© 2021 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 033/21 Verbot von Kurzstreckenflügen Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts der Europäischen Union Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 2 Verbot von Kurzstreckenflügen Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts der Europäischen Union Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 033/21 Abschluss der Arbeit: 15.06.2021 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Fehlende Anwendbarkeit der Grundfreiheiten 4 2.1. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 4 2.2. Umweltschutzmaßnahmen nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 5 2.3. Abschließende Harmonisierungsmaßnahme 6 2.4. Beschränkungen außerhalb von Klimaschutzerwägungen 7 2.5. Fazit 8 3. Ergebnis 8 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa ist um Prüfung gebeten worden, ob ein Verbot von Inlandsflügen beziehungsweise von Kurzstreckenflügen (unter 1.500 km) mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts der Europäischen Union vereinbar wäre. 2. Fehlende Anwendbarkeit der Grundfreiheiten Eine Überprüfung von Maßnahmen am Maßstab der Grundfreiheiten erfolgt nur, wenn die Grundfreiheiten im konkreten Fall anwendbar sind. Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ist eröffnet, insofern sie unmittelbar anwendbar1 sind und kein vorrangiges Sekundärrecht einschlägig ist. Aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH folgt, dass eine nationale Maßnahme , die in einem Bereich, der auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht gesondert anhand des Primärrechts zu beurteilen ist.2 Eine Prüfung anhand der Grundfreiheiten bleibt daher nur in den Bereichen möglich, in denen die nationale Maßnahme außerhalb des Regelungsbereiches des Sekundärrechtsaktes liegt.3 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich bei dem Sekundärrechtsakt lediglich um eine Mindestharmonisierung handelt.4 2.1. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 Die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft5 (im Folgenden „Verordnung“ genannt) regelt die Genehmigung von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, das Recht von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen, und die Preisfestsetzung für innergemeinschaftliche Flugdienste (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung). 1 Die unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Grundfreiheiten ist bei allen Grundfreiheiten gegeben ; vgl. Haratsch/König/Pechstein, Europarecht, 12. Auflage, 2020, Rn. 866. 2 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.1993, Rs. C-37/92 (Vanacker und Lesage), Slg. 1993, 4975, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-324/99 (DaimlerChrysler), Slg. 2001, I-9918, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 17.4.2007, Rs. C-470/03 (AGM-COS.MET), Slg. 2007, I-2798, Rn. 50. 3 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1935, Rn. 27 f.; EuGH, Urt. v. 18.6.2002, Rs. C- 92/00 (HI), Slg. 2002, 5574, Rn. 42; EuGH, Urt. v. 27.10.2011, Rs. C-255/09 (Kommission/Portugal), Slg. 2011, I- 10547, Rn. 70. 4 So liegt eine Mindestharmonisierung etwa dann vor, wenn der Sekundärrechtsakt die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-205/07 (Gysbrechts und Santurel Inter), Slg. 2008, I-9947, Rn. 33 ff.; siehe auch Schröder, in: Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 114 AEUV, Rn. 46. 5 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:32008R1008. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 5 Die Formulierung „Innergemeinschaftlicher Flugdienst“ meint einen Flugdienst zwischen zwei Flughäfen der Gemeinschaft (Art. 2 Nr. 13 der Verordnung). Der Flugdienst umfasst einen Flug oder eine Folge von Flügen zur gewerblichen Beförderung von Fluggästen, Fracht und/oder Post (Art. 2 Nr. 4 der Verordnung). Mithin ist diese Verordnung sowohl anwendbar auf grenzüberschreitende Flüge innerhalb der Gemeinschaft als auch auf reine Inlandsflüge.6 Art. 15 Abs. 1 der Verordnung dient der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrsmarktes und stellt den Grundsatz des freien Streckenzugangs auf.7 Dieser regelt, dass alle Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft berechtigt sind, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen. Die Mitgliedstaaten dürfen die Durchführung von innergemeinschaftlichen Flugdiensten durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft nicht von einer Zulassung oder Genehmigung abhängig machen. Mithin sollen alle Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft mit gültiger Betriebszulassung gemäß der Verordnung grundsätzlich Zugang zu allen innergemeinschaftlichen Flugstrecken , vorbehaltlich der geregelten Ausnahmen, haben.8 Dabei will die Verordnung nicht den Zugang zu jedem beliebigen Flughafen zu jeder beliebigen Zeit ermöglichen, vielmehr soll die Gewährung, Verweigerung oder Beschränkung der Ausübung von Verkehrsrechten unter den Vorbehalt der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und des zwingenden Allgemeinwohlinteresses gestellt werden.9 2.2. Umweltschutzmaßnahmen nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 Artikel 20 der Verordnung stellt eine Ausnahme des Grundsatzes des freien Streckenzugangs auf und erlaubt den Mitgliedstaaten, die Ausübung von Verkehrsrechten bei schwerwiegenden Umweltproblemen einzuschränken oder zu verweigern.10 6 Siehe auch Ausarbeitung des WD 5 – 3000 – 072/19, S. 5. 7 Vgl. Heyn/Roth, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 2 – Luftverkehr, 2009, I.C., Rn. 411. 8 Vgl. Heyn/Roth, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 2 – Luftverkehr, 2009, I.C., Rn. 411. 9 Vgl. Heyn/Roth, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 2 – Luftverkehr, 2009, I.C., Rn. 411; vgl. auch Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 2000 (2001/163/EG) in einem Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache TREN/AMA/12/00 — Italienische Verkehrsaufteilungsregeln für das Mailänder Flughafensystem), ABl. L 58 vom 28.2.2001, S. 29; ebenfalls Entscheidung der Kommission vom 16. September 1998 (98/710/EG) in einem Verfahren zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache VII/AMA/11/98 - Italienische Verkehrsaufteilungsregeln für das Mailänder Flughafensystem), ABl. L 337 vom 12.12.1998, S. 42; siehe auch Entscheidung der Kommission vom 27. April 1994 (94/290/EG) in einem Verfahren zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache VII/AMA/II/93 - TAT- Paris (Orly)-London), ABl. L 127 vom 19.5.1994, S. 22; ebenso Entscheidung der Kommission vom 27. April 1994 (94/291/EG) in einem Verfahren zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache VII/AMA/IV/93 - TAT- Paris (Orly)-Marseille und Paris (Orly)-Toulouse), ABl. L 127 vom 19.5.1994, S. 32. 10 Für eine luftverkehrsrechtliche Prüfung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung aufgestellten Voraussetzungen wird auf die Ausarbeitung des WD 5 – 3000 – 072/19, S. 6 ff. verwiesen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 6 Die Vorschrift11 lautet: „Artikel 20 Umweltschutzmaßnahmen (1) Im Fall von schwerwiegenden Umweltproblemen kann der zuständige Mitgliedstaat die Ausübung von Verkehrsrechten einschränken oder verweigern, insbesondere wenn andere Verkehrsträger Verkehrsdienste in angemessenem Umfang zur Verfügung stellen. Die Maßnahme darf keine Diskriminierung beinhalten, den Wettbewerb zwischen Luftfahrtunternehmen nicht verzerren , nicht einschränkender sein, als es zur Lösung der Probleme erforderlich ist, und muss eine begrenzte Geltungsdauer haben, die drei Jahre nicht überschreitet und nach deren Ablauf eine Überprüfung der Maßnahme erfolgt. (2) Hält ein Mitgliedstaat eine Maßnahme nach Absatz 1 für erforderlich, so unterrichtet er mindestens drei Monate vor dem Inkrafttreten der Maßnahme die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission mit einer entsprechenden Begründung. Die Maßnahme kann durchgeführt werden, sofern innerhalb eines Monats nach Erhalt der Angaben ein betroffener Mitgliedstaat gegen die Maßnahme Einspruch einlegt oder die Kommission eine weitere Überprüfung der Maßnahme gemäß Absatz 3 vornimmt. (3) Die Kommission kann auf Antrag eines anderen Mitgliedstaats oder von sich aus nach dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Verfahren die Maßnahmen aussetzen, wenn diese die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllen oder mit anderen Gemeinschaftsvorschriften nicht vereinbar sind.“ 2.3. Abschließende Harmonisierungsmaßnahme Fraglich ist, ob es sich hierbei um eine abschließende Harmonisierungsmaßnahme handelt, mit dem Ergebnis, dass die Grundfreiheiten keine Anwendung finden. Bei einer Vollharmonisierung ist den Mitgliedstaaten der Erlass von Regelungen, die von den unionsrechtlichen Voraussetzungen abweichen, untersagt.12 Ob diese Regelung abschließend ist, muss mangels bestehender Rechtsprechung zu dieser Frage durch Auslegung ermittelt werden.13 11 In der Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 8) abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:31992R2408 bestand mit Art. 9 Abs. 1 eine fast gleichlautende Vorschrift. 12 Vgl. Schröder, in: Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 114 AEUV, Rn. 46. 13 Vgl. Schröder, in: Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 114 AEUV, Rn. 46. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 7 Das Ziel der Verordnung umfasst eine einheitlichere Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften hinsichtlich des Luftverkehrsbinnenmarktes aufgrund der Internationalität des Luftverkehrs , die besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist.14 Ausgangspunkt ist der Grundsatz des freien Streckenzugangs (Art. 15 Abs. 1 der Verordnung), der uneingeschränkt für den innergemeinschaftlichen Flugverkehr von Flügen zur gewerblichen Beförderung von Fluggästen, Fracht und/oder Post gilt. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden in den von der Verordnung geregelten Fällen zugelassen. Die Beeinträchtigung des Flugverkehrs aufgrund von Umweltschutzmaßnahmen ist in der Verordnung durch Art. 20 Abs. 1 ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift stellt klare Voraussetzungen auf, unter denen die Einschränkung oder Verweigerung der Verkehrsrechte wegen schwerwiegender Umweltprobleme möglich ist. So müssen zunächst schwerwiegende Umweltprobleme vorliegen . Weiterhin darf die nationale Umweltschutzmaßnahme keine Diskriminierung beinhalten. Ebenfalls darf durch die nationale Maßnahme der Wettbewerb zwischen den Luftfahrtunternehmen nicht verzerrt werden. Ferner darf die Maßnahme nicht einschränkender sein, als es zur Lösung der Probleme erforderlich ist, sie muss mithin mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Schließlich darf die Geltungsdauer der Maßnahme zunächst drei Jahre nicht überschreiten . Nach Ablauf der drei Jahre hat eine Überprüfung der Maßnahme zu erfolgen. Der Mitgliedstaat muss die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission drei Monate vor dem Inkrafttreten über die Maßnahme mit einer entsprechenden Begründung unterrichten.15 In der Verordnung findet sich darüber hinaus keine Regelung, die die Mitgliedstaaten im Bereich der Umweltschutzmaßnahmen ausdrücklich dazu ermächtigt, strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten. Dies spricht für eine abschließende Harmonisierung in Bezug auf Umweltschutzmaßnahmen innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung.16 Die Vereinbarkeit einer Verbotsregelung, die sich auf Klimaschutzerwägungen bezieht, ist daher ausschließlich anhand des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung zu überprüfen. Eine Vereinbarkeitsprüfung mit den Grundfreiheiten kommt nicht in Betracht. 2.4. Beschränkungen außerhalb von Klimaschutzerwägungen Sollte sich eine nationale Beschränkungsmaßnahme nicht auf Klimaschutzerwägungen beziehen, so wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass Möglichkeiten der Beschränkung und der Ver- 14 So Erwägungsgrund Nr. 18 der VO (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /de/TXT/?uri=CELEX:32008R1008. 15 Eine Prüfung der jeweiligen Voraussetzungen in Hinblick auf eine Einschränkung der Durchführung von Inlandsflügen in Deutschland und grenzüberschreitender Kurzstreckenflüge aus Klimaschutzerwägungen findet sich in der Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 072/19. 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-205/07 (Gysbrechts und Santurel Inter), Slg. 2008, I-9947, Rn. 33 ff.; hierzu auch Schröder, in: Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 114 AEUV, Rn. 46. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/21 Seite 8 sagung von innergemeinschaftlichen Verkehrsrechten grundsätzlich lediglich in den von der Verordnung vorgesehenen Ausnahmefällen bestünden.17 Auch für Beschränkungen außerhalb von Klimaschutzerwägungen lassen sich keine Regelungen in der Verordnung finden, die die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt, den Grundsatz des freien Streckenzugangs zu beschränken. 2.5. Fazit Die Prüfung der Kriterien nach Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung ist nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Diese luftverkehrsrechtliche Prüfung in Hinblick auf die Einschränkung bzw. vollständige Untersagung von Inlandsflügen und Kurzstreckenflügen wurde bereits in der Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 072/19 vorgenommen (Anlage). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Verbot von Kurzstrecken- und Inlandsflügen auf objektiven Kriterien beruhen müsste, um eine diskriminierungsfreie Maßnahme nach Art. 20 Abs. 1 S. 2 der Verordnung darzustellen. Bei einer Unterscheidung nach der Flugentfernung handelt es sich zunächst um ein objektives (nicht an der Staatszugehörigkeit zwischen inund ausländischen Unternehmen unterscheidendes) Kriterium. Eine Unterscheidung nach der Flugentfernung von 1.500 km wirkt sich dabei zunächst nicht grundsätzlich diskriminierend aus, da auch versteckt wohl keine unterschiedliche Behandlung zwischen in- und ausländischen Luftverkehrsunternehmen stattfindet. Es findet lediglich eine Unterscheidung zwischen Flügen, die weniger als 1.500 km Entfernung und solchen die mehr als 1.500 km Entfernung aufweisen, statt. Damit die Regelung auch faktisch diskriminierungsfrei ist, kommt es jedoch auf die konkreten Auswirkungen der Verbotsregelung auf die Betroffenen an.18 Um eine Prüfung der Auswirkungen auf die Betroffenen vornehmen zu können, ist die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes, etwa zu Ausnahmetatbeständen, maßgeblich. 3. Ergebnis Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass das Verbot von Kurzstreckenflügen und Inlandsflügen (unter 1.500 km Entfernung) ausschließlich anhand des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung zu überprüfen ist. Ein solches Verbot kann nur im Fall von schwerwiegenden Umweltproblemen in Betracht kommen, die eingehend darzulegen und nachzuweisen wären. Die Grundfreiheiten finden auf solch ein nationales Verbotsgesetz sowohl in Hinblick auf Klimaschutzerwägungen als auch bezüglich anderweitiger Gründe keine Anwendung. – Fachbereich Europa – 17 Vgl. Heyn/Roth, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. 2 – Luftverkehr, 2009, I.C., Rn. 411; so auch WD 5 – 3000 – 072/19, S. 5. 18 So auch WD 5 – 3000 – 072/19, S. 9.