© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 34/15 Beteiligung der Mitgliedstaaten am europäischen Emissionszertifikatehandel Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 2 Beteiligung der Mitgliedstaaten am europäischen Emissionszertifikatehandel Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 34/15 Abschluss der Arbeit: 04.05.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragstellung 4 2. Antwort 4 2.1. Keine ausdrückliche Regelung 4 2.2. Auslegung der bestehenden Vorgaben zum Handel mit Emissionszertifikaten 4 2.3. Ergebnis 6 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 4 1. Fragstellung Der Fachbereich wird um die Beantwortung der Frage ersucht, ob und inwieweit Mitgliedstaaten der EU im europäischen Emissionshandel aktiv Emissionszertifikate vom Markt kaufen können, um das Angebot an Emissionszertifikaten zu verknappen und die Zertifikatspreise zu stabilisieren . Nach Auskunft des Auftraggebers bezieht sich die Frage auf einen mitgliedstaatlichen Erwerb im Zusammenhang mit dem eigentlichen Handel der Emissionszertifikate. Nicht betroffen ist hingegen die dem Handel vorgelagerte Ebene der Zertifikatszuteilung und der Abgabeverpflichtung der Betreiber. Zum Hintergrund der Frage wird der Hinweis gegeben, wonach ein Aufkauf durch Mitgliedstaaten am Markt eine weitere Option zur Stabilisierung des europäischen Emissionshandels sein könne. 2. Antwort Grundlage für die Beantwortung der Frage ist die sog. Emissionshandelsrichtlinie der EU1 (im Folgenden: Emissionshandel-RL). Obgleich der Handel mit Emissionszertifikaten im Sinne eines zivilrechtlichen Austauschs das eigentliche Instrument des mit der Richtlinie geregelten Systems zur Verringerung von CO2-Emissionen darstellt, enthält der Rechtsakt selbst nur wenige Vorgaben zu diesem Bereich.2 2.1. Keine ausdrückliche Regelung Eine ausdrückliche Regelung der Frage, ob Mitgliedstaaten Emissionszertifikate am Markt erwerben können, findet sich in den wenigen einschlägigen Bestimmungen der Emissionshandel-RL nicht. 2.2. Auslegung der bestehenden Vorgaben zum Handel mit Emissionszertifikaten Vor diesem Hintergrund ist die Antwort durch Auslegung des Rechtsaktes zu ermitteln. Soweit ersichtlich, wurde die Frage bisher weder in der Rechtsprechung der Unionsgerichte aufgeworfen , noch wird sie im Schrifttum erörtert. Ausgangspunkt für die im Folgenden vorzunehmende Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck ist daher allein der Richtlinientext. 1 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft […], ABl.EU 2003 Nr. L 275/32, mehrfach geändert, konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02003L0087-20140430&qid=1430304164847&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 2 Vgl. Zenke/Vollmer, in: Danner/Theobald, Energierecht, 82. Ergänzungslfg. 2014, Umweltrecht/Klimarecht: 118. Emissionshandel (im Folgenden: Danner/Theobald, Energierecht), Rn. 321 u. 325. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 5 Die wenigen Vorgaben der Emissionshandel-RL zum eigentlichen Handel mit Zertifikaten finden sich vor allem in Art. 12 bezüglich der Übertragung, Abgabe und Löschung von Zertifikaten sowie in Art. 19 zum Register. Nach Art. 12 Abs. 1 Emissionshandel-RL haben die Mitgliedstaaten als Umsetzungsverpflichtete der Richtlinie sicherzustellen, dass Zertifikate insbesondere zwischen Personen in der Gemeinschaft (vgl. lit. a) übertragbar sind. Hierdurch wird die generelle Handelbarkeit von Zertifikaten vorgegeben3, ohne dass weitergehende Anforderungen an die zum Handel berechtigten Rechtssubjekte gestellt werden. Eine ähnliche Aussage enthält Art. 19 Emissionshandel-RL, der die grundlegenden Vorgaben zum Unionsregister für Emissionszertifikate enthält. Nach dessen Absatz 2 kann jede Person Inhaber von Zertifikaten sein. Der Begriff „Person“ wird nach dem Katalog der Begriffsbestimmungen in Art. 3 lit. g) Emissionshandel -RL verstanden als „jede natürliche und juristische Person“. Angeknüpft wird somit allein an die Rechtsfähigkeit. Weitere Vorgaben enthält der Rechtsakt nicht. Geht man von dieser, nicht weiter eingeschränkten Definition des Begriffs „Person“ und seiner Verwendung in den Art. 12 und 19 Emissionshandel-RL aus, käme es nach dem Wortlaut allein darauf an, ob ein Mitgliedstaat als juristische Person anzusehen wäre. Dies ist jedoch mangels ausdrücklicher Regelung oder Verweisung keine Frage des Unionsrechts, sondern allein des jeweiligen nationalen Rechts (vgl. etwa Art. 54 AEUV).4 Soweit Mitgliedstaaten selbst im für den Handel relevanten (mitglieds-)staatlichen Kontext als juristische Personen anzusehen sind, könnten sie nach dem Wortlaut der Emissionshandel-RL somit Zertifikate erwerben und veräußern. Nach deutschem (Verwaltungs-)Recht ist der Bund – ebenso wie die Länder – originärer und rechtsfähiger Verwaltungsträger.5 Neben den zur mittelbaren Staatsverwaltung zugeordneten rechtsfähigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen wird er als juristische Personen des öffentlichen Rechts angesehen.6 3 Vgl. Zenke/Vollmer, in: Danner/Theobald, Energierecht (o. Fn. 2), Rn. 325, dort allerdings bezogen auf die entsprechende Umsetzung der Emissionshandel-RL in § 7 Abs. 3 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG. 4 Eigene Regelungen zur Rechtsfähigkeit enthält das Unionsrecht lediglich im Zusammenhang mit dem eigenen „Wirkungskreis“, sei es in Bezug auf sich selbst (vgl. Art. 335 AEUV) oder bezüglich unionsrechtlich geschaffener Rechtspersonen, wie etwa der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft, kurz SE (vgl. Art. 1 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft [SE], online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001R2157&rid=4 – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 5 Vgl. etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 21, Rn. 7. 6 Siehe etwa die Kommentierungen zu § 61 VwGO, der die Beteiligungsfähigkeit für das Verwaltungsprozessrecht regelt. Nach § 61 Nr. 1 VwGO sind u.a. juristische Personen fähig am Verwaltungsprozess beteiligt zu sein. Dazu wird auch der Bund gezählt, vgl. etwa Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 27. Ergänzungslfg . 2014, § 61 VwGO, Rn. 4; Kintz, Posser/Wolff, Beck’scher Onlinkommentar, Stand: 01.01.2015, § 61 VwGO, Rn. 4. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 6 Soweit ersichtlich, stehen dieser Auslegung der Emissionshandels-RL in Verbindung mit dem deutschen Recht weder die Systematik der Richtlinie noch ihr Sinn und Zweck entgegen: In systematischer Hinsicht ließe sich zwar einwenden, dass die Mitgliedstaaten ausdrücklich zum einen nur als allgemeine Umsetzungsverpflichtete der Richtlinie (vgl. Art. 31, 33 Emissionshandel -RL) und zum anderen für deren administrative Durchführung Verantwortliche (vgl. etwa Art. 4, 18 a, Art. 3 lit. q) Emissionshandel-RL) angesprochen werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die fehlende ausdrückliche Benennung der Mitgliedstaaten als zur Teilnahme am Handel berechtigte Rechtssubjekte zugleich die Konsequenz nach sich zieht, dass es ihnen verwehrt ist, Zertifikate – wie sonstige (v. a. juristische) Personen auch – zu erwerben und zu veräußern. Die wenigen nur rudimentären Vorgaben der Emissionshandel-RL zu dieser Frage zeigen im Gegenteil , dass eine Einschränkung der am Handel beteiligten Rechtssubjekte in der Richtlinie nicht angelegt ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Umsetzungsverpflichtung ihre Ursache nicht im Inhalt der Richtlinie findet, sondern in dem rechtlichen Charakter dieses nach Art. 288 Abs. 3 AEUV auf Umsetzung angelegten Unionsrechtsaktes. Aus der entsprechenden Adressierung bzgl. der Umsetzungspflicht lassen sich somit keine (systematischen) Schlüsse für den Inhalt des Rechtsaktes in Bezug auf eine Einbindung der Mitgliedstaaten in dessen materielle Verwirklichung ziehen. Der Sinn und Zweck der Emissionshandel-RL zielt auf eine kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Verringerung von Treibhausgasemissionen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Emissionshandel-RL). Die Situation auf dem Markt für den Handel mit Emissionszertifikaten ist in den letzten Jahren durch hohe Angebotsüberschüsse und infolge dessen durch niedrige Preise für Emissionsberechtigungen gekennzeichnet.7 Vor diesem Hintergrund würde ein auf dem Markt erfolgender Ankauf durch Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer Verknappung von Zertifikaten ein zwar von der Emissionshandel -RL nicht vorgesehenes Instrument darstellen, um eine Verteuerung der Emissionsberechtigungen und so die Verringerung von Emissionen zu erreichen. Ein solches Anliegen stimmt jedoch mit dem Sinn und Zweck dieses Rechtsaktes überein. Bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens wäre lediglich zu gewährleisten, dass die den Mitgliedstaaten ausdrücklich durch die Emissionshandel-RL übertragenen Aufgaben hierdurch nicht beeinträchtigt würden. 2.3. Ergebnis Die Emissionshandelsrichtlinie kann folglich dahingehend ausgelegt werden, dass Mitgliedstaaten als juristische Personen ebenso wie auch andere Teilnehmer am Markt Emissionszertifikate erwerben und veräußern können, soweit sie nach nationalem Recht als juristische Personen anzusehen sind. Ein solches Auslegungsergebnis wurde auf telefonische Nachfrage auch von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt bestätigt. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Frage nach der Beteiligung der Mitgliedstaaten am europäischen Emissionszertifikathandel in der Rechtsprechung der Unionsgerichte bisher nicht entschieden wurde. Eine rechtlich (letzt-)verbindliche Auslegung könnte hier nur durch den Europäischen Gerichtshof getroffen werden (vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV). 7 Vgl. die Ausführungen im Sachstand „Hintergrundinformationen zum EU-Emissionshandelssystem“ von U. Bassier vom 25.02.2015 (WD 5 – 3000 – 024/15), S. 6, mit weiteren Nachweisen. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 34/15 Seite 7 Eine im vorliegenden Kontext nicht erörterte Frage betrifft hingegen das nationale Recht. Allein an dessen Maßstab wäre zu prüfen, ob und inwieweit (nationale) öffentliche Gelder für den Ankauf von Emissionszertifikaten verwendet werden können. - Fachbereich Europa -