Deutscher Bundestag Kompetenzen der Europäischen Union zur Durchführung von Asylverfahren? Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa ©2015 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 38/15 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 2 Kompetenzen der Europäischen Union zur Durchführung von Asylverfahren? Aktenzeichen: PE 6 – 3000 – 38/15 Abschluss der Arbeit: 23.03.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Unterabteilung Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Hausleitung, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die zu untersuchenden Fragestellungen 2. Migration von Drittstaatsangehörigen im Europäischen Primärrecht 4 2.1. Zuständigkeiten der EU im Bereich der Asylpolitik 4 2.2. Zur Entwicklung eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems 6 2.3. Kompetenzen der EU zur Durchführung von Asylverfahren mit eigenen Dienststellen 7 3. Ergebnis 9 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 4 1. Die zu untersuchenden Fragestellungen Der Fachbereich Europa wird um die Klärung folgender Fragen ersucht: „Könnte der EU die Zuständigkeit für die Prüfung und Entscheidung über Asylanträge übertragen werden? Welche rechtlichen Bestimmungen der EUV/AEUV und des nationalen Rechts müssten geändert werden? Unter welchen Bedingungen könnte der Europäische Auswärtige Dienst für die Prüfung und Entscheidung der Asylanträge vor Ort der Antragstellenden beauftragt werden?“ Diese Expertise befasst sich mit der mit vorstehenden Fragen angesprochenen Kompetenz der Europäischen Union (EU), die materiellen Standards für die Anerkennung von Asylbewerber /Innen festlegen und die Asylverfahren selber durchführen zu dürfen. Die sich daraus ergebenden notwendigen Anpassungen des nationalen Rechts werden in einem anderen Gutachten gesondert untersucht. 2. Migration von Drittstaatsangehörigen im geltenden Europäischen Primärrecht Die Frage, ob der EU die Zuständigkeit für die Prüfung und Entscheidung über Asylanträge übertragen werden kann, wird zunächst auf Grundlage des geltenden EU-Rechts erörtert. Eine derartige Verlagerung dieser bisher von den Mitgliedstaaten wahrgenommenen Aufgaben setzte voraus, dass die EU die Kompetenz hätte, die materiellen Standards für die Anerkennung von Asylbewerbern /Innen festzulegen und über die Verwaltungskompetenz verfügte, in eigener Zuständigkeit Asylverfahren durchzuführen. Erst wenn das Europäische (Primär-) Recht der EU die dafür notwendigen Kompetenzen nicht zuweist, stellte sich die weitere Frage, welche Änderungen dazu in den Europäischen Verträgen vorzunehmen wären. 2.1. Zuständigkeiten der EU im Bereich der Asylpolitik Mit Art. 78 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besteht in den Unionsverträgen eine Rechtsgrundlage für die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems . Die grundsätzliche Ausrichtung der und wesentlichen Anforderungen an die Asylpolitik werden in Art. 78 Abs. 1 AEUV skizziert. „(1) Die Union entwickelt eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll. Diese Politik muss mit dem Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 und dem Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen.“ Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 5 Der EU werden in Art. 78 Abs. 2 AEUV – in geteilter Kompetenz mit den Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 Buchst. j) AEUV) – Gesetzeskompetenzen für Maßnahmen zur Schaffung eines europäischen Asylsystems eingeräumt, die Folgendes umfassen können: „einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus für Drittstaatsangehörige; einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige, die keinen europäischen Asylstatus erhalten, aber internationalen Schutz benötigen; eine gemeinsame Regelung für den vorübergehenden Schutz von Vertriebenen im Falle eines Massenzustroms; gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus beziehungsweise des subsidiären Schutzstatus; Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf Asyl oder subsidiären Schutz zuständig ist; Normen über die Aufnahmebedingungen von Personen, die Asyl oder subsidiären Schutz beantragen; Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittländern zur Steuerung des Zustroms von Personen , die Asyl oder subsidiären beziehungsweise vorübergehenden Schutz beantragen.“ Das auf dieser Grundlage zu schaffende „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ umfasst im Wesentlichen einen unionsweit geltenden Asylstatus für Drittstaatsangehörige, einheitliche Regelungen für einen subsidiären Schutzstatus nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention, ein einheitliches Asylverfahren, einheitliche Aufnahmebedingungen sowie die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten.1 Art. 80 AEUV erweitert das europäische Asylrecht um den Grundsatz der Solidarität unter den Mitgliedstaaten. „Für die unter dieses Kapitel fallende Politik der Union und ihre Umsetzung gilt der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht. Die aufgrund dieses Kapitels erlassenen Rechtsakte der Union enthalten, immer wenn dies erforderlich ist, entsprechende Maßnahmen für die Anwendung dieses Grundsatzes.“ Das Asylrecht hat im Europäischen Recht Grundrechtsstatus. Dieses ist nach Artikel 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistet. „Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie nach Maßgabe des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „die Verträge“) gewährleistet.“ 1 Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 3. Aufl. 2014, S. 29 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 6 Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) trat am 22. April 1954 in Kraft.2 Diese Konvention wurde ergänzt durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967.3 Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention normiert in Abs. 1 das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung. „Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ 2.2. Kompetenz der EU zur Festlegung des Asylstatus Das in den EU-Verträgen entworfene Asylsystem wird als Kooperations- und Auffangordnung4 beschrieben, das die mitgliedstaatlichen Teilbeiträge zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Flüchtlingsschutzes zu einem europäischen Gesamtkonzept zusammenfasst. Hierdurch wird allerdings nicht das Asylrecht in Gänze, sondern das Asylrecht der Mitgliedstaaten europäisiert.5 Dabei zeigt sich, dass hinsichtlich der Verlagerung von Zuständigkeiten von den Mitgliedstaaten auf die EU im Bereich des Asylrechts zwischen der Qualifikationskompetenz und der Verwaltungszuständigkeit zu unterscheiden ist. Mit dem Lissabonner Vertrag üben die Befugnis, Reichweite und Inhalt des Asylstatus zu bestimmen , nicht mehr die Mitgliedstaaten sondern die EU aus.6 Die EU ist nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a) AEUV ermächtigt, einen einheitlichen Asylstatus im Wege der Rechtsharmonisierung – auch als Vollharmonisierung – festzulegen.7 2 United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]. 3 In Kraft getreten am 4. Oktober 1967. Alle Mitgliedstaaten sowie die Republik Island, das Königreich Norwegen, die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein sind Vertragsparteien der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls von 1967. Die Union ist weder Vertragspartei der Genfer Flüchtlingskonvention noch des Protokolls von 1967, aber Art. 78 AEUV und Art. 18 der Charta sehen vor, dass das Recht auf Asyl u.a. nach Maßgabe dieser Konvention und dieses Protokolls gewährleistet wird. 4 Huber, VVDStRL 60 (2001), S. 194 (209 ff.); Pernice, in: Bauer u.a. (Hrsg.), Ius Publicum im Umbruch, 2000, S. 25 (45 f.) 5 Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 300 6 Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 300 7 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 43. Erg.Lfg. März 2011, Art. 78 Rn. 22; Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 100; Bast, Aufenthaltsrecht und Migrationssteuerung, 2011, S. 156; Hofmann, in: Merli (Hrsg.), Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Osterweiterung der Europäischen Union, 2001, S. 163; Chibanguza, Die Kompetenzen nach dem Vertrag von Lissabon, 2011, S. 225; Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 7 2.3. Kompetenzen der EU zur Durchführung von Asylverfahren mit eigenen Dienststellen Der Umfang europäischer Zuständigkeiten ist für jeden Sachbereich gesondert festzustellen.8 Aus der materiellen Regulierungszuständigkeit der EU für ein Sachgebiet – wie vorliegend auf dem Gebiet des Asylrechts – folgt noch nicht ihre Kompetenz, dieses auch durch eigene Dienststellen durchzuführen. Die Durchführung von EU-Recht erforderte einen gegenüber der Normierungskompetenz für ein Sachgebiet als EU-Recht eigenständigen Kompetenztitel der EU, dieses selbst in eigener Verwaltungszuständigkeit durchführen zu dürfen. Die Befugnis, Asylverfahren innerhalb der EU durch Verwaltungsbehörden der EU ausführen zu dürfen, könnte sich aus Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV, Art. 114 AEUV oder aus der allgemeinen Durchführungsermächtigung in Art. 291 Abs. 2 AEUV ergeben. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, ob Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV die Ersetzung des nationalen Verfahrensrechts und die Schaffung einer EU-Asylbehörde trägt. Nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV umfassen die Gesetzkompetenzen der EU im Bereich der Asylpolitik auch „gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus…“ Art. 78 Buchst. d) AEUV ist – anders als der Vorläuferregelung in der Fassung des Vertrages zu Nizza – keine Beschränkung auf den Erlass von Mindestnormen zu Asylverfahren zu entnehmen. Die auf dieser Rechtsgrundlage erlassene Richtlinie 2013/13/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (RL 2013/13)9 sieht entsprechend dieser nur eingeschränkten Ermächtigung zur Normierung von Asylverfahren die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes vor. Diese „soll dazu beitragen, die Sekundärmigration von Antragstellern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie auf rechtliche Unterschiede zurückzuführen ist, einzudämmen, und gleiche Bedingungen für die Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU in den Mitgliedstaaten zu schaffen.“10 Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV ermächtigt die EU zudem nur zu Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem, die gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus umfassen, setzt mithin die Durchführung von Asylverfahren durch die Mitgliedstaaten voraus und schließt ein alleiniges Asylverfahren der EU aus. Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts, 2011, S. 313 f.; Schieber, Komplementärer Schutz, 2012, S. 313 8 Thym, Migrationsverwaltungsrecht, S. 100; Weber, Das Europäische Flüchtlings- und Migrationsrecht im Lichte des EU-Verfassungsentwurfs, in: Pache (Hrsg.): Die Europäische Union, 2005, S. 59 (74 ff.) 9 ABl L 180/60 10 RL 2013/13, Erwägungsgrund 13 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 8 Auf Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV ließe sich die Kompetenz zur Durchführung des Asylrechts durch Dienststellen der EU mithin nicht stützten. Es dürfte auch wenig dafür sprechen, die Befugnis zur Verlagerung der Zuständigkeit zur Prüfung und Entscheidung über Asylanträge auf die EU aus Art. 114 AEUV ableiten zu wollen, da diese Norm voraussetzt, dass ein Regelungsvorhaben der Errichtung und Funktion des Binnenmarkts dient. Der EuGH hatte zur Frage der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verdeutlicht, dass ein Rechtsakt nur dann auf Art. 114 AEUV gestützt werden kann, wenn dieser explizit dazu dient, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.11 Art. 291 Abs. 2 AEUV erlaubt zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen bei der Durchführung verbindlicher Rechtakte der EU zwar die Durchführung von Unionsrechtsakten durch die Kommission oder – unter engen Voraussetzungen – in Ausnahmefällen auch durch den Rat. Soweit aus dieser Ermächtigungsnorm sich Kompetenzen der EU zur Durchführung europäischen Rechts ableiten lassen, obläge die Durchführungszuständigkeit vorrangig bei der Kommission. Mit entsprechender Festlegung der Durchführungsbefugnisse könnte dann auch der Europäische Auswärtige Dienst mit der Aufgabenwahrnehmung innerhalb der EU befasst werden. Nach den Grundsätzen der systematischen Auslegung dürften allerdings die besseren Gründe dafür sprechen, dass Art. 291 Abs. 2 AEUV als Auffangnorm der EU keine über Art. 78 Abs. 2 Buchst. d) AEUV hinausgehende Befugnisse verleiht, das Asylrecht in eigener Verantwortung zu vollziehen. Art. 291 Abs. 1 AEUV sowie Art. 4 Abs. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV), nach der die EU die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet, so wie sie in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt, gehen erkennbar vom Regelfall der Durchführung von EU- Recht durch die Mitgliedstaaten aus.12 Auch Art. 78 Abs. 2 Bucht. E) AEUV setzt den Vollzug des Asylrechts durch die Mitgliedstaaten voraus, wenn er den Unionsgesetzgeber ermächtigt, Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats festzulegen, der für die Prüfung eines Antrags auf Asyl zuständig ist. Der in Art. 80 AEUV programmatisch niedergelegte Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, der als Auslegungsmaßstab zur Bestimmung der sachlichen Reichweite der in Art. 77 bis 79 AEUV normierten Kompetenzen 11 EuGH, Rs. C-270/12, Urt. v. 22.01.2014, Rn. 13 12 Britz, Verbundstrukturen in der Mehrebenenverwaltung, Die Verwaltung – Beiheft 8 (2009), S. 71 (97); Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im Europäischen Verwaltungs- und Wirtschaftsraum, 2012, S. 105, 143; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 316; Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon- Vertrags, DÖV 2010, S. 453 (461 f.), Michel, Die neue Europäische Bankenaufsichtsbehörde, DÖV 2011, S. 728 (730), Schütze, From Rome to Lisbon: “Executive Federalism” in the (New) European Union, CMLRev 47 (2010), S. 1385 (1400 f.); Schwarze, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: Appel/Hermes/Hillgruber (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – Festschrift für Rainer Wahl, 2011, S. 837 (838 f.); Schmidt-Aßmann, Perspektiven der Europäisierung des Verwaltungsrechts, Die Verwaltung – Beiheft 10 (2010), S. 263 (264). Fachbereich Europa Sachstand PE 6 – 3000 – 38/15 Seite 9 dient13, stellt auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Asyl- und Einwanderungspolitik ab („Für die unter dieses Kapitel fallende Politik der Union und ihre Umsetzung gilt der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten …“), was ins Leere liefe, wenn diese von der EU allein wahrgenommen werden dürfte. Auch das Protokoll Nr. 24 zum Lissabonner Vertrag über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union geht davon aus, dass Asylanträge von den Mitgliedstaaten und nicht einer Einrichtung der EU berücksichtigt oder bearbeitet werden. Dies alles verdeutlicht, dass das Primärrecht nach jetzigem Stand der Integration der EU im Bereich des Asyl- und Migrationsrechts keine umfassenden Gesetzgebungskompetenzen gewährt. Behördenorganisation, Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz verbleiben in nationaler Verwaltungsautonomie .14 Da mithin das Primärrecht von der Ausführung des Asylrechts durch die Mitgliedstaaten ausgeht , erforderte die Schaffung einer EU-Asylbehörde eine Vertragsänderung.15 3. Ergebnis Das Europäische Recht sieht die Übertragung der Zuständigkeit für die Prüfung und Entscheidung über Asylanträge von den Mitgliedstaaten auf die EU nicht vor. Dies erforderte – wie unter 2.3. mit Hinweis auf die einschlägigen Normen des europäischen Primärrechts dargelegt – Änderungen im europäischen Primärrecht, insb. eine grundlegende Änderung des Art. 78 AEUV. - Fachbereich Europa - 13 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. Erg.Lfg. März 2014, Art. 80 Rn. 4 14 von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 483 ff.; Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 99, 106 15 Thym, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 43. Erg.Lfg. März 2011, Art. 78 Rn. 37