© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 35/16 Investor-Staat-Streitigkeiten bei einer vorläufigen Anwendung des Comprehensive Economic and Trade Agreements (CETA) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 2 Investor-Staat-Streitigkeiten bei einer vorläufigen Anwendung des Comprehensive Economic and Trade Agreements (CETA) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 35/16 Abschluss der Arbeit: 24. März 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Voraussetzungen für die vorläufige Anwendung und Inkraftsetzung 4 2.1. Voraussetzungen für die vorläufige Anwendung von gemischten Abkommen 4 2.2. Folgerungen 5 3. Vorläufige Anwendung von Kapitel 8 CETA 5 3.1. Investitionsbestimmungen 6 3.1.1. Unionsrechtliche Zuständigkeitsverteilung 6 3.1.2. Folgerungen für die Investitionsbestimmungen des CETA 8 3.1.3. Zusammenfassung 9 3.2. Folgerungen für die Möglichkeit einer vorläufigen Anwendung von Kapitel 8 CETA auf Grundlage von Art. 218 Abs. 5 AEUV 9 4. Folgerungen für die Zulässigkeit von Investitionsklagen gemäß Kapitel 30, Art. 30.8 (4) CETA 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 4 1. Fragestellung Dieser Ausarbeitung setzt sich mit der Frage auseinander, ob die in Art. 30.8 Abs. 4 des zwischen Kanada und der Europäischen Union (EU) vereinbarten Comprehensive Economic and Trade Agreementn (CETA) vorgesehene Möglichkeit für Investor-Staat-Streitigkeiten bei einer vorläufigen Anwendung des CETA zum Tragen kommt. Art. 30.8 Abs. 4 CETA hat folgenden Inhalt:1 „Notwithstanding paragraphs 1 and 2, if the provisional application of this Agreement is terminated and this Agreement does not enter into force, a claim may be submitted under Section F of Chapter Eight (Investment) within a period no longer than three years following the date of termination of the provisional application, regarding any matter arising during the provisional application of this Agreement, in accordance with the rules and procedures established in this Agreement .“ 2. Voraussetzungen für die vorläufige Anwendung und Inkraftsetzung Handelsverträge der Union, die als sogenannte gemischte Abkommen geschlossen werden, beruhen auf Zuständigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten. Sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien. Dementsprechend erfordern der Abschluss und die vorläufige Anwendung eines solchen Übereinkommens eine entsprechende Beteiligung der EU und der Mitgliedstaaten . 2.1. Voraussetzungen für die vorläufige Anwendung von gemischten Abkommen Regelmäßig werden Abkommen bereits bei der Unterzeichnung für vorläufig anwendbar erklärt. Hierfür kann der Rat gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV auf Vorschlag des Verhandlungsführers (d.h. regelmäßig der Kommission) mit in der Regel qualifizierter Mehrheit (Art. 218 Abs. 8 UAbs. 1 iVm Art. 207 Abs. 4 UAbs. 1 AEUV) einen Beschluss erlassen, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden.2 Bei gemischten Abkommen erfolgt eine solche Erklärung durch den Rat nur für die Aspekte des Abkommens, die in EU-Zuständigkeit liegen. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten bewirkt der Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung, dass jedenfalls die Regelungen aus dem Bereich der Zuständigkeit der Union (insbesondere gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e, 207 AEUV oder Art. 3 Abs. 2 AEUV) schon vor Inkrafttreten des Abkommens als Teil des Unionsrechts dem Vorrang des Unionsrechts unterliegen. Eine Beteiligung der mitgliedstaatlichen Parlamente an dem Verfahren für die vorläufige Anwendung der Übereinkunft durch die EU ist in Art. 218 Abs. 5 AEUV nicht vorgesehen. 1 CETA-Vertragstext mit Stand vom 29. Februar 2016, abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib /docs/2016/february/tradoc_154329.pdf. 2 Gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV obliegt die Entscheidung über die Unterzeichnung und ggf. die vorläufige Anwendung alleine dem Rat. Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments ist erst für den Abschluss des Abkommens erforderlich. Jedoch hat sich in den vergangenen Jahren die Praxis herausgebildet, dass politisch bedeutsame Verträge erst nach einer entsprechenden Zustimmung des Europäischen Parlaments für vorläufig anwendbar erklärt werden. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 5 Regelungen betreffend die mitgliedstaatliche Zuständigkeit werden hingegen von der vorläufigen Anwendung ausgenommen. Eine vorläufige Anwendung der in die mitgliedstaatliche Zuständigkeit fallenden Teile des Abkommens erforderte in Deutschland beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Zustimmung. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die in nationaler Zuständigkeit liegenden Vertragsteile von Deutschland üblicherweise nicht vorläufig angewendet werden und daher in aller Regel erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten Anwendung finden. 2.2. Folgerungen Für die Anwendbarkeit des Art. 30.8 Abs. 4 CETA und mithin die Möglichkeit, im Rahmen einer vorläufigen Anwendung des CETA bereits Investor-Staat-Streitverfahren auf Grundlage der entsprechenden Bestimmungen des CETA durchzuführen, ist somit entscheidend, ob Kapitel 8 CETA in den Bereich der ausschließlichen Unionszuständigkeit fällt. Im Hinblick auf die Unterzeichnung und ggf. die vorläufige Anwendung des CETA ist anzumerken , dass dessen Rechtsnatur weiterhin ungeklärt ist: Die Mitgliedstaaten haben sich sowohl im Ausschuss der Ständigen Vertreter als auch durch entsprechende Stellungnahmen der nationalen Parlamente für den Abschluss u.a. von CETA als gemischtes Abkommen ausgesprochen. Jedoch sind die Mitgliedstaaten im aktuellen Text des CETA-Vertragsentwurfs auch nach Abschluss der Rechtsförmlichkeitsprüfung („legal scrubbing“) noch in eckige Klammern gesetzt und stehen somit aus Sicht der Kommission nicht als Vertragsparteien fest. 3. Vorläufige Anwendung von Kapitel 8 CETA Das Erfordernis, das CETA als gemischtes Abkommen zu ratifizieren, könnte sich auf die Regelungen im Bereich der Investitionen stützen lassen. Mit Blick auf das vor dem EuGH anhängige Verfahren3 zur Bewertung entsprechender Zuständigkeiten der EU kann derzeit noch keine abschließende Bewertung erfolgen, welche Bereiche des CETA in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und ob das CETA dementsprechend als gemischtes Abkommen ratifiziert werden muss.4 Die folgende Darstellung ist daher als eine vorläufige Einschätzung zu verstehen . 3 Gerichtshof der Europäischen Union, Antrag der Europäischen Kommission auf ein Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 10. Juli 2015 zu der Frage, ob die Europäische Union über die erforderliche Zuständigkeit verfügt, um das Freihandelsabkommen mit Singapur allein zu unterzeichnen und abzuschließen, Gutachten 2/15, Antrag der Europäischen Kommission abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:62015CU0002&from=DE; vgl. hierzu die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Januar 2016 in dem Gutachtenverfahren 2/15, BReg-Dok 4/2016, in EuDox abrufbar unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=129415. 4 Vgl. hierzu auch Franz C. Mayer, Stellt das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) ein gemischtes Abkommen dar?, Rechtsgutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vom 28. August 2014, abrufbar unter https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion /PDF/C-D/ceta-gutachten-einstufung-als-gemischtes-abkommen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache =de,rwb=true.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 6 3.1. Investitionsbestimmungen Fraglich ist, ob die Regelungen des CETA, welche den Bereich Investitionen betreffen, gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e, 207 Abs. 1 S. 1 AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der EU für die gemeinsame Handelspolitik fallen. Das wäre der Fall, wenn der Investitionsbegriff des CETA dem in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallenden Begriff der ausländischen Direktinvestition gem. Art. 207 Abs. 1 S. 1 AEUV entsprechen würde. 3.1.1. Unionsrechtliche Zuständigkeitsverteilung Der Begriff der ausländischen Direktinvestition findet sich im Primärrecht in den Art. 64 Abs. 2, 207 Abs. 1 AEUV, ohne hier jedoch definiert zu werden. Anhaltspunkte zur Bestimmung des Begriffs ergeben sich sekundärrechtlich aus der Begriffsbestimmung in der Richtlinie 88/361/EWG5 sowie in Nr. 6.1 Anhang II (Definitionen nach Art. 10) der Verordnung (EG) Nr. 184/20056. Danach liegt dem Begriff der ausländischen Direktinvestition das Verständnis einer internationalen Investition zugrunde, die von einem Direktinvestor getätigt wird, um eine langfristige Beteiligung an einem in einem anderen Wirtschaftsgebiet ansässigen Unternehmen einschließlich eines entsprechenden Kontrollerwerbs zu erhalten.7 Dieses Verständnis einer ausländischen Direktinvestition entspricht der allgemeinen Auffassung, von einer solchen Investition als eine grenzüberschreitende Beteiligungen am Kapital oder an Stimmrechten eines Unternehmens mit dem Ziel, eine langfristige Beteiligung an einem in einer anderen Volkswirtschaft ansässigen Unternehmen durch den Erwerb von mindestens 10 % der Stammaktien bzw. des Stimmrechts zu erwerben, wovon auch Beteiligungskapital, reinvestierte Gewinne und sonstige Anlagen im Zusammenhang mit Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen erfasst werden.8 5 Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABl. L 178/11, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31988L0361&qid=1408630689611&from=DE. 6 Verordnung (EG) Nr. 184/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 betreffend die gemeinschaftliche Statistik der Zahlungsbilanz, des internationalen Dienstleistungsverkehrs und der Direktinvestitionen , ABl. L 35/23, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 519/2013 der Kommission vom 21. Februar 2013, ABl. L 158/7, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02005R0184-20140101&qid=1408623107786&from=DE. 7 Communication from the European Community and its Member States, 16 April 2002, WTO Doc. WT/WGTI/W/15, Rn. 8 ff., abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2004/july/tradoc_111123.pdf; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik , KOM(2010) 343 endg., S. 4 f. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52010DC0343&qid=1408624304848&from=DE; EuGH, Rs. C-446/04 (Test Claimants), Rn. 180 f. 8 EZB, Monatsbericht August 2014, S. X; OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Fourth Edition 2008, S. 17 f., abrufbar unter http://www.oecd.org/daf/inv/investmentstatisticsandanalysis/40193734.pdf; vgl. auch Mayr, "Mixed" oder "EU-only" – Sind die Investitionsschutzbestimmungen im CETA von der Außenhandelskompetenz der EU "gedeckt"?, EuR 2015, S. 575 (590 f.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 7 Demgegenüber sollen grenzüberschreitende Investitionen, die nicht auf Kontrolle, sondern lediglich auf die Verzinsung des eingesetzten Kapitals abzielten, als sog. Portfolioinvestitionen nicht unter den Begriff der ausländischen Direktinvestitionen fallen.9 In diesem Sinne hat auch der EuGH im Kontext von Art. 56 Abs. 1 EG (nunmehr: Art. 63 AEUV) zwischen Direktinvestitonen (Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft , sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen) und Portfolioinvestitionen (Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen) unterschieden.10 Vor diesem Hintergrund der unionsrechtlichen Auslegung des Begriffs der ausländischen Direktinvestition wird vertreten, dass nur solche Investitionen in die ausschließliche Zuständigkeit der EU gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e, 207 Abs. 1 S. 1 AEUV fallen, die dem Kontrollerwerb eines Unternehmens dienen.11 Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Vertrag von Lissabon im Kontext seiner Beurteilung der Gemeinsamen Handelspolitik ausgeführt: „Mit der Erweiterung der gemeinsamen Handelspolitik auf "ausländische Direktinvestitionen " (Art. 207 Abs. 1 AEUV), wird der Europäischen Union auch für diesen Bereich eine ausschließliche Kompetenz zugewiesen. Allerdings spricht vieles dafür, dass der Begriff "ausländische Direktinvestitionen" nur diejenigen Investitionen umfasst, die dem Kontrollerwerb eines Unternehmens dienen (vgl. Tietje, Die Außenwirtschaftsverfassung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, 2009, S. 15 f.). Dies hätte zur Folge, dass die ausschließliche Kompetenz nur für Investitionen dieses Typs besteht, während darüber hinausgehende Investitionsschutzverträge als gemischte Abkommen geschlossen werden müssten.“ 12 Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bezüglich der Frage, ob auch Portfolioinvestitionen dem Begriff der ausländischen Direktinvestitionen unterfallen, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 64 Abs. 2 AEUV), auch die Auffassung vertreten wird, dass das Kapitel über den Abbau von Beschränkungen des Kapitalund Zahlungsverkehrs im Hinblick auf Direkt- und Portfolioinvestitionen zwar die Möglichkeit des Abschlusses internationaler Abkommen über Investitionen, einschließlich Portfolioinvestitionen , nicht ausdrücklich vorsehe. Da aber internationale Investitionsabkommen den Geltungsbereich der im AEUV-Kapitel über den Kapital- und Zahlungsverkehr vorgegebenen gemeinsamen Regeln berührten, ergäbe sich daraus implizit die ausschließliche Zuständigkeit der Union für 9 Communication from the European Community and its Member States, 16 April 2002, WTO Doc. WT/WGTI/W/15, Rn. 20; KOM(2010) 343 endg., S. 4 f. 10 EuGH, verb. Rs. C-282/04 und C-283/04 (Kommission/Niederlande), Rn. 19 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-222/97 (Trummer und Mayer), Rn. 21; EuGH, Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich), Rn. 36 f.; EuGH, Rs. C-98/01 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 39 f. 11 BVerfGE 123, 267 (421) mit Verweis auf Tietje, Die Außenwirtschaftsverfassung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, 2009, S. 15 f. 12 BVerfGE 123, 267 (421). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 8 den Abschluss von Abkommen in diesem Bereich.13 Diese weite Auslegung und Begründung einer ausschließlichen Zuständigkeit könnte sich auf die mit der sog. AETR-Rechtsprechung des EuGH14 entwickelten Parallelität zwischen der Innenkompetenz und der Außenkompetenz stützen und fände vorliegend ihre primärrechtliche auf Grundlage in den Art. 3 Abs. 2 i. V. m. 63 ff. AEUV.15 Angesichts dieser Sachlage weisen Bungenberg16 und Herrmann17 zutreffend darauf hin, dass letztlich dem EuGH im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 EUV die Aufgabe zukommt, die Reichweite der Kompetenz des Art. 207 AEUV im Kontext des internationalen Investitionsschutzrechts zu bestimmen. Für eine abschließende Entscheidung darüber, ob auch Portfolioinvestitionen in die (ausschließliche) Unionszuständigkeit fallen bleibt somit das Ergebnis im Gutachtenverfahren 2/15 abzuwarten. 3.1.2. Folgerungen für die Investitionsbestimmungen des CETA Ausgehend von der Annahme, dass Portfolioinvestitionen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen stellt sich die Frage, ob der Investitionsbegriff des CETA nur ausländische Direktinvestitionen betrifft und dieser Bereich des CETA damit in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt. Zwar deutet die Formulierung in Kapitel 8 Art. 8.1 des CETA („asset that an investor owns or controls“) darauf hin, dass ausländische Direktinvestitionen von den Regelungen des CETA erfasst werden sollen. Die anschließenden Formulierungen gehen jedoch darüber hinaus und legen ein umfassendes Verständnis des Investitionsbegriffs im CETA nahe. Zudem differenziert die Definition des Begriffs der Investition im Gegensatz beispielsweise zu der Definition der OECD18 nicht zwischen ausländischen Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen. Angesichts des weiten, nicht explizit auf ausländische Direktinvestitionen beschränkten Definition von „covered investment“ in Art. 8.1 (Definitions) CETA, lässt sich somit vertreten, dass auch Portfolioinvestitionen vom CETA erfasst sein sollen, die – gemäß der unter 3.1.1. dargestellten Erwägungen – in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Entsprechendes lässt sich an- 13 KOM(2010) 343 endg., S. 9; vgl. hierzu Herrmann, Die Zukunft der mitgliedstaatlichen Investitionspolitik nach dem Vertrag von Lissabon, EuZW 2010, S. 207 (209). 14 EuGH, Rs. 22/70 (AETR), Rn. 22; EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds); EuGH, Rs. C-476/98 (Open Skies), Rn. 83; EuGH, Gutachten 1/03 (Übereinkommen von Lugano), Rn. 125 ff. 15 Zum Streitstand vgl. Bungenberg, Europäischer Internationaler Investitionsschutz, in: von Arnauld, EnzEuR, Band 10 – Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 13, Rn. 13. 16 Bungenberg, Europäischer Internationaler Investitionsschutz, in: von Arnauld, EnzEuR, Band 10 – Europäische Außenbeziehungen, 2014, § 13, Rn. 13. 17 Herrmann, Die Zukunft der mitgliedstaatlichen Investitionspolitik nach dem Vertrag von Lissabon, EuZW 2010, S. 207 (209). 18 Vgl. OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Fourth Edition 2008, S. 17. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 35/16 Seite 9 nehmen für Bestimmungen in Kapitel 8 CETA betreffend Eigentumsfragen in Art. 8.12 CETA (Expropriation ) sowie Investitionsstreitigkeiten auf Grundlage von Kapitel 8 Sektion F betreffend staatliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die diese in ihrer ausschließlichen Kompetenz vornehmen . In diesen Fällen ginge der Regelungsbereich des CETA im Bereich der Investitionen über die ausschließliche Zuständigkeit der EU gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e, 207 Abs. 1 S. 1 AEUV hinaus und das CETA wäre aufgrund der insoweit geteilten Zuständigkeit als gemischtes Abkommen abzuschließen .19 3.1.3. Zusammenfassung Der Regelungsgehalt des Vertragstextes des CETA spricht im Kontext des zugrundeliegenden Verhandlungsmandats des Rates an die Kommission dafür, dass Kapitel 8 CETA insbesondere im Hinblick auf den weiten Investitionsbegriff (Art. 8.1 CETA), Eigentumsfragen (Art. 8.12 CETA) und Investitionsstreitigkeiten um staatliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die diese in ihrer ausschließlichen Kompetenz vornehmen, insgesamt auch in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, da potentiell alle Vorschriften des Kapitels 8 CETA auf Portfolioinvestitionen und Maßnahmen der Mitgliedstaaten in eigener Kompetenz Anwendung finden können. Vor diesem Hintergrund wäre das CETA dementsprechend als gemischtes Abkommen der EU und der Mitgliedstaaten abzuschließen. 3.2. Folgerungen für die Möglichkeit einer vorläufigen Anwendung von Kapitel 8 CETA auf Grundlage von Art. 218 Abs. 5 AEUV Ausgehend von der Annahme, dass Kapitel 8 CETA (auch) in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, wären die Voraussetzungen des Art. 218 Abs. 5 AEUV nicht gegeben, wonach nur solche Bestimmungen vorläufig angewendet werden dürfen, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen . Dementsprechend könnte Kapitel 8 CETA insgesamt nicht vorläufig angewendet werden. 4. Folgerungen für die Zulässigkeit von Investitionsklagen gemäß Kapitel 30, Art. 30.8 (4) CETA Ausgehend von der Annahme, dass Kapitel 8 CETA (auch) in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt und daher nicht gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV vorläufig zur Anwendung kommen kann, wären investitionsschutzrechtliche Streitigkeiten auf Grundlage von Kapitel 8 CETA auch bei einer vorläufigen Anwendung des CETA im Übrigen unzulässig. Dementsprechend verbliebe für Art. 30.8 Abs. 4 CETA kein Anwendungsbereich und die Bestimmung liefe leer. - Fachbereich Europa - 19 Vgl. Mayr, "Mixed" oder "EU-only" – Sind die Investitionsschutzbestimmungen im CETA von der Außenhandelskompetenz der EU "gedeckt"?, EuR 2015, S. 575 (595 ff.).