© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 038/19 Artikel 61 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 (EECC-Richtlinie) Zeitliche Aspekte der nationalen Umsetzung und Anwendung Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 2 Artikel 61 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 (EECC-Richtlinie) Zeitliche Aspekte der nationalen Umsetzung und Anwendung Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 038/19 Abschluss der Arbeit: 15. April 2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Inhalt des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie 5 3. Zeitlicher Rahmen der Umsetzung in nationales Recht 6 4. Zeitlicher Rahmen der Anwendung eines nationalen Umsetzungsgesetzes 7 4.1. Grammatikalische Auslegung 8 4.2. Historische Auslegung 8 4.3. Systematische Auslegung 8 4.4. Teleologische Auslegung 9 4.5. Zwischenergebnis 11 4.6. Schlussfolgerungen 11 5. Anwendung eines nationalen Umsetzungsgesetzes auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen 12 5.1. Hintergrund 13 5.2. Rechtsgrundlage 14 5.3. Rückwirkung 16 5.3.1. Nationales Verfassungsrecht 16 5.3.2. Unionsrecht 17 5.4. Fazit 18 6. Zusammenfassung 18 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Mit der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (im Folgenden: EECC-Richtlinie)1 hat die Europäische Union (EU) den rechtlichen Rahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen neu geordnet und damit zugleich eine Neufassung der Richtlinien 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie)2, 2002/20/EG (Genehmigungsrichtlinie )3, 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie)4 und 2022/22/EG (Universaldienstrichtlinie)5 vorgenommen. Die EECC-Richtlinie legt gemäß ihres Art. 1 Abs. 1 S. 2 „die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten “ sollen. In Kraft getreten ist sie gemäß ihres Art. 126 bereits am 20. Dezember 2018. Die Umsetzungsfrist läuft nach Art. 124 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EECC-Richtlinie noch bis zum 21. Dezember 2020. Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften „ab dem 21. Dezember 2020 an[wenden]“. Am 13. Februar 2019 erfolgte in der 33. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur eine öffentliche Anhörung, die den Entwurf6 eines 5. TKG-Änderungsgesetzes der Bundesregierung und deren Gegenäußerung7 zu der Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Gesetzentwurf zum Gegenstand hatte. Soweit ersichtlich, dient der Entwurf nicht der Umsetzung der EECC-Richtlinie. Gleichwohl wurden im Zusammenhang mit diesem unter anderem der günstigste Zeitpunkt für die Umsetzung der EECC-Richtlinie – insbesondere ihres Art. 61 Abs. 4 1 Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung), ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36. 2 Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie ), ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7, letzte konsolidierte Fassung. 3 Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 21, letzte konsolidierte Fassung. 4 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33, letzte konsolidierte Fassung. 5 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51, letzte konsolidierte Fassung. 6 Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (5. TKG-Änderungsgesetz – 5. TKGÄndG) vom 7. Dezember 2018, BT-Drs. 19/6336. 7 Gegenäußerung der Bundesregierung vom 12. Dezember 2018, BT-Drs. 19/6437. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 5 – in nationales Recht sowie die Frage diskutiert, ab wann und auf welche Sachverhalte derartige nationale Umsetzungsvorschriften angewendet werden könnten.8 Vor diesem Hintergrund ist der Fachbereich Europa beauftragt worden zu untersuchen, ob eine wortgetreue Umsetzung des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in nationales Recht sowie die Anwendung einer solchen nationalen Regelung zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Unionsrecht vereinbar wären. Daneben soll erörtert werden, ob eine derartige nationale Umsetzungsvorschrift unter Umständen auch dann, wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten würde oder zumindest anwendbar wäre, auf solche Frequenzen angewendet werden könnte, welche sich derzeit in der Versteigerung befinden. Im Folgenden wird zunächst der Inhalt des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie dargestellt (2.). Daraufhin wird der von der EECC-Richtlinie vorgegebene zeitliche Rahmen für dessen Umsetzung in nationales Recht erörtert (3.), bevor der zeitliche Rahmen für die Anwendung eines entsprechendes nationalen Umsetzungsgesetzes untersucht wird (4.). Im Anschluss daran erfolgt die Beantwortung der Frage, ob eine derartige nationale Umsetzungsvorschrift unter Umständen auch dann, wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten würde oder zumindest anwendbar wäre, auf solche Frequenzen angewendet werden könnte, welche sich derzeit in der Versteigerung befinden (5.). Die Ausarbeitung schließt mit einer Zusammenfassung (6.). 2. Inhalt des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie Art. 61 EECC-Richtlinie regelt ausweislich seiner Überschrift die „Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung“. Sein vierter Absatz lautet wie folgt: „Unbeschadet der Absätze 1 und 2 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die zuständigen Behörden befugt sind, Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze bereitstellen oder zu deren Bereitstellung berechtigt sind, im Einklang mit dem Unionsrecht Verpflichtungen in Bezug auf die gemeinsame Nutzung von passiven Infrastrukturen oder Verpflichtungen über den Abschluss lokaler Roamingzugangsvereinbarungen aufzuerlegen, sofern dies in beiden Fällen für die Bereitstellung von auf Funkfrequenzen gestützter Dienste auf lokaler Ebene unmittelbar erforderlich ist und sofern keinem Unternehmen tragfähige und vergleichbare alternative Zugangswege zu den Endnutzern zu fairen und angemessenen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden . Die zuständigen Behörden können derartige Verpflichtungen nur dann auferlegen, wenn diese Möglichkeit bei der Erteilung der Frequenznutzungsrechte ausdrücklich vorgesehen wurde und wenn dies dadurch gerechtfertigt ist, dass in dem Gebiet, für das diese Verpflichtungen gelten , unüberwindbare wirtschaftliche oder physische Hindernisse für den marktgesteuerten Ausbau der Infrastruktur zur Bereitstellung funkfrequenzgestützter Netze oder Dienste bestehen, weshalb Endnutzer äußerst lückenhaften oder gar keinen Zugang zu Netzen oder Diensten haben. Lässt sich mithilfe des Zugangs zu und der gemeinsamen Nutzung passiver Infrastruktur allein 8 Vgl. Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung, Protokoll- Nr. 19/33, u. a. S. 4-5, 10, 13. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 6 keine Abhilfe schaffen, können die nationalen Regulierungsbehörden vorschreiben, dass aktive Infrastruktur gemeinsam genutzt wird. Die zuständigen Regulierungsbehörden berücksichtigen Folgendes: a) das Erfordernis, die Netzanbindung in der gesamten Union, entlang wichtiger Verkehrswege und in bestimmten Gebieten zu maximieren, und die Möglichkeit, eine wesentlich größere Auswahl und höhere Dienstqualität für die Endnutzer zu erreichen; b) […] Im Falle einer Streitbeilegung können die zuständigen Behörden dem Begünstigten der die gemeinsame Nutzung oder den Zugang betreffenden Verpflichtung unter anderem vorschreiben, Funkfrequenzen mit dem Bereitsteller der Infrastruktur in dem betreffenden Gebiet gemeinsam zu nutzen.“ Die Vorschrift beinhaltet folglich die Vorgabe an die Mitgliedstaaten, den zuständigen Behörden die Befugnisse einzuräumen, Unternehmen, welche elektronische Kommunikationsnetze bereitstellen oder dazu berechtigt sind, unter bestimmten Voraussetzungen den Abschluss lokaler Roamingvereinbarungen vorzuschreiben und ihnen Verpflichtungen über die gemeinsame Nutzung passiver Infrastrukturen aufzuerlegen. Voraussetzung dieser Anordnungsbefugnisse für sowohl passives Infrastruktursharing als auch den Abschluss lokaler Roamingvereinbarungen ist zum einen dessen unmittelbare Erforderlichkeit „für die Bereitstellung von auf Funkfrequenzen gestützter Dienste auf lokaler Ebene“ und zum anderen, dass „keinem Unternehmen tragfähige und vergleichbare alternative Zugangswege zu den Endnutzern zu fairen und angemessenen Bedingungen zur Verfügung“ stehen. Daneben muss bei der Erteilung der Frequenznutzungsrechte die Möglichkeit der Ausübung der jeweiligen Anordnungsbefugnis durch die zuständigen Behörden ausdrücklich vorgesehen worden sein. Deren Ausübung erfordert des Weiteren „unüberwindbare physische oder wirtschaftliche Hindernisse “ in dem von der jeweiligen Verpflichtung erfassten Gebiet für den marktgesteuerten Infrastrukturausbau zur Bereitstellung funkfrequenzgestützter Netze und Dienste, aufgrund derer die Endnutzer entweder gar keinen oder nur äußerst lückenhaften Zugang zu den Netzen oder Diensten haben. Der Abschluss einer lokalen Roamingvereinbarung kann ferner lediglich dann auferlegt werden, wenn das passive Infrastruktursharing zur Überwindung der genannten Hindernisse nicht ausreichend ist. Bei ihrer Entscheidung über die Ausübung dieser Anordnungsbefugnisse haben die zuständigen Behörden außerdem die in Art. 61 Abs. 4 S. 4 lit. a bis f EECC-Richtlinie aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. 3. Zeitlicher Rahmen der Umsetzung in nationales Recht Gemäß ihres Art. 124 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 ist die EECC-Richtlinie und damit auch deren Art. 61 Abs. 4 von den Mitgliedstaaten bis zum 21. Dezember 2020 in nationales Recht umzusetzen. Ein Verbot, die Umsetzung vor diesem Datum vorzunehmen, enthält die Richtlinie – soweit ersichtlich – nicht. Vielmehr lässt sich dem Wortlaut des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EECC-Richtlinie Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 7 („bis zum 21. Dezember 2020“) entnehmen, dass die Mitgliedstaaten aus unionsrechtlicher Perspektive nicht daran gehindert sind, die EECC-Richtlinie und damit auch deren Art. 61 Abs. 4 vor dem 21. Dezember 2020 in nationales Recht umzusetzen.9 Eine wortgetreue Umsetzung des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in nationales Recht wäre demnach bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Unionsrecht vereinbar. 4. Zeitlicher Rahmen der Anwendung eines nationalen Umsetzungsgesetzes Von den Vorgaben, die die EECC-Richtlinie bezüglich des zeitlichen Rahmens ihrer Umsetzung in nationales Recht macht, sind die Anforderungen zu unterscheiden, welche diese in zeitlicher Hinsicht an die Anwendung der nationalen Umsetzungsgesetze stellt. Zu untersuchen ist daher im Folgenden, ob eine nationale Regelung, mit der Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie wortgetreu in deutsches Recht umgesetzt werden würde, auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt im Einklang mit der EECC-Richtlinie angewendet werden könnte. Wie eingangs aufgezeigt, bestimmt Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie lediglich, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalen Umsetzungsgesetze „ab dem 21. Dezember 2020 an[wenden]“. Die EECC-Richtlinie verbietet die Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschriften zum jetzigen Zeitpunkt also weder ausdrücklich, noch beinhaltet sie die ausdrückliche Erlaubnis einer derartigen, frühzeitigen Anwendung. Soweit ersichtlich, gibt es weder zu der Auslegung des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie noch allgemein zu der Frage, welche Bedeutung eine Vorschrift hat, die getrennt von und zusätzlich zu einer Regelung über die Umsetzungsfrist einen obligatorischen Anwendungszeitpunkt für die nationalen Umsetzungsgesetze bestimmt, Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) oder Literatur. Im Zusammenhang mit der bereits o. g. öffentlichen Anhörung in der 33. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur wurden jedoch unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie diskutiert.10 Dieser Vorschrift wurde einerseits ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 entnommen.11 Andererseits wurde einer solchen Lesart des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie widersprochen und die Anwendbarkeit nationaler Umsetzungsgesetze zum jetzigen Zeitpunkt allein von deren Vereinbarkeit mit dem zurzeit im Bereich des Telekommunikationsrechts geltenden Sekundärrecht abhängig gemacht.12Auf die dort geäußerten Ansichten und Argumente wird im Rahmen der nun folgenden Auslegung des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie Bezug genommen. 9 Vgl. auch Fetzer, Ergänzende Stellungnahme zu A-Drs. 19(15)181-D, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen “ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 25. 10 Vgl. Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), u. a. S. 13 und 23. 11 Fetzer, in: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 13. 12 Vgl. Kühling, in: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 23. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 8 Im Anschluss an die mangels einschlägiger Rechtsprechung des EuGH an dieser Stelle notwendige Auslegung dieser Vorschrift nach ihrem Wortlaut (4.1.), ihrer Historie (4.2.), ihrer Systematik (4.3.) und ihrem Zweck (4.4.) wird deren Resultat in einem Zwischenergebnis festgehalten (4.5.). Abschließend werden die daraus für eine nationale Regelung, mit der Art. 61 Abs. 4 EECC- Richtlinie wortgetreu in deutsches Recht umgesetzt werden würde, zu ziehenden Konsequenzen erörtert (4.6.). 4.1. Grammatikalische Auslegung Da keine Formulierung in der Art gewählt worden ist, dass die nationalen Umsetzungsgesetze spätestens ab dem 21. Dezember 2020 angewendet werden, wird zum Teil bereits dem Wortlaut des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 entnommen.13 Dagegen kann jedoch eingewandt werden, dass aus dem Fehlen einer Formulierung in der Weise, dass die nationalen Umsetzungsvorschriften nicht vor dem 21. Dezember 2020 angewendet werden, ebenso gut in einem Umkehrschluss gefolgert werden kann, dass diese schon vor dem 21. Dezember 2020 angewendet werden dürfen. Auch aus dem Wortlaut der anderen, gleichlautenden und daher ebenso offenen Sprachfassungen des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinien lässt sich nicht eindeutig herleiten, wie diese Vorschrift zu interpretieren ist. 4.2. Historische Auslegung Dem Kommissionsvorschlag für die EECC-Richtlinie, den Erläuterungen dazu und den sonstigen Gesetzesmaterialien sowie den Erwägungsgründen der EECC-Richtlinie lassen sich ebenfalls keine Hinweise dafür entnehmen, wie Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie zu verstehen ist. 4.3. Systematische Auslegung Betrachtet man die Norm in ihrem systematischen Kontext, fällt jedoch auf, dass sich der EECC- Richtlinie für ihre Umsetzung in nationales Recht ein zeitlicher Rahmen, nämlich vom Inkrafttreten dieser Richtlinie bis zum 21. Dezember 2020, entnehmen lässt.14 Die Entscheidung des Europäischen Gesetzgebers gegen eine vergleichbare Wortwahl hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs der nationalen Umsetzungsgesetze dürfte folglich für eine Interpretation des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie im Sinne eines Anwendungsverbots bis zum 21. Dezember 2020 sprechen. 13 Fetzer, in: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 13. 14 Siehe hierzu oben unter 3. (S. 6). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 9 4.4. Teleologische Auslegung Innerhalb der EECC-Richtlinie wird zwischen einem Zeitpunkt für den Ablauf der Umsetzungsfrist (Art. 124 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1) und einem für die Anwendung der nationalen Umsetzungsvorschriften (Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2) unterschieden. Diese Differenzierung könnte ein weiteres Argument für die Ansicht darstellen, nach der dem Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 zu entnehmen ist. Denn ein Blick in andere Richtlinien zeigt, dass nicht immer zusätzlich zu der Regelung einer Umsetzungsfrist gesondert ein Zeitpunkt normiert ist, ab dem die Mitgliedstaaten die nationalen Umsetzungsgesetze anwenden .15 Es gilt somit zu ermitteln, welcher Zweck mit dieser Unterscheidung verfolgt wird. Festzustellen ist zunächst, dass eine solche, separate Regelung überflüssig wäre, könnten die nationalen Umsetzungsgesetze bereits vor dem genannten Zeitpunkt angewendet werden. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, eine Richtlinie bis zum Ablauf der darin normierten Umsetzungsfrist in nationales Recht umzusetzen und die entsprechenden nationalen Vorschriften ab dem Zeitpunkt des Ablaufs dieser Frist anzuwenden. Ist in einer Richtlinie lediglich eine Umsetzungsfrist, nicht aber ein Zeitpunkt für die Anwendung der nationalen Umsetzungsgesetze geregelt, steht es ihnen frei, die jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetze bereits zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist anzuwenden. Käme man zu dem Ergebnis, dass Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie kein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 normiert, sich dieser Vorschrift daher lediglich entnehmen ließe, dass die Mitgliedstaaten die nationalen Umsetzungsgesetze ab dem 21. Dezember 2020 anwenden müssen, bliebe der Norm kein eigener Regelungsgehalt mehr. Denn die Verpflichtung der Mitgliedstaaten , die nationalen Umsetzungsgesetze ab dem 21. Dezember 2020 anzuwenden, ergibt sich bereits aus Art. 124 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EECC-Richtlinie, nach dem die Umsetzungsfrist am 21. Dezember 2020 abläuft. Entnimmt man dem Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie im Gegensatz dazu ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020, bestünde ihr eigener Regelungsgehalt darin, dass es den Mitgliedstaaten verboten wäre, die nationalen Umsetzungsgesetze bereits zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist, also dem 21. Dezember 2020, anzuwenden. Der Joint Practicle Guide, ein dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit vergleichbarer Leitfaden der EU, enthält einen Abschnitt über Regelungen, welche die Umsetzung von Richtlinien betreffen.16 15 Siehe z. B. Art. 17 der Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug, Art. 33 der Richtlinie (EU) 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit (Neufassung) sowie Art. 9 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, die lediglich festschreiben, bis zu welchem Zeitpunkt die jeweilige Richtlinie von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. 16 EU, Joint Practicle Guide oft the European Parliament, the Council and the Commission for persons involved in the drafting of European Union legislation, 2015, Rn. 20.13. und 20.14. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 10 Insbesondere bei Richtlinien, die dem Schutz der Grundfreiheiten dienen, ist danach das Datum, ab dem die nationalen Umsetzungsvorschriften anzuwenden sind, gesondert anzugeben, um die Schaffung neuer Einschränkungen aufgrund von Disparitäten im nationalen Recht der Mitgliedstaaten bis zum Ende der vorgeschriebenen Umsetzungsfrist zu verhindern.17 Zwar stellt der Joint Practicle Guide keinen verbindlichen Rechtsakt dar. Als gemeinsam von den Gesetzgebungsorganen der Union – Kommission, Rat und Europäisches Parlament – geschaffener Leitfaden kann er allerdings als Auslegungshilfe herangezogenen werden, um die mit einer bestimmten Formulierung verfolgte Intention des Europäischen Gesetzgebers zu ermitteln. Wie bereits in der Einleitung dargelegt, fasst die EECC-Richtlinie die geltenden unionsrechtlichen Vorschriften in ihrem Regelungsbereich – die Zugangs-18, Genehmigungs-19, Rahmen-20 und Universaldienstrichtlinie21 – neu. Ausweislich ihrer Geltungsbereiche und Ziele stellen diese Richtlinien Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Telekommunikationsrechts dar.22 Sie werden gemäß Art. 125 Abs. 1 EECC-Richtlinie erst mit Wirkung zum 21. Dezember 2020 aufgehoben . Das auf deren Grundlage von den Mitgliedstaaten geschaffene und derzeit geltende nationale Recht ist mithin nach den Vorgaben dieser unionsrechtlichen Vorschriften vereinheitlicht. Könnten die Mitgliedstaaten nun ihre auf der Grundlage der inhaltlich zum Teil geänderten oder sogar gänzlich neuen Vorschriften der EECC-Richtlinie erlassenen Umsetzungsgesetze bereits zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem 21. Dezember 2020 anwenden, bestünde jedenfalls insoweit, als dass diese den bisherigen Regelungen widersprächen, die Gefahr, dass eben jene Einheitlichkeit bis zum 21. Dezember 2020 beeinträchtigt werden würde. Legt man den Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie im Lichte des Joint Practicle Guides aus, dürfte daher anzunehmen sein, dass der Europäische Gesetzgeber eine solche Situation durch die in dieser Norm gewählte Formulierung gerade vermeiden, also für die nationalen Umsetzungsgesetz ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 normieren wollte. Demzufolge dürfte die teleologische Auslegung des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Vorschrift ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 zu entnehmen ist. 17 EU, Joint Practicle Guide (Fn. 16), Rn. 20.14. („In particular in the case of directives designed to ensure the free movement of goods, persons and services, in order to prevent the creation of new barriers by virtue of differences in the application of the Member States’ provisions up to the end of the prescribed period for transposition , the date from which national provisions are to apply should be specified.“). 18 Siehe Fn. 2. 19 Siehe Fn. 3. 20 Siehe Fn. 4. 21 Siehe Fn. 5. 22 Siehe jeweils Art. 1 der Richtlinien. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 11 4.5. Zwischenergebnis Folglich spricht trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift viel dafür, dass Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie ein Anwendungsverbot für nationale Umsetzungsgesetze bis zum 21. Dezember 2020 normiert und daher grundsätzlich der Anwendung einer nationalen Regelung, mit der Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie wortgetreu in deutsches Recht umgesetzt werden würde, zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstünde. Ausgehend von einem solchen Verständnis dürfte ein solches nationales Umsetzungsgesetz im Einklang mit der EECC-Richtlinie grundsätzlich erst ab dem 21. Dezember 2020 angewendet werden. Mangels einschlägiger Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage ist allerdings keine abschließende Beurteilung möglich. 4.6. Schlussfolgerungen Nähme man ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 an, stellte sich allerdings die Frage, ob ein solches Anwendungsverbot ausnahmslos gelten kann. Zu bedenken ist die Möglichkeit, dass manche nationale Regelungen, mit denen bestimmte Vorschriften der EECC-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden würden, nicht zu Disparitäten im Binnenmarkt führen könnten. Ausweislich des Joint Practicle Guides dient ein Anwendungsverbot für nationale Regelungen, mit denen eine Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird, dem Schutz der Einheitlichkeit des Binnenmarktes. Führt die Umsetzung einzelner Vorschriften einer Richtlinie in nationales Recht allerdings nicht zu Divergenzen im Binnenmarkt, ist diese Einheitlichkeit durch eine vorgezogene Anwendung der entsprechenden mitgliedstaatlichen Regelungen nicht gefährdet. In diesen Fällen erscheint es daher wenig sinnvoll, ein Anwendungsverbot auch für solche Vorschriften vorzusehen. Diese Argumentation dürfte auch auf solche Situationen übertragbar sein, in denen das geltende Unionsrecht auf bestimmten Gebieten Disparitäten im Binnenmarkt bewusst zulässt, indem den Mitgliedstaaten bspw. in Richtlinien weite Umsetzungsspielräume zugestanden werden. Die Anwendung nationaler Umsetzungsgesetze zu beliebigen, von den Mitgliedstaaten frei gewählten Zeitpunkten vor dem Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfrist kann mithin in diesen Bereichen keine neuen Divergenzen im Binnenmarkt herbeiführen. Folglich dürfte viel dafür sprechen, dass Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie – würde man dieser Vorschrift ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 entnehmen – teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass nationale Umsetzungsgesetze, welche nicht zu (richtlinienwidrigen ) Disparitäten im Binnenmarkt führen könnten, nicht unter dieses Anwendungsverbot fallen. Da keine Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie im Besonderen und der Reichweite von Anwendungsverboten nationaler Umsetzungsgesetze im Allgemeinen ersichtlich ist, kann jedoch an dieser Stelle keine abschließende Entscheidung getroffen werden. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 12 Leitete man also aus Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie ein Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 ab und nähme man die oben beschriebene teleologische Reduktion dieses Anwendungsverbotes vor, hinge die Anwendbarkeit einer mit dem Wortlaut des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie übereinstimmenden nationalen Vorschrift zum jetzigen Zeitpunkt davon ab, ob dadurch die Einheitlichkeit des Binnenmarktes durch die Verursachung von Disparitäten gefährdet werden könnte oder nicht. Diese Prüfung kann aufgrund des hypothetischen Charakters der dafür erforderlichen Annahmen nicht vorgenommen werden. Ließe man demgegenüber keine Ausnahme von einem aus Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie abgeleiteten Anwendungsverbot bis zum 21. Dezember 2020 zu, wäre die Anwendbarkeit einer mit dem Wortlaut des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie übereinstimmenden nationalen Vorschrift zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit der EECC-Richtlinie und damit dem Unionsrecht vereinbar . 5. Anwendung eines nationalen Umsetzungsgesetzes auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen Des Weiteren stellt sich vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Versteigerung der Frequenzen für 5G die Frage, ob eine den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzende nationale Regelung unter Umständen auch dann, wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten würde oder zumindest anwendbar wäre, überhaupt auf solche Frequenzen angewendet werden könnte, welche sich momentan in der Versteigerung befinden. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen: Wie oben unter 2. dargelegt, muss zum einen gemäß Art. 61 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EECC-Richtlinie bei der Erteilung der Frequenznutzungsrechte die Möglichkeit der Ausübung der Befugnisse der zuständigen Behörden zur Verpflichtung zum Abschluss lokaler Roamingvereinbarungen und zur gemeinsamen Nutzung passiver Infrastrukturen ausdrücklich vorgesehen worden sein. Andernfalls können die zuständigen Behörden die genannten Verpflichtungen später nicht auferlegen. Wenn eine den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzende nationale Vorschrift erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, ist demnach Voraussetzung für deren Anwendung auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen, dass der nach Art. 61 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EECC-Richtlinie erforderliche Hinweis (im Folgenden: Hinweis) nicht nur zu dem vorgegebenen Zeitpunkt erbracht wird, sondern überhaupt erbracht werden kann. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, ob der Hinweis einer Rechtsgrundlage bedarf, und wenn dies zu bejahen ist, ob eine solche bereits vorhanden ist. Daneben könnte ein Rückwirkungsverbot der Anwendung eines den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetzes, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen entgegenstehen. Diese beiden Probleme dürften sich sowohl aus unionsrechtlicher als auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive stellen. Soweit ersichtlich, gibt es zu der Auslegung des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie weder Rechtsprechung des EuGH noch Literatur. Auch mit den hier im Zusammenhang mit der Anwendung eines Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 13 nationalen Umsetzungsgesetzes dieser Vorschrift aufgeworfenen Problemstellungen hat sich – soweit ersichtlich – bis jetzt das Schrifttum nicht befasst. Dazu ist ebenfalls weder Rechtsprechung des EuGH noch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ersichtlich. Im Zusammenhang mit der bereits o. g. öffentlichen Anhörung in der 33. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur wurden diese Problemstellungen jedoch thematisiert.23 Zum Teil wurde vertreten, dass der Hinweis einem Gesetzesvorbehalt unterliegt.24 Teilweise wurde zumindest empfohlen, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten eine Rechtsgrundlage für den Hinweis zu erlassen.25 Auf die dort geäußerten Ansichten und Argumente wird im Rahmen der nun folgenden Ausführungen Bezug genommen. Nach einer näheren Darstellung des Hintergrundes der gerade aufgeworfenen Fragen (5.1.), werden zunächst Erfordernis und Vorhandensein einer Rechtsgrundlage für einen Hinweis erörtert (5.2.). Im Anschluss daran wird untersucht, ob ein Rückwirkungsverbot der Anwendung einer den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Regelung auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen entgegensteht, wenn diese Umsetzungsvorschrift erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder zumindest anwendbar ist (5.3.). Das Ergebnis dieser Überlegungen wird abschließend in einem Fazit festgehalten (5.4.). 5.1. Hintergrund Hintergrund der an dieser Stelle aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung eines nationalen Umsetzungsgesetzes des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie ist die am 19. März 2019 am Standort der Bundesnetzagentur (BNetzA) Mainz begonnene Versteigerung der Frequenzen für 5G.26 Die Entscheidung der Präsidentenkammer der BNetzA über die Vergabe- und Auktionsregeln vom 26. November 201827 enthält in den Rn. 614 ff. die folgenden Ausführungen: „Die Kammer weist im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass Regelungen zum Infrastruktur-Sharing und Roaming auch in der zukünftig geltenden Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EECC) vorgesehen sind. Zum einen stellt die Richtlinie klar, dass Frequenzzuteilungen mit Auflagen zum Roaming 23 Vgl. Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Redigiertes Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), u. a. S. 10 und 13 bis 14. 24 Fetzer, Ergänzende Stellungnahme zu A-Drs. 19(15)181-D, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen“ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 26-27. 25 Vgl. Kühling, A-Drs. 19(15)181-B, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen“ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S.12-13. 26 Siehe dazu BNetzA, „Frequenzauktion 2019 – Frequenzen für 5G“, Website der BNetzA (zuletzt abgerufen am 9. April 2019). 27 Entscheidung der Präsidentenkammer der BNetzA vom 26. November 2018 über die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und über die Festlegungen und Regelungen für die Durchführung des Verfahrens (Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten, Az. BK1-17/001. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 14 verbunden werden dürfen. Zum anderen wird auch die Möglichkeit der Anordnung von passivem Infrastruktur-Sharing oder von lokalem Roaming adressiert, soweit dem Netzausbau unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. Art. 61 Abs. 4 EECC lautet wie folgt: […] Die Umsetzung dieses neuen Rechtsrahmens in nationales Recht obliegt jedoch der Entscheidung und dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die Bundesnetzagentur muss sich daher im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung vorbehalten, mit Blick auf eine das Unionsrecht umsetzende künftige TKG-Novelle die Auferlegung von Roamingverpflichtungen im Einzelfall zu prüfen und erforderlichenfalls unter Beachtung der Regulierungsziele gemäß § 2 Abs. 2 TKG anzuordnen. Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass sich der Zuteilungspetent in Kenntnis der mit den Frequenznutzungsrechten verbundenen Bedingungen für eine Teilnahme an dem Verfahren entscheiden kann. In der Auktion können die Bieter das vorgesehene Verhandlungsgebot daher in ihre Gebote mit einberechnen. Es ist vorgesehen, eine entsprechende Regelung in die Frequenzzuteilungen aufzunehmen. Zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass die Zuteilungen den Tenor der Präsidentenkammerentscheidung enthalten werden. Darüber hinaus wird auf die oben stehende Begründung verwiesen .“28 Diese Angaben dürften inhaltlich den Anforderungen entsprechen, die Art. 61 Abs. 4 EECC- Richtlinie an einen Hinweis stellt. Als Teil der Entscheidung der Präsidentenkammer der BNetzA über die Vergabe- und Auktionsregeln vom 26. November 2018 zu der am 19. März 2019 am Standort der BNetzA Mainz begonnenen Versteigerung der Frequenzen für 5G dürften diese Ausführungen außerdem auch den zeitlichen Vorgaben an einen Hinweis genügen („bei der Erteilung der Frequenznutzungsrechte“).29 Da eine Umsetzung des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in deutsches Recht bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgt ist, könnten die hier aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Frequenznutzungsrechte , welche im Rahmen der momentan stattfindenden Versteigerung der Frequenzen für 5G erteilt werden, in Zukunft mithin praktische Bedeutung erlangen. 5.2. Rechtsgrundlage Fraglich ist zunächst, ob die nationalen Behörden für die Erteilung eines Hinweises eine Rechtsgrundlage benötigen, und wenn dies zu bejahen ist, ob eine solche bereits vorhanden ist. 28 Hervorhebungen durch den Verfasser. 29 So auch Fetzer, Ergänzende Stellungnahme zu A-Drs. 19(15)181-D, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen “ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 26. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 15 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive könnte sich das Erfordernis einer Rechtsgrundlage für den Hinweis aus dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes ergeben, ein Element des im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzips, dessen Grundlage sich auch in dem ebenfalls dort festgeschriebenen Demokratieprinzip findet.30 Auch das Unionsrecht kennt diese Grundsätze, gründet sich die EU doch gemäß Art. 2 S. 1 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) auch auf die Werte der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie .31 Im Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) normiert Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRCh einen einfachen Gesetzesvorbehalt für Beeinträchtigungen von Unionsgrundrechten. Nach ihrem Art. 51 Abs. 1 S. 1 Var. 2 gilt die GRCh auch für die Mitgliedstaaten , soweit sie Unionsrecht im Sinne dieser Vorschrift durchführen. Letztlich dürfte es allerdings sowohl aus unionsrechtlicher als auch verfassungsrechtlicher Perspektive dahinstehen, ob bezüglich des Hinweises der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes greift oder nicht. Zwar scheidet in der hier thematisierten Fallkonstellation eine nationale Regelung, mit der Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird, als Rechtsgrundlage aus. Eine solche ist nicht nur nicht vorhanden. Sie dürfte möglicherweise aufgrund eines aus Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie abzuleitenden Anwendungsverbots bis zum 21. Dezember 2020 auch gar nicht angewendet werden. Abgesehen davon, stellt eine Hinweiserteilung schon keine Anwendung einer solchen Vorschrift dar. Diese ist vielmehr in der Verpflichtung zur gemeinsamen Nutzung passiver Infrastrukturen oder dem Abschluss lokaler Roamingvereinbarungen auf dessen Grundlage zu sehen.32 § 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 TKG33 bestimmt jedoch, dass die BNetzA vor der Durchführung eines Vergabeverfahrens „die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung“ bestimmt. Diese Vorschrift dürfte eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Hinweis zur Wahrung des sowohl im Unionsrecht als auch dem Grundgesetz geltenden Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes darstellen.34 30 Vgl. Huster/Rux, in: Beck’scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition, Stand: 15. Februar 2019, Art. 20, Rn. 173. 31 Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 2 EUV, Rn. 25. 32 Anderer Ansicht Fetzer, Ergänzende Stellungnahme zu A-Drs. 19(15)181-D, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen “ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 26, der in der Hinweiserteilung eine Anwendung eines den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetzes sieht. 33 Telekommunikationsgesetz (TKG), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2230). 34 Anderer Ansicht Fetzer, Ergänzende Stellungnahme zu A-Drs. 19(15)181-D, in: „Zusammenfassung der Stellungnahmen “ als Anlage zum Redigierten Wortprotokoll der 33. Sitzung (Fn. 8), S. 26-27, der wohl allein eine Regelung, mit der Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird, als ausreichend ansieht, um einem seiner Auffassung nach für den Hinweis geltenden Gesetzesvorbehalt zu genügen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 16 Ausweislich der Überschrift zum Kapitel III.4. der Entscheidung der Präsidentenkammer der BNetzA über die Vergabe- und Auktionsregeln vom 26. November 2018, welches die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bestimmt, wird zumindest der wohl darin enthaltene Hinweis35 von der Präsidentenkammer der BNetzA auf § 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 TKG gestützt. 5.3. Rückwirkung Möglicherweise könnte aber ein Rückwirkungsverbot der Anwendung eines den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetzes, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen entgegenstehen . Dabei ist zwischen den Vorgaben, welche das nationale Verfassungsrecht an rückwirkende Vorschriften stellt (5.3.1.) und solchen, die das Unionsrecht an diese Regelungen macht (5.3.2.), zu unterscheiden. 5.3.1. Nationales Verfassungsrecht Das BVerfG differenziert zwischen echter (auch Rückbewirkung von Rechtsfolgen genannt) und unechter (auch als tatbestandliche Rückanknüpfung bezeichnet) Rückwirkung.36 Eine echte Rückwirkung liegt bei einem nachträglich ändernden Eingriff eines Gesetzes in Sachverhalte vor, welche in der Vergangenheit abgeschlossen sind.37 Während diese nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich wegen eines Verstoßes gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes verboten ist,38 ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig.39 Eine unechte Rückwirkung ist gegeben, wenn ein Gesetz „auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und dadurch die betroffene Rechtsposition nachteilig entwertet“.40 Sie ist nur ausnahmsweise unzulässig , wenn eine Abwägung „zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit“ eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes ergibt.41 35 Siehe dazu oben unter 5.1. (S. 13). 36 Huster/Rux, in: Beck’scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition, Stand: 15. Februar 2019, Art. 20, Rn. 185. 37 BVerfGE 23, 12, Rn. 202, m. w. N. 38 BVerfGE 23, 12, Rn. 202, m. w. N. 39 BVerfGE 68, 287, Rn. 46. 40 BVerfGE 69, 272, Rn. 128-129, m. w. N. 41 Vgl. BVerfGE 67, 1, Rn. 40, m. w. N. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 17 Wird eine den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzende nationale Vorschrift, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen angewendet, verpflichtet die zuständige nationale Behörde also auf dieser Grundlage Unternehmen zur gemeinsamen Nutzung passiver Infrastrukturen oder zum Abschluss einer lokalen Roamingvereinbarung, dürfte darin nach den o. g. Definitionen allenfalls eine unechte Rückwirkung zu sehen sein. Denn eine solche Verpflichtung würde wohl erst nach dem Inkrafttreten bzw. der Anwendbarkeit des Umsetzungsgesetzes Rechtswirkungen entfalten, sich aber auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt, ein vor dem Inkrafttreten bzw. der Anwendbarkeit der Umsetzungsvorschrift in der Versteigerung erworbenes Frequenznutzungsrecht, auswirken. Durch die jeweilige auferlegte Verpflichtung würde das betroffene Frequenznutzungsrecht außerdem möglicherweise nachteilig entwertet werden. Es dürften auch keine Gründe dafür ersichtlich sein, dass die hier wohl allenfalls anzunehmende unechte Rückwirkung ausnahmsweise gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und damit das Rechtsstaatsprinzip verstieße. Der nach Art. 61 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EECC-Richtlinie erforderliche Hinweis ermöglicht es den Unternehmen nicht nur vor dem Erwerb der Frequenznutzungsrechte Kenntnis von den möglicherweise im Zusammenhang mit diesen Rechten auf sie zukommenden Verpflichtungen zu erlangen , sondern diese auch in ihre Geboten für den Erwerb solcher Rechte einzuberechnen. Somit dürfte es bereits an einer schutzwürdigen Vertrauensposition der betroffenen Unternehmer fehlen, auf die sich im Rahmen einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Regelung eine ausnahmsweise Unzulässigkeit der unechten Rückwirkung und damit Verfassungswidrigkeit dieser Norm stützen ließe.42 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive dürfte sich folglich die Anwendung eines den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetzes, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen allenfalls als unechte Rückwirkung darstellen, die im Einklang mit dem Vertrauensschutzgrundsatz steht und daher zulässig sein dürfte. 5.3.2. Unionsrecht Die Rechtsprechung des EuGH zur Rückwirkung betrifft lediglich die Anwendung von Unionsrecht , nicht aber die von nationalen Vorschriften.43 Soweit ersichtlich, stellt das Unionsrecht keine allgemeinen Anforderungen an die Rückwirkung nationalen Rechts. 42 Vgl. BVerfGE 67, 1, Rn. 40, m. w. N. 43 Vgl. EuGH, Rs. C-89/14, Rn. 38, m. w. N.; vgl. EuGH, Rs. C-120/08, Rn. 40-41, m. w. N.; vgl. EuGH, Rs. C-368/89, Rn. 17, m. w. N. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 18 Nur in Ausnahmefällen macht unionsrechtliches Sekundärrecht Vorgaben hinsichtlich der Rückwirkung der nationalen Regelungen, mit denen eben dieses Sekundärrecht umgesetzt wird.44 Eine Vorschrift, welche die Rückwirkung nationaler Umsetzungsgesetze vorsieht, enthält die EECC-Richtlinie jedoch nicht. Soweit ersichtlich, fehlt es daher aus unionsrechtlicher Perspektive bereits an einem Rückwirkungsverbot , welches für eine den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzende nationale Regelung gilt und der Anwendung eines solchen Gesetzes auf sich derzeit in der Versteigerung befindende Frequenzen entgegenstehen könnte, träte dieses erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft oder wäre erst dann anwendbar. 5.4. Fazit Entsprechend der vorangegangenen Ausführungen dürfte § 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 TKG eine für den nach Art. 61 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EECC-Richtlinie erforderlichen Hinweis ausreichende Rechtsgrundlage darstellen und der Anwendung eines den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetzes, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt oder anwendbar ist, auf sich derzeit in der Versteigerung befindenden Frequenzen weder aus verfassungsrechtlicher noch aus unionsrechtlicher Perspektive das Rückwirkungsverbot entgegenstehen. Folglich dürfte eine nationale Regelung, welche den Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie umsetzt, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten würde oder zumindest anwendbar wäre, grundsätzlich auch auf solche Frequenzen angewendet werden können, die sich derzeit in der Versteigerung befinden. Mit den von der Präsidentenkammer der BNetzA vorgenommenen Ausführungen in den Rn. 614 ff. ihrer Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln vom 26. November 2019 dürfte bereits der nach Art. 61 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EECC-Richtlinie erforderliche Hinweis als Voraussetzung für eine eventuell später erfolgende Auferlegung von Verpflichtungen im Sinne des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie erbracht worden sein. 6. Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, dass eine wortgetreue Umsetzung des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie in nationales Recht bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es spricht jedoch viel dafür, dass dem Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 EECC-Richtlinie ein Anwendungsverbot für ein solches Umsetzungsgesetz bis zum 21. Dezember 2020 zu entnehmen ist. 44 Siehe z. B. Art. 22 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. L 349 vom 5. Dezember 2014, S. 1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 038/19 Seite 19 Ein solches Anwendungsverbot dürfte aber nicht ausnahmslos gelten, sondern teleologisch dahingehend zu reduzieren sein, dass nationale Umsetzungsgesetze, welche nicht zu (richtlinienwidrigen ) Disparitäten im Binnenmarkt führen könnten, von diesem Anwendungsverbot nicht erfasst sind. Demzufolge dürfte die Vereinbarkeit der Anwendung einer mit dem Wortlaut des Art. 61 Abs. 4 EECC-Richtlinie übereinstimmenden nationalen Vorschrift zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Unionsrecht davon abhängen, ob dadurch die Einheitlichkeit des Binnenmarktes durch die Verursachung von Disparitäten gefährdet werden könnte oder nicht. Eine derartige nationale Umsetzungsvorschrift dürfte allerdings grundsätzlich auch dann, wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten würde oder zumindest anwendbar wäre, auf solche Frequenzen angewendet werden können, welche sich derzeit in der Versteigerung befinden . – Fachbereich Europa –