diesem, sondern in einem anderen Mitgliedstaat wohnt.24 Dafür musste der EuGH klären, ob die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht nur im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, sondern darüber hinaus im Bereich des Festlandsockels anwendbar ist. Der EuGH entschied: „Da der an einen Mitgliedstaat angrenzende Festlandsockel dessen Hoheitsgewalt, wenn auch funktionell und beschränkt, unterliegt, ist eine von einem Arbeitnehmer auf festen oder schwimmenden Einrichtungen auf oder über dem an einen Vertragsstaat angrenzenden Festlandsockel im Rahmen der Erforschung und/oder Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer verrichtete Arbeit für die Anwendung des Unionsrechts als eine im Hoheitsgebiet dieses Staates verrichtete Arbeit anzusehen . Der Mitgliedstaat, der Vorteil aus den wirtschaftlichen Vorrechten der Erforschung und/oder 20 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 207. 21 Langlet, Transboundary transit pipelines: reflections on the balancing of rights and interests in light of the Nord Stream project, ICLQ 2014, S. 977 (990) (“This means that it is impermissible to impose restrictions on the laying or operation of submarine pipelines for other reasons, such as security or energy policy considerations.”). 22 EuGH, Urt. v. 17.1.2012, Rs. C‑347/10, ECLI:EU:C:2012:17 – Salemnik. 23 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern, ABl. 1971, L 149/2, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:01971R1408-20080707&from=DE. 24 EuGH, Urt. v. 17.1.2012, Rs. C‑347/10, ECLI:EU:C:2012:17 – Salemnik, Rn. 28. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 10 Ausbeutung der Ressourcen zieht, die er auf dem an ihn angrenzenden Festlandsockel ausübt, kann sich somit nicht der Anwendung der Bestimmungen des Unionsrechts entziehen, mit denen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet werden soll, die auf solchen Einrichtungen beruflich tätig sind.“25 Ähnlich hatte der EuGH bereits zuvor in der Rechtssache Weber entschieden , wo es um die Frage ging, ob die Arbeit über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaates der Arbeit in diesem Mitgliedstaat gleichzustellen sei.26 Wenn ein Küstenstaat sich entscheidet, von dem ihm zustehenden Recht zur Erforschung und/oder Ausbeutung der Ressourcen des Festlandsockels nach Art. 77 SRÜ Gebrauch zu machen, übt er insoweit souveräne Rechte auf. Auf sämtliche damit in Zusammenhang stehende Aktivitäten findet das Unionsrecht Anwendung. Anders ist die Situation, wenn die in Frage stehenden Aktivitäten nicht auf den besonderen Rechten des Küstenstaates im Bereich der AWZ bzw. des Festlandsockels beruhen, sondern in den Bereich der Freiheiten der Schifffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen fallen, die nach Art. 87 SRÜ i.V.m. Art. 58 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 SRÜ allen Staaten in diesen Zonen zustehen. In der Rechtssache Aktiebolaget27 hatte der EuGH zu entscheiden , ob und in welchem Umfang Mehrwertsteuer für die Verlegung von Glasrohrkabeln nach dem Recht des Küstenstaates zu entrichten sei, wenn das Kabel im Bereich des Küstengewässers und der AWZ verlegt wird. Der EuGH entschied diesbezüglich: „Folglich ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, eine Lieferung von Gegenständen, die in seinem Küstenmeer, auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund des Küstenmeers erfolgt, der Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Demgegenüber ist die staatliche Hoheitsgewalt des Küstenstaats über die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandssockel nur funktioneller Art und als solche auf das Recht beschränkt , die in den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens vorgesehenen Tätigkeiten der Erforschung und Ausbeutung auszuüben. Da die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Kabels nicht zu den in diesen Artikeln aufgeführten Tätigkeiten zählen, unterliegt der Teil des in diesen beiden Gebieten bewirkten Umsatzes nicht der staatlichen Hoheitsgewalt des Küstenstaats . Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in den Art. 58 Abs. 1 und 79 Abs. 1 dieses Übereinkommens , die unter bestimmten Voraussetzungen allen Staaten das Recht einräumen, in diesen Bereichen unterseeische Kabel zu verlegen. Folglich kann dieser Teil des Umsatzes nicht als im Inland im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie bewirkt angesehen werden.“28 Wenn ein Küstenstaat Rechte in der AWZ bzw. in Bezug auf den Festlandsockel ausübt, die ihm als Küstenstaat nach dem SRÜ zustehen, ist Unionsrecht anwendbar. In den Bereichen, in denen das SRÜ dem Küstenstaat keine Kompetenzen zuspricht, findet kein Unionsrecht Anwendung. Wie der EuGH in der Rechtssache Aktiebolaget festhielt, ist die Verlegung von Kabeln auf dem Festlandsockel keine Tätigkeit, die unter die Hoheitsgewalt des jeweiligen Küstenstaates fällt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen allen Staaten offen steht. Die Küstenstaaten können die Verlegung nur insoweit regulieren, wie das SRÜ ihnen Kompetenzen zuspricht, und nur insoweit ist Unionsrecht anwendbar. Das SRÜ gewährt den Küstenstaaten in Art. 79 Abs. 2 und 3 be- 25 EuGH, Urt. v. 17.1.2012, Rs. C‑347/10, ECLI:EU:C:2012:17 – Salemnik, Rn. 35 f. 26 EuGH, Urt. v. 27.2.2002, Rs. C-37/00, Slg. 2002, I-02013, ECLI:EU:C:2002:122 – Weber, Rn. 34 ff. 27 EuGH, Urt. v. 29.3.2007, Rs. C-111/05, Slg. 2007, I-02697, ECLI:EU:C:2007:195 – Aktiebolaget. 28 EuGH, Urt. v. 29.3.2007, Rs. C-111/05, Slg. 2007, I-02697, ECLI:EU:C:2007:195 – Aktiebolaget, Rn. 58 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 11 stimmte Rechte hinsichtlich der Verlegung von Rohrleitungen, diese sind aber inhaltlich begrenzt und führen nicht zu einer umfassenden Hoheitsmacht des Küstenstaates, wodurch sein Steuerrecht oder Energierecht zur Anwendung kommen würde. Bei der Ausübung ihrer Rechte müssen die Küstenstaaten die Freiheiten, welche das SRÜ allen anderen Staaten in Bezug auf die AWZ und den Festlandsockel einräumt, beachten. In der Rechtssache Poulsen entschied der EuGH: „Was die anderen Meereszonen angeht, so ist die Gemeinschaft befugt, die Beförderung und die Lagerung von Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannten Zonen gefangen wurde, in der ausschließlichen Wirtschaftszone , den Küstengewässern, den inneren Meeresgewässern und den Häfen der Mitgliedstaaten als rechtswidrig zu behandeln.“29 Anschließend betont er die Grenzen der Hoheitsmacht der Küstenstaat in ihrer AWZ und damit auch die Grenzen des Unionsrechts: „Die Hoheitsgewalt des Küstenstaats ist jedoch in einigen dieser Zonen nicht umfassend. […] In der ausschließlichen Wirtschaftszone sind die Rechte des Küstenstaats unter Beachtung insbesondere der Freiheit der Schiffahrt auszuüben (vgl. Artikel 58 Absatz 1 der UN-Seerechtskonvention). Hieraus folgt, daß die Gemeinschaftsregelung nicht gegenüber einem Schiff zur Anwendung gebracht werden kann, das in einem Drittstaat registriert ist und in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Mitgliedstaats verkehrt, da dieses Schiff in dieser Zone das Recht freier Schiffahrt genießt.“30 Entsprechendes gilt in geringerem Umfang für das Recht aller Staaten nach dem SRÜ, unterseeische Kabel und Rohrleitungen zu verlegen. Dieses Recht darf von den Küstenstaaten nur in begrenztem Umfang, gemäß Art. 79 Abs. 2 und 3 SRÜ, eingeschränkt werden.31 So erfordert die Festlegung der Trasse für das Legen von Rohrleitungen auf einem Festlandsockel die Genehmigung des jeweiligen Küstenstaates nach Art. 79 Abs. 3 SRÜ, der Küstenstaat hat dabei aber die in Art. 79 Abs. 1 SRÜ postulierte Freiheit aller Staaten, auf dem Festlandsockel unterseeische Kabel und Rohrleitungen zu legen, zu beachten und darf nach Ansicht der Literatur seine Zustimmung nicht vollständig verweigern.32 Und auch Beschränkungen nach Art. 79 Abs. 2 SRÜ darf der Küstenstaat nur geltend machen, wenn er durch das Kabel bzw. die Rohrleitung in der Ausübung seiner spezifischen Festlandsockelrechte eingeschränkt wird.33 4.3.2. Rede des Kommissars für die Energieunion Der Kommissar für die Energieunion Šefčovič führte in einer Rede vor dem Europäischen Parlament am 6. April 2016 aus, dass Unionsrecht im Prinzip auch auf Offshore-Infrastrukturprojekte 29 EuGH, Urt. v. 24.11.1991, Rs. C-286/90, Slg. 1992 I-06019, ECLI:EU:C:1992:453 – Poulsen, Rn. 24. 30 EuGH, Urt. v. 24.11.1991, Rs. C-286/90, Slg. 1992 I-06019, ECLI:EU:C:1992:453 – Poulsen, Rn. 25 f. 31 Kim, Ostseepipeline „Nord Stream“ – ein meeresumweltrechtliches Problem?, NuR 2009, S. 170 (176). 32 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz: eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, 2011, S. 212. 33 Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 143. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 12 in den AWZ der Mitgliedstaaten Anwendung finde. Es müsse geprüft werden, welche EU-Vorgaben dort gelten.34 Anschließend führt er aus, es dürfe bei Infrastrukturprojekten wie Nord Stream 2 keine rechtsfreien Zonen geben. Auch könne der Betrieb der Pipeline nicht allein nach russischem Recht erfolgen. Wenn Nord Stream 2 gebaut werde, müsse die Pipeline gemäß einem Rechtsregime betrieben werden, welches die Grundprinzipien des Europäischen Energiebinnenmarktes berücksichtige.35 Der Kommissar für die Energieunion begründet in seiner Rede nicht weiter, auf welcher Grundlage das Energierecht der Union auf die Pipeline Nord Stream 2, wenn diese in der AWZ von Mitgliedstaaten bzw. auf deren Festlandsockel liegt, Anwendung finden würde. Wie oben dargestellt , spricht der Umfang der Hoheitsrechte, welche Küstenstaaten nach den völkerrechtlichen Vorgaben des SRÜ in ihren AWZ bzw. in Bezug auf den Festlandsockel ausüben, gegen eine Befugnis der Küstenstaaten, energierechtliche Gesichtspunkte der Verlegung einer Rohrleitung bzw. einer Pipeline entgegenzuhalten oder sein Energierecht auf diese anzuwenden. In Bezug auf die vom Kommissar für die Energieunion erwähnten rechtsfreien Zonen ist zu ergänzen , dass nach Ansicht der Literatur Offshore-Pipelines dem Recht des Staates unterliegen, unter dessen Personalhoheit das verlegende Unternehmen bzw. der Eigentümer oder Betreiber der Rohrleitung infolge einer Eintragung oder Registrierung oder aufgrund seines Geschäftssitzes steht.36 Das Unternehmen, welches zum Bau der Nord Stream 2 Pipeline gegründet worden ist, hat seinen Hauptfirmensitz in der Schweiz.37 Die an der Nord Stream 2 AG beteiligten Unternehmen kommen aus Russland, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich.38 Es ist im Umfang dieser Arbeit nicht möglich zu prüfen, welches Recht aufgrund des verlegenden Unternehmens , der Nord Stream 2 AG, zur Anwendung kommen würde. 34 Šefčovič; Nord Stream II – Energy union at the crossroads, Rede vor dem Europäischen Parlament am 6.4.2016, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16-1283_en.htm („Let me underline again that EU law applies in principle also to off-shore infrastructure under the jurisdiction of Member States including their exclusive economic zones. What exactly within the EU sectorial legislation applies has to be assessed in regard to their specific provisions.”). 35 Šefčovič; Nord Stream II – Energy union at the crossroads, Rede vor dem Europäischen Parlament am 6.4.2016, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16-1283_en.htm („The construction of such an important infrastructure project as Nord Stream 2 cannot happen in a legal void. […] Neither can it be exclusively operated only according to Russian law. Against the background of colliding legal regimes, Nord Stream 2, if built, has to be operated under a legal framework which also takes duly account of the key principles of our energy market rules.”). 36 Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz : eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ost-see, 2011, S. 124 f.; Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 3.I, Rn. 136. 37 http://www.nord-stream2.com/de/unser-unternehmen/kunftige-unternehmensstruktur/. 38 http://www.nord-stream2.com/de/unser-unternehmen/kunftige-unternehmensstruktur/. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 13 5. Rechtliche Vorgaben und Genehmigungen im Zusammenhang mit Nord Stream Im Rahmen des Baus der Vorgängerpipeline Nord Stream waren Genehmigungen der Mitgliedstaaten Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland erforderlich.39 Dabei handelte es sich nach Angaben der Projektbetreiber um eine finnische AWZ-Genehmigung und eine Genehmigung nach dem finnischen Wassergesetz, eine schwedische Baugenehmigung, eine dänische Baugenehmigung und zwei deutsche Baugenehmigungen für den Bereich Hoheitsgewässer und AWZ.40 Das Erfordernis einer Genehmigung steht mit dem SRÜ im Einklang. Wie oben bereits dargestellt, bedarf die Festlegung der Trasse für das Legen von Rohrleitungen auf dem Festlandsockel gemäß Art. 79 Abs. 3 SRÜ der Zustimmung des Küstenstaats. Die Gründe, aus denen ein Küstenstaat die Festlegung der Tasse verweigern oder beschränken darf, sind auf die in Art. 79 Abs. 2 SRÜ benannten Rechte und Regelungsbefugnisse des Küstenstaates bezüglich des Festlandsockels beschränkt. Die nationalen Genehmigungen, die im Rahmen des Projektes Nord Stream beantragt und erteilt worden sind, setzen in der Regel eine Umweltverträglichkeitsprüfung voraus.41 Die erteilten Genehmigungen kamen zu dem Ergebnis, dass das Nord Stream Projekt in einer naturschutzrechtlich zulässigen Weise durchgeführt werden könne.42 Neben den nationalen Genehmigungen wurde im Rahmen des Projektes Nord Stream auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Espoo-Konvention43 durchgeführt. Die Espoo-Konvention erfordert allerdings kein eigenes Genehmigungsverfahren, es handelt sich stattdessen um ein Konsultationsverfahren, welches den nationalen Genehmigungen zugrunde liegt.44 5.1. Deutsche Genehmigung im Bereich der AWZ bzw. des Festlandsockels Ausweislich eines Urteils des OVG Mecklenburg Vorpommern wurden für die Errichtung und den Betrieb der Offshore-Pipeline Nord Stream die Planfeststellung des Vorhabens im deutschen Küstenmeer nach § 43 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG), hinsichtlich des deutschen Festlandsockels die Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Nr. 1 Bundesberggesetz 39 Kim, Ostseepipeline „Nord Stream“ – ein meeresumweltrechtliches Problem?, NuR 2009, S. 170 (171). 40 Nord Stream, Fact sheet – Das Genehmigungsverfahren für die Nord Stream-Pipeline, abrufbar unter https://www.nord-stream.com/de/das-projekt/genehmigungen/; s. dazu auch: Kaech, Die Rechtsfragen der Ostsee -Pipeline, in: Ehlers/Wolffgang/Schröder, Energie und Klimawandel, 2010, S. 89 (94 f.). 41 Kaech, Die Rechtsfragen der Ostsee-Pipeline, in: Ehlers/Wolffgang/Schröder, Energie und Klimawandel, 2010, S. 89 (92). 42 Langlet, Transboundary transit pipelines: reflections on the balancing of rights and interests in light of the Nord Stream project, ICLQ 2014, S. 977 (991). 43 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Februar 199 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen sowie zu der auf der zweiten Konferenz der Parteien in Sofia am 27. Februar 2001 beschlossenen Änderung des Übereinkommens (Espoo-Vertragsgesetz), BGBL. II, 2002/22, S. 1406 ff. 44 Kaech, Die Rechtsfragen der Ostsee-Pipeline, in: Ehlers/Wolffgang/Schröder, Energie und Klimawandel, 2010, S. 89 (96 ff.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 14 (BBergG) sowie eine Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Nr. 2 BBergG beantragt.45 In der deutschen AWZ sind nach § 133 BBergG für die Errichtung und den Betrieb einer Transit-Rohrleitung in oder auf dem Festlandsockel eine Genehmigung in bergbaulicher Hinsicht und eine hinsichtlich der Ordnung der Nutzung und Benutzung der Gewässer über dem Festlandsockel und des Luftraumes über diesen Gewässern erforderlich.46 Für erstere ist nach § 136 BBergG die zuständige Landesbehörde, im Fall von Nord Stream das Bergamt Stralsund, und für die zweite Genehmigung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 BBergG das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie verantwortlich . Die Genehmigung nach § 133 BBergG ist eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum .47 Eine Genehmigung nach § 133 Abs. 1 BBergG darf gemäß § 133 Abs. 2 BBergG nur versagt werden, wenn eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder von Sachgütern oder eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessen zu besorgen ist, die nicht durch eine Befristung, durch Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessen liegt insbesondere in den in § 132 Abs. 2 Nr. 3 BBergG genannten Fällen vor. § 132 Abs. 2 Nr. 3 BBergG benennt als potentiell entgegenstehende, überwiegende öffentliche Interessen den Betrieb und die Wirkung von Schifffahrtsanlagen und -zeichen, die Benutzung der Schifffahrtswege und des Luftraumes, die Schifffahrt, den Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt, ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen, Schutz vor einer Verunreinigung des Meeres und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Energiepolitische Erwägungen oder Vorgaben zählen nicht zu den Belangen, die gemäß §§ 133 Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 3 BBergG der Genehmigung einer Transitrohrleitung auf dem Festlandsockel entgegenstehen. 5.2. Deutsche Genehmigung im Bereich des Küstenmeeres Eine spezielle Genehmigung war gemäß § 43 des EnWG für den Abschnitt der Nord Stream Pipeline erforderlich, der durch das deutsche Küstenmeer (12 Seemeilen-Zone) führt.48 Nach § 43 Nr. 2 EnWG bedarf der Betrieb und die Errichtung von Gasversorgungsleitungen mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimetern der Planfeststellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Für ein Planfeststellungsbeschluss nach § 43 EnWG, der die öffentlich-rechtliche Zulassung des Energieleitungsvorhabens feststellt, muss das Vorhaben den sog. materiellen Plananforderungen genügen. Demnach muss die Energieleitung erforderlich sein (Planrechtfertigung) und den für sie zwingenden gesetzlichen Vorgaben genügen (Bindung an Planungsleitsätze). Die Zulassung setzt 45 OVG Mecklenburg Vorpommern, Urt. v. 22.3.2012, 5 K 6/10, Rn. 5 – abrufbar unter juris. 46 Ammermann, Genehmigungspflichtige Nutzungen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee, NuL 2011, S. 431 (434); Kim, Ostseepipeline „Nord Stream“ – ein meeresumweltrechtliches Problem?, NuR 2009, S. 170 (176). 47 Wolf, Transnationale Vorhaben und nationalstaatliches Zulassungsregime – Rechtliche Rahmenbedingungen für die geplante Ostsee-Pipeline, ZuR 2007, S. 24 (29). 48 Kim, Ostseepipeline „Nord Stream“ – ein meeresumweltrechtliches Problem?, NuR 2009, S. 170 (176). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 40/16 Seite 15 überdies eine gerechte Abwägung aller betroffenen Belange voraus (Abwägungsgebot).49 Zu den Gesetzesvorgaben, die für eine Zulassung nach § 43 EnWG zwingend zu beachten sind, gehören höherstufige Raum- und Fachplanungen, Bestimmungen des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes , Vorgaben aus dem Wasserrecht, dem Denkmalrecht, dem Baurecht, dem Bundeswaldgesetz bzw. den Landeswaldgesetzen und die Sicherheitsanforderungen nach § 49 EnWG.50 6. Fazit Wie oben festgestellt, sprechen viele Gründe dafür, dass für die Genehmigung einer Offshore- Pipeline in den AWZ bzw. auf dem Festlandsockel der Mitgliedstaaten der Union energierechtliche Aspekte keine Rolle spielen, da insoweit den Küstenstaaten nach dem SRÜ keine Hoheitsmacht zusteht. Unionsrecht kann in diesen Gebieten nur zur Anwendung kommen, wenn die Küstenstaaten nach dem SRÜ souveräne Rechte ausüben und der EU insoweit eine Regelungskompetenz zusteht. Hinsichtlich der Verlegung von Rohrleitungen auf dem Festlandsockel sind die Rechte der Küstenstaaten nach dem SRÜ inhaltlich aber begrenzt und ermöglichen keine umfassende Ausübung von Hoheitsmacht. – Fachbereich Europa – 49 Zu den materiell-rechtlichen Anforderungen im Detail: Pielow, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl., 2014, § 43 EnWG, Rn. 40 ff.; Missling, in: Danner/Theobald, Energierecht, EL 83, Stand: Januar 2015, Art. 43 EnWG, Rn. 22. 50 Hermes/Kupfer, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 43 EnWG, Rn. 19, 21, 22a, 24; Pielow, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl., 2014, § 43 EnWG, Rn. 55.