PE 6 - 3000 - 037/19 (17.04.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Der Fachbereich Europa wird um die Beantwortung der Frage ersucht, ob und inwiefern es europarechtliche Bedenken gegen die Einführung einer kommunalen Einkommensteuer geben könnte. Nach Informationen des Auftraggebers soll die kommunale Einkommensteuer für den Fall der Abschaffung der Grundsteuer den Gemeinden ein Recht einräumen, basierend auf dem versteuerten Einkommen von beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen eine 1%ige Einwohnersteuer zu erheben. Darauf würden die jeweiligen Wohnsitzgemeinden ein Hebesatz von 0% bis 200% haben, wobei die Erhebungsprozesse dieselben wie bei der herkömmlichen Einkommenssteuer wären. Bei nichtselbstständiger Arbeit sollen die Zuschlagsätze mit der Lohnsteuer über das Finanzamt an die Wohnsitzgemeinde weitergeleitet werden. Bei Quellensteuern soll ein pauschalierter Zuschlagsatz erhoben werden. Ausländische Einkünfte sollen unter Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuern in die Bemessungsgrundlage eingerechnet werden. In Bezug auf die europarechtliche Relevanz ist zunächst die Zuständigkeitsverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten für steuerrechtliche Regelungen zu klären. Was den hier betroffenen Bereich der sog. direkten Steuern angeht, kommt als Rechtsgrundlage nur Art. 115 AEUV in Betracht . Diese Vorschrift regelt den Erlass von Richtlinien, die der Angleichung derjenigen Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten dienen, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.1 Es handelt sich um eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit (vgl. Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2 Buchst. a AEUV). Soweit ersichtlich, hat die EU auf dieser Grundlage bisher keine hier relevanten einkommens- 1 Siehe hierzu Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 115 AEUV (65. EL August 2018), Rn. 1 (zur Anwendung auf direkte Steuern), Rn. 9 ff. (zu den tatbestandlichen Voraussetzungen), jeweils mit weiten Nachweisen aus dem Schrifttum. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Kommunale Einkommenssteuer und Unionsrecht Kurzinformation Kommunale Einkommenssteuer und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 steuerrechtlichen Vorschriften erlassen, so dass die Mitgliedstaaten ihre in diesem Bereich geteilte Zuständigkeit wahrnehmen können.2 Außerhalb der Reichweite des Art. 115 AEUV sind sie für den Erlass einkommensteuerrechtlicher Regelungen mangels EU-Kompetenz ausschließlich zuständig.3 Allerdings haben die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit in beiden Fällen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unter Wahrung des Unionsrechts auszuüben.4 Zu beachten sind dabei insbesondere die Grundfreiheiten,5 die nicht nur ungerechtfertigte Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbieten, sondern auch sonstige Maßnahmen, die die Aufnahme und Ausübung abhängiger (Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV) oder selbständiger Erwerbstätigkeiten (Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV) sowie der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit (Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 Abs. 1 AEUV) weniger attraktiv machen, ohne dass dies gerechtfertigt ist.6 Vorliegend können grundfreiheitliche Vorgaben vor allem im Zusammenhang mit der Anrechnung von im EU-Ausland gezahlten Steuern eine Rolle spielen.7 So wurde etwa die frühere Fassung des § 34c EStG zur Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften vom EuGH als unvereinbar mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV eingestuft.8 Die ab den Verrechnungszeitraum 2015 geltende, neue Regelung des § 34c EStG zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags wird in der Literatur hingegen als europarechtskonform angesehen.9 Die in diesem Kontext seitens der EuGH-Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe dürften auch bei der Ausgestaltung der Anrechnungsmodalitäten einer kommunalen Einkommenssteuer zu beachten sein.10 Eine konkrete Beurteilung des Vorschlags zur Einführung einer kommunalen Einkommensteuer unter dem Gesichtspunkt der Anrechnung ausländischer Steuern oder anderer grenzüberschreitender und damit grundfreiheitlich relevanter Aspekte lässt an dieser Stelle mangels konkreter Vorgaben zur Ausgestaltung einer solchen nationalen Steuer nicht vornehmen. Im Grundsatz bestehen jedoch keine unionsrechtlichen Bedenken gegen deren Einführung. 2 Vgl. EuGH, Urteil v. 28.02.2013, Rs. C-168/11 (Beker), Rn. 32. 3 Siehe etwa EuGH, Urteil v. 19.12.2018, Rs. C-667/17 (Cadeddu), Rn. 15. 4 Siehe EuGH, Urteil v. 19.12.2018, Rs. C-667/17 (Cadeddu), Rn. 15, mit weiteren Verweisen auf die Rechtsprechung . 5 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff NV), Rn. 12 ff. 6 Siehe allgemein in Bezug auf die Einschlägigkeit der genannten Grundfreiheiten, die Prüfungs- und Rechtfertigungsmaßstäbe EuGH, Urt. v. 18.6.2015, Rs. C-9/14 (Kieback), Rn. 16 ff.; EuGH, Urt. v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff NV), Rn. 12 ff. 7 Siehe bspw. EuGH, Urteil v. 28.02.2013, Rs. C-168/11 (Beker), Rn. 32 ff. 8 EuGH, Urteil v. 28.02.2013, Rs. C-168/11 (Beker), Rn. 63. 9 Vgl. Wagner, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 34 c EStG (143. EL August 2018), Rn. 52 f. 10 Siehe hierzu etwa Wagner, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 34c EStG (143. EL August 2018), Rn. 13-14a. Kurzinformation Kommunale Einkommenssteuer und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 – Fachbereich Europa –